Zagreb – Sa., 06.12.2025, 15:00

GNK Dinamo Zagreb vs HNK Hajduk Split 1:1

Stadion Maksimir, 17.028 Zuschauer, Prva Hrvatska nogometna liga
Am Freitag ging es weiter nach Zagreb. Eigentlich ohne Stress, denn der Flieger sollte erst um Viertel nach eins starten. Eigentlich. Kollege Tim brachte mich noch zur Haltestelle. Als dort die Flughafen-Linie 1X direkt vor meiner Nase wegfuhr, hätte mir klar sein sollen, dass es eventuell doch noch interessanter wird. Der nächste Bus war verspätet, was das Zeitpolster schrumpfen ließ. Jedoch nicht besorgniserregend, da die Flightradar-App eine halbstündige Verspätung des Rainers anzeigte. Als nächstes war die Straße zum Airport von der Polizei gesperrt worden, was einen größeren Umweg über die Autobahn bedeutete. Malaka! Das Erreichen des Fliegers war aber kein Problem, letztlich ging es um 14:00 Uhr mit 45 Minuten Verspätung in die Luft. Aufgrund der Zeitverschiebung landeten wir um 14:15 Uhr auf dem ‚Medunarodna zracna luka Franjo Tudman‘ in Zagreb, oder besser in Velika Gorica, 10 Kilometer südöstlich der kroatischen Hauptstadt. Da unbedingt ein Bustransfer (der kroatische Rollfeld-Busfahrer an sich will ja beschäftigt werden) für die 100 Meter von der Parkposition des Fliegers zum Terminal nötig war, trat ich um 14:31 vor eben jenes. Früh genug, um den zu jeder vollen und halben Stunde verkehrenden Flughafenbus in die Stadt abfahren zu sehen. Eigentlich nicht so tragisch, da wenige Minuten später der den Flughafen passierende Linienbus 290 fuhr. Und wieder mit Betonung auf ‚eigentlich‘.
Der Bus war pünktlich, da aber bestimmt 30 Leute zustiegen und jeder umständlich mit Bargeld herumhantieren musste, um einen Fahrschein zu erwerben dauerte es ohne Übertreibung eine Viertelstunde bis wir ablegten. Damit war der anvisierte Zug nach Koprivnica endgültig unerreichbar. Auch nicht so schlimm, denn der Erstliga-Kick vom dort beheimateten Club Slaven Belupo war eher Lückenfüller als Herzenswunsch. Da ich bisher weder den Transfer dorthin noch ein Hotel gebucht hatte, beschloss ich den Druck aus dem Tag zu nehmen und in Zagreb zu bleiben. Der Blick in die üblichen Buchungs-Apps ließ mich aber ratlos zurück, denn es waren nur wenige Angebote vakant und diese (bis auf Dorms, aber aus dem Alter bin ich lange raus) ab 200 Euro aufwärts. Was da abging wird auf ewig ungeklärt bleiben. Also erneute Planänderung und mit dem nächsten Zug doch nach Koprivnica. Das hätte eine knappe Ankunft und das wenig ehrenhafte, aber auch wenig tragische Verpassen der ersten Spielminuten bedeutete. Eigentlich!! Als ich dann im Zug saß, der DB-like sechs Minuten zu spät von seinem Startbahnhof losfuhr, sprangen schon in Sesvete, in der Peripherie von Zagreb, wieder alle auf und verließen das Gefährt.
Die Auflösung: Schienenersatzverkehr – kann man sich nicht ausdenken! Damit machte das so alles keinen Sinn mehr. Also ab in die nächste Kiste zurück nach Zagreb und in Ruhe gecheckt, wo es in der Umgebung eine halbwegs bezahlbare Übernachtungsmöglichkeit gab. Die Kompromiss-Lösung aus Preis, Leistung und Bequemlichkeit ergab ein Hotel in Velika Gorica, für das mit Frühstück immer noch ein knapp dreistelliger Betrag zu entrichten war. Hvala. Zumindest konnte ich mit dem Bus ohne Umstieg dorthin reisen. Mittlerweile war es obligatorisch, dass auch dieser fast eine halbe Stunde Verspätung hatte. So erreichte ich knapp viereinhalb Stunden nach Landung mein gerade eben zwei Kilometer vom Flughafen entferntes Nachtquartier. Es klappt halt auf so ner Tour nicht immer alles – es ist das Leben, das wir wählten. Ein üppiges Abendmahl um eine gefüllte Pljeskavica verbesserte die Stimmung maßgeblich. Dann kurz auf dem kleinen Weihnachtsmarkt einer völlig schrägen Folklore-Band gelauscht und den Kroaten beim hemmungslosen Suff zugeschaut und anschließend mit zwei ‚Karlovacko‘ vonne Tankstelle ins Bett gekuschelt. Insgesamt eigentlich ein versöhnlicher Tagesabschluss. Aber sich alles schönzureden gehört zu diesem Hobby ja beinahe zwangsläufig dazu.
