Ústí nad Labem – Sa., 08.04.2023, 10:15

TJ Strekov vs TJ Slavoj Bohusovice 1:10

Fotbalové hriste TJ Strekov, 70 Zuschauer, I.B trida Ústecký kraj skupina A
Am Vorabend war ich im Dunstkreis von Prag mit einem Teil meiner RWE-Leute zusammengetroffen, die das Spiel bei Dynamo zu einer kleinen Tschechien-Tour ausbauten. Auf dem Weg gen Dresden bot sich nun diese Ansetzung als Warm-up an. Strekov ist ein Ortsteil von Usti nad Labem, zu Deutsch Aussig an der Elbe. Gespielt wurde drittklassig auf regionaler Ebene des Ustecky kraj, insgesamt ist das siebtklassig. Der Platz in Strekov, der deutsche Name lautet Schreckenstein, hat einen etwas speziellen, angestaubten Charme und bietet mit der hoch auf einem Felsen thronenden Burg Strekov eine reizvolle Kulisse. Einen Grill suchten wir vergeblich und nachdem wir zunächst befürchteten, dass es auch keinen Getränkeverkauf hab, entdeckten wir im völlig verbauten Warmgebäude eine total schrullige Vereinskneipe, die wirkte wie eine Mischung aus Wohnzimmer und Versammlungsort einer Partisaneneinheit. Sportlich war der Wert der Veranstaltung überschaubar, aber die Atmosphäre, welche durch den Rahmen entstand, wertete das Gesamterlebnis abslout auf. Die Gastgeber waren in diesem Spiel chancenlos und gingen völlig unter. Da die Groundhoppingpolizei, die für mich als Fußballtouristen ja sowieso nicht zuständig ist, nicht vor Ort war, verließen wir den Kick zwanzig Minuten vor dem Ende, um die Anreise zum Main Event nicht unnötiger Hektik auszusetzen.

Znojmo – Fr., 07.04.2023, 10:30

1.SC Znojmo FK vs FC Velké Mezirící 2:1

Mestský stadion v Horním parku, 320 Zuschauer, Moravskoslezská fotbalová liga
Am Morgen des Karfreitag fuhr ich mit dem Zug von Breclav nach Znojmo. Der Fußballverein aus Znaim, so der deutsche Name der Stadt in Südmähren, schaffte es vor gut zehn Jahren für eine Saison in die höchste Spielklasse. Tat dem Club wohl nicht gut, denn danach ging es runter bis auf drittklassiges Niveau, wo der Verein aktuell auch in argen Abstiegsnöten ist. Umso wichtiger war ein Sieg gegen den direkten Kontrahenten. Sah auch gut aus, was die Gastgeber machten, aber Chance um Chance wurde vergeben, bis der Ball nach einer halben Stunde dann endlich mal einschlug. Sehr zur Freude der exakt zehn ‚Okurkari‘, die sich ab und an zur Anfeuerung ihres Teams aufrafften. ‚Gurken‘ bedeutet das tschechische Wort Okurkari, was aber keine Selbstironie ist, sondern einen Bezug zur Gurkenproduktion, für welche die Region um Znojmo bekannt ist. Die Gäste rafften sich im zweiten Durchgang zu mehr Aktivität auf und spielten nun ordentlich mit. Belohnt wurden die Bemühungen mit dem Ausgleich per Foulelfmeter. Das rief die Znojmonesen wieder auf den Plan, die nun offensiv ausgerichtet druckvoll nach vorne spielten, eine Torgelegenheit nach der anderen kreierten, aber einfach die Bude nicht trafen. Hinten waren die Gastgeber dafür anfällig für Konter, aber was die Gastmannschaft da vorm Tor ablieferte, war noch übler. Allein drei Male wurde ein Stürmer in Überzahlsituationen freigespielt, schob die Kirsche dann aber am eigentlich leeren Tor vorbei –  das hatte schon was von Comedy. Und bestraft wurde es auch noch, denn in der Nachspielzeit bekam die Heimmannschaft einen Strafstoß zugesprochen, der sicher verwandelt wurde. Die drei wichtigen Punkte gegen den Abstieg wurden natürlich frenetisch gefeiert und elf Spieler bedankten sich dann noch bei ihren zehn Fans. Eine Eigenart des Stadions sind die klappbaren Flutlichmasten, erforderlich damit die historische Silhouette der Stadt nicht gestört wird, ähnlich wie in Babelsberg. Der Winkel der Haupttribüne ist übrigens mit der steilste, den ich je in einem Stadion gesehen habe.

