Abidjan – Fr. 31.03.2023, 15:30

Lanfiara Sport d’Attécoubé vs ASC Ouragahio 1:2

Stade Robert Champroux, 200 Zuschauer, Ligue 2
Um kurz nach sieben verließ ich dann meinen Leibarzt, der mit einem späteren Flug in Richtung Portugal weiterreiste, und nahm ein Moto zum nahen Flughafen. Am für die Fußgänger bestimmten Zugang quasselte der zuständige Beamte dann irgendwas auf mich ein. Es stellte sich heraus, dass die Schleuse zum Durchleuchten defekt war. Zwei Einheimische strandeten ebenfalls und wir wurden zur etwa zwei Kilometer entfernten Fahrzeug-Zufahrt geschickt. Die beiden hielten ein Auto an, in das ich mich einfach mit hineinsetzte. Niemand protestierte und einer der beiden bezahlte den Fahrer am Ziel. Besten Dank dafür. Air Cote d’Ivoire brachte mich mit einer etwas verwohnten De Havilland-Propellermaschine in 70 Minuten sicher nach Abidjan, der mit über 5 Mio Einwohnern größten Stadt der Elfenbeinküste. Die ersten Taxi-Mafiosi wurden umschifft – einer rief 20.000 CFA auf, über 30 Euro, dafür musste ich ihn erstmal auslachen – und eine SIM-Karte wurde erworben, die gefühlt auch viel zu teuer war. Ein findiger Ivorer beschaffte mir dann über die Uber-gleiche App ‚Yango‘ ein Fahrzeug für faire 3.400 CFA zum Hotel. Der erste Eindruck zeigte, dass Abidjan deutlich aufgeräumter ist als Lomé und erst recht als Cotonou, allerdings war der Verkehr viel dichter und die Hauptstraßen oft zugestaut. Das Moto-Fahren hatte hier nun ein Ende. Das Yango-Taxi und ein mit modernen Bussen ausgestatteter ÖPNV waren nun die Mittel der Fortbewegung. Nach dem Check-in im recht ordentlichen aber auch recht teuren Hotel ‚Lavida‘ im Stadtteil Marcory führte der erste Weg zum Fußballverband. Die ersten Kilometer bewältigte ich zu Fuß, um erste Eindrücke aufzusaugen, für den restlichen Weg rief ich ein Yango.
Beim Verband wurde ich freundlich begrüßt, man musste mir aber mitteilen, dass die erste Liga am bevorstehenden Wochenende komplett pausiert, da ASEC, der Vorzeige-Club des Landes, ein Spiel im Confederations-Cup, mit der Europa League zu vergleichen, austrug. Die ganze Liga pausierte, weil ein einziger Club international antrat – this ist Africa. Das er erst tief in den Rechner schauen musste, um das herauszufinden, war die Kirsche auf der Bananentorte. Der Spielplan der zweiten Liga wurde mir aber in die Hand gedrückt und da sowieso in denselben Stadien gespielt wird, wie auf höchstem Niveau und sich die Zuschauerpräsenz beim Liga-Fußball generell in Grenzen hält, war das dann auch egal. Ein wenig schlenderte ich durch das benachbarte Marktviertel. Finde ich ja immer wieder spannend, aus der Markthalle selbst trieben mich aber die für europäische Nasen wenig erträglichen Gerüche schnell wieder hinaus. Dann holte ich mir neben dem Hotel beim Vietnamesen was zu essen, verzog mich aufs Zimmer und wartete auf meine neue Reisebegleitung, die dann gegen 21:00 Uhr eintraf – günstig, dass ich mich beim Vornamen nicht umgewöhnen musste. Die Kondition reichte nur noch für den Besuch in einer Bar neben dem nahen ‚Stade Robert Champroux‘, wo wir uns länger aufhielten als geplant, was an einem heftigen Unwetter lag, welches die Straße komplett unter Wasser setzte. Daher mussten wir uns erstmal gedulden, bis wir den Laden trockenen Fußes verlassen konnten.
Die Wartezeit vom Vorabend schlug sich natürlich im Bierkonsum nieder, da war es praktisch, dass der Donnerstag keine Aufgaben mit sich brachte. Dauerte dann auch etwas, bis wir uns mal aus dem Zimmer lösten. Zunächst klapperten wir zwei nahe kleine Stadien in der Hoffnung auf unterklassigen Fußball ab. Der eine Ground, ein Sandplatz mit Tribüne wurde aber offensichtlich für regulären Spielbetrieb hat nicht mehr genutzt, dafür hätten auch erstmal die alten Autoreifen und dicken Steine vom Feld geräumt werden müssen. Und beim anderen Stadion fehlte das Spielfeld, dort wurde gerade saniert. Großartige Pläne für die Gestaltung des Tages hatten wir nicht geschmiedet, daher entschieden wir spontan mal nach Petit Bassam an die Küste zu fahren. Yango regelte den Transport. Die Gegend, in der wir ausstiegen sah wenig vertrauenerweckend aus, aber wir stellten uns mal der Herausforderung und fanden tatsächlich eine einfache Bar am Strand. Der Service war gut, an den durstigen Weißbroten konnte man ja auch ordentlich verdienen. Der Strand war allerdings völlig vermüllt, so krass hatte ich das noch nie gesehen, ziemlich ernüchternd. Es war offensichtlich, dass der ganze Plastikscheiß nicht achtlos dorthin geworfen, sondern angespült worden war, da kann einem wirklich Angst und Bange um unsere Meere werden. In Afrika wird aber auch einfach zu wenig Aufklärung betrieben, wie Entsorgung und Recycling zu funktionieren haben, man sieht und merkt, dass die meisten Einwohner eine zu sorglose Einstellung pflegen. Mit Einbruch der Dunkelheit fuhren wir zurück in unsere Hood, verköstigen uns mit Shawarma und Fleischspießen, bevor wir in der Bar vom Vorabend einkehrten.
