Essen – Di., 25.10.2022, 19:30

ETB Schwarz-Weiß vs Rot-Weiss Essen 5:7 n.E.

Stadion Uhlenkrug, 3.522 Zuschauer, Niederrheinpokal Achtelfinale
Etwas gelangweilt machte ich mich auf zum Uhlenkrug. Zum einen ist das Stadt-Derby durch das jährlich im Sommer stattfindende ‚Pre-Season-Friendly‘ völlig ausgelutscht, zum anderen war ich ja erst vor zwei Wochen gegen Uerdingen bei den ‚Schwatten‘ zu Gast. Aber es war ja dieses Mal ein Pflichtspiel und so hängte ich mich an die Gefährten, um den glorreichen RWE spielen zu sehen. Im Verbandspokal werden gegen vermeintlich schwächere Gegner ja viele Ergänzungsspieler, Rekonvaleszenten oder für die Meisterschaft gesperrte Spieler gebracht, also Akteure die in den Liga-Spielen aktuell nicht so zum Zuge kommen. Dennoch hätte mich alles andere als ein einigermaßen deutlicher Sieg ohne große Spannung überrascht. Die schnelle 2:0-Führung nach einer knappen Viertelstunde schien das zu bestätigen. Der Turnerbund war mit der Situation überfordert und als nach einer halben Stunde das 3:0 fiel, war der Fisch dann auch gegessen. Dachten vermutlich alle! Beim Anschlusstreffer für den ETB wenige Minuten später schöpfte noch niemand Verdacht und so ging es als gefühlter Viertelfinalist in die Pause. Von diesem Gefühl ließ sich wohl auch der rot-weisse Trainierer leiten, als er nach Wiederanpfiff weitere Stammspieler austauschte. Die Zuschauer bekamen aber nun ein gänzlich anderes Spiel zu sehen. Die Schwatten zeigten sich mutig, zweikampfstark, beweglich und spielfreudig. Genau andersherum war es bei den Roten. Ein Fremder hätte vermutlich gedacht, die Trikotfarben seien vertauscht worden.
Der zweite Treffer für die Gastgeber ließ mich schon mal die Augenbrauen heben und die Turner blieben weiter am Drücker. Belohnt wurde der engagierte Auftritt des Underdogs mit dem Ausgleich in der Schlussminute. Bei dieser Kopfball-Bogenlampe sah Ersatzschnapper Wienand auch nicht gerade gut aus und der gesamte Kader des ETB begrub den Torschützen unter sich. Im guten Glauben hatte ich mich sogar schon Richtung Ausgang begeben, um schnell nach Hause zu kommen, stattdessen konnte nun zu meinen Leuten zurückkehren. Auch in der Verlängerung waren die Gastgeber das agilere Team, auch wenn es nun wieder ausgeglichener aussah. Allerdings fielen die Schwarz-Weißen auch durch erstaunlich viele Krämpfe und sich ewig ziehende Auswechslungen auf, das verwässerte den guten Eindruck etwas. Keine Treffer fielen mehr in der Extra-Time, es ging ins Penalty-Schießen, womit sich mein individuelles Gefühl von ‚sicher weiter‘ vor der Halbzeit zu ‚ausgeschieden‘ vor dem Elfer-Kicken wandelte, denn zuletzt konnte kein Rot-Weisser großartig glänzen, wenn vom Punkt geschossen wurde. Aber jede Serie reißt irgendwann und während ein ETB-Recke den Ball Uli Hoeneß-like in den Nachthimmel jagte und ein anderer am RWE-Keeper scheiterte, verwandelten alle Roten vom Punkt und der RWE kam mit einem ganz dicken blauen Auge davon und sprang der Blamage noch soeben von der Schippe.

