Samstag, 28.12.2019, 14:00

tunesien

Stade Tunisien vs Club Sportif de Hammam-Lif 2:0

Stade Hedi Ennaifer, 1.000 Zuschauer, Ligue 1

191228st-hamam

Das Frühstücks-Buffet war für arabische Verhältnisse beinahe sensationell, Abzüge gab es dennoch, weil die typischen Fladenbrote fehlten, die ich in orientalischen Gefilden als unentbehrlich erachte. Dann latschten wir mal irgendwann los durch die Medina, die sich in ihren verwinkelten Gassen und dem Gewusel von keiner anderen unterscheidet. Auf der anderen Seite wurden wir am Place de la Kasbah vor dem Rathaus wieder ausgespuckt. Dort befinden sich ein paar mehr oder weniger wichtige Gebäude – nichts, was mir nachhaltig in Erinnerung bleiben wird. Weiter ging es zum Bab Saadoun, einem der alten Stadttore von Tunis.
Dieses war aber nicht das eigentliche Ziel, sondern die Tram-Haltestelle daneben, wo wir trotz Nachfrage in die falsche Bahn geschickt wurden. War aber auch egal, so näherten wir uns unserem Ziel halt nur von der anderen Seite. Stade Tunisien ist die dritte Kraft in Tunis, was so auch nicht ganz stimmt, denn der Club ist in der westlichen Vorstadt El Bardo beheimatet. Wenn man von Tunis nach El Bardo fährt, merkt man den Ortswechsel allerdings nicht, denn die Städte sind zusammen gewachsen. Stade Tunisien verkörpert also El Bardo und Angehörige und Fans des Vereins sind auch bemüht, das deutlich hervorzuheben. Anfang der 60er Jahre war der Club sogar recht erfolgreich und konnte eine Hand voll Meisterschaften einfahren, spielt aber heute nur noch die dritte Geige. Als wir einen Ordner interviewten, wo es denn Tickets zu kaufen gibt, erklärte uns dieser, dass das nur im Vereins-Cafe möglich ist, welches gut 15 Minuten Fußweg entfernt liegt. Keine halbe Stunde vor Spielbeginn eine ziemlich undankbare Sache. Also machten wir und der Ordner mal gemeinsam ein ratloses Gesicht, bis er sich entschied uns einfach unentgeltlich ins Stadion zu führen. Merci bien! Das Stade Hedi Ennaifer ist etwas speziell. Die mittig mit einem Dach ausgestattete Haupttribüne deckt gerade mal das mittlere Drittel des Spielfeldes ab. Die Gegenseite kommt deutlich gewaltiger daher. Diese besteht aus fünf Blöcken, die von außen zum mittleren Block ansteigen. Die seitlich angebauten Tribünenaufgänge sind als Zinnen-Türme errichtet worden. Hat schon einen sehr eigenen Charakter, die etwas betagte Bude. Mittlerweile darf der Club auch die Top-Spiele gegen ES und CA in diesem Stadion austragen, bis vor kurzem musste dafür nach Radès ausgewichen werden.
Es formierte sich um die Bardo Boys eine aktive Fanszene auf der Gegentribüne, bei der mal mehr mal weniger Bewegung zu beobachten war. Sangestechnisch war es schwer zu bewerten, da sich auf der Haupttribüne auch etwa zwei Dutzend Leute, bestehend aus jungen Erwachsenen, Teenies und Kindern formierten, die das Team unterstützten und vor sich hin trällerten. ST, wie der Verein im Volksmund kurz genannt wird, spielt eine gute Saison, ist aktuell Zweiter der Tabelle, profitiert dabei aber davon, dass Espérance deutlich weniger Spiele ausgetragen hat und Club Africain aufgrund einer verspäteten Transfer-Zahlung mit sechs Punkten Abzug bestraft wurde. Auch heute lief es gut, ST kontrollierte die Partie gegen den Abstiegskandidaten aus dem nahen Hammam-Lif und fuhr einen ungefährdeten Heimsieg ein. Nach Spielschluss ging es für uns zurück in die Stadt, ich musste mich Kopfschmerz-geplagt mal etwas ablegen, ehe wir uns mit der Nahrungsaufnahme beschäftigten und danach durch die schmuddeligen Bars des Viertels zogen. Also mit dem Suff ist es in den Maghreb-Staaten offenbar generell so eine Sache. Jedenfalls fühlte