Am Freitag-Vormittag brachen wir auf in Richtung des Stadtteils Plateau, ein Geschäftsviertel mit vielen Hotels bekannter Ketten. Dazu nahmen wir die Personenfähre vom gegenüberliegenden Stadtteil Treichville, dem heimlichen Herz der Stadt. Der Anleger mit Abfahrten in verschiedene Richtungen, war nicht so einfach zu durchschauen. Als wir den Matrosen eines anlegenden Bootes fragten, ob dieses nach Plateau fährt, verneinte er. Als uns wenig später ein Ober-Mokel fragte, warum wir im Boarding-Bereich rumlungern, war es plötzlich doch das richtige Schiff. Einfach nur überragend, dass der Bootsjunge nicht mal wusste, wohin sein Kahn fährt. Afrika, ich liebe Dich! Die Kommunikation hatte sich durch die Abreise meines halb-französischen Hausarztes natürlich erschwert, auch wenn ich mir einige hilfreiche Wörter und die Zahlen hatte eingeprägt hatte. Lücken wurden mit Händen und Füßen oder dem Google-Übersetzer gestopft. In Plateau angekommen latschten wir am ‚Stade Félix Houphouet-Boigny‘, der eigentlichen Heim-Spielstätte von ASEC vorbei, welche aktuell für den Afrika-Cup im kommenden Jahr modernisiert wird, zur ‚Cathédrale Saint-Paul‘, die wuchtig daherkommt, aber keine Schönheit ist. Papst Johannes Päule II. hatte seinerzeit persönlich den Grundstein gelegt. Weiter ging es nun mal mit dem Linienbus in den Stadtteil Adjamé, wo die meisten Busgesellschaften ihre größten Abfahrts-Höfe haben. Wir waren von der Rezeptionistin des Hotels leidlich gewarnt worden, aber so dermaßen tief in Afrika war ich bisher noch nie abgetaucht.
Erstaunlicherweise wurden wie, wie auch vorher in Benin und Togo, kaum behelligt. Der weiße Mann fällt auf, der weiße Mann wird bemerkt und angeschaut, aber nur in seltenen Fällen angesprochen oder gar belästigt. In den Abendstunden dürfte es in diesem Stadtteil allerdings anders zugehen. Adjamé scheint ein einziges riesiges Marktviertel zu sein. Viele Straßen sind unbefestigt. Überall stehen dicht an dicht Shops und Stände, Träger versuchen sich den Weg zu Bahnen und dazwischen stehen und fahren liefernde Lkw, zum Teil große Sattelschlepper. Die Szenerie kann man kaum in Worte fassen. Warum in aller Welt sich ausgerechnet dort ebenfalls auf einer unbefestigten Straße, wo alles durcheinander rennt und fährt, wo es viel zu eng für große Reisebusse ist, die Busunternehmen niedergelassen haben, kann man wohl nur mit Afrika erklären. Die Fahrer haben es aber drauf, rangieren sicher und geduldig. Wir kauften beim erwählten Anbieter UTB schon mal unsere Tickets für den kommenden Morgen bei einer pfiffigen jungen Dame, die etwas Englisch sprach und uns der Einfachheit halber in ihr Büro bat, statt uns am wuseligen, engen Schalter abzufertigen und sahen dann zu, dass wir da weg kamen.
Der Linienbus brachte uns einen großen Teil des Weges zurück, dann müsste Yango helfen, sonst wäre der wichtigste Termin des Tages nicht mehr möglich gewesen. Im ‚Stade Robert Champroux‘ trafen sich zwei Zweitligisten zum Meisterschafts-Duell. Spielerisch war es gar nicht schlecht anzusehen, der Keeper von Lianfiara erwies seinem Team aber einen Bärendienst, in dem er nach abgefangenen Bällen immer wieder den Kontakt zum Gegner suchte. Der letzte Kontakt noch vor der Halbzeit war dann einer zu viel, denn da rammte er einem Gegenspieler den Ellenbogen ins Gesicht. Folgerichtig gab es den roten Karton zu sehen und Elfmeter. Zu diesem Zeitpunkt stand es bereits 1:0 für die nun in Überzahl agierenden Jungs von Ouragahio. Auch der erste Treffer war per Strafstoß gefallen und die erste Aktion des nun gerade eingewechselten Ersatz-Schnappers war es, die Kirsche aus dem Netz zu pflücken und so ging es beim Stand von 2:0 in die Pause. Wie so oft konnte die zahlenmäßig überlegene Elf diesen Vorteil nicht entscheidend nutzen. Stattdessen erzielten die Gäste eine Viertelstunde vor dem Ende noch den Anschluss, für den Ausgleich reichte es aber nicht mehr. Beim Publikum lagen teilweise die Nerven blank – schon geil, wie die manchmal ausrasten, wenn wieder was nicht geklappt oder der Schiri ne vermeintliche Fehlentscheidung getroffen hat. Das Stadion ist nichts Besonderes und bietet annähernd identische überdachte Tribünen auf den Geraden. In den Kurven fehlt jeder Ausbau. Ein Großteil der Spiele der ersten und zweiten Liga wird dort aktuell ausgetragen. Auch ASEC absolviert seine Liga-Spiele dort aufgrund des besagten Umbaus des eigentlichen Heim-Grounds. Heute Abend gab es mal Hähnchen mit Pommes und bevor wir wieder in die vertraute Bar abglitten, gönnte ich mir eine Rasur beim libanesischen Barber, der diesen Auftrag aber nicht zu meiner vollen Zufriedenheit ausführte. Da habe ich in arabischen Ländern schon bessere Dienstleistungen erfahren.