Mannheim – Sa., 22.10.2022, 14:00

SV Waldhof Mannheim 07 vs Rot-Weiss Essen 1:2

Carl-Benz-Stadion, 8.910 Zuschauer, 3.Liga
Auf das Spiel beim SV Waldhof habe ich mich richtig gefreut. Vielleicht weil dieser Verein meinem Herzensclub so ähnlich ist, denn auch das Mannheim Publikum zeichnet sich durch eine erlesene Mischung aus Pöbel, Asis und Gesocks aus. Nicht ohne Grund nennen sie sich selber ‚Barackler‘, eine Anspielung auf die im Stadtteil Waldhof liegenden Benz-Baracken, einem sozialen Brennpunkt Mannheims, bekannt durch einschlägige Dokumentationen im Privat-Fernsehen. Fast 2.000 Rot-Weisse machten sich auf den Weg. Schon echt geil welche Masse sich aktuell bei Auswärtsspielen trotz des bescheidenen Saisonstarts auf die Reise begibt, das macht richtig Laune. Der Away-Bereich war vom Waldhof gut organisiert, es waren reichlich Catering-Stände geöffnet, so dass niemand lange auf Wurst oder Bier warten musste. Kompliment dafür, da haben andere Gastgeber auch schon auf ganzer Linie versagt. Das Spiel begann mit einem Paukenschlag der danach viel und deutschlandweit diskutiert wurde. Nach einem langen Ball behinderten sich der herausstürzende Waldhof-Keeper und ein Verteidiger gegenseitig. Der Schlussmann stieß dabei hart mit dem Kopf gegen das Knie des Defensiv-Mannes, ließ den bereits aufgenommen Ball fallen und blieb benommen liegen. RWE-Stürmer Berlinski der ganz nah an der Szene dran war, schob die Kirsche ins leere Tor. Das alles spielte sich innerhalb von zwei Sekunden ab. Der Schiedsrichter machte nach meiner Meinung alles richtig, befragte in Ruhe seine beiden Assistenten und entschied dann folgerichtig den Treffer anzuerkennen, da kein Foulspiel des RWE-Stürmers vorlag. Nach der Partie wurde ja auf allen Kanälen über mögliches mangelndes Fairplay diskutiert. Mehrfache Ansicht der TV-Bilder bestätigte aber nicht nur die richtige Entscheidung des jungen Referee, sondern auch, dass sich alles so schnell abspielte, dass es für Berlinski unmöglich war, im Spielstress zu erkennen, dass es den Waldhof-Schnapper härter erwischt hatte.
Es gab auch Stimmen, die meinten, RWE hätte eine sportliche Reaktion zeigen und Mannheim unbedrängt den Ausgleichstreffer schenken sollen. Auch das ist nach meiner Meinung Unsinn, denn das würde dem Schauspiel Tür und Tor öffnen. Wenn in dieser Gesamtsituation überhaupt ein Fehler steckt, dann dass Waldhof-Kapitän Seegert (noch) nicht vom Platz gestellt wurde, nachdem er Berlinksi aufgeregt hart anging und umstieß. Aber auch Seegert sei zugestanden, dass er die Situation nicht sofort richtig einschätzen konnte, was zwar den ausbleibenden Platzverweis prinzipiell nicht entschuldigt, aber menschlich nachvollziehbar ist. Ob die Gastgeber nun geschockt oder vom starken Anfangs-Pressing der Rot-Weissen überrascht waren, wird sich nicht mehr klären lassen. Gohlke, der Unglücksrabe aus der Szene vom ersten Tor, spielte jedenfalls wenige Minuten später einen zu kurzen Rückpass auf den Schlussmann, der spurtstarke Berlinski ging dazwischen und schob zum zweiten Treffer ein. Ausrasten im Gästeblock! Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht, dass der glorreiche RWE bei den bis dato in dieser Saison zu Hause noch verlustpunktfreien Mannheimern nach nicht mal einer Viertelstunde mit 2:0 führt. Erst nach einer halben Stunde kam der Waldhof das erste Mal gefährlich vor die Hütte von Jakob Golz. Und direkt klingelte es. Aus einer Ecke für Rot-Weiss entstand ein Konter und obwohl RWE-Rakete Isi Young mit zurück spurtete, gelang es dem schnellen Waldhof-Stürmer auf und davon zu gehen und auf den freien Mann quer zu legen, der ins leere Tor netzte.  Einen Kopfball hatte Golz dann noch zu entschärfen, aber insgesamt ging es mit einer verdienten Führung für ein mutiges Auftreten in die Kabine. Und das obwohl aufgrund von neun durch Sperren und Verletzungen bedingten Ausfällen bei Weitem nicht das Premium-Personal auf dem Rasen stand.
Nach dem Seitenwechsel ging es aber dann mehr und mehr Richtung Gäste-Tor, aber eine konzentrierte Defensiv-Leistung und ein brilliant aufgelegter Jakob Golz verhinderten den Ausgleich für die Barackler. Seegert holte sich noch spät seine insgesamt verdiente Rote Karte ab und dann war es geschafft. Vor der Heim-Kurve gab es dann noch Rudelbildungen zwischen beiden Teams, was wiederum Teile der Waldhof-Szene jetzt nicht so gut fanden und plötzlich standen 20 Mann auf dem Rasen, die aber schnell von heraneilenden Polizeikräften wieder auf die Ränge gebeten wurden. Mit diesem unerwarteten Dreier schafft der Deutsche Meister von 1955 den Anschluss ans Mittelfeld. Ich bin allerdings immer noch nicht von unserem Mann an der Linie überzeugt. Rhetorisch ist der einfach schwach und mir fehlt in seinem Verhalten auch unbedingte Empathie gegenüber dem Fan-Volk. Offenbar hat er aber die Mannschaft auf den richtigen Kurs gebracht, vielleicht bekommt er ja auch noch das Gesamtpaket hin. Ohne das aus einer neutralen Position bewerten zu können, bin ich recht sicher, dass der RWE-Anhang auch die Stimmungswertung gewonnen hat. Da hatte ich von der Waldhof-Kurve mehr erwartet, mehr Lautstärke und auch mehr Masse, da war ich etwas überrascht ob der Unterlegenheit gegenüber dem Gäste-Mob.
Auch auf der Straße war die ‚Stimmung‘ nachher hervorragend. Einigen wenigen gelang es, sich auch noch einmal körperlich auszutauschen, was bei Einzelnen wiederum leider mit einem Aufenthalt im Gewahrsam belohnt wurde und der Rest der am Rahmenprogramm interessierten Gemeinde übte sich getrennt durch eine Kette von Ordnungshütern im Pöbeln. Es waren auf beiden Seiten auch Leute der etwas älteren Krawall-Szenen zugegen, denen es allerdings mehr darum zu gehen schien, mal wieder zu zeigen dass es sie überhaupt noch gibt. Kein Wunder, denn für den Straßenkampf, dürften die Strategen schon etwas zu betagt sein. Wer schon ein paar Jahre mehr auf dem Buckel hat, dem werden ‚City-Boys 85‘ auf der einen und ‚Essener Löwen‘ auf der anderen Seite sicher etwas sagen. Schöne Oldschool-Szenerie – auch das erinnerte mich an die Hafenstraße. Die Heimfahrt war natürlich herrlich entspannt. Mit drei Punkten im Gepäck reist man einfach unbeschwerter ein paar hundert Kilometer nach Hause, als mit einer Niederlage.