Dunajská Luzná – Do., 06.04.2023, 17:00

OFK Dunajská Luzná vs SK Tomasov 0:0

Futbalový stadión Jozefa Straku, 120 Zuschauer, IV. liga Bratislavský futbalový zväz
Nach Rückgabe des Mietwagens am Budapester Flughafen, brachte mich der Flixer nach Bratislava und die Regionalbahn von dort noch fünf Stationen raus nach Dunajska Luzna. Vom kleinen Bahnhof aus war es noch ein gutes Stück Fußweg, aber auf die Sekunde war ich zum Anstoß im kleinen Stadion. Der Aufwand war für ein Spiel der vierten slowakischen Liga insgesamt natürlich hoch, aber um am heutigen Tage ein Spiel sehen zu können, war es auf dem Weg nach Norden die einzig sinnvolle Option – soweit man hier diesen Begriff hier noch nutzen darf. Das Stadion zeigte sich mit zwei gemauerten Tribünen auf der einen und zwei Stahlrohr-Kunststoff-Modulen auf der anderen Seite ganz brauchbar. Auch das Spiel war erstaunlich gut anzuschauen. Fehlende Tore und der kalte Wind machten das ganze dennoch zu einer zähen Angelegenheit und ich war dankbar als endlich der Schlusspfiff ertönte. Nach dem Spiel nahm ich denselben Weg zurück nach Bratislava und von dort den Eurocity Budapest-Praha bis zum Nachtlager im tschechischen Breclav.

Subotica – Mi., 05.04.2023, 18:45

FK Spartak Subotica vs FK Crvena Zvezda 1:4

Gradski Stadion, 2.500 Zuschauer, SuperLiga
Auf meiner im Hinterkopf befindlichen To-do-Liste stand auch der alte Ranz-Kabachel im nordserbischen Subotica, wo am heutigen Abend die Roten Sterne aus der Hauptstadt zu Gast waren. Beim Rundgang durch die Altstadt rasselte ich beinahe direkt in den Gäste-Corteo. Zvezda hat ja fast überall im Land seine Fans und die großen Gruppen rund um die ‚Delije‘ fahren auch überall hin mit, so dass auch heute der Away-Sektor gut gefüllt war. Die ‚Blue Marines‘ der Gastgeber betraten das Stadion erst zur zehnten Minute, da hatten sie schon die frühe Zvezda-Führung nach fünf Minuten und den überraschenden Ausgleich ihres Teams nur zwei Minuten später verpasst. Der designierte Meister zeigte sich nur kurz irritiert, schüttelte sich und brachte die Partie bei den vom Abstieg bedrohten Spartakianern sicher nach Hause. Eine Bengal-Show durfte bei den Gästen, die von einigen Freunden von Spartak Moskau unterstützt wurden, natürlich auch nicht fehlen. Ich mag Zvezda ja prinzipiell und ich mag auch das Land Serbien. Die politische Einstellung der ‚Delije‘ und des Großteils des serbischen Volkes geht mir aber kolossal auf den Sack. Eine mitten in Europa beheimatete Nation, die Russland näher ist als Europa, stößt bei mir auf wenig Verständnis. Aber lassen wir das… insgesamt jedenfalls ein solider Auftritt der Sterne-Kurve, allerdings wurde eher ein Standardprogramm abgespult. Auch die etwa 80 Leute in der Heimkurve unterstützen ihre Mannschaft konsequent, hatten aber gegen die rot-weiße Übermacht natürlich wenig zu bestellen.

