Darul Makmur Stadium, 25.000 Zuschauer, Liga Super Malaysia
Wirklich eilig hatte ich es nicht, wurde aber von allein schon vor neun Uhr wach. Gegen halb elf rief ich dann mal ein Grab mit Ziel Terminal Bersepadu Selatan oder kurz TBS, dem riesigen Bus-Terminal von KL. Die Ticketschalter waren gut besucht, was aber auch egal war. In die großen Städte des Landes fahren eh mehrere Busse stündlich, so dass ich nicht lange warten musste. Als ich dann so durch die Halle Richtung Gate schlenderte, merkte ich eine Fremd-Berührung am Rucksack, drehte mich schlagartig um und schaute direkt hinter mir einem zwielichtigen Typen ins Gesicht, der betont harmlos zur Seite schaute. Den Rucksack runter genommen und festgestellt, dass das Hauptfach etwas geöffnet war. Da überlegt man dann, ob man dem Affen nicht ne ordentliche Schelle geben soll, aber was bringt das am Ende außer unnötiger Aufmerksamkeit. Letztlich hatte er eh nur in verschwitzten Shirts und stinkenden Socken gewühlt, denn Wertsachen trage ich entweder direkt am Körper oder vorne, aber nie leicht zugänglich im Rucksack. Es folgte eine anstrengende Fahrt nach Kuantan. Der Fahrzeugführer hing auf der kurvenreichen Strecke schwer am Gas, da konnte ich mich kaum auf den Film konzentrieren, den ich auf dem Tablet schaute. Was auch nicht schlimm war. Gegengerade – niemand siegt am Millerntor …. grottenschlechter Episoden-Streifen. Pauli sucks, auch auf der Leinwand. So wurden aus dreieinhalb Stunden Fahrzeit dann weniger als drei. Schweineheiß war es am Ziel. Und dann Grab, Grab, Grab, immer wieder Grab. Das will ich in Deutschland auch, aber bitte zu identischen Konditionen. Classic-Hotel hieß die für die kommende Nacht erwählte Bude und ganz klassisch lief mir im Zimmer auch erst einmal eine riesige Schabe über den Weg. Stören mich prinzipiell auch herzlich wenig, die Viecher. Die haben in hiesigen Regionen zwar eine stattliche Größe, aber eben sicherlich auch deutlich mehr Schiss vor mir als umgekehrt. Nur im Zimmer brauche ich die nicht, da werden sie freundlich hinaus gebeten. An der großen Moschee vorbei – der einzigen Sehenswürdigkeit Kuantans – war das Stadion das Ziel meines folgenden Spaziergangs.
Dort war schon gut was los. Fressbuden, Fans in Vereinsutensilien, Fanartikelstände – es ließ sich nicht verbergen, dass gute dreieinhalb Stunden später das Topspiel der Liga angepfiffen würde. Die Hütte wurde von außen abgeknipst, ein Ticket für den Main Stand erworben und dann ging es den kurzen Weg zurück zum Hotel, noch eine halbe Stunde die Füße hoch legen, bevor der Magen beim benachbarten Chinesen gefüllt wurde. Eine gute Stunde vor dem Spiel war ich dann wieder am Ground. Und wieder ein richtig feines Stadion. Überdachte, doppelstöckige Haupttribüne. Überdachte Gegentribüne und zwei ordentliche Kurven. 