
Rot-Weiß Oberhausen vs Rot-Weiss Essen 3:2
Stadion Niederrhein, 10.000 Zuschauer, Niederrheinpokal 2.Runde

Rot-Weiß gegen Rot-Weiss. Während beide Vereine in der Meisterschaft nun in der vierten Saison getrennte Wege gehen, kommt es beinahe jährlich zum Aufeinandertreffen im Verbandspokal. Bei den Fans des Deutschen Meisters von 1955 hielt sich das Interesse etwas in Grenzen, lediglich 3.500 Rot-Weisse hatten den kurzen Hüpfer über die Stadtgrenze mitgemacht, 10.000 Interessierte insgesamt waren aber sicher dennoch keine schlechte Zahl für dieses Spiel. Während der überwiegende Teil der aktiven Essener Szene ja nach wie vor die zweifelhafte Strategie fährt, im Niederrheinpokal erst im Finale aktiv in Erscheinung zu treten – nachvollziehbar bei Spielen gegen die ‚Kleinen‘, aber eher nicht gegen Vereine mit eigenen aktiven Gruppen – war es für die RWO-Anhängerschaft natürlich ein Highlight. So sammelten sich im einzigen kleinen überdachten Teil des Steh-Gästebereiches am Rande der ‚Kanalkurve‘ lediglich 150-200 sangeswillige Köpfe hinter einem schlichten Rot-Weiss Essen-Banner, die vermutlich von den ‚Freaks Ultras‘ geleitet, den glorreichen RWE akustisch unterstützten. Die ‚Emscherkurve‘ fuhr dagegen das volle Programm auf oder zumindest das, was man in Oberhausen volles Programm nennen kann. Das soll nicht zu despektierlich klingen, denn die verhältnismäßig kleine RWO-Szene rund um ‚Semper Fidelis‘ hat ja eingeklemmt zwischen den großen Ruhrgebiets-Clubs einen schweren Stand. Allerdings hätte ich erwartet, dass sich für das Spiel gegen die verhassten Nachbarn aus ‚Exxen‘, wie die Kulturhauptstadt von 2010 von den Anhängern einiger Erzrivalen ja gern bezeichnet wird, mehr akustische Unterstützer rekrutieren ließen. Letztlich waren es nicht viele mehr als auf Gästeseite, aber eben durch einen Capo organisiert und mit einem günstigeren Standort.
Auffallend war zudem die Zaunbeflaggung, denn von dem guten Dutzend Stofflappen, die rechts und links der zentralen Gruppenfahne festgezurrt wurden, hatte die Hälfte nur bedingt mit RWO zu tun. Die Ulmer Fetzen konnte ich mir aufgrund der offiziellen Freundschaft der Szenen noch erklären, die anderen Lappen dürften ihren Grund in persönlichen Kontakten und Vorlieben finden. Der Zaun der Heim-Kurve war geteilt vom mittig platzierten Club-Wappen auf der einen Seite mit roten und auf der anderen mit weißen Plastikbahnen behangen worden. Über diesen stieg in der jeweiligen Farbe eine stattliche Rauchwolke in den Himmel, die den Platz zum Kick-off ordentlich einnebelte. Ein simples aber stimmiges Bild. Um mal den Klugscheiß-Modus zu bedienen sei erwähnt, dass ich schon vor der Partie darauf hinwies, dass dieses Los ein angemessenes Blamage-Potential birgt. Ein inkonstanter RWE und eine trotz ja eigentlich überdurchschnittlicher Besetzung in dieser Saison bisher äußerst löchrige Defensive waren ausreichende Faktoren dafür. Gegen meine These sprach dann das frühe Führungstor durch Arslan, der einen abgewehrten Ball von der Strafraumgrenze wie an der Schnur gezogen ins RWO-Gehäuse schweißte. Danach hatte der glorreiche RWE erstmal alles im Griff, fiel dann aber in den trügerischen Verwaltungsmodus und die Gastgeber fanden allmählich in die Partie.
