Yamoussoukro – So., 02.04.2023, 16:00

ASEC Mimosas vs Rivers United FC 1:0

Stade de Yamoussoukro, 4.000 Zuschauer, CAF Confederation Cup Gruppenphase
„Seid morgen früh um 7:00 Uhr hier, dann könnt ihr Tickets kaufen“ war am Vortag die Info, als ich nach Ankunft am Vortag schon mal Plätze für den Bus nach Yamoussoukro kaufen wollte. Liest sich einfach, war für uns mit nur zehn Worten Französisch-Wissen aber natürlich ein Akt der Geduld die Info zu verstehen. Ungeklärt blieb ob der Bus nun um 7:00 Uhr fährt, was ich aufgrund benannter Information vermutete, oder um 8:00 Uhr, gemäß Aussage des UTB-Facebook-Menschen – der Facebook-Support funktionierte tatsächlich gut – den ich vorab mit Fragen gequält hatte. Wir waren vorsichtshalber in der Morgendämmerung um halb sieben da, die Lösung lautete dann Abfahrt um 7:30 Uhr. Ich hatte befürchtet, dass für die 140 Kilometer locker vier bis fünf Stunden fällig seien, aber obwohl die Strecke über Nebenstraßen teils abenteuerliche Schlaglöcher im Angebot hatte, in die beinahe der ganze Bus reinpasste, machte der Fahrer, der einen Anzug trug und damit bestgekleidete Person im vollbesetzten Fahrzeug war, einen exzellenten Job und lieferte uns nach weniger als drei Stunden am Ziel ab. Erneut stellte sich die Übernachtungs-Frage und da uns in Gagnoa ein Flyer darauf hingewiesen hatte, dass es auch in Yakro, wie die Stadt hier kurz genannt wird, ein Aho-Hotel gibt, steuerten wir dieses an. Dort war auch die günstigste Zimmerkategorie zu haben und so buchten wir zwei Räume für je 15.000 Einheiten des Westafrika-Gerümpel.
Yakro hatte in den 50er Jahren nur 500 Einwohner, ist bis heute auf 400.000 Menschen angeschwollen, wurde 1983 zur Hauptstadt und hat touristisch sogar einiges im Angebot. Da die Zeit etwas dahingegangen war, blieb für uns nur noch der Besuch der Pflicht-Attraktion. Die Basilika ‚Notre Dame de la Paix‘ ist dem Petersdom im Vatikan nachempfunden. Durch das aufgesetzte Kreuz erreicht die durch Papst Johannes Paul II. geweihte Kirche sogar etwas mehr Höhe als das Vorbild, hat allerdings deutlich weniger Fassungsvermögen. Dennoch wirkt das auf einem riesigen Gelände am Stadtrand in die Steppe gepflasterte Bauwerk einfach nur surreal. Italienischer Marmor und französisches Glasmosaik wurden verbaut. Präsident Houphouet-Boigny verweist stolz darauf, die Kosten von 200 Mio Euro aus dem eigenen Geldsäckel bezahlt zu haben, aber woher die Staatsoberhäupter Afrikas ihr Vermögen ziehen, ist ja auch ein offenes Geheimnis. Frecherweise erntete der Wohltäter völlig überraschend Kritik für diesen Protzbau, da viele Institutionen die Kohle im Sozialhaushalt besser angelegt sahen.
Wir schnappten uns ein Taxi und ein Polizist stieg einfach mit ein, da sein Ziel am Wege lag. Unnötig zu erwähnen, dass er sich nicht an den Fahrtkosten beteiligte. Das ‚Stade de Yamoussoukro‘ war das Fahrtziel, wo das Confederation Cup-Spiel zwischen den ASEC Mimosas und den nigerianischen Gästen von Rivers United stattfand. Amicale Sportive des Employés de Commerce bedeutet das Club-Kürzel – Sportverein für kaufmännische Angestellte. Vor diesem letzten Gruppenspiel waren beide Teams bereits für das Viertelfinale qualifiziert, es ging nur noch um den Gruppensieg. Das 20.000 Zuschauer fassende Stadion wurde erst vor wenigen Jahren fertiggestellt und wird einer der Spielorte des Afrika-Cup im kommenden Januar sein. Es liegt am Stadtrand, wobei dieser eigentlich schwer zu definieren ist, denn die gesamte Stadt wurde sehr großzügig geplant und erscheint vom Grundmuster her mit breiten, teils sechsspurigen Straßen fast wie eine sozialistische Metropole. Meine Erwartung von überschaubaren etwa 4.000 Zuschauern wurde erfüllt. Da das ‚Stade Robert Champroux‘ in Abidjan für internationale Spiele nicht ausreicht, muss ASEC die internationalen Spiele hier im Exil absolvieren, aber der Verein hat im ganzen Land seine Fans.