Mülheim a. d. Ruhr – Fr., 21.10.2022, 20:00

SV Rot-Weiss Mülheim vs VfB Speldorf 1:2

Sportplatz Winkhauser Weg, 500 Zuschauer, Bezirksliga Niederrhein Gruppe 5
Bei milden Temperaturen nahm ich die knapp fünf Kilometer Anreise an die Mülheimer Bruchstraße mit dem Rad in Angriff. Obwohl der Entschluss, dieses Derby zu besuchen schon früh gereift war, kam ich aufgrund meines wieder einmal grandiosen Zeitmanagements noch so gerade eben rechtzeitig um das Pyro-Intro der kleinen RWM-Szene zu erleben. Findet wohl öfter statt und das machen die Jungs ja nicht ungeschickt und zünden außerhalb der Anlage hinter dem Zaun, um Schaden vom Verein fern zu halten. Sind ja nur ein wenig mehr als eine Handvoll Leute aber Mölmsch-beseelt kommt halt ab und an immer mal etwas Support aus der Ecke neben dem Catering. Die Vorzeichen in diesem sehr gut besuchten Bezirksliga-Spiels waren eindeutig. Der VfB hat als Landesliga-Absteiger den sofortigen Wiederaufstieg als Ziel ausgerufen und wurde der Rolle als ungeschlagener Tabellenführer auch gerecht. Die Mülheimer Rot-Weissen sind etwas schleppend in die Saison gekommen, haben zuletzt aber gepunktet und rechneten sich daher was aus. Der VfB zeigte sich leicht überlegen, aber die Gastgeber setzten immer wieder schnelle Nadelstiche und brachten einen davon auch zur Führung im Tor unter. In Hälfte zwei drückte der Favorit mehr und mehr, wurde aber selten gefährlich. Es dauerte bis in die Schlussviertelstunde, dass der Bann brach und der VfB auf Remis stellte. Rot-Weiss hätte für den starken Kampf einen Zähler verdient gehabt, aber nur kurz nach dem Ausgleich lag die Murmel dann auch zur Führung für die Gäste von der anderen Ruhrseite im Netz, was nach dem Schlusspfiff entsprechend gefeiert wurde. Die Anlage an der Bruchstraße hat mit ihrer Enge und der Hanglage an zwei Seiten durchaus Charme.

