Gelsenkirchen – So., 07.09.2025, 15:00

SC Hassel vs SV Zweckel 6:1

Stadion Lüttinghof, 100 Zuschauer, Bezirksliga Westfalen Gruppe 9
Es gibt unterklassige Spielstätten, die haben wiederholte Besuche verdient. Dass ich im Hasseler ‚Lüttinghof‘ ein Spiel sah, war 15 Jahre her und da ich für den heutigen Tag nichts in den Spielplänen entdeckte, dass mich von Stuhl haute, bekam das schone kleine Stadion im Norden der ungeliebten Nachbarstadt den Zuschlag. Die Anlage ist im Umbau und mittlerweile hat auch ein Beachvolleyball-Feld hinter einem Tor Einzug gehalten, was etwas das Flair raubt. Dennoch ist der ‚Lüttinghof‘ mit überdachter Tribüne und einer mehrstufigen Stehtraverse natürlich eine idyllisch in einem Grüngürtel gelegene Amateur-Perle. Die Gastgeber brauchten eine Viertelstunde, waren dann aber jederzeit Herr der Lage und hatten in der zweiten Hälfte gegen das durch Platzverweise doppelt dezimierte Gäste-Team leichtes Spiel. Keine Ahnung, ob der Grund ist, dass der SV Zweckel der räumlich nächste Kontrahent in dieser Bezirksliga-Gruppe ist, denn es gibt ja in dieser Staffel auch noch Rivalen aus der eigenen Stadt, aber das Team der Gastgeber feierte den Kantersieg nach dem Schlusspfiff lautstark als „Derbysieg“.

