Samstag, 06.04.2019, 16:00

libanon

Al-Ansar vs Nejmeh Club 0:1

Cité Sportive Camille Chamoun, 10.000 Zuschauer, Premier League

190406nejmeh-ansar

Irgendwann hatte ich mal Bilder vom Beirut-Derby zwischen Ansar und Nejmeh gesehen und dieses für sehenswert befunden. Da der Libanon ja auch kulturell durchaus eine Reise wert ist, wurde der Spielplan immer mal beobachtet und nun der Entschluss gefasst, das Spiel anzusteuern. Hört sich locker an, ist es aber eben nicht wirklich, denn in arabischen Ländern ist ja der Spielplan auch oft das Papier nicht wert auf dem er gedruckt wurde. Eine Flugbuchung einige Wochen vorher kann also auch gern mal am Ziel vorbei schießen, aber da der libanesische Fußballverband die Ansetzungen immer erst einige Tor vor dem jeweiligen Spieltag raus haut, war ein gewisses Risiko unumgänglich. Im Zeitalter des Internet gibt es aber auch oft alternative – mehr oder weniger brauchbare – Informationsquellen und für den Libanon existiert im wohl bekanntesten aller sozialen Netzwerke eine sehr aktuelle und informative Plattform, deren Administrator auch auf direkten Kontakt hin jederzeit freundlich und hilfsbereit Auskunft gab. Dessen Meinung und der Abgleich mit den internationalen Club-Wettbewerben und Länderspiel-Terminen verführten mich dann zur Buchung. Wäre ja nicht das erste Mal, dass ein Fußballverband plötzlich zwei Tage vor dem Spieltermin feststellt, dass ja ein Länderspiel angesetzt ist und dann einen ganzen Spieltag verschiebt. Tobias aus Köln und Sebastian aus dem schönen Westerwald konnten zur Mitreise animiert werden und so wurde der Return CGN-FRA-BEY mit dem deutschen Kranich gebucht. Wobei CGN allerdings zu QKL wurde, was ja lediglich bedeutet, dass die Strecke ab Köln bis zum Frankfurter Flughafen mit dem ICE bewältigt wird. Mitte März wurde dann eine Unterkunft dingfest gemacht, wofür AirBnB zu Hilfe genommen wurde, da über die bekannten Hotel-Buchungsplattformen alles was halbwegs bezahlbar ist, keinen wirklich guten Eindruck macht. In der Woche vor dem Derby wurde dann die Anstoßzeit auch bestätigt. Schien also alles zu passen. Am Donnerstag fuhr ich nach Feierabend direkt nach Köln, stellte den Wagen in Longerich ab und fuhr zwei Stationen mit der S-Bahn zum Hauptbahnhof, wo ich Tobias traf. Nach kurzem Warm-up im ‚Kölsch-Treff‘ und einem kleinen Fahrbier-Kauf im ‚Rewe to go‘ brachte uns der ICE in weniger als einer Stunde zum Frankfurter Flughafen. Sebastian, der wohnort-bedingt auf den Zug-Vorlauf verzichtet hatte und stattdessen mit der Regionalbahn angereist war, erwartete uns schon. Kurzer kombinierter Nahrungs- und Getränkekauf und dann ließen wir uns noch ein Stündchen quatschend und trinkend auf einer Bank nieder. Dem versifften Pfand-Schnorrer, der uns direkt mal auf den Sack ging, waren unsere 8-Cent-Glaspullen zu schwer und zu geringwertig – dann verzieh Dich halt. Vor dem Boarding noch eine schnelle Halbe und spätestens nach dem ersten Bier im Flieger hatte ich dann nett einen sitzen. Irgendwann bin ich dann auch eingepennt und wurde erst durch das Ruckeln beim Aufsetzen auf dem Rafiq-Hariri-Airport der 2,3-Mio-Metropole wach.
