
Rot-Weiss Essen vs FC Ingolstadt 04 2:2
Stadion an der Hafenstraße, 13.507 Zuschauer, 3.Liga

Es bleibt intensiv, es bleibt anstrengend. Nach mehr als einem Jahrzehnt Regionalliga, in denen einem viele Spiele schlicht satt am Arsch vorbeigingen, muss ich mich erst einmal wieder daran gewöhnen, dass es nun in jeder Partie um was geht. Bin es gar nicht mehr gewohnt, über die gesamte Spielzeit unter Strom zu stehen. Schöne neue, alte Welt. Und es muss weiter richtig hart gearbeitet werden, damit diese Welt nicht am Saisonende wieder in die falsche Richtung verlassen wird. Mit dem inoffiziellen Audi-Werksclub reiste einer der Aufstiegsfavoriten an die Hafenstraße. Der Blick auf das eigene Torverhältnis und den Fakt, dass der FCI in vier Spielen noch kein Gegentor gefangen hatte, machte nicht unbedingt Mut, aber irgendwann platzt jeder Knoten. Die Zuschauerzahlen im Gästebereich heben sich in dieser Saison noch nicht von denen in der Regionalliga ab – gerade einmal 100 Leute verloren sich im Gästeblock. Ja es ist eine große Distanz, aber ungeschlagen ohne Gegentor und Anstoß am Samstag-Nachmittag… mehr muss man nicht sagen. Und es wird bei den nächsten Heimspielen zwar sicherlich voller, aber nicht so, wie es möglich wäre. Aue (über 500 Kilometer) auf einem Freitag und Saarbrücken (über 300 Kilometer) auf einem Montag bedeuten nun nicht gerade die glücklichste Terminplanung der Liga-Verantwortlichen.
RWE begann defensiv und stand recht tief. Halte ich für richtig, die bisherigen Spiele haben es gelehrt. Die Gäste hatten damit ihre Probleme und traten nicht sehr kreativ auf. Das Glück kam den Roten dann früh zur Hilfe, denn nach nicht einmal zehn Minuten entschied der Referee auf Handelfmeter. Eine harte Entscheidung. Ja es war ein Handspiel, aber wenn die Murmel aus nicht einmal zwei Metern am beinahe angelegten Ellbogen landet, kann kein Spieler der Welt den Arm so schnell wegziehen. Gut, dass es in Liga Drei keinen Videobeweis gibt, denn dann wäre die Entscheidung doch arg gefährdet gewesen. Letztlich gleicht sich über die gesamte Spielzeit sowieso (fast) alles wieder aus. Die Freude über den Pfiff wich aber zunächst schnell der Verzweiflung – wer zum Teufel soll das Ding denn verwandeln?! Mit den Elfern stehen wir auf Kriegsfuß. Dann die Erleichterung, denn Eisfeld war auf dem Platz, der vermeintlich einzige sichere Schütze… aber was war das…? Bastians schnappte sich den Ball! Er wird doch nicht… nein tat er nicht! Die Kugel schlug sauber geschossen rechts im Tor ein, während der Keeper nach links abtauchte. Die Führung! Unfassbar. Die TV-Bilder offenbarten nachher, unter welcher Spannung der Schütze bei diesem Elfer stand. Scheißegal, die Kirsche war drin.
Damit musste auch an der Grundeinstellung nichts geändert werden und die Bayern blieben weiter leicht auszurechnen. Bis auf zwei oder drei durchaus gefährliche Distanzschüsse, welche von Golz sicher gehalten wurden, kam da nicht viel. Zehn Minuten vor der Pause landete ein schön vorgetragener schneller Angriff nach präzisem Diagonal-Pass über den Kopf von Römling und den Fuß des perfekt einlaufenden Young bei Maschine Engelmann und dieser benötigte nur einen Kontakt, um das Spielgerät am herauseilenden Torwächter zum 2:0 in die Maschen zu schieben. Hat mir aber auch erst die Zusammenfassung verraten, denn zu diesem Zeitpunkt musste ich mal die Stauder-geplagte Blase entleeren. Schon ganz geil, wenn man in den Katakomben durch diese dumpfe Lautstärke den Jubel der Tribüne aufnimmt, aber sich doch nicht sicher sein will, dass der Treffer für die eigenen Farben war. War aber so und dieses auch der Halbzeitstand. Ich hatte den Eindruck, dass sich im zweiten Durchgang nicht viel veränderte, nur dass sich die Roten noch einmal fünf bis zehn Meter tiefer in die eigene Hälfte zurückzogen und das machte mir Sorgen. Ansonsten darf bemängelt werden, dass es noch zu viele einfache Ballverluste in der Offensive gibt, daran muss gearbeitet werden. Und die Mannschaft ist auf zu vielen Positionen körperlich zu schwach besetzt, das hätte bei der Kaderplanung mehr Berücksichtigung finden müssen.
Auch ich als Berufspessimist gewann aber irgendwann den Glauben daran, dass heute der erste Dreier eingefahren werden kann, aber auf der anderen Seite habe ich an der Hafenstraße schon viel erlebt. Und das sollte ich auch heute, denn der Anschlusstreffer ein paar Minuten vor dem Ende, bei dem der heute insgesamt sichere Golz unglücklich aussah, sorgte für neue Spannung. Für meinen Geschmack wurde in der Entstehung nach dem langen Ball in den Strafraum Herzenbruch klar gefoult. Und da sind wir wieder – es gleicht sich alles aus. Ich persönlich lebe lieber mit Fehlentscheidungen, denn dieser teilweise inflationäre Einsatz des VAR raubt dem Spiel die Spontanität, die Authentizität und vor allem die Emotionen. Daher hält sich mein Wunsch, irgendwann in die Zweite Liga und höher aufzusteigen, auch arg in Grenzen. Ich möchte keine Tore meines Teams mit fünf Minuten Verzögerung künstlich bejubeln müssen. Ich möchte spontan ein paar Stufen nach unten segeln können, ohne dabei mit bangem Blick auf den Referee zu prüfen, ob er über Funk möglicherweise eine Info aus dem Kölner Folterkeller bekommt. Daher lebe ich auch ohne Stress mit diesem Gegentor, welches ausreichend für Verunsicherung sorgte, so dass der eingewechselte und bisher schwache Plechaty kurz darauf ein Kopfball-Duell im Sechzehner verlor, welches sich dann leider als perfekte Vorlage für den Ingolstädter Doppeltorschützen Bech herausstellte, der von ‚Herze‘ nicht eingefangen werden konnte. Mehr gab es dann nicht und der FCI kam letztlich zu einem zwar schon verdienten aber glücklichen Punkt mit Sieg-Geschmack, während sich dieselbe Ausbeute für die Roten wie eine Niederlage anfühlte. Dennoch wurde heute viel richtig gemacht und die Tendenz zeigt nach oben. Ich bin vorsichtig optimistisch.