Riga – Sa., 06.09.2025, 16:00

Latvia vs Srbija 0:1

Daugavas stadions, 6.238 Zuschauer, WM-Qualifikation Gruppe K
Am nächsten Morgen wurde der Rundgang durch Kaunas nachgeholt, bevor mich der Flixer – aus Berlin kommend und zum Glück pünktlich – in die lettische Hauptstadt brachte. Ich hatte die Stadt von meinem ersten, lange zurückliegenden Besuch gar nicht so sehenswert in Erinnerung.
Dass ich das falsche Hobby habe, zeigte sich auf der Fahrt auch wieder. Busse, Züge, Flugzeuge sind mir einfach zuwider. Es gibt einfach zu viele Idioten mit zu vielen nervigen Idioten-Eigenarten. Oftmals mag ich fremde Menschen einfach nicht. Mal abgesehen davon ist der Fernbus eh das beschissenste Fortbewegungsmittel, die Zwischenstopps kosten einfach zu viel Zeit und halten nur unnötig auf. Der Zug als Alternative hätte bei vier Stunden Fahrzeit aber genauso lange benötigt, mit nur einer täglichen Verbindung um 7:00 Uhr morgens zu frühes Aufstehen bedeutet und wäre zudem doppelt so teuer gewesen. Am späten Nachmittag in Riga angekommen, hatte ich keine Termine und ließ den Abend mit einem guten Burger und ein paar Gerstensäften in Ruhe verstreichen. Ohne den Wecker zu stellen, pennte ich am nächsten Morgen bis beinahe 10:00 Uhr – dass ich das im hochsenilen Alter noch schaffe. So fiel der Rundgang durch die wunderbare Altstadt von Riga etwas straffer aus, bevor ich mich mit zwei bekannten Gesichtern in einem Lokal traf. Absurderweise nicht mit beiden zeitgleich, sondern nacheinander, aber unterschiedliche Ansprüche erfordern eben unterschiedliche Zeiten, um ein Stadion zu betreten.
Ein Bolt-Taxi beförderte uns für wenig Geld in die Gegend um das Stadion. Man fragt sich manchmal echt, wo da für die Hasardeure noch ein Verdienst hängen bleibt. Ein Pre-Match-Bier später, betraten wir das Stadion. Den Rucksack durfte ich glücklicherweise mit hinein nehmen. Keine Powerbank, keine kleinen Kosmetik-Utensilien oder Medikamente wurden bemängelt, nur das angebissene Twix musste ich entsorgen. Die Schwerpunktsetzung bei den Einlasskontrollen bleibt manchmal unergründlich. Der Besuch des ‚Daugavas stadions‘ lag schon einige Zeit am Herzen. Auch bei dieser Spielstätte ist ein Länderspiel die bessere Wahl, zumal im ‚Daugavas‘ nur unregelmäßig Liga-Fußball gespielt wird. Das Stadion bietet viele Merkmale einer typischen ‚Ost-Schüssel‘ – fehlende Dächer, Laufbahn, große Anzeigetafel und utopische Flutlichtmasten in Form von überdimensionalen Fliegenklatschen. Alleine diese Lichtmasten rechtfertigen die Anreise, denn derart monströse Installationen finden sich in der globalen Stadionwelt leider immer weniger. Das Stadion hat diverse Evolutionsphasen durchgemacht, war mal komplett von Rängen umgeben, dann stand wieder mal nur die Haupttribüne. Die letzte Sanierung vor einigen Jahren hat dem Rund neue Tribünen in den Kurven geschenkt. Auf der Gegengeraden wurde auf einen Tribünenbau verzichtet, da dort nur wenig Platz bis zum dahinterliegenden Bahndamm ist. Stattdessen wurde dort eine große Video-Leinwand errichtet.
Mit etwas über sechstausend Besuchern war die Partie nicht allzu gut besucht. Das zeitgleich in Riga stattfindende Viertelfinale der Basketball-EM zwischen Lettland und dem favorisierten Nachbarn aus Litauen zog deutlich mehr, da kann sich der gemeine Lette nicht groß mit dem lästigen Fußball aufhalten. Serbische Fans waren nur in kleiner Zahl anwesend. Der serbische Verband hatte das ihm zustehende Kontingent nicht angenommen, mit dem Verweis darauf, dass keine mitreisenden Fans zu erwarten seien. Eine etwa zwanzigköpfige Gäste-Gruppe fand sich dennoch in der Heimkurve ein und wurde geduldet. Eine etwa fünfzig Leute starke Ultra-Gruppe der Gastgeber kam in einem kleinen Corteo zum Stadion gelaufen und sendete sogar eine kleine Rauchwolke in den Nachmittagshimmel – südländische Begeisterung am Rigaischen Meerbusen. Kurz nach Beginn des Spieles präsentierten die ‚Ultras Latvia‘ pro-ukrainische Banner am Geländer und ein Transparent, dass einen massiven Schuh zeigte, mit welchem ein Käfer in den Farben der russischen Landesflagge zertreten wurde, was auch als Spitze gegen den heutigen russlandfreundlichen Gegner gewertet werden durfte. Über das Spiel darf man kaum Worte verlieren, das war eher drittklassiges Gebolze auf europäischer Nationen-Ebene.
Unmittelbar nach dem Spiel traf ich mit zwei weiteren ebenfalls anwesenden Mitgliedern der Bewegung zusammen, um ein Taxi zum Flughafen zu teilen. Bis jetzt war die Reise eine günstige Nummer, dann aber fiel mir auf, dass ich den Online-Check-in vergessen hatte. Diesen am Airport am Schalter durchzuführen, lässt sich der irische Low-Coster fürstlich bezahlen. Über die Höhe des Salär wird nicht gesprochen, denn der Gentleman genießt und schweigt. Man muss eben alles mal gemacht haben… Nicht einmal zwei Stunden nach Abpfiff hob der Flieger mit uns gen Köln-Bonn ab, wo mich meine geschätzte Gattin einsammelte und nur fünf Stunden nach Abpfiff legte ich bereits mit einem köstlichen Brauerzeugnis aus dem Hause Jacob Stauder in der Hand die Füße auf der heimischen Couch hoch.