An der Immigration ging alles recht zügig, ich ging als erster durch, schlurfte schon mal zum Geldautomat und war dann etwas irritiert, dass die Nachhut ausblieb. Also zurück gedackelt, wo mich dann Tobias mit der Nachricht empfing, dass Sebastian von der Miliz zum Einzelgespräch gebeten wurde. Am Ende halb so wild, er war mit seinem Reisepass auch in Israel ohne das jedoch ein Vermerk darüber im Dokument enthalten ist. Dennoch hatte die Immigrations-Uschi seine hebräische Vergangenheit festgestellt. Das kann im ärgsten Falle auch zur roten Karte und damit zur Verweigerung der Einreise führen. Hier war man aber mit einem Abfotografieren des Dokuments zufrieden. Nebenbei war ich auch mit meinem ‚Israel-Pass‘ eingereist, ohne dass da jemand ein Fass aufgemacht hatte. Jetzt aber mal ab durch den Ausgang in die Empfangshalle. Dort wartete dann Samara wie verabredet auf uns. Endlich wurde ich mal wieder mit einem Schild mit meinem Namen in Empfang genommen werden. Dass es letztlich nur ein libanesischer Taxifahrer war, dem diese Ehre zuteil wurde, soll den mehr als angemessenen Empfang nicht schmälern. Ich hatte im ‚Drinking & Driving‘ aus der Szene von München-Blau ein paar Wochen zuvor einen Bericht zu einem Libanon-Aufenthalt gelesen. In diesem wurden die Dienste eines privaten Fahrers gerühmt, der die Jungs nicht nur zu einem fairen Kurs vom Airport eingesammelt hatte, sondern von diesen auch für Ausritte ins Land engagiert worden war. Der Admin der Facebook-Seite vom D&D war so freundlich, mir die Mobil-Nummer des Fahrers mitzuteilen, so dass ich mich mit diesem in Verbindung setzten konnte. Samara hieß er also und stellte sich als absolut korrekter Typ heraus. Unsere Unterkunft hatten wir über AirBnB gebucht, da alle Hotels mit westlichem Standard auf den einschlägigen Buchungs-Plattformen einfach zu teuer waren. So bezogen wir für zwei volle und zwei halbe Nächte die Bude von Zaid, ein schickes Apartment in Ashrafieh, einem eher christlich geprägten Stadtteil. Haupt-Kriterium für die Auswahl war eigentlich die Lauf-Distanz zur ‚Armenia‘, der Suff-Hauptstraße von Beirut. Zaid hatte die nächtliche Schlüsselübergabe durch den Consierge des Hauses perfekt organisiert und so sanken wir gegen 4 Uhr morgens endlich in die Falle.
Und um 9 Uhr schrillten auch schon wieder die Glocken. In Ruhe feddich gemacht und mit deutscher Pünktlichkeit schellte Samara, den ich über die Kamera identifizieren konnte und einlassen wollte, was ich aber bei den 1000 Knöpfen am Bedienteil nicht schnallte. Egal, wir kamen vier Stockwerke weiter unten wenige Minuten später auch so zusammen und starteten in die Sightseeing-Tour, für die wir ihn im Tageseinsatz gebucht hatten. Aus Beirut herauszukommen ist auf vier Rädern am Tage definitiv eine Herausforderung – Stau ist hier offenbar eine Lebenseinstellung. Allerdings findet dieser eher im Durcheinander statt. Wie man es so aus arabischen Ländern kennt, ist jeder Fahrzeugführer, egal ob im Pkw, Lkw oder Bus, stark bemüht, die bestmögliche Position für sich zu erarbeiten und die dreispurige Straße wird üblicherweise vier- oder fünfspurig genutzt. Und obwohl diese Volksgenossen ja eher zur schnell aufbrausenden Spezies gehören, nimmt im Straßenverkehr eigentlich nie jemand dem anderen etwas übel. In gewisser Weise faszinierend.