Ein Dutzend Gästefans machte trommelnd und trompetend auf sich aufmerksam. Die ASEC-Kurve sah da schon deutlich besser aus. Es bildete sich ein ganzer Block von Aktiven mit voller Kapelle und drei verteilt stehenden Megafon-Leuten. Die Rhythmen und Gesänge klangen natürlich ungewohnt, haben mir aber richtig gut gefallen. ‚Le mur jaune‘ nennt sich die Kurve – ‚die gelbe Wand‘. Von hier haben die Dortmunder also den Namen ihrer Tribüne geklaut! Die kaufmännischen Angestellten gingen schon in der zweiten Minute in Führung – der Treffer des Tages, was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnten. Das Spiel war attraktiv und schnell und sogar die theatralische Schauspielerei hielt sich in Grenzen. Bis auf die letzten zehn Minuten war ASEC das bessere Team und landete einen verdienten Sieg. Für die Schlussphase begaben wir uns hinter den Stimmungsblock, aus nächster Nähe war das alles noch unterhaltsamer. Nach dem Schlusspfiff feierten wir noch die Mannschaft und begaben uns dann auf Schusters Rappen – natürlich wurde für die 4.000 Leute außer ein paar Taxen kein Transport angeboten – zusammen mit der ganzen Karawane zurück in die Stadt und verzehrten in einem Restaurant ein paar Fleischspieße. Unweit davon ließen wir uns dann in einer Bar nieder und schnallten uns am letzten Abend ganz ordentlich einen um.
Schön, dass diese Nacht ein wenig mehr Schlaf drin war. Der für 11:00 Uhr gebuchte Bus fuhr schon um halb elf los oder hatten wir einfach einen früheren betreten? Wird man nie mehr herausfinden. Die Strecke zwischen Abidjan und Yakro ist durchgehend mindestens zweispurig ausgebaut, die Fahrzeit wurde mit drei Stunden angegeben. Grundsätzlich waren wir auch nach drei Stunden in Abidjan, dann wurde es aber wild und für die letzten 500 Meter benötigten wir im tagsüber völlig chaotischen Adjamé eine halbe Stunde und das ist nicht übertrieben. Minibusse, Taxen, Lkw, Busse fuhren ohne Plan durcheinander, jeder war nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Dazwischen wuselten unzählige Verkäufer, Träger und Kunden hin und her, es ging immer nur Meter für Meter voran. Ich bewunderte den Fahrer für seine Geduld und vor allem für die Fähigkeit, das unübersichtliche Gefährt auf engstem Raum millimetergenau unfallfrei zu manövrieren. Diese Situation war beispielhaft dafür, warum der Kontinent einfach nicht vorankommt. Logisches Denken, Reflexion und nachhaltige Planung bleiben allzu oft auf der Strecke. Warum tun sich die Busgesellschaften das krasse Durcheinander in diesem Stadtteil jeden Tag an? Die Busunternehmen müssen raus da, es muss dezentralisiert werden, damit würde viel Zeit und dadurch auch Geld gespart, aber dann wäre es halt auch nicht Afrika. Wir ließen uns in die gewohnte Hood chauffieren, durften dankbarer Weise unser Gepäck im Hotel in Marcory lassen, aßen ein Hühnchen und tranken voller Wehmut noch zwei, drei finale Biere in der Stammbar der Vortage. Dann hieß es Abschied nehmen und wir nutzten ein letztes Mal Yango. Daniels Air France-Flug ging eine Stunde vor meinem. Turkish Airlines hob dann etwas verspätet gegen 22::00 Uhr mit mir gen Bosporus ab. Au revoir, Afrique. Schön war es, ich mag Dich und Dein geordnetes Chaos, aber zugegeben reicht es nach zwei Wochen auch erst mal wieder.