Gelsenkirchen – Do., 20.10.2022, 19:45

Spvgg Westfalia Buer vs SC Hassel 1:7

Stadion Lohmühle Platz 2, 65 Zuschauer, Kreispokal Gelsenkirchen 2.Runde
Irgendein Fußballspiel sollte es sein und die Wahl fiel auf den Kreispokal in Gelsenkirchen-Buer. B-Ligist Westfalia spielte auf dem Asche-Spielfeld der Anlage und was erst einmal unattraktiv klingt, hatte durchaus seinen Reiz. Zumal die Ascheplätze ja auch nach und nach aussterben. Da ich während meiner eigenen bescheiden talentierten Karriere selbst mehr als oft auf diesen Hartplätzen Rumpel-Fußball gespielt habe, ist mir dieser Belag eh in Fleisch und Blut übergegangen und das im wahrsten Sinne, denn einen kleinen Teil des alten, nicht mehr existenten schwarzem Ascheplatzes an der Tiroler Straße in Oberhausen trage ich in meinem linken Knie mit mir herum. Die Alternative, die mir damals auf dem Behandlungstisch des Chirurgen meines Vertrauens offeriert wurde, war das Ausbürsten der fiesen Schürfwunde mit einer Drahtbürste – keine Option für ein Weichei wie mich. Der Platz in Buer verfügt über ein wenig Ausbau. Die Seiten des Feldes dürfen sich über ein paar Stufen erfreuen und auf der vierten Seite stehen ein paar Bänke als Sitzgelegenheit bereit. Der Bezirksligist aus Hassel reiste ohne Trainer an. Dieser war von seinen Aufgaben entbunden worden, was einigen Spielern nicht passte, die sich dann ebenfalls verabschiedeten. Das Team wurde mit Spielern aus der zweiten Mannschaft aufgefüllt, was vermutlich mit ausschlaggebend dafür war, dass das Spiel nicht gerade ein Augenschmaus wurde. Der Favorit tat sich lange schwer, erzielte erst zehn Minuten vor dem Seitenwechsel die Führung, die dann im Laufe des zweiten Durchgangs glanzlos zum in der Höhe ungefähr erwarteten Kantersieg ausgebaut wurde. Überflüssig war allerdings die Ausführung des Elfmeters zum letzten Treffer, als der augenscheinliche Schütze den Ball für einen in den Strafraum sprintenden Mitspieler ablegte. Diese Überheblichkeit war angesichts der gezeigten Leistung eher peinlich.

Mülheim a. d. Ruhr – Mi., 19.10.2022, 19:30

Mülheimer FC 97 vs Wuppertaler SV 1:2 n.V.