Erster Stopp Jeita-Grotte. Für die vielleicht 20 Kilometer brauchten wir über eine Stunde. Für 11500 libanesische Pfund (1000 Dinger entsprechen etwa 60 Euro-Cent) erlangten wir Zutritt in den Berg. Aber erst mussten wir auf eine sinnlose Seilbahn warten, die einen zum Eingang befördert. Nervige Selfie-Araber/innen machten die Warterei nicht erträglicher. Irgendwann saßen wir endlich drin in dem Hobel, um dann festzustellen, dass es kein Problem gewesen wäre, das Stück zu laufen. Nachher ist man halt immer schlauer. An dem am Höhlenzugang wartenden Schüler-Gewalt-Mob mogelten wir uns hocheffizient vorbei. Fotografieren ist in der Grotte nicht erlaubt, nach anfänglicher Scheu war uns das aber letztlich auch egal. Und gar nicht mal so uninteressant der Spot. Schon stark, was sich die Natur teilweise so ausdenkt. Weiter ging es nach Byblos, einem Küstenort mit altem Stadtkern. Auf dem Weg dorthin wurde dann auch überlegt, wie es weiter gehen soll. Mein Favorit war der Baatara-Wasserfall, der auf Bildern wirkt, wie aus einer anderen Welt. Hatte ich Kumpel Samara im Vorfeld schon mal mitgeteilt, da gab er an, diesen nicht zu kennen. Mittlerweile schien er der Idee mit einem „Let’s go to the waterfall“ aber aufgeschlossen. Aber zunächst Mittagessen in Byblos und als wir da so auf unser Mahl warteten, kam er wieder angeschlurft und hatte „Bad news…“ für uns. Er hatte bezüglich unseres Ziels zwischenzeitlich mit einem Freund gesprochen. Der Wasserfall sei „under construction“ und daher momentan nicht zugänglich. Na gut Bruder, wenn der Wasserfall gerade umgebaut wird, dann geht es natürlich nicht und vielleicht ist er nach den Arbeiten auch gar nicht mehr so schön anzusehen. Schöne Räuberpistole, aber uns fehlte die Energie, das auszudiskutieren, wollten wir auch gar nicht. Es wäre schon ein Stück zu fahren gewesen und das wird er beim Blick auf die Karte auch festgestellt haben, da kann ich seine Ausrede beinahe nachvollziehen. Stattdessen ging es nach einer kleinen Byblos-Runde weiter nach Harissa, einem Wallfahrtsort mit überdimensionaler Marien-Statue.
Der Libanon ist keineswegs durchweg muslimisch. Neben den großen islamischen Gruppen der Schiiten und Sunniten sind gut ein Drittel der Libanesen christlichen Glaubensrichtungen angehörig. Der Libanon ist daher ein paritätischer Staat, was bedeutet, dass die politischen Kräfteverhältnisse gleichermaßen verteilt sind. Im Vergleich zu anderen muslimisch geprägten Staaten, können die Christen im Libanon wohl vergleichsweise repressionslos leben. Und so ist es eben auch möglich, dass ein christlicher Wallfahrtsort im Libanon existiert. Die Statue thront in etwa 550 Meter auf einem Berg nahe und über der Küstenlinie. Von dort hat man wohl einen schönen Blick bis hin nach Beirut – wenn es nicht wolkig oder neblig ist! Irgendwann verzog sich die Suppe aber und man konnte schon recht weit schauen. Allerdings trübt der Smog über dieser am dichtesten besiedelten Region des Landes die Sicht und die langsam untergehende, uns entgegen scheinende Sonne tat das übrige. Den Sockel der Statue kann man erklimmen, was zumindest Tobias und ich taten und da kann man dann über den tiefen Glauben, der dort in den Menschen wohnt, nur staunen, denn nicht wenige brachen mal direkt in Tränen aus, als sie ihr Ziel erreicht hatten. Ich war ebenfalls den Tränen nahe, aber eher weil der Bierkonsum am heutigen Tage bisher viel zu kurz gekommen war. Okay, wir waren jetzt nicht zwingend in Suff-Mission unterwegs, aber ein paar Schmunzelbrausen heben ja dann doch immer die Stimmung.
Also zurück nach Beirut, wo uns Samara an unserem Apartment entließ. Ein paar ‚Beirut‘-Bier aus dem benachbarten Mini-Markt verkürzten uns die Zeit, während wir uns ein wenig ausruhten. Wovon eigentlich? Unheimlich viel gelaufen waren wir ja nicht gerade. Es gibt nicht überall in Beirut Alkohol zu kaufen, das ist schon stark vom Stadtteil abhängig. In den christlichen geprägten Vierteln kommt man natürlich eher an Spaßgetränke als in den anderen. Gegen 20 Uhr schnürten wir dann wieder die Schuhe und liefen runter zur ‚Armenia‘. Kurz vor dem Ziel kehrten wir einem etwas merkwürdigen Lokal zum Essen ein und stürzten uns dann mal auf die Bar-Meile. Das war schon gut was los und erwartungsgemäß war der Spaß nicht ganz billig. Das Suff-Preisniveau liegt im Mittel schon auf westeuropäischem Niveau. Irgendwann landeten wir in einer Bar vor der eine Tafeĺ mit Happy Hour Preisen aufgestellt war, allerdings ohne dass ein Zeitraum zu dieser benannt war. Also ließen wir uns nieder und ließen kommen. Bier, Cocktails, Tequila… was Herz und Leber begehrten. Tequila ist in Beirut übrigens schwer angesagt, warum weiß wohl keiner. Es gibt sogar ne reine Tequila-Bar. Als wir den Zahlemann markieren wollten, präsentierte uns der Barkeeper und mutmaßliche Inhaber einen ziemlich fetten Deckel mit den Normalpreisen. Joa, da hatten wir wohl unter falscher Auffassung konsumiert. Tobias intervenierte und bekam zur Antwort, dass die Happy Hour nur von 20 bis 21 Uhr gilt. Auf den erneuten Einwand, dass das nicht auf der Tafel steht und diese suggeriert, dass die Preise dauerhaft gelten, kam der Hinweis „Everyone here knows this“. Aha. Gut dass war nicht Everyone waren, denn ohne weitere Diskussionen stornierte der Kollege den halben Bon. Shukran! Muss so gegen 2 Uhr gewesen sein, als wir in der Unterkunft etwas angeschlagen die versoffenen Äuglein schlossen. 