Kaunas – Do., 04.09.2025, 19:00

Lietuva vs Malta 1:1

S.Dariaus ir S.Gireno stadionas, 7.584 Zuschauer, WM-Qualifikation Gruppe G
Heute lief es mal echt cremig, konnte man nicht meckern. Die beste und schönste Gattin der Welt war so lieb mich um 7:00 Uhr morgens am Mülheimer Bahnhof abzusetzen. Der RE6 war dann zwar fünf Minuten zu spät, was die knappe Umsteigezeit in Dortmund gefährlich zusammenschrumpfen ließ, aber der Teufelskerl von Lokführer holte tatsächlich vier Minuten auf und das bei der hohen Auslastung im Berufsverkehr – ein echter Tausendsassa! Die RB59 zum Dortmunder Airport war kaum frequentiert, da reichte es sogar noch zu einem Schwätzchen mit dem Kontrolletti. Der Holzwickeder Stamm-Bäcker sorgte wie gewohnt für Kaffee und Brötchen und knapp eine Stunde vor Abflug stand ich an der berühmt-berüchtigten Sicherheitskontrolle, absolutes Aushängeschild dieses Flughafens. Nicht! Heute war die SiKo-Crew aber in überraschend überragender Form und nach fünf Minuten wer der Checkpoint schon passiert. Relativierend muss ich einräumen, dass zu dieser Uhrzeit der Flugplan so dünn war, wie der Trophäenschrank des bekanntesten Gelsenkirchener Fußballclubs. Die aus Vilnius kommende Wizzair-Bohne war pünktlich gelandet und brachte mich dann genau dorthin zurück. Eine Viertelstunde vor der planmäßigen Ankunftszeit gelandet, erreichte ich dadurch einen früheren Bus nach Kaunas und ersparte mir das Abschimmeln am Flughafen. Da der Minibus der Firma Ollex nach Klaipeda an die Küste weitereibelte, hielt dieser in Kaunas nur wenige hundert Meter von der Autobahnausfahrt entfernt an der nächstgelegenen Tanke.
Von dort waren es noch gute fünf, sechs Kilometer bis ins Zentrum. Meine kurzsichtigen Augen entdeckten aber einige Bolt-Scooter am Straßenrand. Perfekt, ist ja wie in Essen-Schönebeck. Also rauf auf den Bock und für nen schmalen Fünfer in die City gegurkt. Da ich die Unterkunft erst ab 16:00 Uhr beziehen dürfte, gönnte ich mir nun die erste das erste Blonde des Tages und einen Mittags-Snack, der größer ausfiel als er sollte. Länderspiele schaue ich ja nur selten. Will man das Nationalstadion Litauens mit dem sperrigen Namen ‚S.Dariaus ir S.Girèno stadionas‘ aber gut gefüllt sehen, bleibt kaum eine andere Wahl, denn Vereinsfußball interessiert im Baltikum ja beinahe niemanden. Das Stadion habe ich im alten Zustand vor dem Um- beziehungsweise Neubau 2018 leider verpasst. Schade eigentlich, das sah schon speziell aus. Aber auch im neuen Kleid kann es sich sehen lassen. Der ursprüngliche Stil mit schmalen Unter- und hohem Oberrang wurde beibehalten. Die ehemals freie Gegenseite bekam eine schmucke Haupttribüne und das ganze Rund eine ansehnliche Dachkonstruktion. Wie schon der vorherige Vergleich in Malta sollte die heutige daheim ausgetragene Partie unentschieden enden, wodurch beide Teams in der WM-Quali sieglos blieben.
In einem überschaubar guten Spiel wechselten sich Druckphasen der Gegner ab, in der Box war die Performance allerdings verheerend. Dass dann zehn Minuten vor Ende doch ein Tor für die Malteser fiel, war eher einer Unaufmerksamkeit der litauischen Deckung geschuldet, als Zielstrebigkeit der Gäste. Eigentlich war der unerwartete Sieg für die Insulaner damit gebongt, hätten sie sich nicht noch durch einen Platzverweis nach VAR-Eingriff selbst dezimiert. Dass der Sünder erst vier Minuten zuvor eingewechselt wurde, war ein Fun-Fact am Rande. So bekamen die Gastgeber in der Schlussphase die zweite Luft und zudem einen Elfer tief in der Nachspielzeit, der zum Ausgleich genutzt wurde. Zur großen Freude eines etwa zwölfjährigen Flitzers, der dann abgeführt wurde wie ein Schwerverbrecher. Mit einer Ampelkarte für die Gastgeber in der neunten Minute der Nachspielzeit endete eine abwechslungsreiche Schlussphase, welche für das 80minütige Gewürge etwas entschädigte. Mit einem prominenten Mitglied der Bewegung, den ich im Stadion getroffen hatte, klang der Abend dann bei in paar gezapften Kaltgetränken entspannt aus.

