Exkurs: Die Vestische Kampfbahn

Vestische Kampfbahn in Gladbeck

Als ich während der ersten Lockdown-Phase viel mit dem Rad unterwegs war, führte mich der Weg auch mal ins nahe Gladbeck. Ziel war dort die ‚Vestische Kampfbahn‘, welche heute nur noch den lieblosen und charakterfreien Namen ‚Stadion Gladbeck‘ trägt. Mein erster Besuch hier hat in den frühen 90er Jahren stattgefunden. Der glorreiche RWE trug ein Freundschaftsspiel aus, welches dick und fett zweistellig gewonnen wurde. Den Gegner kann ich allerdings nicht mehr sicher benennen. Blass kann ich den Nebelschwaden den Namen VfB Kirchhellen erkennen, aber wirklich sicher bin ich mir nicht. Ein weiteres Mal weilte ich vor einigen Jahren zum Pokalfinale des Kreises Gelsenkirchen in diesem wundervollen Rund. Fußballspiele finden eher selten in der Kampfbahn statt. Diese wird überwiegend für leichtathletische Disziplinen genutzt. Was schade ist. Denn das unter Denkmalschutz stehende Stadion ist genauso beeindruckend wie gepflegt. Mit seinem wuchtigen Hauptportal, den weiteren beiden Zugangstunneln und den weitläufigen, unbefestigten Rängen fühlt man sich in andere Zeit versetzt. Genau 37.612 Zuschauer finden Platz, 1.400 davon auf der Sitztribüne, die erst vor gut zehn Jahren mit einer zeltartigen Konstruktion überdacht wurde. Bis in die 80er Jahre waren Sitzplätze überhaupt nicht vorhanden und die weiten Ränge boten ausschließlich Stehplätze. Eröffnet wurde die Kampfbahn 1928. Einen dauerhaft nutzenden Verein gab es nie. In den Jahrzehnten vor und nach dem Krieg wurden einzelne Endrunden-Spiele um die westdeutsche Meisterschaft und die deutsche Meisterschaft ausgetragen. Die STV Horst-Emscher ging zu Zeiten der Oberliga West der Fußlümmelei in der Kampfbahn nach. Nach der Jahrtausendwende spielte Germania Gladbeck zu Oberliga-Zeiten im Stadion und auch der SV Zweckel war kurzzeitiger Nutzer. Wenn sich die Gelegenheit bietet, werde ich sicher mal wieder in diesem Stadion zu Gast sein.

Bergisch Gladbach – Sa., 07.11.2020, 14:00

SV Bergisch Gladbach 09 vs Rot-Weiss Essen 0:2

Stadion an der Paffrather Straße, 30 Zuschauer, Regionalliga West
Der unterklassige Fußball ruht in ganz Deutschland. Ganz Deutschland? Nein! Eine unbeugsame Regionalliga im Westen Deutschlands hört nicht auf, Fußball zu spielen. Als Schwellen-Liga zwischen Profi- und Amateurfußball wurde die Regionalliga West als professionell strukturierte Liga eingestuft, in der Menschen beschäftigt werden, die den überwiegenden Teil Ihres Lebensunterhaltes durch den Fußball beziehen. Damit fällt diese Liga nicht unter die Corona-Schutzmaßnahmen, welche den Amateursport zunächst bis Ende November verbieten. Wo also gespielt wird, besteht auch immer irgendwie die Chance als Zuschauer dabei zu sein, auch wenn diese sicherlich klein ist. Dank freundlicher Unterstützung des Heimvereins war es mir möglich, das Spiel der Roten in Bergisch Gladbach im Stadion zu verfolgen. Natürlich hält sich der Spaßfaktor in Grenzen, aber unter dem Strich bleibt das aktuell äußerst selektive Erlebnis, die Mannschaft des Herzens-Clubs spielen zu sehen. Das tat diese dann überzeugend, wenn auch ohne große Glanzpunkte zu setzen. Die Gastgeber hauten wohl so ziemlich alles raus was geht und machten wirklich ein ordentliches Spiel, aber das reichte nicht gegen eine kombinationsstarke und hochkonzentrierte Rot-Weiss-Elf. Der es allerdings im ersten Durchgang nicht gelang die Überlegenheit in brauchbare Torchancen zu verwandeln. Viel effektiver wurde es auch nach der Pause nicht. So musste ein Elfmeter zur Führung herhalten. Letztlich machten die Roten aus ihrer Überlegenheit zu wenig und so wären die Gastgeber kurz vor dem Ende beinahe zum schmeichelhaften Ausgleich gekommen. Schnappmann Davari, der in diesem für einen Keeper sehr undankbaren Spiel nur dieses einzige Mal ernsthaft geprüft wurde, verhinderte den Treffer mit einer starken Parade. Durch den zweiten Nachschuss nach einem weiteren Strafstoß in der Schlussminute machte der RWE dann spät den Deckel drauf. Aber das sind diese Spiele, bei denen alle nur über die Höhe des Sieges diskutieren, die aber eben auch erst mal gewonnen werden wollen. Abhaken, weiter marschieren!

