
PAE Aris vs PAOK 1:1
Stadio Kleanthis Vikelidis, 12.000 Zuschauer, Kypello Elladas Gruppenphase

Am Vortag hatte ich nach Ankunft in Blagoevgrad die Optionen für die Weiterreise nach Thessaloniki geprüft. Lediglich zwei Busse sollten vom Busbahnhof fahren, einer früh am Morgen und einer am Abend, beide zu wenig ansprechenden Zeiten. Die Internet-Recherche ergab eine weitere Möglichkeit am Vormittag, allerdings sollte die Schaukel nicht vom Busbahnhof fahren, sondern unweit davon an der Straße halten. Auch wenn dieser Ort auf der Website des Unternehmens recht gut erläutert wurde, blieb ein Restpotential an Nervenkitzel, ob das denn so klappt. Das tat es. Beinahe auf die Minute genau kam das Stangen-Taxi vorgefahren, die Tür öffnete sich, der Beifahrer sprach fragend meinen Namen aus und ich sprang hinein. Sofort ging es weiter – ein Pitstop, um den uns jeder Formel 1-Rennstall beneidet hätte. Unspektakuläre vier Stunden später traf ich in Thessaloniki ein. Kurz die Sachen im Hotel abgeworfen und dann traf ich mich mit meinem früheren Arbeitskollegen Tim, der seit drei Jahren in der Stadt lebt und sich neben seiner wenig nachvollziehbaren Vorliebe für den blau-weißen Verein aus Duisburg-Meiderich nun auch Aris Thessaloniki verschrieben hat. Nach einem ausgiebigen Spaziergang entlang der Promenade suchten wir die Taverne seines Vertrauens auf und ließen es uns gutgehen.









Den folgenden Tag ließ ich ruhig angehen und besorgte erst einmal den Haushalt. Bedeutete, ich musste in einem SB-Waschsalon mal etwas Wäsche waschen, da ich ja aus Überzeugung mit möglichst wenig Gepäck reise. Das Wetter war eher geht so, daher passierte danach zunächst nicht viel und gegen halb drei machten wir uns auf in den Stadtteil Charilaou, damit ich bei Tageslicht ne Runde um das ‚Stadio Kleanthis Vikelidis‘ drehen und mir auch die ganzen Graffiti anschauen konnte. Auch die befreundeten Gruppen ‚The Unity‘ aus Dortmund und die ‚Green Angels‘ aus Saint-Etienne durften sich an der Stadion-Fassade verewigen. Herausragend ist die auf einen ganzen Hausgiebel gemalte Erinnerung an einen jungen Anhänger, der vor drei Jahren bei einem Überfall durch Fans des Stadtrivalen PAOK an den Folgen von Stichverletzungen verstarb.












Nach einem opulenten spätnachmittäglichen Mahl trafen wir uns mit Tims Aris-Freundeskreis in einer Taverne zur Einstimmung auf das Spiel. Das Stadion, mit der im Verhältnis zu den anderen Rängen hohen und steilen Haupttribüne, trifft genau meinen Geschmack und liegt eng im Stadtviertel. Ich mag diese Standorte, denn diese versprühen im Gegensatz zu den ganzen neu erbauten Palästen auf der grünen Wiese noch klassisches Fußball-Flair. Die Flutlichter zeichneten bei der feuchten Witterung einen schönen Lichtkegel in den Abendhimmel. Während Aris mit seinem Vereinsnamen dem griechischen Gott des Krieges huldigt, steht das Kürzel PAOK übersetzt für ‚Panthessalonikischer Sportclub der Konstantinopler‘. Hintergrund ist, dass Griechen, die aus Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, vertrieben wurden, den Verein gründeten. Da Aris bisher eine ziemlich schwache Saison spielt, war in Kombination mit dem bescheidenen Wetter bei weitem kein ausverkauftes Stadion zu erwarten. Vermutlich war es sogar das am schlechtesten besuchte Derby der letzten Jahre. Auch die Zeiten, in denen die Stadien mit pyrotechnischen Produkten in wahre Höllenfeuer verwandelt wurden, sind in Griechenland seit der letzten Saison vorbei, da der Verband begann, drakonische Strafen zu verhängen, um im wahrsten Sinne die Unart zu ersticken, dass die brennenden Fackeln unkontrolliert auf das Spielfeld geworfen werden.
Ein Derby in diesem Stadion zu sehen, ist mir schon lange ein Anliegen und gern hätte ich dieses lichterloh brennen sehen, aber ich habe den Besuch halt wieder und wieder verschoben und die ‚guten‘ Zeiten damit wohl leider für immer verpasst. Shit happens. So war der Konfettiregen als Intro der nördlichen Hintertor-Tribüne schon fast mehr, als zu erwarten war. Immerhin schallten schöne Melodien von der Südtribüne, auf der die führende Gruppe ‚Super 3‘ ihren Platz hat, zu uns herüber. Der griechische Pokalwettbewerb wird nach einer Qualifikationsrunde zunächst in einer großen Gruppe mit 20 Teams gespielt. Jeder Verein spielt aber nur gegen vier andere Mannschaften, das Format entspricht dem der aktuellen Hauptrunden in den Europapokal-Wettbewerben. Nur die ersten vier der Tabelle qualifizieren sich direkt für die nächste Runde und Aris stand mit drei Siegen aus drei Spielen gut da, während PAOK nur eines von bisher zwei Spielen gewann. Bedeutete, dass Aris sich mit einem Sieg nicht nur sicher für das Viertelfinale qualifiziert, sondern dem Rivalen zusätzlich auch ein großes Problem bereitet hätte.
Das favorisierte PAOK übernahm sofort die Regie und brachte die Hausherren in Bedrängnis. Nach einer eigentlich unscheinbaren Situation im Sechzehner von Aris griff plötzlich der VAR ein und nach Überprüfung am Monitor entschied der Referee früh in der Partie auf Elfmeter. Doch der Aris-Schnapper hielt den Ball und das war offenbar der Impuls, den die Gastgeber brauchten, um auf Augenhöhe mitzumachen und fünf Minuten vor dem Seitenwechsel erzielten diese sogar die Führung. Die aber nicht lange Bestand hatte. Denn wiederum hatte der Video-Referee Einwände. Es lag in der Entstehung des Angriffs eine Abseitsstellung vor, daher ging es torlos in die Pause. Kurz nach dieser war es aber soweit und ein unbekannter Brasilianer namens Dudu (Frage an die älteren Leser: war das nicht so ein trickreicher VW Käfer aus dem gleichnamigen Film?) traf zur Führung für Aris. Das Spiel war danach nicht sehr gut, lebte eher von der Spannung. Viele Torraum-Situationen gab es nicht, PAOK hatte aber deutlich mehr Ballbesitz. Als dann eigentlich alle – und ich meine alle, denn Gäste-Anhänger sind ja nicht zugelassen – Zuschauer auf Sieg eingestellt waren, trafen die Gäste mit einem skurrilen Sitz-Fallrückzieher in der sechsten Minute der Nachspielzeit zum Ausgleich. Wenn alles normal läuft, kostet dieser Treffer Aris leider die direkte Quali für das Viertelfinale und es geht in die Play-offs – schon bitter bei zehn Punkten aus vier Spielen. Mehr als der Heimweg war um diese Uhrzeit nicht mehr drin. Nachtruhe war angesagt.
