Ruhrstadion, 800 Zuschauer, Niederrheinpokal Achtelfinale
Mit der Gattin steuerte ich das Mülheimer Ruhrstadion an, für meine Dame gewohntes Terrain, denn unweit von dieser Spielstätte ist sie aufgewachsen und der Schrebergarten der Schwiegermutter lag gerade mal eine Spielfeldbreite vom Stadion entfernt. Zuletzt war ich hier vor über zehn Jahren beim NRW-Liga-Gastspiel des glorreichen RWE gegen den VfB Speldorf zu Besuch. Eins meiner ersten live besuchten Fußballspiele sah ich auch in diesem Stadion. Irgendwann Mitte der 80er Jahre trat hier der SV Werder gegen RWO in der Saisonvorbereitung an. Also zog ich mir im Alter von vielleicht 13 oder 14 Jahren mein grün-weißes Adidas-Shirt an und fuhr mit dem Rad zum Ruhrstadion, wo der SVW 3:0 siegte, wie ich mich zu erinnern meine. Damals sah das Stadion allerdings noch nicht so aus wie heute, denn ein einfaches unbefestigtes Steh-Oval umgab das von einer Laufbahn umsäumte Spielfeld mit der gedeckten Haupttribüne auf der Geraden. Anfang des vergangenen Jahrzehnts wurde die Modernisierung des Stadions abgeschlossen. Schöner geworden ist es durch die Maßnahmen nicht. Die Stehstufenanlage wurde zurückgebaut und nur auf der Gegenseite betonierte Stufen im unteren Bereich errichtet. Die Haupttribüne bekam neue, rote Sitzschalen und der Naturrasen wurde durch einen Kunstrasen ersetzt, der mit einem Stabgitterzaun gesichert wurde. Insgesamt eine eher bescheidene Lösung.
In den 70er Jahren war der 1.FC Mülheim Nutzer des Stadions, der ja auch eine Saison in der 2.Bundesliga antrat. Anfang des neuen Jahrtausends spielte der mittlerweile aufgelöste Club Galatasaray Mülheim hier und danach der von seiner ‚Blötte‘ vertriebene VfB Speldorf. Mittlerweile ist der VfB an der Saarner Straße beheimatet und der aktuelle Nutzer ist der Landesligist Mülheimer FC 97, vormals MFC Vatangücü. Das Stadion hat also viele Vereine kommen und gehen sehen. Heute war der WSV im Achtelfinale des Niederrheinpokals zu Gast und brach sich fürchterlich einen ab. Natürlich spielten die Gastgeber auch eine unerwartet starke Partie, aber bei zwei Ligen Unterschied hatte ich dennoch mit einen sichtbaren Klassenunterschied gerechnet. Zwar macht der WSV das Spiel, blieb aber einfallslos und vor dem Tor weitgehend ungefährlich. Der MFC brachte die Kirsche dagegen bei einem Konter nach schöner Einzelaktion zur umjubelten Führung im Tor unter. Der Ausgleich fiel in einer Wuppertaler Druckphase noch in Halbzeit eins. Im zweiten Durchgang gelang es den Gästen weiterhin nicht, das Abwehr-Bollwerk zu durchbrechen und die Mülheimer verschafften sich mit schnellen Kontern immer wieder Luft. So dauerte es bis in die Verlängerung, ehe der WSV das Weiterkommen zwar verdient aber äußerst mühsam sicherstellte. Die Ultras Wuppertal waren in eher überschaubarer Zahl angereist, unterstützten ihr Team auch konstant, stellten den Support aber im Laufe der zweiten Halbzeit der Verlängerung ein. Verständlich.