ich mich in absolut jedem Schuppen an den damals recht unvermittelten Spelunken-Besuch in Algier erinnert, als wir mehr zufällig in einem üblen Suff-Loch landeten, wo vermutlich seit dem Tod Mohammeds nicht mehr sauber gemacht worden war und die Kakerlaken – auch auf den Tischen – eine Riesen-Fiesta feierten. Die beschriebenen Insekten bekamen wir hier zwar nicht zu Gesicht, aber ausnahmslos jeder Laden, den wir für ein Bier betraten war auf seine Art ein Erlebnis für sich. Von großer Sauberkeit hält dort jedenfalls niemand was. Die Böden sahen überall aus als wäre gerade die größte Party der Welt zu Ende gegangen, es war laut, verraucht, und es wurde nicht getrunken, es wurde einfach nur schonungslos gesoffen. Die feinen Herren Muslime… wenn es dunkel ist, sieht Allah ja nicht, was die so treiben. Wir steuerten vier oder fünf Läden an, ein wirklicher Genuss war es nicht, eher eine Sozialstudie. Je später der Abend und je voller die Muselmanen, desto häufiger wurden wir angequatscht, manchmal freundlich, meistens aber nervig. Jedenfalls hatten wir irgendwann die Nase voll und zogen uns ins Hotel zurück, wo noch ein paar kleine Weißblechgebinde mit gehopftem Inhalt als Schlummertrunk auf uns lauerten.
Am Sonntag wollten wir den kurzen Trip eigentlich noch mit einem unterklassigen Kick garnieren. Die Wahl zwischen dritter und vierter Liga entschied der Drittliga-Kick für sich, da die Entfernung zum Flughafen vom vermeintlichen Spielort geringer war. Erst einmal hieß es aber, die Zeit bis dahin totzuschlagen. Viel hat Tunis nicht zu bieten, damit ist man mit einem ausgedehnten Spaziergang durch. Wir hätten uns auch direkt wieder dem Alkohol-Genuss hingeben können, denn als wir am späten Vormittag mal los latschten, hingen die ersten Polsterfüße in den Spelunken schon wieder am Glas. Ließ sich durch die großen Fenster der Bars hervorragend erkennen. In Tunis scheint Allah auch bei Tageslicht schlecht zu sehen. Wir schlugen uns mal quer durch die Markthallen. Gerüche-Leistungskurs war angesagt und spätestens nach dem Fischmarkt reichte es dann auch.
Gepäck aus dem Hotel geholt und ab in die Straßenbahn. Fahrpläne gibt es nicht, man stellt sich einfach an die Haltestelle bis die passende Linie kommt. Eine Fahrt in Zone eins kostet umgerechnet gerade mal 15 Cent. Am Bab Saadoun stiegen wir aus und liefen zum lokalisierten Sportplatz im Stadtteil Omrane, wo wir das Spiel vermuteten. Der Platz wurde aber gerade renoviert, außer nem Baustellen-Ground war dort nix zu holen. Ich hatte morgens im Netz auf den letzten Drücker noch Ansetzungen in arabischer Schrift gefunden. Hätte man sich mal von der Rezeptionistin übersetzen lassen sollen – Anfängerfehler. Die Bestürzung hielt sich stark in Grenzen. Stattdessen fuhren wir zurück ins Zentrum, aßen noch einen ordentlichen Kebab-Teller und fuhren dann zum Flughafen. Ein Taxi zu finden war dann auch noch eine Aufgabe, denn frei waren die wenigsten und zum Flughafen will auch nicht jeder. Der Kranich brachte uns sicher und überpünktlich nach Frankfurt zurück, wo wir deutlich vor der angekündigten Zeit um viertel nach acht aufsetzten. Dann verdiente sich die Bahn einen weiteren Pluspunkt, denn trotz Zugbindung gewährte uns der Zugbegleiter die Mitfahrt in einem früheren Zug. Ich hatte noch nie Probleme mit der Bahn!! Und wieder kamen wir zu früh am Ziel an, so dass unser Zug noch auf der Hohenzollernbrücke warten musste, bis Einfahrt in den Kölner Hauptbahnhof gewährt wurde. S-Bahn rüber nach Deutz, das Auto stand noch unbehelligt am gewählten dunklen Fleck und ziemlich genau um Mitternacht endete die Reise dann in der schönsten Stadt des Ruhrgebiets.