Berlin – So., 25.10.2020, 13:30

SV Lichtenberg 47 vs 1.FC Lokomotive Leipzig 3:2

Hans-Zoschke-Stadion, 966 Zuschauer, Regionalliga Nordost
Die Überlegung, bei welchem Spiel vielleicht ein wenig los sein könnte, führte mich letztlich in die Hauptstadt. Die Ansetzung, die – Deutschlandweit betrachtet – mit Publikum stattfinden durften, versprachen nicht den ganzen großen Kracher aber die Partie in Ost-Berlin kam mir noch ganz recht. Das ‚Zoschke‘ in Lichtenberg wollte eh mal besucht werden und der Gegner aus Leipzig ließ den Funken Hoffnung glimmen, dass sich die aktive Szene auf den Weg machen würde. An Berlin scheiden sich ja die Geister, aber um hier nicht völlig abzuschweifen, möchte ich den vom damaligen Ortsvorsteher Wowereit getätigten Spruch „Arm aber sexy“ aufgreifen. Das passt nämlich schon. Ist ja subjektiv, aber ich persönlich finde die Spree-Metropole immer ganz geil. Die Stadt hat so unfassbar viele verschiedene Gesichter. Nicht alle davon sind interessant und ansehnlich, aber sehr viele Ecken versprühen ordentlich Flair oder ihren ganz eigenen Charme, selbst wenn dieser auch mal zweifelhaft ist. Da machte mir schon die Fahrt vom Alexanderplatz über die breite Karl-Marx-Allee in Richtung Lichtenberg Spaß. Diese fantastische Mischung aus Prachtbauten im sowjetisch anmutenden Zuckerbäcker-Stil und sanierter DDR-Platte schmeichelte dem Sozialismus-Fetischisten in mir. Das ‚Hans-Zoschke-Stadion‘, benannt nach einem Widerstandskämpfer gegen das Nazi-Regime, wurde in den frühen Jahren der DDR erbaut und besticht eigentlich durch seine Schlichtheit. Es ist ein reines Fußballstadion ohne jede Überdachung. Lediglich über einem kleinen Teil des Sitzplatzbereiches wurde Pavillon als Wetterschutz errichtet. Die Stufen erfreuen sich an einem leichten Rasen-Flaum. Hinter dem Stadion türmt sich die graue Gesichts- und Fensterlose Nord-Fassade der Zentrale des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit auf. In Berlin sind zwar vergleichsweise viele Zuschauer zugelassen, dafür herrscht auf den Stehplätzen das mittlerweile beinahe obligatorische Masken-Gebot und ein skurril anmutendes Sing-Verbot. Meine Hoffnung wurde nicht enttäuscht und auf dem Weg zum Eingang kamen mir in Polizeibegleitung etwa 70-80 Lok-Ultras entgegen. Das Sing-Verbot wurde von dieser Gruppe im Stadion nicht beachtet, obwohl von dieser das Masken-Gebot zu einem großen Teil eingehalten wurde(!). Mich darüber zu echauffieren wäre scheinheilig. Ganz im Gegenteil – ich habe mich über die Gesänge gefreut, denn es vermittelte zumindest eine leise Spur von Normalität. Erfreulicher Weise verzichtete der Stadionsprecher darauf, die Gäste ständig mit nervtötenden Ansagen zu ermahnen und wies lediglich ein Mal auf des bestehende Verbot hin. Auch Ordnungs- und Staatsmacht unternahmen nichts, um den Lok-Anhang von seinem Handeln abzubringen. Gut so, auch wenn es in der aktuellen Phase gegen jede Vernunft ist. Der Heim-Anhang äußerte sich auch vier- oder fünf Mal, schien dann aber schon eher darüber im Zweifel zu sein, ob man sich nun erwischt fühlen müsste oder nicht. Die 47er gingen bereits nach zwei Minuten in Führung und die Loksche brachten sich nach nicht mal einer halben Stunde auch noch in Unterzahl. Aber die Gäste kämpften und erzielten nach der Pause auch sehenswert den Ausgleich, aber die Lichtenberger waren dadurch wohl wachgerufen und gingen durch einen Doppelschlag umgehend mit zwei Toren wieder in Führung. Für die Lokisten, die ihre gute vergangene Saison wohl nicht bestätigen können, reichte es dann nur noch zum Anschlusstreffer.