Anderlecht – So., 17.10.2022, 18:30

RSC Anderlecht vs Club Brugge KV 0:1

Constant Vanden Stock Stadion, 18.000 Zuschauer, Pro League
Alleine ging es weiter in die Capitale des Landes. Anderlecht gehört allerdings nicht zur Stadt, sondern zur Region Brüssel, denn ähnlich wie im Großraum Paris ist das ‚echte‘ Brüsseler Stadtgebiet selbst nur ein kleiner Teil der millionenschweren Agglomeration. Das ‚Constant Vanden Stock Stadion‘ liegt mitten im Wohngebiet. Genau wie am Mittag in Sclessin, waren auch hier die Straßen um das Stadion voll mit Fans, die sich um die Bars, Cafés und Fressstände drängten. Absolut geniale Atmosphäre, erinnerte an die Szenerie um das ‚Hafenstübchen‘ in Essen, nur dass in Liège und Anderlecht ein Vielfaches an Menschen auf den Straßen unterwegs war. Weltklasse jedenfalls, das ist einfach authentisch und an den Standorten neuer Arenen vor den Toren der Städte, wie in Deutschland zum Beispiel in Mönchengladbach, Mainz oder an der Münchener Arroganz-Arena, niemals zu erreichen. Nach einem genialen Mexicano-Baguette mit geschmorten Zwiebeln und Sauce Andalouse ging es rein ins Stadion. Irgendwie ja gar nicht so spektakulär mit seinem rundherum laufendem Doppelrang, der nur in einer Ecke zugunsten eines Logen-Baus unterbrochen wird, aber es gefällt mir dennoch sehr gut und auch hier ist der Abstand zum Spielfeld knapp bemessen. Ausverkauft hieß es gegen Club Brugge, was heute nur 18.000 Zuschauer bedeutete. Über 1.000 Gäste waren aus der Hauptstadt Westflanderns mitgereist, Bus um Bus rollte auf den Parkplatz hinter dem Gäste-Sektor, in dem sich dann ein schöner Fußball-Pöbel breitmachte.
Leider war von diesem nicht viel zu hören, was weniger am eigenen Willen lag, als an der erstaunlich guten Stimmung, die vom Anhang der Gastgeber ausging. Leider ist die Situation hier noch etwas komplizierter als bei Standard, denn hier sind gleich drei verschiedene Blöcke am Mischpult. Das ist wohl irgendwie von den Nachbarn im Süden über die Grenze geschwappt, dort wird ja im Stadion auch nicht an einem Strang gezogen. Hinter dem einen Tor ist die älteste aktive Gruppe um die ‚Mauves Army‘ im Einsatz und hinter dem anderen befinden sich die ‚South Leaders‘. Außerdem hampelt schräg über den ‚Leaders‘ im Oberrang noch eine weitere Gruppe mit einem Megafon rum, das allerdings deutlich schwächer und inkonstanter als die beiden größeren Gruppierungen. Das Gesamtpaket hat mir dennoch gefallen, weil es eigentlich durchgehend laut war und einige Lieder auch gemeinsam getragen wurde. Die Gäste traten favorisiert an, um den RSC ist es nach erfolgreichen Jahrzehnten mit vielen Meister-Titeln – der Verein ist mit Abstand belgischer Rekordmeister – deutlich ruhiger geworden, was auch an reduzierten finanziellen Möglichkeiten liegt. Das hemmte aber die Mannschaft nicht, der RSC machte ein klasse Spiel, schaffte es aber nicht, das Spielgerät in die Maschen zu befördern. So schlug die im Fußball liegende Gemeinheit mal wieder zu und die Blau-Schwarzen konnten ihre eigentlich einzige brauchbare Möglichkeit zum Treffer des Tages nutzen, der allerdings wirklich stark herausgespielt wurde. So blieb für die Violetten nur der Trost des Publikums, das ein starkes aber ertragloses Spiel zurecht anerkannte und Applaus spendete.