35tsd sollen reinpassen, dann waren heute locker 25tsd oder mehr drin. Zweiter gegen Erster hieß es und beide waren nach zehn Spieltagen noch ohne Niederlage, Pahang hatte lediglich ein Remis mehr auf der Payroll. Auch eine Tausender-Abordnung von den Southern Tigers aus Johor hatte sich eingefunden. Aus dem Gästeblock kamen die schon gehörten Klänge. Von der heimischen Elephant Army hatte ich etwas mehr erwartet. Aber wenn sich das ganze Stadion anstecken ließ, war das schon nicht schlecht laut. Johor ging schon nach fünf Minuten in Führung, Pahang war der Respekt deutlich anzumerken, allerdings fingen sie sich schnell und hielten dagegen. Niveau ungefähr der deutschen Dritten Liga entsprechend. Allerdings auf eine andere Art. Hier ist halt das Abspiel nicht immer zwingend gefragt. Wer sich gut fühlt, der geht allein, bis er gestoppt wird oder durch ist. Ausgleich nach gut 35 Minuten und dann gelb-rot gegen Johor kurz vor der Halbzeit. Das Stadion war in diesen Minuten ein absolutes Tollhaus. Nun hatte ich einen druckvollen Gastgeber-Auftritt in Durchgang zwei erwartet. Aber nix war. Die Überzahl fiel überhaupt nicht auf. Im Gegenteil – Johor blieb gefährlich und hatte zwei fette Chancen, eine davon ein Volley-Kracher ans Aluminium. Ich vermute die Querlatte vibriert immer noch. Fünf Minuten vor Schluss dann die 1000prozentige Chance für Pahang. Aber ab in die Wolken mit dem Ding. Den Ball suchen sie jetzt noch. Liegt vermutlich genau neben dem Ei, das der Hoeneß-Uli 1976 beim Elferschießen in Belgrad aus dem Stadion geschossen hat. Die restlichen Minuten waren Gäste-Zeitspiel in Reinkultur. Widerlich. Aber das schmälerte nicht den sehr ordentlichen Fussi-Abschluss der Reise.
Als es auf dem Rückweg zu tröppeln begann, erregte laute Musik aus einem Schuppen mit verdunkelten Türen meine Aufmerksamkeit. Mal schauen was da los ist, also rein da – aha, eine Karaoke-Bar voller Chinesen. Dann der klassische Fehler: Bier bestellt, ohne den Preis zu checken. Die ganzen Minus-Kurse und der bisherige Mangel an Versuchen, mich zu bescheißen, hatten mich offenbar mal wieder ausreichend eingelullt. Die große Flasche Tiger wurde dann mit satten 35 Ringgit berechnet, 7,50 Euro!! Aber mein Fehler, der Laden wirkte eh nicht ganz koscher, das hätte mir von Anfang an verdächtig sein sollen. Man muss dazu sagen, dass der Stoff in Malaysia generell nicht billig ist, so wie es halt in muslimisch geprägten Staaten eigentlich generell der Fall ist. Auch im Supermarkt werden für eine 0,33er Dose Tiger bis zu zwei Euro fällig, aber das hier war natürlich Verarsche eines Gutgläubigen. Also die Scheine auf die Theke geschabbelt, umgedreht und raus da. Meine Meinung über das chinesische Volk dürfte dem Stamm-Leser ja bekannt sein und die Aktion hier hat es mal wieder bestätigt. Gut dass im Zimmer-Kühlschrank noch zwei gut gekühlte Dosen warteten.
