Bradford – Sa., 12.02.2022, 15:00

Bradford City AFC vs Exeter City FC 0:1

The Valley Parade, 15.058 Zuschauer, Football League Two
Marc hatte einen Uber-Fahrer vorbestellt. Leider verloren wir ein paar Minuten dabei, diesen zu finden. Weitere kostbare Zeit ging im Abfahrtsstau drauf, sodass wir erst mit dem Anstoß am Valley Parade Stadium ankamen. Die Ticketabholung ging schnell und reibungslos und so betraten wir in Spielminute sieben das Stadion. Mir ziemlich egal, war ja eh mein zweiter Besuch hier, und die anderen werden es auch überleben. Seit 1903 wird an dieser Stelle Fußball gespielt. Sport getrieben wird sogar schon seit 1886, als das Spielfeld für Rugby genutzt wurde. Durch räumliche Zwänge und diverse Umbauarbeiten im Laufe der Jahre sieht die Hütte ja schön zusammengeschustert, aber dennoch beeindruckend aus. Wenn man auf die Geschichte des Valley Parade eingeht, kommt man einer der größten Tragödien im Fußball nicht vorbei. Im Mai 1985 starben 56 Menschen als der hölzerne Main Stand des Stadions in Flammen aufging. 256 weitere Menschen wurden teils schwer verletzt. City stand bereits als Aufsteiger fest und das letzte Heimspiel sollte vor ausverkaufter Kulisse einfach nur den krönenden Saisonabschluss bilden. Die bewegten Bilder zu diesem Unglück kann man sich im Internet ansehen und wenn man nur einen Hauch von Empathie in sich trägt, macht sich Fassungslosigkeit breit. Ein harmlos aussehendes kleines Feuer entwickelte sich in kürzester Zeit zum Inferno. In nicht einmal vier Minuten stand die Tribüne komplett in Flammen. Viele der Opfer waren in den Bauch der Tribüne geflüchtet, um auf die Straße zu gelangen. Da die Tore jedoch verschlossen worden waren, um eine Überfüllung des Stadions zu verhindern, gerieten Sie in eine Todesfalle.
Der Gedenkstein hinter der heutigen Haupttribüne offenbart, dass teilweise beinahe ganze Familien ausgelöscht wurden. Absurd wirken die Fernsehbilder, weil ein Großteil der Zuschauer das Ausmaß der Katastrophe zunächst noch gar nicht begreift. Auf den Rasen geflüchtete Fans springen jubelnd umher und von der damals noch existierenden großen Stehtribüne schallen Gesänge durch das Stadion. Auslöser war offenbar eine in einem Plastikbecher ausgedrückte Zigarette, welche durch eine Lücke in den Holzplanken der alten Tribüne in darunterliegenden Müll fiel und diesen entzündete. Genau dieses war von der örtlichen Feuerwehr vor der Saison als Risiko angemahnt worden, da aber ein Tribünen-Neubau bereits beschlossen war, schenkte dem niemand mehr Beachtung. Ein fataler Irrtum. Ich weiß gar nicht warum dieses Desaster irgendwie hinter der Hillsborough-Katastrophe verblasst, denn obwohl in Bradford weniger Menschen ihr Leben verloren, empfinde ich die Feuerkatastrophe aufgrund der aufwühlenden Bilder persönlich viel drastischer. Einen kleinen Bezug zu Bradford City habe ich durch meinen gymnasialen Englisch-Lehrer Peter Hill mit Namen. Der gute Pidder stammte aus Bradford, war glühender Verehrer von City, und wurde nicht müde, uns jeden Montag-Morgen mittels einem selbst zu damaligen Zeiten schon antiken Kassettenrecorder (für die Jüngeren: Kassetten waren so etwa Zigarettenschachtel-große Kunststoffgehäuse in denen sich schmale Tonbänder… ach lassen wir das…) die am Vorabend vom BBC-Radio aufgenommenen Fußballergebnisse der englischen Profi-Ligen vorzuspielen. Da der Sprecher das mit dem Elan von Karl Lauterbach rüber brachte, war man bei Unterrichtsbeginn 8.00 Uhr um 8.03 Uhr schon wieder eingeschlafen.
An der Erfolglosigkeit des Clubs hat sich seitdem nicht viel verändert. Das entwickelt natürlich eine Nähe zum glorreichen RWE – der Verein vor Tradition triefend, fettes Stadion und dabei maximal erfolglos. Ein Unterschied besteht darin, dass sich der BCFC um die Jahrtausendwende ein paar erfolgreichere Jahre erlaubte, die ihn sogar bis in die Premier League spülten, aber das regulierte sich ja schnell wieder. Wie bei meinem ersten Mal brachte ich en Bantams auch heute kein Glück und erneut unterlag das Team mit bescheidener Leistung torlos. Einen Sieger hatte das Gerödel eigentlich nicht verdient, aber die Jungs aus Devon schafften es irgendwie die Kirsche kurz vor dem Seitenwechsel in die Maschen zu befördern. Bezeichnend, dass ich den einzigen Treffer des Wochenendes verpasste, da ich schon mal zum Bierverkauf aufgebrochen war. Lichtblick des Tages war, der etwa 250 Mann und Frau starke Anhang der Gäste, der 93minütigem Dauersupport raushaute. Fand ich gar nicht so übel und ist auf der Insel ja beinahe wie Weihnachten und Ostern zusammen. Im Nieselregen strebten wir dann der Bleibe für die Nacht entgegen und wollten noch eine Stunde ruhen. Wäre theoretisch auch möglich gewesen, wenn Rezeptionistin Anne nicht völlig damit überfordert gewesen wäre, dass zwei Zimmer durch dieselbe Person gebucht worden waren und gefühlte Stunden benötigte, uns einzuchecken. Auch diese Hürde war aber irgendwann gemeistert und nach dem Essen beim Syrer (merke: die syrische halbe ist eine europäische volle Stunde) zogen wir noch durch ein paar mehr oder weniger zweifelhafte Pubs, um ein paar dünne englische Biere zu verköstigen. Der Heimweg am nächsten Tage klappte bis auf leichte Flugverspätung reibungslos.