Liège – So., 17.10.2022, 13:30

Standard de Liége vs Royal Antwerp FC 3:0

Stade Maurice Dufrasne, 21.607 Zuschauer, Pro League
Über zehn Jahre liegt der letzte Besuch im ‚Stade Maurice Dufrasne‘ in Sclessin zurück. Die Bude gehört in die Kategorie der Stadien, die man aufgrund Architektur und Atmosphäre sicherlich immer mal wieder aufsuchen kann. Zudem gehört Der Royal Standard Club zu denjenigen Vereinen, denen meine Sympathie gehört und auch die Farben könnten nicht besser sein. Das Spiel gegen den aktuellen Tabellenführer Royal Antwerp schien mir ein angemessener Anlass für einen erneuten Besuch, nur ist das mit der Ticketbeschaffung in Belgien oft nicht ganz so einfach. Eine Registrierung für den Ticket-Erwerb ist bei den Vereinen West- und Mitteleuropas ja mittlerweile beinahe obligatorisch – in Belgien muss man aber meist noch seine Identität nachweisen. Standard akzeptiert diese Verifizierung aber nur bei persönlicher Vorsprache. Zwar ist das auch Spieltag selber möglich, das schien mir aber zu knapp, denn ich hatte ein ausverkauftes Spiel erwartet, was letztlich aber nicht eintrat. Dennoch gut, dass man einigermaßen ordentlich vernetzt ist, auch wenn es letztlich eher Zufall war, dass der Kontakt zustande kam. Über jemanden (Danke, Sven), der jemanden kennt (Danke, Carsten), der jemanden mit Standard-Mitgliedschaft kennt (Danke, Marc) wurde diese Hürde letztlich ziemlich easy genommen. Mit Carsten, den ich in Kaarst einsammelte, wurde die Anreise nach Sclessin mit ordentlichem Zeitpuffer absolviert, um einen günstigen Parkplatz zu ergattern, denn die Parkplatzsituation an der Maas (oder Meuse) ist ja ähnlich beschissen wie an der guten, alten, einzig wahren Hafenstraße in der Stadt des Deutschen Meisters von 1955 und ich hatte ja noch einen Anschlusstermin. Relativ knapp vor dem Spiel trafen wir mit Marc zusammen, der uns die Tix übergab. Für mehr als ein paar Minuten Smalltalk war leider keine Zeit mehr, aber das ergibt sich bestimmt mal wieder, denn ich denke, dass es bis zu meinem nächsten Besuch in diesem wunderbaren Stadion nicht wieder so lange dauern wird.
Also rein in diese enge Hütte mit den unfassbar steilen, nah am Spielfeldrand liegenden Tribünen. Da unsere Plätze auf der Hintertor-Tribüne lagen, auf der sich auch der Away-Sektor befindet, war dieser schlecht einzusehen. Ich schätze, dass etwa 1000 Jungs und Mädels aus der Hafenstadt angereist waren. Diese hätten wir eigentlich gut hören müssen, aber dem war nicht so, was ich einigermaßen enttäuschend fand. Dabei entfachten die Gastgeber nicht einmal den heiße Atmosphäre, den ich mir erhofft hatte. Zwar wurde es einige Male gut laut, was zeigte, wie schnell hier ein Hexenkessel entstehen kann, aber insgesamt fehlte der Partie die Brisanz, welche in den Spielen gegen den Erzrivalen aus Anderlecht oder den wallonischen Kontrahenten aus Charleroi besteht. Hinter beiden Toren haben Ultra-Gruppen ihren Platz. Im Norden sind das ‚Ultras Inferno 96‘ und ‚Hell Side 81‘, welche beide sicherlich die führende Rolle in der Szene einnehmen, und auf der Maas-Tribüne im Süden ist es ‚Publik Hysteric Kaos 04‘. Letztere boten eine kleine Choreo mit Stangen-Ballons in den Vereinsfarben und ein Banner, welches ungefähr lautete „Der Club, der uns seit vielen Jahren stolz macht“. Über dem Banner von ‚Ultras Inferno‘ hingen ein paar kleine Lappen des ‚Gate 9‘ von Omonia Nikosia. Es gibt doch immer wieder Ultra-Freundschaften, die einem Rätsel aufgeben. Leider hatte die Nordtribüne außer einer dünnen Rauchsäule im Oberrang optisch nichts anzubieten.
Die Mannschaft hatte dafür aber um so mehr anzubieten, denn nach gerade einmal zwei Zeigerumdrehungen fiel schon der Führungstreffer nach miserabler Verteidigung der Gäste-Abwehr. Und Standard, übrigens seit 100 Jahren ununterbrochen Mitglied der höchsten Spielklasse, spielte den Favoriten weiter schwindelig, was blitzschnell zu den Treffern zwei und drei führte, so dass nach nicht einmal zehn gespielten Minuten eine 3:0-Führung an der Anzeigetafel leuchtete. So einen furiosen Start habe ich einem Erstliga-Spiel lange nicht oder noch gar nicht live erlebt. So irre und schön das für den Standard-Anhang auch war, war es für das Spiel natürlich Gift, denn die Gastgeber nahmen bewusst oder unbewusst den Fuß vom Gas. Der RAFC kam besser in die Partie, wurde aber nie gefährlich, geschweige denn, dass man das Gefühl hatte, die Partie könnte irgendwann noch einmal spannend werden oder sogar kippen. Die frühe 3:0-Führung war auch das Endresultat und die fehlende Anspannung auf den Rängen zog dann auch dem Support den Zahn, der nur noch von den führenden Gruppen ausging. So wird mir die Veranstaltung als durchschnittlich in Erinnerung bleiben, was aber nichts an meiner guten Meinung von der Standard-Szene und erst recht nichts an meiner Begeisterung für dieses Stadion ändert. Erneuter Besuch ist garantiert.