Arad – Di., 04.04.2023, 19:00

UTA Arad vs FC U Craiova 1948 1:0

Stadion Francisc Neuman, 6.000 Zuschauer, Cupa Romaniei Viertelfinale
Der Flug war insgesamt ruhig, die Zwischenlandung in Cotonou nervte aber etwas, dort stiegen Dutzende Muselmane auf dem Weg nach Mekka ein. Die waren wohl auch das erste Mal in einem Flieger – unfassbar, wie lange es dauerte bis endlich mal alle saßen. Ich konnte ganz gut pennen, gelingt mir in der Luft auch nicht oft. Ein wenig verspätet in Cotonou gestartet, war ich besorgt, dass es in Istanbul bei nur einer Stunde Transfer-Zeit für den Anschluss nach Budapest knapp werden würde. Wir landeten dann eine halbe Stunde vor der planmäßigen Ankunftszeit, aber es dauert ohne Übertreibung 25 Minuten bis wir endlich an einem Terminalfinger andockten. Einfach alles zu groß dort. Ausstieg an Gate F6, weiter ging es von A4D, einen weiteren Weg durchs Terminal gibt es kaum an diesem Flughafen-Monster. Passte aber letztlich. Nach dem Einstieg in den Ground-Transfer-Bus fuhren wir einmal um den ganzen Riesen-Komplex herum und starteten vom Flugfeld vor Terminal G, direkt benachbart zu F, wo ich ausgestiegen war. This is Africa? Nein, this is natürlich Turkey, aber da läuft ja auch manches anders.
In Budapest wurde schnell der Mietwagen übernommen und ab nach Rumänien. Etwas knapp wurde es doch. Um zwanzig nach sechs checkte ich in die Unterkunft ein, zog mich schnell um und fuhr die kurze Strecke zum Stadion, das ich zehn Minuten vor Anpfiff betrat. Unfassbar kalt war es bei Temperaturen um den Gefrierpunkt, ich hatte zwar lange Sachen für die letzte Woche der Tour eingepackt, aber auf arktische Verhältnisse war ich natürlich nicht vorbereitet. UTA hat vor einigen Jahren ein neues Stadion bekommen, welches an selber Stelle wie sein Vorgänger erbaut wurde. Mit vier unverbundenen Tribünen und gewölbten Dächern hebt es sich deutlich vom klassischen Stadionbau ab. Pokal-Viertelfinale war angesagt. Beim Gastverein ist die Entstehungsgeschichte kompliziert, wie so oft im rumänischen Fußball. Als der FC Universitatea Craiova vor knapp zehn Jahren aufgelöst wurde, gründeten sich mit CSU Craiova und dem FC U Craiova 1948 zwei Nachfolge-Vereine, die beide die Geschichte des alten Clubs für sich beanspruchen. Beide Vereine werden vernünftig supportet, welcher Club nun den höheren Anspruch auf die Historie besitzt, entzieht sich meiner Kenntnis.
Gäste waren keine angereist. Ich hatte zwar auch nicht mit einem vollen Block gerechnet, aber das überhaupt niemand kam, überraschte mich doch. Es liegen zwar unbequeme über Landstraßen zu bewältigende 400 Kilometer zwischen beiden Städten, die unter der Woche an den Kräften zehren, aber in einem fortgeschrittenen Pokal-Wettbewerb hatte ich schon einige Away-Sups erwartet. Die Heimkurve war aber auch ohne Gegner gut aufgelegt und zog als Intro eine Choreo hoch, die sich mit der Vereinsgründung befasste. Dahinter wurde Pyro gezündet, welches nach und nach das ganze Stadion einnebelte. Sah gut aus. Der Support war danach überraschend gut und laut, vor allem wenn die Gegengerade mit einstieg. Die gebogene Dachkonstruktion schien die Akustik auch noch zu verbessern. Der FC U war zunächst das aktivere Team, aber UTA konnte nach einem Konter früh in Führung gehen und das Spiel danach ausgeglichen gestalten. Die besseren Chancen blieben auf Seiten der Gastgeber, welche aber ungenutzt blieben, was das Ergebnis jedoch nicht mehr negativ beeinflusste. Ein durchaus verdienter Sieg für UTA.