Gegen zehn Uhr verließ ich am nächsten Morgen das Hotel und fuhr mit dem Bus zurück nach Zagreb. Der Fahrkartenkauf wurde erledigt, indem der Fahrer mich einfach durchwinkte. Manchmal blitzt er noch auf, der alte Balkan. Gepäck ins Bahnhofsschließfach und ab zum ‚Stadion Maksimir‘, um die Ticketfrage zu klären. Stellte sich letztlich einfacher dar als befürchtet, auch wenn ich mehr Währungseinheiten für den Erwerb der Haupttribünen-Karte einsetzen musste, als ich eigentlich gewillt war. Auch hier nahm ich mir dann erst einmal Zeit für die Graffiti-Umgebung, bevor ich noch mal mir der Tram in die Stadt fuhr.
Das Wetter war ungemütlich, daher verbrachte ich die Zeit bis zum Spiel in einer kleinen Kneipe, wo ich mit dem Wirt und seinem Kellner ins Gespräch kam. „Most ugliest stadium in the world“ nannten Sie das ‘Maksimir‘. Ganz unrecht hatten Sie da nicht. Ist schon ne ordentliche Gammelbude, die auch völlig unvollkommen daherkommt. Ohne jedes Dach, die Tribünen irgendwann und in verschiedenen Bauphasen uneinheitlich erneuert, die Gegentribüne aber längst gesperrt, die Flutlichtmasten im Innenraum – das ganze Ding ist irgendwie einfach nur zusammengeschustert und abgeranzt. Aber es tut sich was. Das alte ‚Stadion Kranjceviceva‘, Heimstadion von Lokomotiva Zagreb, wurde dem Erdboden gleichgemacht und wird komplett neu gebaut. Danach wird es mit einem Fassungsvermögen von knapp 12.000 Zuschauern den beiden Erstligisten Dinamo und Lokomotiva, aber bis auf Weiteres auch der Nationalmannschaft als Heim-Spielstätte dienen. Zumindest so lange bis ein neues ‚Maksimir‘ errichtet wird, denn dieses soll nach dem Umzug von Dinamo in das neue Stadion in Angriff genommen werden. Also dann rein ins ‚Vjecni derbi‘, das ‚ewige Derby‘, wie das bedeutendste Spiel Kroatiens analog zum ‚Veciti derbi‘ in Belgrad bezeichnet wird.
Als ich das Stadion-Innere betrat, bekam ich erst einmal einen Schreck. Im Gästeblock verloren sich keine 50 Leute und ich glaubte schon an ein Verbot oder einen Boykott. Der Blick vom Oberrang der Haupttribüne nach rechts brachte Entwarnung. Polizei und Ordner hatten einen restriktiven Einlass-Parcour aufgebaut, der zwei Kontrollpunkte beinhaltete und wahnsinnig Zeit kostete. Das hatte zur Folge, dass der letzte ‚Hajduke‘ erst mit dem Halbzeitpfiff im Stadion war. Schikane allez! Gut 1.000 Anhänger des dalmatischen Aushängeschildes werden es letztlich gewesen sein. In der Heimkurve wurde heute auch der Oberrang geöffnet, das ist bei den übrigen Gegnern in der Regel nicht der Fall. Absoluter Blickfang ist ja dieses fette ‚Bad Blue Boys‘-Banner, welches vor drei Jahren bei einer etwas aus dem Ruder gelaufenen Pyro-Aktion ein Raub der Flammen und schließlich erneuert wurde. Die ‚Torcida‘ flaggte im Gästebereich am Zaun zum Spielfeld nur das große Banner der Hauptgruppe aus Split an. An der Absturzsicherung des Blocks wurden ein paar kleinere Banner befestigt, unter anderem jenes der ‚Torcida Zagreb‘ – ein kleiner Nadelstich gegen die Gastgeber.
