Split – So., 29.08.2021, 21:00

HNK Hajduk Split vs HNK Rijeka 1:2

Stadion Poljud, 15.967 Zuschauer, Prva Hrvatska nogometna liga
Nach dem Abpfiff in Klis fuhren wir die zwanzig Minuten nach Split zurück und konnten den Wagen unterkunftsnah abstellen. Danach liefen wir direkt zum Stadion Poljud, wo wir eine halbe Stunde vor Kick-Off eintrafen. Die 3G-Regel ist für den Besuch von Fußballspielen in Kroatien Trumpf und vorsichtig ausgedrückt hätte man es besser organisieren können. Nach schwachem Start in die Saison hatte sich Hajduk mit vier Siegen in Folge an die Tabellenspitze gemogelt, wenn auch nur aufgrund eines unrunden Tabellenbildes. Mit dem Team aus Rijeka reiste nun der interessanteste Gegner nach dem Clasico-Kontrahenten Dinamo an, so dass ein besserer Besuch als die üblichen paar tausend Besucher zu erwarten waren. Lange Schlangen an den Eingängen waren nun die Folge, welche das einfache Volk mit näher rückendem Anpfiff zwar aufbegehren ließ, aber letztlich lief alles gesittet ab, auch wenn nicht alle pünktlich zum Anstoß im Stadion waren. Knapp 16.000 waren dann anwesend, da kann der Verein fast dankbar sein, dass es nicht mehr wurden, sonst wäre das Chaos perfekt gewesen. Auch wir verpassten die ersten drei Minuten, jedoch nicht das Intro der Tribuna Sjever, denn es gab keins. Da dieses mein zweiter Besuch in der Muschel war – nichts anderes bedeutet das kroatische Wort Poljud – hielt sich der Ärger in Grenzen. Es war der vierte Spielbesuch mit Beteiligung von Hajduk. Den Clasico gegen Dinamo hatte ich daheim wie auswärts besucht und ein weiteres ‚Heimspiel‘, dass allerdings im nahen Dugopolje ausgetragen wurde. Ein Europapokalspiel gegen Levski Sofia war es vor einigen Jahren, als drei Tage vor dem Spiel plötzlich festgestellt wurde, dass das Poljud ja durch ein Techno-Festival belegt ist. Balkan as its best. Eigentlich war es sogar der dritte Besuch in diesem Stadion, denn der erste Versuch, ein Spiel gegen Dinamo zu sehen, fiel im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser. Spät in einem Februar hatte ich am Vortag schon das legendäre Stadion Kantrida in Rijeka im Schnee besucht und dann hatte es in Split den ganzen Tag übelst gekübelt. Das Aufwärmen war schon kaum möglich und als der Referee die beiden Kapitäne zu sich bat, diskutierte und dem Hajduk-Spielführer den Ball, der direkt liegen blieb, vor die Füße warf und diesem bedeutete einen Pass zu spielen, der nach nicht mal zwei Metern versiegte, war klar, dass an diesem Abend kein Spiel stattfinden würde. Nachdem der Stadionsprecher die Absage verkündet hatte, fackelte die Hajduk-Kurve sämtliche Pyro-Bestände ab und alle gingen heim.
Ich weiß nicht ob es die relative Mystik ist, welche diesen Verein dadurch umgibt, dass er ja eine ganze Region repräsentiert und in dieser über die Grenze nach Bosnien hinaus einen unglaublichen Rückhalt genießt. Oder ob es an der ‚Torcida‘ liegt, der ältesten Fanvereinigung Europas, die dem Club ein besonderes Charisma verleiht. Oder aber auch das Stadion, dass ich trotz der Laufbahn zu meinen persönlichen Top-Grounds zähle oder vielleicht die Stadt, die mit ihrer Lage an der Adria und der wunderbaren Altstadt punktet. Jedenfalls ist Hajduk nach dem RWE, dem SV Werder und meiner Jugend-Auslandsliebe Celtic der Verein, der mich ernsthaft interessiert. Zwar fehlt die Emotion, die ich den anderen drei genannten Clubs entgegenbringe, aber ich mag diesen Verein definitiv. Daher hätte ich ihn auch heute gern siegen sehen. Aber vielleicht ist auch das ein Aspekt, der meine Sympathie schürt – Hajduk hat es wie der RWE unheimlich drauf, wichtige Spiele zu vergeigen. Die rot-blauen waren das spielbestimmende Team und hatten deutlich mehr Ballbesitz als die Mannschaft von der Kvarner Bucht, aber im Angriffsdrittel gingen die Ideen aus, hinter die gut gestellte Fünfer-Kette des Gegners zu kommen. Ernsthafte Torchancen waren in der ersten Hälfte kaum zu sehen. Die hatte auch Rijeka nicht, aber die beiden pfeilschnellen, dunkelhäutigen Außenstürmer der Gäste waren bei den einzigen zwei guten Konterchancen nicht zu halten und spielten der Hajduk-Defensive Knoten in die Beine. Mit einem Zwei-Tore-Rückstand für die Gastgeber ging es in die Pause.
Den etwa 100 von der ‚Armada‘ Rijeka, die in der ersten Hälfte ein Spruchband zum Jahrestag eines verstorbenen Gruppen-Mitglieds präsentierten, gefiel das natürlich. Mit frischem Elan kam Hajduk aus der Kabine und schon kurz nach dem Wiederanpfiff fiel der dringend benötigte Anschluss, der dem Spiel natürlich neues Feuer brachte. Aber Angriff um Angriff verpuffte und die Gäste vergaben die eine oder andere gute Konterchance kläglich. Das Spiel war nicht schlecht und vor allem auch spannend, aber es offenbarte, warum die kroatische Liga auf europäischer Ebene bestenfalls als drittklassig anzusehen ist. Ich vermute Hajduk hätte bis Mitternacht weiterstürmen können ohne den Ausgleich zu erzielen und so blieb es beim glücklichen Sieg für Rijeka, der von der ‚Armada‘ gemeinsam mit der Mannschaft frenetisch gefeiert wurde. Bei den beiden Treffern vor der Pause gab es beide Male einen klassischen Zaunsturm über alle Stühle hinweg zu sehen, den nicht jeder ohne Sturz überstand. Die Sjever unterstützte ihr Team von Anfang bis Ende bedingungslos. Auch hier findet sich eine Parallele zum Ruhrgebiet – wenn man erkennt, dass das eigene Team alles versucht, kämpft und grätscht bis die Grasnarbe oben liegt, dann wird auch die Niederlage verziehen. Eine Viertelstunde vor Schluss wurde im Herzen der Kurve auch ordentlich gefackelt. Warum aber auf dem Balkan die Stäbe immer auf Laufbahn und Rasen entsorgt werden müssen, wissen die Kurven wohl auch nur selbst. Außerdem wurden drei oder vier ohrenbetäubende Böller gezündet, dass man fürchten musste, dass die beiden Dachmuscheln zusammenbrechen. Keine Ahnung ob da immer noch Restbestände aus dem Balkankrieg abgefeuert werden, es war abartig laut und ich frage mich, wie viele Tage die direkt Umstehenden wohl benötigen, um wieder Alltagsgeräusche wahrnehmen zu können. So bleibe ich in Liga-Spielen mit Hajduk-Beteiligung leider sieglos. Aber es wird irgendwann geschehen, denn ich mag Dalmatien, die Stadt Split und ihr Flair, das Stadion und den Verein gut genug, um dort wieder immer wieder mal aufzuschlagen. Sensationell finde ich auch, dass die Stadt und ganz Dalmatien mit teils mönströs großen Graffiti zugepflastert ist.