Yamoussoukro – So., 02.04.2023, 16:00

ASEC Mimosas vs Rivers United FC 1:0

Stade de Yamoussoukro, 4.000 Zuschauer, CAF Confederation Cup Gruppenphase
„Seid morgen früh um 7:00 Uhr hier, dann könnt ihr Tickets kaufen“ war am Vortag die Info, als ich nach Ankunft am Vortag schon mal Plätze für den Bus nach Yamoussoukro kaufen wollte. Liest sich einfach, war für uns mit nur zehn Worten Französisch-Wissen aber natürlich ein Akt der Geduld die Info zu verstehen. Ungeklärt blieb ob der Bus nun um 7:00 Uhr fährt, was ich aufgrund benannter Information vermutete, oder um 8:00 Uhr, gemäß Aussage des UTB-Facebook-Menschen – der Facebook-Support funktionierte tatsächlich gut – den ich vorab mit Fragen gequält hatte. Wir waren vorsichtshalber in der Morgendämmerung um halb sieben da, die Lösung lautete dann Abfahrt um 7:30 Uhr. Ich hatte befürchtet, dass für die 140 Kilometer locker vier bis fünf Stunden fällig seien, aber obwohl die Strecke über Nebenstraßen teils abenteuerliche Schlaglöcher im Angebot hatte, in die beinahe der ganze Bus reinpasste, machte der Fahrer, der einen Anzug trug und damit bestgekleidete Person im vollbesetzten Fahrzeug war, einen exzellenten Job und lieferte uns nach weniger als drei Stunden am Ziel ab. Erneut stellte sich die Übernachtungs-Frage und da uns in Gagnoa ein Flyer darauf hingewiesen hatte, dass es auch in Yakro, wie die Stadt hier kurz genannt wird, ein Aho-Hotel gibt, steuerten wir dieses an. Dort war auch die günstigste Zimmerkategorie zu haben und so buchten wir zwei Räume für je 15.000 Einheiten des Westafrika-Gerümpel.
Yakro hatte in den 50er Jahren nur 500 Einwohner, ist bis heute auf 400.000 Menschen angeschwollen, wurde 1983 zur Hauptstadt und hat touristisch sogar einiges im Angebot. Da die Zeit etwas dahingegangen war, blieb für uns nur noch der Besuch der Pflicht-Attraktion. Die Basilika ‚Notre Dame de la Paix‘ ist dem Petersdom im Vatikan nachempfunden. Durch das aufgesetzte Kreuz erreicht die durch Papst Johannes Paul II. geweihte Kirche sogar etwas mehr Höhe als das Vorbild, hat allerdings deutlich weniger Fassungsvermögen. Dennoch wirkt das auf einem riesigen Gelände am Stadtrand in die Steppe gepflasterte Bauwerk einfach nur surreal. Italienischer Marmor und französisches Glasmosaik wurden verbaut. Präsident Houphouet-Boigny verweist stolz darauf, die Kosten von 200 Mio Euro aus dem eigenen Geldsäckel bezahlt zu haben, aber woher die Staatsoberhäupter Afrikas ihr Vermögen ziehen, ist ja auch ein offenes Geheimnis. Frecherweise erntete der Wohltäter völlig überraschend Kritik für diesen Protzbau, da viele Institutionen die Kohle im Sozialhaushalt besser angelegt sahen.
Wir schnappten uns ein Taxi und ein Polizist stieg einfach mit ein, da sein Ziel am Wege lag. Unnötig zu erwähnen, dass er sich nicht an den Fahrtkosten beteiligte. Das ‚Stade de Yamoussoukro‘ war das Fahrtziel, wo das Confederation Cup-Spiel zwischen den ASEC Mimosas und den nigerianischen Gästen von Rivers United stattfand. Amicale Sportive des Employés de Commerce bedeutet das Club-Kürzel – Sportverein für kaufmännische Angestellte. Vor diesem letzten Gruppenspiel waren beide Teams bereits für das Viertelfinale qualifiziert, es ging nur noch um den Gruppensieg. Das 20.000 Zuschauer fassende Stadion wurde erst vor wenigen Jahren fertiggestellt und wird einer der Spielorte des Afrika-Cup im kommenden Januar sein. Es liegt am Stadtrand, wobei dieser eigentlich schwer zu definieren ist, denn die gesamte Stadt wurde sehr großzügig geplant und erscheint vom Grundmuster her mit breiten, teils sechsspurigen Straßen fast wie eine sozialistische Metropole. Meine Erwartung von überschaubaren etwa 4.000 Zuschauern wurde erfüllt. Da das ‚Stade Robert Champroux‘ in Abidjan für internationale Spiele nicht ausreicht, muss ASEC die internationalen Spiele hier im Exil absolvieren, aber der Verein hat im ganzen Land seine Fans.