Halberstadt – So., 01.11.2020, 13:30

VfB Germania Halberstadt vs SV Babelsberg 03 2:2

Friedensstadion, 337 Zuschauer, Regionalliga Nordost
Letzter Akt vor dem neuerlichen Lockdown und ein halbwegs vernünftiges Spiel sollte es noch sein. Bei der finalen Abwägung zwischen Meuselwitz und Halberstadt fiel die Entscheidung für das Vorharzland aufgrund des etwas kürzeren Heimweges, wohlwissend dass die Partie ohne aktive Gäste-Szene stattfinden sollte, da diese sich mehr oder weniger freiwillig in der Corona-Auszeit befindet. Das war allerdings beim Spiel in Sachsen nicht anders, auch wenn es dort die Hygienevorschriften waren, welche die Anwesenheit von Gäste-Fans verboten. Die Fahrt aus Thüringen nach Sachsen-Anhalt führte mich durch den Naturpark Südharz. Schöne Ecke, war mir bis dato gar nicht bekannt. Der VfB Germania war ziemlich bescheiden in die Saison gestartet, hatte sich aber zuletzt gefangen und die Abstiegsplätze verlassen. Etwas besser hatte es der Club aus der Filmstadt gemacht, mehr als ein solider Mittelfeldplatz im Tableau sprang aber auch nicht dabei raus. Ungefähr so war dann auch das Spiel anzuschauen. Ein solider Regionalliga- Kick ohne großen Glanz, möchte ich attestieren. Vier gerecht verteilte Tore gab es zu sehen, passt schon so. Ein etwas bessere Kulisse hatte ich mir allerdings doch erhofft. Die Ultras Halberstadt unterstützen ihr Team auch eher sporadisch, sendeten im zweiten Durchgang aber sogar eine schwarze Rauchsäule in den trüben Himmel. Das rief den Stadionsprecher auf den Plan, der den Jungs durch die Blume direkt mal ne Abreibung androhte – so eine Ansage habe ich auch nicht gehört. So ging es ohne großen Aufreger in die neuerliche Corona-Pause. Fühlte sich so ein bisschen an wie die letzte Hülse im Bierkasten, die letzte Praline in der Schachtel, die letzte Tankstelle vor der Autobahn. Der Vorhang ist also erst einmal wieder gefallen, nun heißt es wieder wochenlang auf bessere Zeiten zu hoffen. Zugegeben – der Glaube an eine positive Wende noch in diesem Jahr fehlt mir. Ich fürchte, da ist eher wieder ein langer Atem nötig.

