Dresden – Sa., 08.04.2023, 14:00

SG Dynamo Dresden vs Rot-Weiss Essen 2:1

Rudolf-Harbig-Stadion, 30.699 Zuschauer, 3.Liga
Der rot-weisse Tross machte sich zahlreich nach Elbflorenz auf, denn Dynamo auswärts war nach Jahren der Regionalliga-Tristesse schon ein besonderer Gegner. Erstaunlich stadionnah konnten wir parkieren und genauso erstaunlich unbehelligt Richtung Gästeblock latschen. Wir waren zwar zivil unterwegs, aber der ewig gestrige Ottonormal-Ossi wittert den verhassten Wessi ja eigentlich zehn Kilometer gegen den Wind. Die Essener Ultra-Fraktion hatte einige Kartons Einmal-Ponchos in den Vereinsfarben im Gepäck. Sauber geteilt in eine obere rote und eine untere weisse Hälfte sah das gut aus. Außerdem waren die Jungs wohl im Baumarkt einkaufen und mit Beginn des zweiten Durchgangs wurden mittels einer abenteuerlichen Kunststoffrohr-Konstruktion die Buchstaben R-W-E in entsprechender Größe als Kirsche auf der Poncho-Torte serviert. Das ‚W‘ war für dieses Vorhaben allerdings ein zu komplizierter Buchstabe und knickte beim Aufrichten ab. Aktion also eher weniger gelungen, aber es kann ja nicht alles funzen im Leben. Die Dynamo-Kurve zeigte eine schöne Choreo bestehend aus der Stadt-Silhouette als Blockfahne, Freiräume wurden oberhalb mit gelben, unterhalb mit schwarzen Pappen ausgefüllt. Als I-Tüpfelchen war zentral eine Straße zu sehen, auf der ein Trabbi langsam nach unten fuhr. Die Botschaft am Zaun „Willst Du nach Dresden rein, muss Dein Verein Dynamo sein“ las sich etwas plump, aber insgesamt war das natürlich eine schöne Aktion.
Ich hatte nicht erwartet, dass wir von der Elbe etwas mitnehmen und wurde nicht enttäuscht. Dynamo war spielbestimmend, die Roten verteidigten aber recht solide. Eine eher kleine Unachtsamkeit kurz vor der Mittellinie war aber dann die Einleitung zum Führungstreffer für die Gastgeber. Alonso, der einen unglücklichen Tag erwischt hatte verschätzte sich anschließend im Luftkampf, der Ball flog über Freund und Feind hinweg, setzte einmal auf und Arslan, der Dynamo-Torschütze vom Dienst,öhe  lies sich die Chance nicht entgehen und traf, wie man schöner kaum treffen kann, nämlich per Fallrückzieher. Der Druck blieb allerdings weiter moderat, aber nach einem Missverständnis zwischen Schnapper Golz und dem mittlerweile beinahe traditionell schwachen, hölzernen Rechtsverteidiger Sponsel lachte ein Dresdner als Dritter und schob die Murmel zum zweiten Treffer ein. Da Kutschke aber in Golz reingerasselt war, erkannte der wenig souveräne Referee das Tor nicht an. Schwein gehabt – ich hätte den Treffer schon allein als Strafe für die Dämlichkeit gegeben. Wenig später war aber dann der Dynamo-Schnapper der große Gönner. Schon im Hinspiel hatte dieser den RWE-Treffer begünstigt, als er den heraneilenden Young anschoss, heute bereitete er das Tor sogar mustergültig vor. Seinen Querpass auf den Außenverteidiger konnte Berlinski abfangen und den Ball dann ins leere Tor befördern. Guter Mann! Also der Dynamo-Tormann, nicht Berlinski.
Nach dem Pausentee ging es dann aber konstant nur in eine Richtung. Zwar hatte Eisfeld noch die Chance zur Essener Führung, die das Spiel auf den Kopf gestellt hätte, aber das änderte nichts am Einbahnstraßen-Fußball. Nach etwas mehr als einer Stunde zeigte das auch die Anzeigetafel, nachdem die Gastgeber erneut in Führung gegangen waren. Wiederum war Alonso der Unglücksrabe, als er einen Ball zu kurz nach außen klärte. Die folgende Flanke führte zur Dynamo-Hütte. Der Sieg geriet nie mehr in Gefahr, fiel eher zwei, drei Tore zu niedrig aus. Kurz vor dem Ende verlor der RWE noch Rother durch Platzverweis nach Tätlichkeit. Zwar war dieser von Arslan durch einen absichtlichen Tritt auf den Fuß provoziert worden, dennoch sollte Rother sich da kontrollieren können, aber dieser ist ja auch ein Spielertyp der immer unter Strom steht. Die Provokation durch Arslan war dem schwachen Schiedsrichter entgangen, grundsätzlich handelte es sich ebenfalls um eine Tätlichkeit. Das Regelwerk sieht für genau diesen Fall vor, dass dann im Nachgang noch Sanktionen ausgesprochen werden können. Der DFB verzichtete darauf – unverständlich und ein schlechtes Zeichen an mögliche Nachahmer, zumal sich Arslan als wenig hell in der Birne zeigte und sich im Interview für seine unsportliche Aktion rühmte. Einen Kreuzbandriss und zehn Tage blutigen Durchfall soll er erleiden, der Schuft!
An der Niederlage hätte weder ein ausbleibender Platzverweis für Rother und erst recht keine nachträgliche Sperre für Arslan etwas geändert. Zu dominant waren die Dynamos. Dafür hatte ausnahmsweise nicht einmal Star-Trainer Dabrowski eine Mitschuld, auch wenn frühere Wechsel dem Spiel sicher nicht geschadet hätten. Knapp 2.500 RWE-Fans ließen sich die Laune nicht verderben und konnten sich mehr als einmal gut Gehör verschaffen. Es gab immer wieder ruhige Minuten auf Heimseite, da die Findungsphase vor dem nächsten Gesang oder Schlachtruf immer wieder etwas Zeit erforderte. Das ist ja eh so ein ostdeutsches Ding, da liegt wohl schon zu große Nähe zum polnischen Support-Stil vor. Eigentlich kokettieren ja auch gerade die ostdeutschen Kurven mit ihrem DDR-Image und der Abgrenzung zum Westen der Republik. Deutlich häufiger wurde das aber heute von rot-weisser Seite bemüht, was ich ermüdend bis peinlich fand. Kann man zwar mal machen und sollte man nach meiner Meinung auch nicht zu bierernst nehmen, aber das sah die Essener Ultra-Fraktion wohl anders.  Auf dem Rückweg zum Auto wurden wir noch Zeuge, wie ein junger Essener Fan um einen RWE-Pullover erleichtert wurde – nach geltender Rechtsprechung ist das übrigens kein Szene-Delikt, sondern schlicht und ergreifend Raub. Im Osten gehen die Uhren halt anders und wer sich darüber im Klaren ist, erreicht die Heimat auch wieder unversehrt.