Ein Dutzend Gästefans machte trommelnd und trompetend auf sich aufmerksam. Die ASEC-Kurve sah da schon deutlich besser aus. Es bildete sich ein ganzer Block von Aktiven mit voller Kapelle und drei verteilt stehenden Megafon-Leuten. Die Rhythmen und Gesänge klangen natürlich ungewohnt, haben mir aber richtig gut gefallen. ‚Le mur jaune‘ nennt sich die Kurve – ‚die gelbe Wand‘. Von hier haben die Dortmunder also den Namen ihrer Tribüne geklaut! Die kaufmännischen Angestellten gingen schon in der zweiten Minute in Führung – der Treffer des Tages, was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnten. Das Spiel war attraktiv und schnell und sogar die theatralische Schauspielerei hielt sich in Grenzen. Bis auf die letzten zehn Minuten war ASEC das bessere Team und landete einen verdienten Sieg. Für die Schlussphase begaben wir uns hinter den Stimmungsblock, aus nächster Nähe war das alles noch unterhaltsamer. Nach dem Schlusspfiff feierten wir noch die Mannschaft und begaben uns dann auf Schusters Rappen – natürlich wurde für die 4.000 Leute außer ein paar Taxen kein Transport angeboten – zusammen mit der ganzen Karawane zurück in die Stadt und verzehrten in einem Restaurant ein paar Fleischspieße. Unweit davon ließen wir uns dann in einer Bar nieder und schnallten uns am letzten Abend ganz ordentlich einen um.
Schön, dass diese Nacht ein wenig mehr Schlaf drin war. Der für 11:00 Uhr gebuchte Bus fuhr schon um halb elf los oder hatten wir einfach einen früheren betreten? Wird man nie mehr herausfinden. Die Strecke zwischen Abidjan und Yakro ist durchgehend mindestens zweispurig ausgebaut, die Fahrzeit wurde mit drei Stunden angegeben. Grundsätzlich waren wir auch nach drei Stunden in Abidjan, dann wurde es aber wild und für die letzten 500 Meter benötigten wir im tagsüber völlig chaotischen Adjamé eine halbe Stunde und das ist nicht übertrieben. Minibusse, Taxen, Lkw, Busse fuhren ohne Plan durcheinander, jeder war nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Dazwischen wuselten unzählige Verkäufer, Träger und Kunden hin und her, es ging immer nur Meter für Meter voran. Ich bewunderte den Fahrer für seine Geduld und vor allem für die Fähigkeit, das unübersichtliche Gefährt auf engstem Raum millimetergenau unfallfrei zu manövrieren. Diese Situation war beispielhaft dafür, warum der Kontinent einfach nicht vorankommt. Logisches Denken, Reflexion und nachhaltige Planung bleiben allzu oft auf der Strecke. Warum tun sich die Busgesellschaften das krasse Durcheinander in diesem Stadtteil jeden Tag an? Die Busunternehmen müssen raus da, es muss dezentralisiert werden, damit würde viel Zeit und dadurch auch Geld gespart, aber dann wäre es halt auch nicht Afrika. Wir ließen uns in die gewohnte Hood chauffieren, durften dankbarer Weise unser Gepäck im Hotel in Marcory lassen, aßen ein Hühnchen und tranken voller Wehmut noch zwei, drei finale Biere in der Stammbar der Vortage. Dann hieß es Abschied nehmen und wir nutzten ein letztes Mal Yango. Daniels Air France-Flug ging eine Stunde vor meinem. Turkish Airlines hob dann etwas verspätet gegen 22::00 Uhr mit mir gen Bosporus ab. Au revoir, Afrique. Schön war es, ich mag Dich und Dein geordnetes Chaos, aber zugegeben reicht es nach zwei Wochen auch erst mal wieder.