Essen – So., 31.08.2025, 19:30

Rot-Weiss Essen vs Aachener TSV Alemannia 2:3

Stadion an der Hafenstraße, 19.300 Zuschauer, 3.Liga
Die Aachener Alemannia war zu Gast an der wieder einmal ausverkauften Hafenstraße. Für die Kaiserstädter ein Derby, vermutlich aus Verzweiflung, weil Duelle mit sicherlich eher Derby-fähigen Gegnern wie den Geißböcken oder der Borussia vom Niederrhein unerreichbar scheinen Für den glorreichen RWE sicherlich auch ein traditionsgeladenes Duell mit einer Portion Brisanz, aber ganz sicher kein Derby. Ich kann mich in nun 40 Jahren Anhängerschaft an kein Spiel erinnern, in dem meinem Verein zu Hause oder auch generell mit drei sicher verwandelten Elfmetern, dazu noch durch ein und denselben Schützen, die Punkte geraubt wurden. Andersherum schon – in der einzigen NRW-Liga-Saison siegte der RWE zu Hause im Derby gegen die Schwatten aus dem Essener Süden mit 3:0 durch verwandelte Strafstöße von ‚Bürgermeister‘ Timo Brauer. Matchwinner für die Alemannia war Lars Gindorf, erst wenige Tage zuvor von Hannover 96 verpflichtet, und sich nicht zu schade, nach seinem dritten Treffer mit zum Herz geformten Händen vor die Gäste-Kurve zu laufen… na ja. Alle Strafstöße waren übrigens berechtigt. Eigentlich war das Unheil früh abzusehen. Schon nach 60 Sekunden hätte Gindorf treffen können, nachdem er am Fünfer gut eingesetzt wurde und gefühlt die ganze Fünfmeterraum-Grenze entlang spazierte, den Abschluss aber nicht fand. Und weiter ging es mit Chancen für den ATSV. Die Essener Dreier-Kette, die schon im Spiel zuvor in Wiesbaden nicht funktionierte, wurde von furiosen Aachenern in ein kollektives Schleudertrauma gespielt.
Die in dieser Saison noch sieglosen Gäste aus dem Drei-Länder-Eck machten, was man in so einer Situation so machen muss. Sie rannten um Ihr Leben, ackerten, pressten, grätschten was das Zeug hielt. Und der RWE? War vorher offensichtlich von vermeintlicher eigener Stärke überzeugt und wirkte völlig überrascht und überfordert von und mit dem, was sich da entgegenstellte. Coach Koschinat hatte sich also erneut für die Dreier-Kette entschieden, die schon in Wiesbaden in Hälfte eins nicht funktionierte. Dass das kein Versehen war, sollte nun endgültig klar sein. Zudem wurde die Startformation auf zwei Positionen verändert, neben Obuz in der Offensive, wurde Gjasula geopfert, was sich als Fehlentscheidung herausstellte, denn so unspektakulär und ineffektiv Gjasulas Stil erscheint, es gibt dem Spiel Ruhe und Ordnung. Es hätte ein anderes Spiel werden können, wenn Safi die Murmel nach etwa zwölf gespielten Minuten frei vor dem Tor mal versenkt hätte, statt sie dem Aachener Schlussmann unspektakulär in die Arme zu lupfen. Nach einer Viertelstunde gerieten die Roten im eigenen Strafraum in Bedrängnis, als eine Drucksituation spielerisch gelöst werden sollte. Bazzoli bekam den Ball an der Strafraumgrenze, hatte eigentlich ausreichend Zeit, was auch immer zu machen. Er machte aber einfach nichts und sah sich plötzlich drei Gegnern gegenüber. Der Rest war ein Ballverlust und ein Foul im Sechzehner, als er zu retten versuchte, was nicht mehr zu retten war. Jakob Golz ist ein starker Torhüter, aber ein Elfmeter-Killer ist er sicher nicht. Ein Elfer-Pfiff für den Gegner ist leider auch immer gleichbedeutend mit einem Gegentor.
