
MSV Duisburg vs Rot-Weiss Essen 1:1
MSV-Arena, 27.719 Zuschauer, 3.Liga

Derby-Tag im Sportpark Wedau und die Vorzeichen waren so klar wie unklar. Der MSV legte als Aufsteiger ja mit 22 Punkten aus acht Spielen einen beinahe makellosen Traumstart hin. Dann geriet aber ein wenig Sand ins Getriebe und nach zwei Remis folgte am vergangenen Wochenende die erste Niederlage. Der RWE ist dagegen noch immer auf der Suche nach Konstanz. Zwei Siege in Folge wollten bei wechselhaften Leistungen bisher nicht gelingen, immerhin war die jüngere Bilanz mit sieben Punkten aus drei Spielen recht erfreulich, allerdings unterbrochen von der Pokal-Niederlage in Oberhausen, die Fragen aufwarf. Der MSV hat es irgendwie geschafft, sich hinter der blauen Brut aus der nördlich von Essen gelegenen Nachbarstadt als Hass-Gegner Nummer zwei zu etablieren, sodass in den Tagen rund um diese Partie die Wogen schon etwas höher schlugen. Die Nordkurve zeigte zum Intro eine Choreo. „Dass auf ewig unsere Liebe zu den Meiderichern hält“ war an der Balustrade des Oberrang zu lesen. Den Zaun des Unterrang schmückte die Ergänzung „Durch den Himmel“ und im Stehplatzbereich zwischen den Transparenten wurde eine Blockfahne mit einem vergnügt auf einer Wolke liegenden Zebra hochgezogen. Der verbleibende Freiraum wurde mit kleinen blau-weißen Schwenkern gefüllt. Dann wurde das Banner im Unterrang gegen eines mit der Aufschrift „Durch die Hölle“ ausgetauscht, in dessen Mitte ein Zebra als Teufel zu sehen war. Eigentlich eine schöne Sache, ordentlich und detailliert gemalt, mit gelungenem Vortrag. Allerdings wurde etwas selbstverliebt ein zu kompliziertes 3D-Schriftbild mit Schattierungen gewählt, was es etwas schwierig machte, die Botschaften zu entziffern. Dennoch eine gute Aktion.
Lange konnte ich darüber aber eh nicht grübeln, da mir eine stattliche aus dem Essener Ultra-Block aufsteigende rote Rauchwolke die Sicht vernebelte. Als ich irgendwann um die dritte Spielminute wieder etwas sah, hatte ich eigentlich erwartet, eine Anfangsoffensive der Gastgeber zu beobachten. Doch nichts dergleichen. Der glorreiche RWE übernahm sofort die Spielkontrolle und entzog dem Geschehen mit geduldigem wie sicherem Aufbauspiel erst einmal das Tempo. Ich denke, so souverän hatte ich die Roten in der aktuellen Saison noch nicht agieren sehen. Allerdings unterbrach der für den verletzten Brumme auf der linken Abwehrseite agierende Bouebari die Dominanz mit einem zu kurzen Rückpass auf Golz, doch die drohende Gefahr konnte mit vereinten Kräften gebannt werden. Mitte der ersten Spielhälfte fuhren die gestreiften Steppenbewohner dann den ersten richtig gefährlichen Angriff, der direkt zum Erfolg führte. Eine scharf und flach hereingezogene Flanke lümmelte Krüger RWE-Schnapper Golz aus kurzer Distanz zur Führung irgendwie durch die Hosenträger. Viel Zeit zum Ärgern blieb nicht, denn der eigentlich souveräne MSV-Schlussmann Braune spielte nur zwei Minuten später einen Katastrophenpass auf die linke Seite Safi mehr oder weniger vor die Füße, der dann direkt zum Tor zog. Braune legte noch ein Geschenk nach und spekulierte auf ein Zuspiel in die Mitte, weshalb Safi den Ball problemlos im Tor unterbringen konnte. Flecksteins Rettungsversuch kam zu spät und deshalb brannte es schon wieder lichterloh im Gästeblock.