Gagnoa – Sa., 01.04.2023, 15:30

Agir FC Guibéroua vs Zoman FC 1:0

STade Biaka Boda, 160 Zuschauer, Ligue 2
Trotz der frühen Uhrzeit sah es in Adjamé am heutigen Morgen nicht besser aus als am Vortag. Unser Yango-Fahrer brachte uns direkt vor den Hof, so konnten wir uns jedem Gemokel entziehen. Ein gescheites Mädel von UTB adoptierte uns ahnungslose Bleichgesichter bis zur Abfahrt, begleitete und bis in den Bus und verschaffte uns dort gute Plätze in der ersten Reihe. Nicht ganz unwichtig, da man in den engen Gefährten mit fünf Sitzen je Reihe nur dort etwas Beinfreiheit genießt. Gagnoa war das Ziel und aus angekündigten „minimum drei bis vier Stunden“ Fahrzeit für 270 Kilometer wurden deren sechs. Nun ja, gelogen war es ja nicht. Der Blick aus dem Busfenster gab einen guten Einblick in die Landschaft und wie die Menschen in den weniger dicht besiedelten Gegenden leben. Die Hotel-Frage war noch ungeklärt, lediglich eine kleine Vorab-Recherche war betrieben worden. Wir versuchten es erfolgreich mit dem Aho-Hotel und buchten zwei Einzelzimmer. Die preiswerten Räume waren besetzt, dennoch schlugen wir beim teuren Kurs von je 25.000 CFA zu, denn wenn man in Afrika halbwegs vernünftig wohnen will, wird es selten günstig. Gagnoa ist eine Stadt von circa 180.000 Einwohnern und hat offensichtlich außer schrottreifen Minibussen nicht allzu viel zu bieten.
Wir hatten eh Termine und fuhren per Taxi zum anderen Ende der Stadt, wo sich das ‚Stade Biaka Boda‘ befindet, denn dort fand der für heute ausgewählte Zweitliga-Tanz statt. Weiße Nasen verirren sich bestimmt selten hier in die Provinz und so wurden wir teils offen, teils verstohlen angestaunt, blieben aber auch hier unbelästigt. Das Stadion, auch Spielstätte des hiesigen Erstligisten, verfügt über zwei Tribünen, von denen eine ziemlich verranzt daherkommt und kaum zugänglich ist, es sei denn man trägt eine lange Hose. Da wir kurzbehosten Weißmenschen uns im hohen Gras nicht dem ganzen blutsaugenden Viechzeugs zum Festmahl hingeben wollten, konnten wir uns nur bedingt annähern. Man darf letztlich auch nicht das am gesamten Golf von Guinea recht hohe Malaria-Risiko außer Acht lassen, zumal es sich um die gefährliche Variante der ‚Malaria Tropica‘ handelt. Die Gäste waren das überlegene Team auf überschaubarem Niveau, aber die Lokalmatadore siegten durch einen ganz späten Treffer, der entsprechend gefeiert wurde. Die verbleibenden Tagesaufgaben waren nun Essen, Bier trinken und einigermaßen früh zu Bett gehen, was in genau der Reihenfolge erfolgreich abgearbeitet wurde.

