Nach dem ganzen Testspiel-Gerödel in den vergangenen Wochen ist man ja für wenig dankbar. In Ostdeutschland laufen die Kreis- und Landespokalwettbewerbe an und der Landespokal der vergangen Saison wir noch zu Ende gespielt. Grund genug einen Wochenend-Ausflug ins östliche Zonenrandgebiet zu unternehmen. Der Freitag bot allerdings doch noch einen Nonsens-Kick, aber der Spielort machte es aus. Mittags den Griffel fallen gelassen und Kurs Ost. Das lief ganz ordentlich bis kurz vor Magdeburg, dann war Innovation gefragt. Zwei dicke Staus machten eine pünktliche Ankunft letztlich unmöglich. Nach Abwägung, die ausgesuchte B-Lösung – die allerdings eher eine D- oder E-Lösung war – zu ziehen, entschied ich mich die verspätete Ankunft am Eisenhüttenkombinat Ost in Kauf zu nehmen. Als ich zwanzig Minuten nach offiziellem Spielbeginn vor dem Eingangstor stand, sah ich zwar ein paar als Ordner verkleidete Vereins-Ältere aber im Stadion keinen Fußballer. Der Ernüchterung, dass entgegen vorheriger Nachfrage beim Verein, offenbar doch auf dem Nebenplatz gespielt wurde, folgte nach Befragung des Kassierers die Begeisterung, denn die Partie wurde schlicht mit Verspätung angepfiffen und zwar ziemlich genau in dem Moment, als ich diese phantastische Spielstätte betrat. Man darf auch mal Glück haben. In Eisenhüttenstadt tauchte ich tief in die DDR-Ostalgie ein. Die Stadt selber wurde kurz nach Gründung der DDR als Wohnstadt für die im Stahlwerk beschäftigten Bürger errichtet, erhielt zunächst den Namen Stalinstadt und wurde zu Beginn der 60er Jahre in Eisenhüttenstadt umbenannt. Die Stadt versprüht den Charme, den Planstädte halt so versprühen, irgendwie schon ein spezieller Ort. Mit der Wende setzte auch ein Strukturwandel ein. Das Stahlwerk verlor an Bedeutung und die Bevölkerung halbierte sich in den folgenden 20 Jahren um die Hälfte auf nur noch 25.000 Einwohner.
Der heutige FC Eisenhüttenstadt ist der Nachfolgeverein des ehemaligen DDR-Erstligisten BSG Stahl Eisenhüttenstadt, der entstand, in dem das Hüttenkombinat einfach den Verein aus dem benachbarten Fürstenberg übernahm. Nach mehrfachem Wechsel zwischen Zweit- und Drittklassigkeit erreichte der Verein Ende der 60er Jahre erstmals die Oberliga, höchste Spielklasse der DDR, stieg aber sofort wieder ab. Zudem wurde der Club wegen unerlaubter Zahlungen an das Team direkt zurück in die 3.Liga abgestuft. In der Endphase der DDR wurde wieder die Oberliga und sogar die Teilnahme am letzten Pokalfinale der DDR erreicht. Dieses ging zwar gegen Hansa Rostock verloren, aber da Hansa auch Meister wurde, blieb die Teilnahme am Europapokal. So fand dann der wohl bedeutendste türkische Club Galatasaray den Weg an die Oder und nahm die Hürde gegen die Hüttenwerker auch souverän. Nach der Wende wurde die BSG in Eisenhüttenstädter FC Stahl umbenannt. Im gesamtdeutschen Fußball war der Verein höheren Ambitionen nicht gewachsen und ein langsamer Niedergang begann. Nach der Fusion des EFC Stahl mit drei anderen Clubs hat der Verein nun seinen heutigen Namen und sich in der landesweiten Brandenburg-Liga etabliert. Auch der glorreiche RWE bekam es mit dem Club zu tun. 1992 war der EFC Stahl in der 3.Runde des DFB-Pokal an der Hafenstraße zu Gast und wurde mit Mühe 3:2 besiegt. Da der ursprünglich für heute angesagte Testgegner abgesagt hatte, kam es zum internationalen Stahlwerker-Freundschaftsspiel gegen das Team aus Jasien. Obwohl der Gegner sportlich eher nicht auf Augenhöhe einzuordnen war, hielt dieser sehr gut mit und es dauerte bis in die Endphase der Partie, ehe der FCE mühsam siegte. Das Stadion der Hüttenwerker wurde mit steigendem Erfolg des Vereins bis zum heutigen Zustand ausgebaut. Heutiger Zustand bedeutet aber auch, dass seit 1970 nicht mehr viel getan wurde. Und genau das ist ja das geniale, denn vor dem geistigen Auge sieht man die Elf des Stahlkombinats um DDR-Oberliga-Punkte grätschen. Die kleine Haupttribüne mit ihrer speziellen Bauweise, die auf dieser Seite den einzigen Ausbau darstellt, war nicht zugänglich und scheint gesperrt zu sein. Vermutlich, damit man nicht mitsamt dem Tribünengeschoss ungewollt eine Etage nach unten befördert wird, denn die tragenden Stützen wirken fragil und die Korrosion dürfte diesen zugesetzt haben. Das Design der Stühle der vollständig mit Sitzplätzen ausgestatteten Gegenseite dürfte annähernd einzigartig sein, die unbefestigten Stufen der Kurve und viele kleine Details runden das schöne Erscheinungsbild ab. Der Besuch derartiger Spielstätten einer eigentlich vergangenen Periode des Fußballsports bestätigen mich immer wieder in meinem Hobby!