Kurz danach schmiergelte Müsel aus beinahe 30 Metern halblinker Position mal richtig einen aufs MSV-Gehäuse, die Murmel krachte aber leider nur an die Querlatte. Vermutlich hat das Leder heute noch Kopfschmerzen davon. Danach das gleiche Bild – RWE mit der Feldhoheit, die Zebras giftig, klare Torchancen blieben aber auf beiden Seiten Mangelware. So ging es in die Pause. Die MSV-Kurve sendete zum Wiederanpfiff eine von weißen Fackeln und Blink-Bengalos unterlegte blaue Wolke in den Abendhimmel. Außerdem zeigte die Szene um Kohorte und PGDU im zweiten Durchgang zwei Spruchbänder. Den Anfang machte „Support und Jubel während Todeskampf – ehrenlose Fotzen RWE“. Das bezog sich natürlich auf das vergangene Niederrheinpokalfinale, als ein MSV-Fan im Oberrang der Nordkurve kollabierte und später leider im Krankenhaus verstarb. Wie üblich wurde darauf der Support unterbrochen, was im Away-Sektor etwas Zeit benötigte, da es dauerte, bis die Info durchgesickert war. Da die Informationslage im Gästeblock aber uneindeutig blieb und der Stadionsprecher noch vor der Halbzeitpause mitgeteilt hatte, dass die Person stabilisiert und auf dem Weg ins Krankenhaus sei, nahm der rot-weisse Anhang den Support wieder auf, während die Weltrettungsgemeinschaft aus der Nordkurve sich entschied, die Unterstützung für den Rest des Spiels einzustellen und wohl auch gern bis ans Lebensende weiter geschwiegen hätte. Dem RWE-Anhang jedenfalls vorzuwerfen, wieder supportet zu haben, nachdem der Patient ja offenbar professionell betreut aus dem Stadion gebracht wurde, passt natürlich gut zur etwas romantisch verklärten Selbsteinschätzung der MSV-Szene, sich immer gesellschaftlich ehrbar zu verhalten und sich damit etwas narzisstisch über andere Szenen zu erheben. Ob die – weibliche Personen nicht unbedingt umschmeichelnde – Ansprache „Fotzen“ aber dem selbst auferlegten Codex entspricht, möchte ich in Frage stellen. Ich habe überhaupt nichts gegen raues Kurven-Wording, das gehört für meinen Geschmack dazu, erst recht bei einem Derby. Aber die grundsätzliche Perspektive aus Blickrichtung Wedau scheint mir immer etwas opportunistisch belastet.
Das zweite Transparent lautete „Ob Spahn, Burgard oder Westtribüne Essen, haltet alle Eure Fressen – Ruhrpottkanaken aus Überzeugung“. Spielte natürlich auf das im Zuge der aktuellen ‚Stadtbild-Debatte‘ von Jens Spahn und Journalist Burgard herangezogene Beispiel Duisburg an. Was die Westtribüne damit zu tun hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Den Ärger der MSV-Kurve kann ich aber nachvollziehen, denn schließlich ist Duisburg hinter Gelsenkirchen nur das zweitbeste Beispiel… zurück zum Sportlichen. Der RWE blieb weiter spielbestimmend, konnte aber in der Box nicht wirklich zwingend werden. Nicht großartig anders lief es bei den Meiderichern. Diese versuchten nach Ballgewinn immer wieder schnell ans Ziel zu gelangen, Abschlüsse und Flanken gerieten aber nur bedingt gefährlich. Eigentlich war das insgesamt bis dato ein ungewohntes Bild, ist es doch oft bei den Roten, mit schnellem Umschaltspiel schnell vor das Tor zu kommen, während der Gegner mehr Ballbesitz hat. Spätestens 20 Minuten vor Schluss nahm das Spiel einen anderen Lauf. Die Gastgeber wurden stärker und drückten die Roten immer mehr in die Defensive. Das Eckenverhältnis wurde zugunsten der Zebras in die Höhe geschraubt und es brannte einige Male lichterloh im Sechzehner vor Jakob Golz. Und dennoch – wirklich gefährlich wurde es selten, die Defensive um einen heute überragenden Kraulich und einen gewohnt souveränen Alonso stand sicher. Nur drei Wechsel zog Coach Koschinat und einer davon ragte heraus. Leider in die falsche Richtung. Owusu kam eine Viertelstunde vor Schluss. Dieser Spieler gibt mir Rätsel auf. Manchmal ist er mit seinem Tempo und enger Ballführung eine echte Waffe und vom Gegner nur schwer zu kontrollieren. Und manchmal wirkt er wie ein Fremdkörper, der noch nie einen Ball gesehen hat. Heute war es letzteres. Miserables Stellungsspiel, planlose Dribblings und völlige Verweigerung im Defensivverhalten – die Roten spielten in der Schlussphase beinahe zu zehnt. Passiert ist jedoch nichts mehr, die Kontrahenten trennten sich mit einem Remis der interessanteren Sorte. Aufgrund der wilden Schlussphase, beschlich mich das Gefühl, dass der glorreiche Deutsche Meister von 1955 mit diesem Punkt besser leben konnte als die Gastgeber. Insgesamt dürfte die Punkteteilung aber weitestgehend gerecht sein.







































































