Das Bild änderte sich nach dem Rückstand nicht. Die Gäste waren das bessere Team und hatten gefühlt Chancen im Zwei-Minuten-Takt. Hofmann entschied sich an der eigenen Eckfahne für das Dribbling. Dem Ballverlust folgte ein schneller Ball in den Strafraum und ein Foul von Kraulich und zum zweiten Mal zeigte der Referee auf den Punkt. Dass die Kirsche drin war, sollte dem Leser inzwischen klar sein. Nach einer halben Stunde wurde wieder Safi auf die Reise geschickt und vom letzten Alemannen gefoult. Der Schiri zog nur den gelben Karton mit Verweis darauf, dass ein zweiter Verteidiger dabei war. Aber eben einen Meter dahinter, er hätte Safi nicht erreichen können und nach meinem Verständnis hätte es folgerichtig Platzverweis geben müssen. Gab es aber nicht. Schultz per Kopf und Brumme mit einem knapp am linken Pfosten vorbei streichenden Volley hätten verkürzen können, aber auch die Gäste hatten weitere Möglichkeiten. Koschinat versuchte in der Pause seine Fehler zu korrigieren, aber auch die Umstellungen brachten zunächst nichts. Nach einer Stunde machte Golz seinen einzigen Fehler in diesem Spiel, als er einen langen Ball abwehren wollte und dabei einen Aachen Stürmer komplett über den Haufen bügelte. Unnötig, weil Alonsa da war, um zu klären. Der dritte Elfmeter schien das Spiel zu entscheiden, aber Mizuta verkürzte nur vier Minuten später per Kopf. Nun waren die Roten endlich da und bissen sich selber in die Partie. Die Schwarz-Gelben hielten dagegen, waren aber nun weniger präsent. Ein bisschen nervte dann das übertriebene Rumgewälze der Gäste nach jedem härteren Zweitkampf, so einen Mädchenkram hatten sie heute eigentlich gar nicht nötig. Chancen gab es nun hüben wie drüben. Einem Lattentreffer der Alemannen folgte kurz darauf ein ebensolcher von Mizuta aus spitzem Winkel.
Die Roten versuchten nun zu drücken, aber viel Brauchbares kam dabei nicht rum. Als alle endgültig mit dem Spiel abgeschlossen hatten traf der eingewechselte Potocnik nach der Hälfte der achtminütigen Nachspielzeit doch noch zum Anschluss. Es blieben vier Minuten, in denen die Aachener nun die Bälle panisch löschten und die Roten mit dem Mute der Verzweiflung anrannten. Aber zu ungenau und überhastet. Müsel und Mizuta mit sogenannten Halb-Chancen konnten das Remis nicht mehr erzwingen und vorbei war es. Für die Alemannia ist der RWE aktuell ein angenehmer Gegner, der artig die Punkt abliefert. Zu den Stimmungsverhältnissen kann ich wieder wenig sagen. Der Gäste-Sektor war laut und voller Energie. Das war auf jeden Fall ein guter Auftritt, aber weil ich eben nah am Gästeblock sitze, verfälscht dies den Eindruck von der eigenen Kurve. Die aktive Szene der Rot-Weissen ‚glänzte‘ dann noch mit einem Transparent gegen den erst vor zwei Tagen verpflichteten Jannik Mause, der eine Aachener Vergangenheit hat und von dem ein Video kursiert, wo er mit Alemannia-Anhängern auf Mallorca in einen Pöbelgesang gegen den RWE einstimmt. Ob man einem neuen Spieler eine gute Basis schafft, wenn man ihm eine Jahre alte Verfehlung unter dem Einfluss von ein paar Bier vorwirft, stelle ich mal in Frage. Ich hoffe jedenfalls, jetzt hört endlich das Geseier vom Aufstieg auf. Ein paar wohlklingende Spielernamen machen halt noch keine Spitzenmannschaft. Auf die Gefahr, dass ich mich wiederhole, aber in dieser irren Liga sollte man erst einmal demütig die für den Klassenerhalt nötigen Punkte sammeln, bevor man sondiert was als Bonus möglich ist.