Suhl – Sa., 31.10.2020, 14:00

1.Suhler SV 06 vs FSV 06 Eintracht Hildburghausen 2:1

Auestadion, 156 Zuschauer, Landesklasse Thüringen Staffel 3
Selbst die Hools aus Liverpool haben Angst vor Motor Suhl! Dass ich diese Nahtod-Erfahrung überhaupt machen durfte, hatte einzig und allein der alles beherrschende Virus zu verantworten. Zunächst zeichnete sich ab, dass immer mehr Kreise und Verbände den Spielbetrieb bereits aussetzen würden, obwohl die neuerlichen Beschränkungen erst ab Montag gelten sollten. Daher schien der Blick in die östlichen Regionen ratsam, da die Lage dort noch weniger instabil war und die Verbände gewillt schienen, das letzten Wochenende vor der staatlich angeordneten Amateursport-Pause für den Spielbetrieb zu nutzen. Ursprünglich sollte es dann heute zu Viktoria Berlin gehen, das Regionalliga-Spiel wurde aber wegen einer CoVid-Diagnose eines Spielers abgesagt. Kein Problem, denn mit dem Spiel des 1.FC Frankfurt/Oder war eine gute Alternative gegeben. Aber auch bei dessen Gegner wütete kurzfristig das Virus, was zur Spielabsage führte. Dann halt Blau-Weiß 90, immerhin ein ehemaliger Bundesligist, im schönen Volksparkstadion Mariendorf, dort war aber der Rasen unbespielbar und der Kunstrasenplatz der eigentlich genutzten Anlage des Vereins, auf den verlegt wurde, wenig attraktiv. Dazu sollte die Partie wegen des gefährlichen Gegners Hansa Rostock unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Wohlgemerkt der zweiten Mannschaft des FC Hansa!! Paranoia alléz! Also musste wohl oder übel, die Richtung geändert, und andere Bundesländer in die Verlosung genommen werden. Anker Wismar schien attraktiv, aber in der Gegend bot sich bei eventueller plötzlicher Absage keine vernünftige Alternative. Sachsen schien die Lösung zu sein, aber die Kickers Markkleeberg mussten ohne Zuschauer auskommen, das örtliche Gesundheitsamt wollte es so. Bei Frischauf Wurzen wäre das bestimmt anders, dachte ich, aber das war auch nur meine Meinung, denn auch hier waren keine Besucher erlaubt. Das alles konnte online eruiert werden – immerhin.
Tief in Thüringen, einem der wenigen nicht ganz so stark von Infektionen betroffenen Landstriche, wurde ich dann fündig. Beim 1.Suhler SV 06 wurde ohne große Aufregung die angesetzte Landesklasse-Partie geplant. Nebenbei hätte es bei nicht zu später Absage brauchbare Alternativen gegeben. Der Suhler SV ist der Nachfolgeverein des DDR-Clubs BSG Motor Suhl, der es Mitte der 80er Jahre gar für eine Saison in die DDR-Oberliga schaffte. Ein One-Hit-Wonder im Tasmania Berlin-Style. Mit nur fünf Punkten und einem Sieg aus 26 Spielen stiegen die Thüringer sang- und klanglos wieder ab. Die BSG gehörte übrigens dem Motorenwerk Simson, in dem das DDR-Kult-Moped ‚Schwalbe‘ hergestellt wurde. Nach der Wende nahm die Betriebssportgemeinschaft den Nahmen 1.Suhler SV 06 an, den der Verein schon vor dem zweiten Weltkrieg trug. Dessen Auestadion ist in der DDR-Zeit hängen geblieben. Unverkennbare Merkmale des nostalgischen Rundes sind die noch funktionstüchtige alte Anzeigetafel, die antiquierte Lautsprecheranlage und der charakteristische Sprecherturm. Auch die verwitterten Stufen erzählen DDR-Fußballgeschichte. Auf ihre eigene Art zeigt sich eine wundervolle Spielstätte. Bis vor wenigen Jahren türmte sich hinter einer der Geraden ein utopisch monströser Plattenbau-Riese auf, der dem Stadion eine ganz spezielle Kulisse gab, der aber rückstandslos (und auch rücksichtslos) abgerissen wurde. Dass der Bau weggerissen wurde, hat sicherlich auch mit dem Einwohnerschwund der Stadt zu tun. Im Vergleich zur Vorwendezeit hat Suhl gerade mal noch knapp 60% seiner Einwohner. Die Gegend – so schön sie landschaftlich auch ist – gehört zu den strukturschwachen der Republik.

Wermelskirchen – Mi., 28.10.2020, 19:30

SV 09/35 Wermelskirchen vs Rot-Weiss Essen 0:5

Eifgen-Stadion, 100 Zuschauer, Niederrheinpokal 1.Runde
Das Erstrundenspiel des Verbandspokal in Wermelskirchen, bot mir – dank freundlicher Unterstützung des gastgebenden Clubs – die Chance, mal wieder einen Kick meines Herzensclubs zu sehen, auch wenn sich der Spannungsfaktor bei dieser Veranstaltung sicherlich eher im unteren Bereich bewegte. Nach eigener Aussage durften die Gastgeber nur 100 Leute auf die Anlage lassen, es sah aber letztlich eher nach 150 Personen aus. Den Besuch im Eifgen-Stadion hatte ich lange aufgeschoben. Bei den noch nicht besuchten besseren Anlagen auf dem Gebiet des Fußballverbandes Niederrhein besteht halt immer die leise Hoffnung, dass der glorreiche RWE mal im Verbandspokal zugelost wird, sich ein anderer attraktiver Club vorstellen darf oder zumindest ein brauchbares Liga-Spiel ansteht. Daher war ich erst im letzten Dezember zum Derby gegen den FC Remscheid hier aufgeschlagen. War ja klar dass der RWE dann kein Jahr später ebenfalls hier antreten sollte. Im Eifgen gibt es eine kleine überdachte Tribüne mit Steh- und Sitzplätzen, was bei der unbeständigen Witterung von Vorteil war. Das Spiel lief dann, wie solche Spiele halt fast immer laufen. Der Landesligist gestaltete die Partie in der ersten Hälfte annähernd ausgeglichen und erarbeitete sich auch zwei, drei gute Einschussmöglichkeiten. Selten wird der Außenseiter dann für seine Leistung belohnt. Stattdessen erzielt der Favorit meist nach einiger Zeit die Führung oder erspielt sich über die volle Distanz ausreichend Vorteile, um einen glanzlosen Sieg zu erringen. Ihr dürftet erraten haben, wie diese Partie nun verlief. Das Ergebnis fiel dann am Ende zu deutlich aus, denn der SVW hatte sich teuer verkauft, auch wenn die Roten nur mit dem zweiten Anzug angetreten sind.