Abidjan – Fr. 31.03.2023, 15:30

Lanfiara Sport d’Attécoubé vs ASC Ouragahio 1:2

Stade Robert Champroux, 200 Zuschauer, Ligue 2
Um kurz nach sieben verließ ich dann meinen Leibarzt, der mit einem späteren Flug in Richtung Portugal weiterreiste, und nahm ein Moto zum nahen Flughafen. Am für die Fußgänger bestimmten Zugang quasselte der zuständige Beamte dann irgendwas auf mich ein. Es stellte sich heraus, dass die Schleuse zum Durchleuchten defekt war. Zwei Einheimische strandeten ebenfalls und wir wurden zur etwa zwei Kilometer entfernten Fahrzeug-Zufahrt geschickt. Die beiden hielten ein Auto an, in das ich mich einfach mit hineinsetzte. Niemand protestierte und einer der beiden bezahlte den Fahrer am Ziel. Besten Dank dafür. Air Cote d’Ivoire brachte mich mit einer etwas verwohnten De Havilland-Propellermaschine in 70 Minuten sicher nach Abidjan, der mit über 5 Mio Einwohnern größten Stadt der Elfenbeinküste. Die ersten Taxi-Mafiosi wurden umschifft – einer rief 20.000 CFA auf, über 30 Euro, dafür musste ich ihn erstmal auslachen – und eine SIM-Karte wurde erworben, die gefühlt auch viel zu teuer war. Ein findiger Ivorer beschaffte mir dann über die Uber-gleiche App ‚Yango‘ ein Fahrzeug für faire 3.400 CFA zum Hotel. Der erste Eindruck zeigte, dass Abidjan deutlich aufgeräumter ist als Lomé und erst recht als Cotonou, allerdings war der Verkehr viel dichter und die Hauptstraßen oft zugestaut. Das Moto-Fahren hatte hier nun ein Ende. Das Yango-Taxi und ein mit modernen Bussen ausgestatteter ÖPNV waren nun die Mittel der Fortbewegung. Nach dem Check-in im recht ordentlichen aber auch recht teuren Hotel ‚Lavida‘ im Stadtteil Marcory führte der erste Weg zum Fußballverband. Die ersten Kilometer bewältigte ich zu Fuß, um erste Eindrücke aufzusaugen, für den restlichen Weg rief ich ein Yango.
Beim Verband wurde ich freundlich begrüßt, man musste mir aber mitteilen, dass die erste Liga am bevorstehenden Wochenende komplett pausiert, da ASEC, der Vorzeige-Club des Landes, ein Spiel im Confederations-Cup, mit der Europa League zu vergleichen, austrug. Die ganze Liga pausierte, weil ein einziger Club international antrat – this ist Africa. Das er erst tief in den Rechner schauen musste, um das herauszufinden, war die Kirsche auf der Bananentorte. Der Spielplan der zweiten Liga wurde mir aber in die Hand gedrückt und da sowieso in denselben Stadien gespielt wird, wie auf höchstem Niveau und sich die Zuschauerpräsenz beim Liga-Fußball generell in Grenzen hält, war das dann auch egal. Ein wenig schlenderte ich durch das benachbarte Marktviertel. Finde ich ja immer wieder spannend, aus der Markthalle selbst trieben mich aber die für europäische Nasen wenig erträglichen Gerüche schnell wieder hinaus. Dann holte ich mir neben dem Hotel beim Vietnamesen was zu essen, verzog mich aufs Zimmer und wartete auf meine neue Reisebegleitung, die dann gegen 21:00 Uhr eintraf – günstig, dass ich mich beim Vornamen nicht umgewöhnen musste. Die Kondition reichte nur noch für den Besuch in einer Bar neben dem nahen ‚Stade Robert Champroux‘, wo wir uns länger aufhielten als geplant, was an einem heftigen Unwetter lag, welches die Straße komplett unter Wasser setzte. Daher mussten wir uns erstmal gedulden, bis wir den Laden trockenen Fußes verlassen konnten.
Die Wartezeit vom Vorabend schlug sich natürlich im Bierkonsum nieder, da war es praktisch, dass der Donnerstag keine Aufgaben mit sich brachte. Dauerte dann auch etwas, bis wir uns mal aus dem Zimmer lösten. Zunächst klapperten wir zwei nahe kleine Stadien in der Hoffnung auf unterklassigen Fußball ab. Der eine Ground, ein Sandplatz mit Tribüne wurde aber offensichtlich für regulären Spielbetrieb hat nicht mehr genutzt, dafür hätten auch erstmal die alten Autoreifen und dicken Steine vom Feld geräumt werden müssen. Und beim anderen Stadion fehlte das Spielfeld, dort wurde gerade saniert. Großartige Pläne für die Gestaltung des Tages hatten wir nicht geschmiedet, daher entschieden wir spontan mal nach Petit Bassam an die Küste zu fahren. Yango regelte den Transport. Die Gegend, in der wir ausstiegen sah wenig vertrauenerweckend aus, aber wir stellten uns mal der Herausforderung und fanden tatsächlich eine einfache Bar am Strand. Der Service war gut, an den durstigen Weißbroten konnte man ja auch ordentlich verdienen. Der Strand war allerdings völlig vermüllt, so krass hatte ich das noch nie gesehen, ziemlich ernüchternd. Es war offensichtlich, dass der ganze Plastikscheiß nicht achtlos dorthin geworfen, sondern angespült worden war, da kann einem wirklich Angst und Bange um unsere Meere werden. In Afrika wird aber auch einfach zu wenig Aufklärung betrieben, wie Entsorgung und Recycling zu funktionieren haben, man sieht und merkt, dass die meisten Einwohner eine zu sorglose Einstellung pflegen. Mit Einbruch der Dunkelheit fuhren wir zurück in unsere Hood, verköstigen uns mit Shawarma und Fleischspießen, bevor wir in der Bar vom Vorabend einkehrten.