Wetter – Do., 28.09.2025, 19:00

SuS Volmarstein vs SC Concordia Hagen 0:2

Köhlerwaldstadion, 50 Zuschauer, Kreispokal Hagen 1.Runde
After-Work-Football durfte es heute mal sein, denn bald kommt wieder die dunkle Zeit des Jahres und im Nieselregen oder bei Arschkälte unter der Woche an irgendeiner Plastik-Wiese zu stehen, ist nicht mehr mein Ding. Im Wetterer – wie drückt man das eigentlich korrekt aus? – Ortsteil Volmarstein (also in Wetter-Volmarstein) kämpften zwei B-Ligisten um den Einzug in die nächste Runde des Kreispokals. In einem gar nicht mal so schlechten Spiel war die Concordia das etwas bessere Team und damit der verdiente Sieger.

Gdansk – So., 24.08.2025, 17:30

KS Lechia Gdansk vs Arka Gdynia 1:0

Arena Gdansk, 37.500 Zuschauer, Ekstraklasa
Die Freitag-Ansetzung des RWE-Spiels eröffnete für das Wochenende natürlich noch Möglichkeiten. Schon vorher drauf geschielt, fiel dann die finale Wahl auf das ‚Derby Trójmiasta‘ zwischen Lechia Gdansk und Arka Gdynia. Als ‚Trójmiasto‘ (übersetzt: Dreistadt) wird die Region der nahe beieinander liegenden Städte Gdansk, Gdynia und Sopot genannt. Zwar hatte ich im für die Europameisterschaft 2012 erbauten Stadion kurz nach dem Turnier irgendwann schon mal ein Ligaspiel gesehen, ein ausverkauftes Derby war aber sicher ein Grund noch mal anzureisen. Da Arka nach fünf Jahren auch erst zu dieser Spielzeit wieder in die Ekstraklasa aufgestiegen ist, hatten sich beide Vereine in den letzten Jahren nicht sehr oft gesehen, was ja dann ein ‚erstes Wiedersehen‘ auch immer gern noch mal etwas anfeuert. Ein weiterer Grund für die Anreise, war die Möglichkeit meinen ehemaligen, seit einigen Jahren in Gdynia lebenden Mannschaftskollegen Slawo zu besuchen, ein Torwart mit Weltklasse-Niveau, mit dem ich einige Jahre bei den Frintroper Adlern unterm schönsten Wasserturm der Welt die Knochen hingehalten habe. Nach einem entspannten Samstag-Abend war am Sonntag-Morgen Zeit, sich ein wenig in Gdynia umzusehen, viel zu bieten hat die Stadt aber nicht. Dazu muss man wissen, dass in der heute knapp 250tsd Einwohner zählenden Stadt vor 100 Jahren nur 6.000 Menschen lebten, diese dann aber zum wichtigsten Hafen Polens ausgebaut wurde. Die Hafenpromenade ist dann auch eigentlich der einzige Flecken, den es sich zu besuchen lohnt.
Früh in der Saison kam es also schon zum Derby. Beide Teams waren bescheiden in die Saison gestartet. Nach fünf Spielen wies Arka fünf Punkte auf der Habenseite aus, während Lechia trotz zwei erreichter Remis gar mit minus drei Punkten ganz unten in der Tabelle stand, da der Club wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten in der Vorsaison mit fünf Minuspunkten in die neue Spielzeit ging. Da es das Derby im vergangenen Jahr aufgrund unterschiedlicher Ligen-Zugehörigkeit nicht gab, waren die Leute heiß auf den Kick und das goldene Osterei meldete ausverkauft. Das bedeutete bei 41.000 Zuschauern Fassungsvermögen, was für den normalen Liga-Alltag völlig überdimensioniert ist, aufgrund von Pufferblöcken heute 37.500 Anwesende. Die Gäste hatten 1.800 Tickets zugeteilt bekommen. Die ‚Ultras Lechia‘ starteten mit einer groß angelegten Choreo in die Partie. Vor grünen und silbernen Glitzerfolien wurde ein stattlicher, grimmig dreinschauender, muskulöser Löwe hochgezogen – der Löwe ist ein Wahrzeichen der Stadt Gdansk – welcher eine Lechia-Fahne und einen Ball mit einer 80 darauf in den Pranken hielt. Am Zaun prangte ein großes Banner mit dicken Buchstaben „80 lat dumy, walki, wiary“, übersetzt „80 Jahre Stolz, Kampf, Glaube“, die 80 bezog sich natürlich auf das entsprechende Vereinsjubiläum in diesem Jahr.