Matchday! Der 10 Uhr-Aufstehplan schlug aufgrund der flüssigen Beschäftigung am Vorabend fehl. Eine Stunde später sah die Welt schon besser aus. Naja, zumindest bei zwei Dritteln der Reisegruppe. Wer da noch so seine Mühe hatte, soll verschwiegen bleiben, damit dessen Kölner Kollegen nichts zu lästern haben ;-). Gegen Mittag latschten wir dann mal in Richtung der großen Mohammed-al-Amin-Moschee, dem bedeutendsten muslimischen Sakralbau der Stadt. Unweit davon steht ein weiteres Wahrzeichen Beiruts, der Uhrenturm auf dem Platz Sahat-an-Nadschma. Das mickrige Ding Turm muss man erst einmal finden, hatte ich mir etwas größer vorgestellt. Von dort liefen wir die gut fünf Kilometer Richtung ‚Cité Sportive Camille Chamoun‘. Dabei ging es einmal von Nord nach Süd durch Beiruts Westen, der stark muslimisch geprägt ist und deutlich unorganisierter wirkt, als das aufgeräumte, überwiegend christliche Ashrafieh.
Am Stadion selber war mehr als eine Stunde vor dem Spiel noch nicht viel los. Am präsentesten war das Militär. Ein Foto von der nahen Fußgängerbrücke wurde verweigert, da man ja die in mehreren hundert Metern entfernt stehenden Panzer-Fahrzeuge auf dem Bild haben und damit über wertvolles Spionage-Material verfügen könnte. Ja is klar, ich war ja eh nur zur Machtergreifung vor Ort. Militär-Paranoia allez! Der Abtast-Vorgang am Zutritt zum Stadion-Gelände war dann im absoluten Gegensatz dazu ein totaler Witz. Wir erwarben Tickets für die Haupttribüne. Das ‘Camille Chamoun’ ist das Nationalstadion des Landes. Ein weites Oval, bis auf die Haupttribüne unüberdacht, knapp 50tsd Zuschauer fassend. Nominell ist es das Heimstadion vom Nejmeh Club. Dieser war aber heute als Gast anwesend. Aus Sicherheitsgründen findet das Derby oft im Nationalstadion statt, egal wer Heimrecht genießt.Das Spiel zwischen Al Nejmeh und Al Ansar ist das brisanteste Duell des Libanon. So recht war mir nicht klar, was zu erwarten war. Den Titelkampf hatte Al Nejmeh, was übersetzt ‚Stern‘ bedeutet, durch eine Schwächephase längst an die graue Hauptstadt-Maus Al Ahed verloren, so dass das heutige Prestige-Duell gegen den Erzrivalen, das letzte Liga-Highlight war. Allerdings ergab sich mittlerweile, dass dieselbe Paarung nur wenige Wochen später im Pokal-Halbfinale ein weiteres Mal stattfinden sollte, wo es dann sicher noch heißer zugehen würde.