Am Freitag-Vormittag brachen wir auf in Richtung des Stadtteils Plateau, ein Geschäftsviertel mit vielen Hotels bekannter Ketten. Dazu nahmen wir die Personenfähre vom gegenüberliegenden Stadtteil Treichville, dem heimlichen Herz der Stadt. Der Anleger mit Abfahrten in verschiedene Richtungen, war nicht so einfach zu durchschauen. Als wir den Matrosen eines anlegenden Bootes fragten, ob dieses nach Plateau fährt, verneinte er. Als uns wenig später ein Ober-Mokel fragte, warum wir im Boarding-Bereich rumlungern, war es plötzlich doch das richtige Schiff. Einfach nur überragend, dass der Bootsjunge nicht mal wusste, wohin sein Kahn fährt. Afrika, ich liebe Dich! Die Kommunikation hatte sich durch die Abreise meines halb-französischen Hausarztes natürlich erschwert, auch wenn ich mir einige hilfreiche Wörter und die Zahlen hatte eingeprägt hatte. Lücken wurden mit Händen und Füßen oder dem Google-Übersetzer gestopft. In Plateau angekommen latschten wir am ‚Stade Félix Houphouet-Boigny‘, der eigentlichen Heim-Spielstätte von ASEC vorbei, welche aktuell für den Afrika-Cup im kommenden Jahr modernisiert wird, zur ‚Cathédrale Saint-Paul‘, die wuchtig daherkommt, aber keine Schönheit ist. Papst Johannes Päule II. hatte seinerzeit persönlich den Grundstein gelegt. Weiter ging es nun mal mit dem Linienbus in den Stadtteil Adjamé, wo die meisten Busgesellschaften ihre größten Abfahrts-Höfe haben. Wir waren von der Rezeptionistin des Hotels leidlich gewarnt worden, aber so dermaßen tief in Afrika war ich bisher noch nie abgetaucht.
Erstaunlicherweise wurden wie, wie auch vorher in Benin und Togo, kaum behelligt. Der weiße Mann fällt auf, der weiße Mann wird bemerkt und angeschaut, aber nur in seltenen Fällen angesprochen oder gar belästigt. In den Abendstunden dürfte es in diesem Stadtteil allerdings anders zugehen. Adjamé scheint ein einziges riesiges Marktviertel zu sein. Viele Straßen sind unbefestigt. Überall stehen dicht an dicht Shops und Stände, Träger versuchen sich den Weg zu Bahnen und dazwischen stehen und fahren liefernde Lkw, zum Teil große Sattelschlepper. Die Szenerie kann man kaum in Worte fassen. Warum in aller Welt sich ausgerechnet dort ebenfalls auf einer unbefestigten Straße, wo alles durcheinander rennt und fährt, wo es viel zu eng für große Reisebusse ist, die Busunternehmen niedergelassen haben, kann man wohl nur mit Afrika erklären. Die Fahrer haben es aber drauf, rangieren sicher und geduldig. Wir kauften beim erwählten Anbieter UTB schon mal unsere Tickets für den kommenden Morgen bei einer pfiffigen jungen Dame, die etwas Englisch sprach und uns der Einfachheit halber in ihr Büro bat, statt uns am wuseligen, engen Schalter abzufertigen und sahen dann zu, dass wir da weg kamen.
Der Linienbus brachte uns einen großen Teil des Weges zurück, dann müsste Yango helfen, sonst wäre der wichtigste Termin des Tages nicht mehr möglich gewesen. Im ‚Stade Robert Champroux‘ trafen sich zwei Zweitligisten zum Meisterschafts-Duell. Spielerisch war es gar nicht schlecht anzusehen, der Keeper von Lianfiara erwies seinem Team aber einen Bärendienst, in dem er nach abgefangenen Bällen immer wieder den Kontakt zum Gegner suchte. Der letzte Kontakt noch vor der Halbzeit war dann einer zu viel, denn da rammte er einem Gegenspieler den Ellenbogen ins Gesicht. Folgerichtig gab es den roten Karton zu sehen und Elfmeter. Zu diesem Zeitpunkt stand es bereits 1:0 für die nun in Überzahl agierenden Jungs von Ouragahio. Auch der erste Treffer war per Strafstoß gefallen und die erste Aktion des nun gerade eingewechselten Ersatz-Schnappers war es, die Kirsche aus dem Netz zu pflücken und so ging es beim Stand von 2:0 in die Pause. Wie so oft konnte die zahlenmäßig überlegene Elf diesen Vorteil nicht entscheidend nutzen. Stattdessen erzielten die Gäste eine Viertelstunde vor dem Ende noch den Anschluss, für den Ausgleich reichte es aber nicht mehr. Beim Publikum lagen teilweise die Nerven blank – schon geil, wie die manchmal ausrasten, wenn wieder was nicht geklappt oder der Schiri ne vermeintliche Fehlentscheidung getroffen hat. Das Stadion ist nichts Besonderes und bietet annähernd identische überdachte Tribünen auf den Geraden. In den Kurven fehlt jeder Ausbau. Ein Großteil der Spiele der ersten und zweiten Liga wird dort aktuell ausgetragen. Auch ASEC absolviert seine Liga-Spiele dort aufgrund des besagten Umbaus des eigentlichen Heim-Grounds. Heute Abend gab es mal Hähnchen mit Pommes und bevor wir wieder in die vertraute Bar abglitten, gönnte ich mir eine Rasur beim libanesischen Barber, der diesen Auftrag aber nicht zu meiner vollen Zufriedenheit ausführte. Da habe ich in arabischen Ländern schon bessere Dienstleistungen erfahren.