Gegen 11 Uhr quälte ich mich mal aus dem Bett. Stressfreier Tag. Wie überhaupt die letzten Tage nur zum Chillen gedacht waren. Mit etwas Reise-Aufwand hätte ich am Dienstag noch ein Pokal-Viertelfinale schauen können. Aber das Potential der Partie hielt sich in Grenzen, daher hieß das Ziel für die verbleibenden zwei Tage: Strand! Und zwar in Cherating, nördlich von Kuantan. Grab wäre natürlich einfach und auch preislich noch überschaubar gewesen, aber ich bin ja immer aufgeschlossen, mich dem öffentlichen Nahverkehr zu stellen. Ganz ohne Grab ging es dann doch nicht. Denn schweineheiß war es wieder und deshalb hatte ich wenig Bock mit dem – wenn auch kleinen und knapp acht Kilogramm leichten – Rucksack zum 1,5 Kilometer entfernten Local Bus Terminal zu latschen. Also investierte ich die 5 Ringgit und der Tünnes war dann echt zu dämlich, das Dingen direkt anzufahren. Einkreisen war die Devise, bis man endlich davor stand. Dort die Verbindung erfragt. Nonstop war nicht möglich, ein Umstieg in Balok Makmur war erforderlich. 4 Ringgit, nicht einmal einen Euro verlangte der Busfahrer der Linie 602 von mir und ich blieb für die gesamte Strecken von 45 Minuten der einzige Fahrgast. Das hat sich ja mal gelohnt. Halb zwei war es nun und wann es weiter gehen sollte, wusste niemand. Immerhin hatte mir die Kopftuch-Tussi in Kuantan aufgeschrieben, dass ich Linie 604 nehmen musste. Eine Hand voll Schulkinder und zwei ältere Damen warteten am kleinen Busbahnhof. Dann fuhr mal Bus 600 vor, nix für mich, aber für alle anderen und ich verblieb als einziger am Haltepunkt. Um Viertel nach zwei schaukelte dann die Linie 604 auf den Hof. Der Fahrer hatte nun aber erst Pause und auf Nachfrage bedeuteten mir drei erhobene Finger die Abfahrtszeit. Immerhin sieben Passagiere fanden sich zur Abfahrt ein, darunter noch ein Travelleraffen-Pärchen aus Frankreich. Doppelt schlechte Konstellation! Traveller und Franzosen – zwei Gruppen, die die Welt nicht braucht! Mit diesen war ich bald allein im Fahrzeug und sie stiegen auch wenig überraschend an meinem Zielort mit aus. Noch zehn Minuten Fußweg und dann erreichte ich mein Ziel, die Villa de Fedelia, in der ich mir für die letzten beiden Nächte ein Chalet direkt am Strand gönnte. Dreieinhalb Stunden um mit dem ÖPNV 45 Kilometer zu bewältigen. Gesamtkosten von 11 Ringgit standen dafür zu Buche. Für 50 Ringgit wäre es mit dem Grab in 45 Minuten gegangen. 2,30 Euro zu 12 Euro. Entscheidet selbst. Ich wollte mich jedenfalls mal dem Nahverkehrssystem stellen. Hatte ja auch keine Eile, denn es war eh nur noch Faulenzen angesagt. Viel passierte dann auch nicht mehr. Ein wenig am Strand entlang spaziert, günstig zu Abend gegessen und dann teure Biere in der benachbarten Bar getrunken. Früh ging es zu Bett.
Die Vogelwelt weckte mich um 9 Uhr. Ein wenig auf der kleinen Terrasse gechillt und ungeduscht nahm mich der Besitzer der Anlage mit zum Frühstück. Dieses war im Preis inbegriffen, ich war auch nicht der einzige Gast, aber warum auch immer, wurde im Haus kein Frühstück angeboten. Also nahm mich der Besitzer, Haiyum mit Namen, der sich als echt feiner Kerl herausstellte, mit in die nächste Stadt und lud mich zum indischen Frühstück ein. Ein sehr leckeres aufgeplustertes Fladenbrot mit einem Curry-Dipp und ein fürchterlich süßer Milchkaffee wurden auf seine Empfehlung serviert. Zurück in Cherating ging ich bei bestem Wetter erst einmal ausgiebig im Meer baden. Zehn Tage war ich nun Sonnenbrand-frei durch Südostasien gereist und am vorletzten Tag verbrannte ich mir ordentlich den Pelz trotz Prävention unter Zuhilfenahme kosmetischer Produkte. Albinos wie ich haben unter der Äquator-Sonne einfach keine Chance. Daher verbrachte ich den weiteren Tag weitestgehend lesend im Schatten und nahm auf Empfehlung meines Gastgebers nach Sonnenuntergang an der Firefly-Tour auf dem Fluss teil. Würde mir ja eigentlich nicht in den Sinn kommen, war dann aber ganz nett und hunderte in stockfinsterer Nacht um einen herumschwirrende Glühwürmchen hätten auch mystische Momente bedeuten können, wenn nicht eine Gruppe Chinesen mit im Boot gewesen wäre! Den letzten Abend ließ ich dann nach einem guten Essen mit ein paar Dosen Guinness bewaffnet im Hängekorbsessel einer Strandbar baumelnd ausklingen.