Essen – Sa., 15.10.2022, 14:00

Rot-Weiss Essen vs SG Dynamo Dresden 1:1

Stadion an der Hafenstraße, 18.300 Zuschauer, 3.Liga
RWE gegen Dynamo. Sicherlich eine attraktive Paarung aber der Hype, der um dieses Spiel entstand, war nach meinem Eindruck dann doch erstaunlich groß. In Nullkommanix war der Kick ausverkauft und die Kartengesuche in den sozialen Netzwerken überstiegen danach die Angebote um ein Vielfaches. Dynamo kam mit ordentlicher Fan-Wucht, aber nicht mir derjenigen, die möglich gewesen wäre. Nachdem ein Teil der Szene den Gästebereich in Bayreuth auf links gekrempelt hatte, entschied der Dynamo-Vorstand, Tix für das Spiel beim glorreichen RWE nur an Vereinsmitglieder zu verkaufen und das auch nur in einer knapp bemessenen Verkaufsphase. 1500 Gäste dürften es aber dennoch gewesen sein, die den Gästeblock mit einer beinahe maßgeschneiderten Blockfahne bedeckten. Da es ja auch bei den Roten rund um die bereits thematisierten 76 erteilten Hausverbote ziemliche Aufregung gab, entschieden sich beide Vereine für eine gemeinsame Aktion gegen Fußball-Gewalt. Die Kapitäne verlasen jeweils Statements und RWE untermauerte diese auf der Anzeigetafel. Ja, sicherlich eine gute Aktion, aber letztlich doch nicht mehr als eine Geste für die Allgemeinheit und die reflektierten Fans, denn die Leute, die angesprochen werden sollten, wird man kaum erreicht haben.
Die rot-weiße Ultra-Szene hat sich entschieden, den Support trotz der restriktiven Maßnahme fortzusetzen. Eine Entscheidung, die ich begrüße, denn auch wenn ich Ultra insgesamt eher kritisch gegenüberstehe, erkenne ich doch an, dass die Jungs der Motor der Kurve sind. Ohne diese wäre dann doch ziemlich tote Hose, das hat sich in der Vergangenheit schon gezeigt. Der RWE kam gut in die Partie, erzwang durch frühes Pressing Fehler in der Dynamo-Verteidigung und erntete daraus ein paar gute Offensivaktionen. Die Gäste wirkten beinahe überrascht und ließen Konstruktivität im ersten Durchgang vermissen. Nach Wiegels Volley-Lattenkracher ist das Aluminium hoffentlich auf Deformation untersacht worden. Leck mich, war das eine Fackel! Hätte mit einem Treffer belohnt werden müssen, aber viel Zeit zur Trauer blieb nicht. Denn Isi Young hetzte einem recht kurzen Rückpass hinterher, bei dem der Dynamo-Schnapper eigentlich noch alle Optionen offen hatte, aber dann doch relativ unbedrängt Young anschoss und der Ball trudelte zur Führung ins Tor. Kurios aber verdient. Noch besser gefiel mir eigentlich die Szene, als ein Gäste-Spieler einen Ball zum Einwurf aufnahm, der die Seitenlinie noch gar nicht überschritten hatte, was folgerichtig mit einem Freistoß für RWE belohnt wurde.
Wenn es beim Pausenpfiff etwas zu kritisieren gab, dann dass die Führung höher hätte sein dürfen, wenn nicht gar müssen. So gab die Schlüsselszene wenige Minuten nach Wiederanpfiff dem Spiel die Wendung. Wiegel wurde von einem Dresdener beharrlich und provokant festgehalten, riss sich los und schlug mit dem rechten Arm nach. Für eine unbeherrschte Person wie mich eine nachvollziehbare Reaktion, erst recht in dieser aufgeheizten Atmosphäre. Der Referee ahndete das allerdings mit einem Platzverweis – hart, aber vertretbar. Leider musste kurz danach auch der verwarnte Götze sicherheitshalber das Feld verlassen. Ich finde es ja geil, dass der so abgeht, super Nachverpflichtung und die Seele des rot-weißen Spiels, aber die fünfte Gelbe im sechsten Spiel riecht auch ein wenig nach Übermotivation. Dynamo war in der Folge nur noch am Drücker, RWE gelang nur selten Entlastung. Dennoch wehrten sich die Roten sehr gut gegen den Dauer-Druck, Keeper Golz war bei den vermehrt auftretenden Torchancen der Sachsen auf dem Posten. Die Hereinnahme von Wollschläger zehn Minuten vor dem Ende, brachte nicht die gewünschte Entlastung. Im Gegenteil – der Junge fand überhaupt nicht in die Partie, wirkte wie ein Fremdkörper. Und ihm unterlief der einfache Ballverlust, welcher die Flanke zum letztlich verdienten Ausgleich für die Gäste zwei Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit ermöglichte. Schade, dass der große Kampf nicht mit drei Punkten belohnt wurde. Es wird bei späten Ausgleichstreffern gern von der gefühlten Niederlage gesprochen. Kennt man in Essen eh ganz gut, dieses Gefühl. Heute war das anders, denn der RWE hat endgültig gezeigt, dass er mit den Großen der Liga gut mithalten kann. Nicht, dass ich mit meiner Kritik an Coach Dabrowski bald noch zurückrudern muss…