Im Gästeblock gab es optisch erst einmal nichts, außer einer gelben Wand, denn beinahe jeder trug ein gelbes Shirt oder Trikot. Freunde aus der starken Koalition mit Lech Poznan und Cracovia waren nicht anwesend. Anders sah das in der Heimkurve aus. Natürlich waren Freunde von Slask Wroclaw angereist, die Freundschaft zwischen den Ultras von Lechia und Slask ist die aktuell älteste in Polen. Außerdem waren die Freunde von Gryf Slupsk und Czarni Slupsk zugegen, ebenso wie die Bündnis-Partner von Stomil Olsztyn, die gute Beziehungen sowohl zu Lechia als auch zu Slask pflegen. Gar nicht einordnen konnte ich die Leute von Rakow Czestochowa, da muss es sich um eine neue Verbindung handeln. Aber das Geflecht aus Freundschaften und Bündnissen ist in Polen ja auch schwer zu durchschauen, da ist ja regelmäßig Bewegung drin. Der dritte Status, den eine Fangemeinde haben kann ist übrigens der ‚Fanclub‘. Kleine Szenen unterklassiger Vereine aus dem Umland werden verpflichtet, den Branchenführer der Region ebenfalls zu supporten. Zwangsarbeit sozusagen. Die zweite Aktion der Lechia-Kurve folgte bald. Vor einem Kreuz aus grünen und weißen Schwenkern wurde eine große Blockfahne gezeigt. Ein kräftiger Totenkopf-Mann mit Ultras Lechia-Hoodie hatte in der rechten und linken Hand jeweils ein belämmert schauendes Schwein am Wickel. Das eine Schweinchen war unschwer als Beamter der Policja zu identifizieren, das andere als Arka-Kibol. Gut gemalt und für mich das Highlight des optischen Spektakels
Man konnte sich das Geschehen in der Kurve ruhig in aller Ruhe anschauen, denn was auf dem Rasen abgewickelt wurde, verursachte Schmerzen auf den kurzsichtigen Linsen. Klar, der polnische Fußball gehört nicht zum besten in Europa, aber dieser Kick verdiente wirklich keine nähere Betrachtung. Fehlpässe waren Trumpf und keine Flanke fand ihren Adressaten, so ging es torlos in die Pause. Im zweiten Durchgang zeigte die Heimkurve zwei weitere Aktionen. Zunächst wurde ein große Trikot-Blockfahne mit der Brustwerbung „CHWDP“ hochgezogen. Das Kürzel steht für „Chuj w dupe policji“, übersetzte „Schwanz in den Arsch der Polizei“, also so in etwa das polnische „ACAB“. Das Trikot wurde lange oben gehalten, wie ja jede Choreo-Aktion in den polnischen Kurven deutlich länger präsentiert wird, als in anderen Ländern. Die Kurvengänger sehen hier jedenfalls nie allzu viel vom Spiel und auch die Stimmung leidet etwas darunter, aber die ist ja eh ganz anders organisiert als zum Beispiel in Deutschland. Nach und nach schlüpften dann in Maler-Anzüge gekleidete Kibice unter dem Trikot hervor, dieses wurde heruntergezogen und über 100 grüne Fackeln erleuchteten die Kurve. Auch der Gästeblock hatte mittlerweile seine Aktion durchgezogen. Eine Blockfahne mit einem Arka-Gott, welcher einen Lechia-Gott in die Knie zwingt, wurde präsentiert. Als Untermalung hing am Zaun ein Banner mit Aufschrift „Trojmiasto jednego Boga“, was „Trojmiasto hat nur einen Gott“ bedeutet.
Zuletzt zeigte die Lechia Kurve erbeuteten Arka-Stuff, der am Zaun aufgehängt wurde, unter anderem auch ein Arka-Banner. Dass die Brocken kurz darauf ein Raub der Flammen wurden, war natürlich klar. Abgerundet wurde das gesamte Spektakel von einigen zwischendurch gezeigten Botschaften der Lechia-Ultras an ihre Kontrahenten auf der anderen Seite. „Kurwy“, Hure, war ein gern benutztes Wort auf den Spruchbändern. Es gab in den Fankurven also reichlich zu sehen und als der letzte Arka-Schal verglüht war, besannen sich dann auch die Aktiven mal auf ihren Auftrag. Die gefühlt einzige Flanke des Tages, welche einen Abnehmer fand, führte kurz vor dem Ende zum umjubelten Siegtreffer für die Grün-Weißen. Im gesamten war das eine kurzweilige Nummer, welche die Anreise gerechtfertigt hatte. Dass ich das Spiel mal bei Arka gesehen habe, ist auch beinahe zehn Jahre her, kann man vielleicht auch mal erneuern, sofern dem Lechia-Anhang die Anreise erlaubt wird. Nach zwei entspannten Gute-Nacht-Piwo brachte mich Wizzair am nächsten Morgen wieder in den Ruhrpott.