Die Partie benötigte auf dem Spielfeld und auf den Rängen etwas Zeit, um in Fahrt zu kommen, unter anderem, weil es ja dauerte bis sich der Away-Sektor füllte. Im Heimbereich wurde hier und da mal eine Fackel gezündet, das Pyro-Arsenal wurde offenbar für die Dunkelheit geschont. Solange es noch Tageslicht gab, wurde von den ‚Bad Blue Boys‘ aber eine stattliche blaue Rauchwand in den Himmel abgesendet. Dazu schallten die balkan-typischen, dunklen, kehligen Schlachtrufe und Gesänge durch das Stadion. Auf dem Rasen übernahmen die Gastgeber die Regie und ließen Hajduk kaum zur Entfaltung kommen. Während Hajduk zuletzt einige Punkte hatte liegen lassen, konnten die Gastgeber den kleinen Rückstand auf die Tabellenspitze wettmachen und diese gar übernehmen und offensichtlich hatten sie vor für klarere Verhältnisse zu sorgen. Ein Tor für Dinamo Mitte der ersten Hälfte hielt der VAR-Überprüfung nicht stand. Trotz drückender Überlegenheit ging es torlos in die Pause.
Während Hajduk mehrere große Schwenker zum Einsatz brachte, nachdem der Away-Bereich endlich vollbesetzt war, blieb die Heimkurve in Durchgang eins frei von optischem Material. Erst zur zweiten Halbzeit wurden die Schwenkfahnen ausgepackt und dem Block damit ein dynamischeres Bild verliehen. Zehn Minuten waren in der zweiten Hälfte gespielt, als auf Foulelfmeter für Dinamo entschieden wurde. Aber erneut hatte der Video-Referee Einwände und die Entscheidung wurde kassiert. Dafür traf Hajduk gute 20 Minuten vor dem Ende komplett aus dem Nichts zur Führung. Bis das Tor aber endlich final anerkannt wurde, vergingen erneut mehrere Minuten, bis eine vermeintliche Abseitsposition überprüft war. Völlig unverständlich, warum das wieder so lange dauerte. Dieser VAR-Mist raubt dem Spiel echt sämtliche spontanen Reflexe und Emotionen. Das Gegentor nahm die Dinamo-Kurve zum Anlass, die Tribüne in rotem Bengalfeuer erstrahlen zu lassen. Kurz danach machten die Gäste dann richtig Ballett und rasteten komplett aus. Haufenweise Fackeln wurden gezündet und auf die Laufbahn geworfen und ein Dutzend Leuchtspurpatronen auf das Spielfeld geschossen. Das Ganze ging über mehrere Minuten und die Partie war für diesen Zeitraum unterbrochen. Aber wie auf dem Balkan üblich, wurde einfach geduldig abgewartet, bis das Feuer erloschen war und dann ging es ohne weitere Diskussion einfach weiter.
Die Gastgeber drängten natürlich auf den Ausgleich und schnürten die Dalmatiner (nein! nicht die Hunderasse) in der eigenen Hälfte ein. Die Situation, welche zum Tor geführt hatte, war auch annähernd der einzige brauchbare Angriff, den die Gäste bis dahin zustande gebracht hatten. 18 Minuten Nachspielzeit wurden aufgrund der ganzen VAR- und Pyro-Unterbrechungen ausgerufen und in der zwölften war es soweit. Hajduk konnte dem Dauerdruck einfach nicht standhalten. Nach einem schlecht gespielten Konter der Gäste konnte Dinamo im Gegenangriff noch den Ausgleich erzielen und damit zumindest die Tabellenführung retten. Vor beinahe 15 Jahren hatte ich dieses Spiel schon einmal gesehen, auch damals brannte es lichterloh, aber heute wurde die Nummer noch einmal getoppt, obwohl den Gästen nur noch ein halb so großer Bereich zugestanden wurde. Per Pedes ging es zurück in die Stadt und nach einem kleinen Abendessen zum Bahnhof. EN414 stand schon gestriegelt am Gleis 1. Einen Nachtzug hatte ich ewig nicht mehr genutzt und diese Verbindung passte perfekt in den Ablauf. Das gebuchte Vierer-Liegeabteil wurde auf der gesamten Strecke lediglich noch von einem jungen Serben belegt. Pünktlich ging es um 19:39 los, schon 23 Minuten später stand der erste Lok-Wechsel an der Grenze an. Die Kroaten wollten ihre Maschine nicht nach Slowenien entlassen. Ab Ljubljana bis zur Abfahrt aus Salzburg hab ich gut gepennt. War natürlich klar, dass lediglich die deutschen Grenzer eine akribische Kontrolle durchführten – alles Schwachsinn, dadurch hält man niemanden auf, der illegal einreisen will.