So ganz einfach kam ich dann doch nicht aus dem Bett, es hatten sich am Vorabendhalt doch einige Halbe summiert. Richtig eilig hatte ich es aber auch nicht und machte mich dann mal gegen 11 Uhr auf die Socken. Bevor ich die Stadt verlies, machte ich aber noch Halt am ‚Westtor von Belgrad‘, dem Geneks-Turm. Dieses imposante Gebäude ist quasi das Pendant zum Osttor. Auch in dieses markante, aus zwei durch eine Skybridge verbundenen Türmen bestehende Gebäude fand ich Einlass. Und auch hier wagte ich den Aufstieg zu Fuß. Der etwas höhere Turm dient als Wohn-, der vier Stockwerke kleinere, der aber leer zu stehen scheint, als Bürogebäude. Das auf die Skybridge aufgesetzte Drehrestaurant ist leider schon seit Jahren ungenutzt.
Damit fiel der Vorhang für Belgrad und prinzipiell begann nun die Rückreise. Ich wählte einen kleineren Grenzübergang hinter Subotica für den Wiedereintritt. Nicht in die Erdatmosphäre, sondern in die EU natürlich. Spielte sich alles easy ab, wobei sich mir nie erschloss, ob es überhaupt eine CoVid-Regelung für die Grenze zwischen Ungarn und Serbien gibt. Am agilsten war eigentlich der Zöllner, der jedes Fach im Kofferraum genau untersuchte, sogar noch die Seitenschweller abklopfte und mehrfach enttäuscht nachfragte, ob ich keine Zigaretten dabei hatte. Vielleicht hätte ich ihm welche kaufen sollen, wenn er unbedingt welche brauchte. Über Ungarns Landstraßen ging es nun vier Stunden bis nach Zalaegerszeg, westlich des Balaton, wo ich eine gute Stunde vor dem Spiel eintraf.
In der ‚ZTE Arena‘ versammelten sich gut 2.700 Zuschauer zum Abstiegsschlager zwischen dem Zalaegerszegi TE und dem Paksi FC. Das Stadion besteht aus vier einzelnen Tribünen, ist jetzt nicht der heilige Gral der Ingenieurskunst, aber auch keine Einheits-Arena von der Stange. Mir persönlich gefallen Stadien, bei denen man eine klare Abgrenzung zwischen den Tribünen erkennen kann, sowieso besser, als die sich doch sehr ähnelnden Arenen mit geschlossenen Ecken. Die Gäste wurden von 60 Fans begleitete, von denen sich knapp 15 mit vier Trommeln, Zaun- und Schwenkfahnen für ihr Team abmühten, was natürlich einigermaßen kläglich wirkte. Auch der Heimblock um die ‚Armada‘ war nicht der Kracher, dort mühten sich je nach Laune zwischen 50 und 70 Mann ab. Das war alles aber besser als nichts. Die Verteilung des Publikums funktionierte in den übrigen Bereichen so einigermaßen. Aber auch hier war ich der einzige, der sich zum Ein- und Auslass eine Maske ins Gesicht friemelte. Dann können sich die Magyaren auch die Entzerrung im Stadion sparen, wenn beim Zutritt eh alle aufeinander treffen. Die Gäste gingen früh in Führung, aber ZTE kam noch vor der Pause zurück und schoss sich dann mit 3:1 in Führung, so dass jeder dachte das Dingen ist durch. Zehn Minuten vor dem Ende, erlebte ich dann aber den weltweit vermutlich einzigartig bleibenden Auftritt eines Torrichters, denn normal laufen die Pappkameraden ja nur sinnlos hin und her und entscheiden mal überhaupt gar nix. Hier fühlte sich der Mann aber wohl ausreichend gelangweilt, eingreifen zu müssen, denn er wies den Hauptschiedsrichter auf ein nach seiner Meinung Elfmeterreifes Foulspiel hin. Ein Foul war es, das sahen ich und 2.643 andere auch, aber ebenso, dass dieses deutlich außerhalb des Strafraumes geschah. Sei’s drum, der Strafstoß bedeutete den Anschluss und in der Nachspielzeit glich Paks noch aus. Ein Remis, das keinem half, dem Torrichter erst recht nicht, denn der musste geschützt von Ordnern aus dem Innenraum geleitet werden.
Das hinderte mich nicht an der Fortsetzung der Heimreise. Nachdem auf einer Nebenstraße noch ein ausgewachsener Hirsch 50 Meter vor mir in aller Ruhe über die Straße trottete – noch nie erlebt – passierte ich kurz vor Mitternacht die Grenze zu Österreich. An Graz vorbei fuhr ich die nachts unfassbar leere Pyhrn-Autobahn hoch bis zum Welser Knoten und dann weiter Richtung Passau, wo ich in einem kleinen Gewerbegebiet für zwei Stündlein die Augen schloss, bevor es weiter ging. Auch die A3 präsentierte sich mega-entspannt, so dass ich ohne jeden Stress um 13 Uhr wieder zu Hause eintraf und der erste Fußball-Trip während der CoVid-Pandemie zu Ende ging. Es fällt schwer, zu beurteilen, ob die Einwohner Ungarns und Serbiens eine weniger disziplinierte Einstellung zu den Mindestmaßnahmen zur Eindämmung der Infektionsausbreitung pflegen, den Eindruck hatte ich aber schon. Ich will mir nicht anmaßen, zu behaupten, dass die Situation in Deutschland bei Fußballspielen mit Zuschauern gesitteter ablaufen würde. Mittelfristig kommen aber Regierung und Verbände nicht umhin, zu überlegen, unter welchen Bedingungen man auch in Deutschland wieder Fußball vor Publikum stattfinden lassen kann.