Spätestens Mitte der ersten Hälfte gewann RWO die Oberhand und bereitete der RWE-Defensive über schnelle, quirlige Außenstürmer Probleme. Wienand, der wie üblich im Verbandspokal anstelle von Golz das Tor hütete, hatte in der Spieleröffnung nicht seinen besten Tag. Sein viertes beschissenes Zuspiel setzte den angedachten Empfänger Moustier dann endlich so unter Druck, dass die Murmel verloren ging. Ein schöner Pass in die Spitze und einen Lupfer später stand es Remis, aber als guter Gast muss man ja auch Geschenke mitbringen. Mit dem Pausenpfiff drehte der Underdog die Partie dann komplett. Der nicht konsequent angegriffene Offensivakteur mit dem wohlklingenden Namen Burinyuy Nyuydine schlenzte zur mittlerweile verdienten Führung ein. Für mich überraschend reagierte Coach Koschinat in der Pause noch nicht. Kurz nach dem Wechsel hätte Arslan dann frei vor dem Tor den Ausgleich erzielen müssen, tat er aber nicht. Stattdessen erzielte RWO nach unnötigem Ballverlust den dritten Treffer. Die Abwehr zeigte sich mal wieder völlig aus den Fugen, so dass ein RWO-Akteur die Führung mit platziertem Schuss vom Sechzehner einigermaßen unbedrängt ausbauen durfte.
Der RWE zeigte wenig Reaktion auf das drohende Desaster, es fehlte mal wieder an allem. Wenig Laufbereitschaft, der Spielaufbau langsam, pomadig, einfallslos, man fühlte sich an triste Regionalliga Zeiten erinnert. Dazu vermisste ich den letzten Einsatz, die Bereitschaft, sich mal richtig zu quälen. Eigentlich hatte ich nie das Gefühl, dass dieses Spiel noch eine Wendung erfahren konnte. Das änderte sich als Koschinat mit den letzten Wechseln auf bedingungslose Offensive setzte und Brumme ein paar Minuten vor Schluss aus der Distanz verkürzen konnte. Geholfen hat es nix mehr. Der RWO geriet nochmal etwas ins Schwimmen, verteidigte aber nun mit Mann und Maus, Glück und Geschick. Zwei gute Einschussmöglichkeiten wehrte der Oberhausener Schlussmann stark ab, dann war es vorbei und ein Ausgleich wäre auch nicht verdient gewesen. Jedes Jahr kann man den Pokal auch kaum gewinnen, die Art und Weise des Ausscheidens ist allerdings bedenklich. Aber mit einem vierten Platz in der Liga würde die Quali für den DFB-Pokal ja auch noch erreicht.
Kann das klappen? Denn plötzlich ist sie da, die Trainerdiskussion! Die starke Rückrunde und ein optimierter, verbesserter Kader haben Begehrlichkeiten geweckt. Coach und Mannschaft bekommen jedoch einfach keine Konstanz in die Leistungen. Auf ein gutes Spiel folgt regelmäßig ein schwaches. Die Abwehr frisst einfach zu viele Gegentore, daher sollte eine defensivere Ausrichtung eventuell die bevorzugte Lösung sein und genau damit konnte auch die letzte Rückrunde erfolgreich bestritten werden. Ich halte es für verfrüht, Uwe Koschinat in Frage zu stellen. Sicher, zum Teil kann ich Kritikpunkte nachvollziehen. Ständiges Rotieren hemmt die Findung einer Stammformation, fördert aber auf der anderen Seite die Fähigkeit flexibel auf Spiel- und Personalsituationen reagieren zu können. Was Vorgänger Dabrowski vorgeworfen wurde – zu einsilbig, zu wortkarg, mangelnde rhetorische Fähigkeiten – fällt nun auch Koschinat auf die Füße, nur umgekehrt. Zu detailliert seien seine Ausführungen, zudem rede er jeden Gegner stark. Und wenn – durch Worte wurde noch kein Kontrahent auf dem Spielfeld übermächtig. Zudem schätze ich seine Fähigkeit zur differenzierten Analyse, für mich eher ein Beweis, dass er sein Fach versteht. Nach meinem Erachten sind Verein und auch Umfeld gut beraten, dem Trainer Zeit zu geben. Aber der RWE-Anhang wäre nicht der RWE-Anhang, wenn nicht nach zwei Siegen der Europapokal ins Visier genommen und nach zwei Niederlagen höchste Abstiegsgefahr ausgerufen würde. Dabei dürfte es allen gut tun, wenn Trainer und Mannschaft in Ruhe arbeiten können. Aber klar dürfte sein, dass es in den nächsten Wochen rauhe See geben kann. Die Aktiven könnten die Wogen am Ehesten glätten. Also volle Fahrt voraus!

















