
SV Wehen Wiesbaden vs Rot-Weiss Essen 3:1
Arena Wiesbaden, 4.526 Zuschauer, 3.Liga

Gelebte Tradition im Wiesbadener Wellblech-Palast. Aber eben nur im Gästeblock! Der Deutsche Meister von 1955 bleibt in der Ferne weiterhin ‚well supported‘. Gut die Hälfte der 4500 Zuschauer hielten es mit dem glorreichen RWE. Aber weder Tradition noch eine stabile Zahl an Auswärtsfahrern bringen Punkte und diese blieben zur Freude der überschaubar großen Szene des gastgebenden Retortenvereins letztlich in der hessischen Landeshauptstadt. Die Peripherie des Stadions ist übrigens eine absolute Frechheit. Schön, dass der DFB unsinnigste Anforderungen an ein Drittliga-Stadion stellt, aber die Zuschauer dann hinter der Tribüne bei Regenwetter knöcheltief im Schlamm stehen. Wenn die Zuschauertabelle die sportlich messbare Größe darstellen würde, lägen die Roten verdammt gut im Rennen. Tut sie aber nicht, denn Zählbares wird nun mal für sportliche Leistungen vergeben und die hinken dem Einsatz des rot-weissen Anhangs weiter hinterher. Prinzipiell kam der RWE gut in diese Partie und war den favorisierten Gastgebern ein ebenbürtiger Gegner, auch wenn diese im ersten Durchgang die besseren der wenigen guten Torchancen verbuchten. Eine davon mündete kurz vor dem Seitenwechsel in den Führungstreffer für die Hessen. Etwas glücklich und diskussionswürdig kam der RWE aber wenige Minuten nach dem Wiederanpfiff zum Ausgleich, als Verteidiger Wiegel dem Wehener Schlussmann die Kirsche aus den Händen spitzelte. In den folgenden Minuten gewannen die Roten gar die Oberhand, konnten daraus aber kein Kapital schlagen. Mit zunehmender Spieldauer fand das Geschehen aber dann mehr und mehr in der Hälfte der Gäste statt und der erneute Führungstreffer für die Gastgeber lag in der Luft. Coach Dabrowski entschied daher mittels Auswechselungen auf Fünfer-Kette umzustellen.
Eine fragwürdige Entscheidung und beinahe umgehend fielen auch zwei Treffer zum Sieg für den SV Wehen und danach war die Luft bei den Gästen auch raus. Die Mannschaft hatte den Glauben an ein ja durchaus noch mögliches Remis verloren, das war deutlich zu erkennen. Stattdessen hätte es auch noch sehr bitter werden können. Da hatte der Trainer also die Niederlage eingewechselt. Nach meiner Meinung hilft man einer zwar unter Druck stehenden aber doch solide und unaufgeregt auftretenden Mannschaft nicht, wenn man die Kräfte noch defensiver zusammenzieht, sondern eher in dem man positionsgetreu oder gar offensiv wechselt, um Entlastung zu schaffen. Natürlich erreicht man mit einer defensiveren Ausrichtung engere Räume und macht dem überlegenen Team die Entfaltung schwerer. Aber auf der anderen Seite wird die verteidigende Mannschaft auch noch weiter in die Defensive gedrängt. Beton anzurühren mag für die letzten Minuten ein wirksames Mittel sein, aber mehr als zwanzig Minuten vor dem Abpfiff scheint mir ein solcher ‚Kunstgriff‘ blanker Selbstmord. Zudem waren die Einwechslungen der seit Wochen ihrer Form hinterher rennenden Heber und Young purer Lobbyismus. Ich hätte stattdessen gern den jungen Kouruma gesehen, der beim vorherigen Spiel gegen Saarbrücken in der Schlussphase eine blitzsaubere Leistung gezeigt hat. Überhaupt nutzt der Trainer seinen breiten Kader überhaupt nicht aus. Eine Stammformation scheint gefunden, die Einwechselungen ähneln sich aber unabhängig von den Spielverläufen und der Form der Protagonisten von Spiel zu Spiel. Auch der Woche für Woche in der Startelf stehende uneffektive Ennali, der seine Aufstellung bisher kaum gerechtfertigt hat, nervt nur noch. Da tritt eine Bevorzugung durch den Trainierer offen und unverschämt zu Tage, stammt Ennali doch aus der von ihm seinerzeit betreuten U19 von Hannover 96.
Das alles diskreditiert den Mann an der Seitenlinie und unterstreicht nach meiner Meinung mehr als offensichtlich dessen fachliche Limitierung. Taktisch zeigt er wenig Flexibilität, scheint vor allem nicht fähig, auf sich schnell veränderte Spielverläufe wirkungsvoll zu reagieren. Man darf auch der betriebsblinden sportlichen Leitung mal die Frage stellen, wie bekifft bei dieser Personalentscheidung agiert wurde. Der Verein hatte vor der Saison verlauten lassen, einen Trainer einstellen zu wollen, der die Liga kennt und zum Verein passt. Beide Kriterien wurden um Lichtjahre verfehlt. Dabrowski hatte in seiner bis dato kurzen Trainer-Karriere nicht in der Dritten Liga an der Seite gestanden. Dazu pfeifen die Spatzen vom Tribünendach, dass auch Empathie nicht zu seinen Stärken zählt, geschweige denn, dass eine Art Ruhrpott-Mentalität erkennbar wäre. In meiner romantischen Vorstellung gehen den Verantwortlichen die Augen sehr bald auf, dass auf dieser Position eine Veränderung dringend nötig ist, wenn das nach zermürbenden Jahren mühsam Erreichte nicht leichtfertig verspielt werden soll. Auch zwei mühsam erkämpfte Heimsiege und dass der RWE noch über dem berühmten ‚Strich‘ steht, täuschen nicht über die Mängellage hinweg. Mir war ja klar, dass die Roten nicht im Hurra-Stil durch die Liga rauschen werden. Dass die Mannschaft aber dermaßen viel Mühe haben wird, habe ich allerdings auch nicht erwartet. Es ist unstrittig, dass der Kader nach den Nachverpflichtungen nun ausreichend Breite und Qualität hat, um eine halbwegs sorgenfreie Saison zu absolvieren. Kämpferisch ist auch nicht mehr drin, das ist gut, die Jungs hauen alles raus. Nun ist es an der Zeit auch das spielerische Potential abzurufen. Mit Herrn Dabrowski scheint mir das aber nicht möglich. Im Gegenteil – mit diesem Trainer wird es sehr schwer, die Klasse zu halten.