Ich saß in einer AirAsia-Maschine auf der rechten Seite am Fenster. Wir hoben ab und ich dachte noch, dass der Steigflug aber verdammt steil nach oben geht. Dazu flogen wir haarscharf am Tower vorbei, so dass ich dem Lotsen ins Gesicht schauen konnte. Als wir die Reisehöhe erreichten, lehnte ich mich entspannt zurück. Aber plötzlich waren Wolkenkratzer auf Augenhöhe, die Maschine kippte nach rechts weg, das Bild wurde schwarz und… ich wachte auf. Leck mich am Arsch, ich habe ja Respekt vor der Fliegerei, bin aber weit entfernt von Flugangst. Aber eins kann ich Euch sagen, so einen Traum braucht man nicht am Tag des Rückfluges! Um neun musste ich mal aus den Federn, der Lakai meines Gastgebers zauberte ein paar French Toast und einen Tee auf den Tisch und dann hieß es Abschied nehmen. Cheffe Haiyum war schon in Ordnung und die Verabschiedung beinah herzlich. Von einem Grab ließ ich mich zum Airport nach Kuantan chauffieren. 59 Ringgit für 55 Kilometer, keine 13 Euro, man kann nicht verstehen, wo da ein Gewinn bleibt. Scoot war heute wieder an der Reihe und nach diesem Traum war ich zugegebenermaßen froh, keinen AirAsia-Flieger boarden zu müssen. Trotzdem stieg ich so unruhig in ein Flugzeug, wie wohl nie zuvor, aber wenig überraschend verlief der 35 Minuten-Hüpfer nach Singapur völlig entspannt. 160 Euro zahlte ich für die vier Kurzstreckenflüge zusammen, da kann man nix sagen, obwohl es noch um einiges günstiger möglich gewesen wäre, wenn ich weniger bequeme Flugzeiten gewählt hätte. Die Anzahl an Lowcost-Angeboten ist in Asien aber auch noch deutlich höher als in Europa. Nun hatte ich noch sechs Stunden bis zum Etihad-Flug.
Am Flughafen rumpimmeln war keine echte Alternative, daher lagerte ich das Gepäck für 10 S-Dollar teuer ein und fuhr noch einmal nach mit der MRT nach Chinatown. Im Food Market hatte der Koch meines Vertrauens leider geschlossen, aber es gibt ja reichlich Auswahl. Lecker war es, daher gab es noch einen zweite Portion hinterher. Für die Dame des Herzens wurde auch noch ein Mitbringsel gefunden. Um kurz nach acht Uhr am Abend hoben die Araber mit mir zum Zwischenziel Abu Dhabi ab. Im Vergleich ist Emirates aus dem Nachbar-Emirat Dubai den Kollegen von Etihad nach meinem Erachten deutlich überlegen. Aber ich bin auch schon schlechter geflogen. Zwei Stunden Transit und ab nach Frankfurt wo wir um Ortszeit kurz vor sieben morgens aufsetzten. Es folgte die größte Überraschung der Reise, denn mein Bolide stand noch unversehrt an dem Ort, wo ich ihn exakt zwei Wochen vorher in Niederrad abgestellt hatte. Ich hätte mir jedenfalls nen Spiegel abgetreten, wenn in einem Stadtteil mit Parkraum-Knappheit eine der wenigen Stellflächen, die nicht der Anwohner-Parkregelung unterliegen, so lange von einem Fahrzeug mit fremdem Kennzeichen blockiert worden wäre. Gute zweieinhalb Stunden Minuten später stand ich in Essen unter der Dusche und um halb eins saß ich nach der Mittagspause geschniegelt und gestriegelt an meinem Arbeitsplatz.