Die Kurven füllten sich dann in den Farben rot-schwarz (Nejmeh) und grün-weiß (al-Ansar). Die Riesenbude ist natürlich völlig überdimensioniert für Liga-Spiele, auch für das Derby. Gut 10tsd Leute versammelten sich schließlich mit einem Verhältnis von etwa 60:40 für die Gastgeber, da hatte ich doch zumindest ein paar Tausend mehr erhofft. Nejmeh gegen Ansar bedeutet übrigens auch Schiiten gegen Sunniten. In beiden Kurven sonderten sich Gruppen intern ab, wie man es ja eher aus europäischen Ländern kennt. Bei den nominellen Gastgebern waren das die ‚Ansari 18‘ und bei Nejmeh die ‚Ultras Supernova‘. Diese Gruppen zogen ihr eigenes Ding durch, wobei aber zumindest die Ansari, ein recht überschaubarer Haufen von vielleicht 50 Leuten, noch in der Lage waren mit der Masse zusammen zu arbeiten. Die über 150 Personen starken ‚Ultras Supernova‘ waren da deutlich autarker unterwegs. Das Intro auf Seiten von Nejmeh war dann gar nicht so übel. Viel roter Rauch zog durch die Kurve und eine kleine Choreo gab es auch. Die Nejmeh-Ultras zeigten mit einem überdimensionalen, den Stinkefinger zeigenden Sensenmann, was sie von den ‚UA18‘, den Ansari, halten. Ansari werden übrigens auch die Anhänger des Propheten Mohammed genannt und grün, die Vereinsfarbe, ist ja ebenfalls die Farbe des Propheten, das passte also zusammen. Die Grünen brachten zum Beginn große Spruchbänder in arabischer Würmchen-Schrift und ein paar dünne grüne Rauchfahnen ans Tageslicht. Spielerisch war es nicht gut und nicht schlecht, irgendwo im Regionalliga-Mittelmaß angesiedelt.
Die Sterne spielten überlegen, aber die wenigen guten Torchancen wurden kläglich vergeben oder vom guten Ansar-Schlussmann vereitelt. In der Nejmeh-Kurve gab es dann immer wieder Stress untereinander. Ultras gegen normale Zuschauer und normale Zuschauer unter sich ließen die Fäuste und Füße fliegen. Aufmerksam beobachtet vom auf der Laufbahn postierten Militär, das aber nicht wirklich eingriff. Sind schon ein komisches Volk, die kleinen Libanesen. Im normalen Umgang freundliche Menschen, aber wenn es um Ehre geht, rasten die komplett aus. Auch zum Beginn der zweiten Hälfte wurde optisch was geboten. ‚Supernova‘ zeigte eine schöne Fackel-Show und in der Ansar-Curva wurden in der ersten Reihe gut zwei Dutzend Fackeln gezündet. Anschließend stieg orangefarbener Rauch aus dem Graben zur Laufbahn auf. Auf dem Rasen wurde es nicht besser, eher andersrum. Ein paar Flitzer brachten etwas Abwechslung und als wir uns langsam mit einem torlosen Spiel abfinden wollten, ertönte ein zweifelhafter Elfer-Pfiff zugunsten der Sterne, der in den kommenden zehn Minuten für Unterhaltung sorgen sollte. Denn so lange dauerte es, bis der Strafstoß letztlich ausgeführt wurde. Nachdem endlos lange Diskussionen der Spieler mit dem Referee beendet waren, stiefelte dann allen Ernstes der Präsident von Al Ansar auf das Feld und stellte den Schiedsrichter minutenlang zur Rede. Comedy as its best aber es bleib letztlich bei der Entscheidung, die den Treffer des Tages brachte und erneut wurden Fackeln gezündet und Rauch gen Himmel entlassen. Die Unparteiischen genossen beim Verlassen dann Vollschutz durch das Militär, das auf der Haupttribüne, wo sich eigentlich eher gemäßigte Anhänger beider Clubs in die Haare bekamen, noch etwas das Migränestäbchen kreisen ließ. Als sich alles beruhigt hatte, verließen auch wir das weite Rund.
An der Kreuzung vor dem Stadion versuchten sich die Parteien noch irgendwie an die Wäsche zu gehen, die Miliz wusste das aber zu unterbinden. Den Weg zurück zum Apartment legten wir dann erneut zu Fuß zurück, in der Hoffnung irgendwann die Bier-Grenze zu überqueren, aber leider lag diese erst unmittelbar in unserem Viertel. Ein wenig ruhten wir uns aus, gute zwölf oder dreizehn Kilometer werden wir an diesem Tag schon auf Schusters Rappen absolviert haben. Hört sich wenig an, geht aber hoch und runter und daher ziemlich in die untrainierten unteren Extremitäten. Dann hieß das Ziel wieder ‘Armenia street’ und dieses Mal beschlossen wir den Abend in der besagten Tequila-Bar. Ziemliche Spelunke, von einem ungepflegten westlich aussehenden Typen geführt. Tequila gab es da reichlich, so dass wir erst gegen drei (oder war es schon vier?) in die Betten fielen.