
Rot-Weiss Essen vs Aachener TSV Alemannia 2:3
Stadion an der Hafenstraße, 19.300 Zuschauer, 3.Liga

Die Aachener Alemannia war zu Gast an der wieder einmal ausverkauften Hafenstraße. Für die Kaiserstädter ein Derby, vermutlich aus Verzweiflung, weil Duelle mit sicherlich eher Derby-fähigen Gegnern wie den Geißböcken oder der Borussia vom Niederrhein unerreichbar scheinen Für den glorreichen RWE sicherlich auch ein traditionsgeladenes Duell mit einer Portion Brisanz, aber ganz sicher kein Derby. Ich kann mich in nun 40 Jahren Anhängerschaft an kein Spiel erinnern, in dem meinem Verein zu Hause oder auch generell mit drei sicher verwandelten Elfmetern, dazu noch durch ein und denselben Schützen, die Punkte geraubt wurden. Andersherum schon – in der einzigen NRW-Liga-Saison siegte der RWE zu Hause im Derby gegen die Schwatten aus dem Essener Süden mit 3:0 durch verwandelte Strafstöße von ‚Bürgermeister‘ Timo Brauer. Matchwinner für die Alemannia war Lars Gindorf, erst wenige Tage zuvor von Hannover 96 verpflichtet, und sich nicht zu schade, nach seinem dritten Treffer mit zum Herz geformten Händen vor die Gäste-Kurve zu laufen… na ja. Alle Strafstöße waren übrigens berechtigt. Eigentlich war das Unheil früh abzusehen. Schon nach 60 Sekunden hätte Gindorf treffen können, nachdem er am Fünfer gut eingesetzt wurde und gefühlt die ganze Fünfmeterraum-Grenze entlang spazierte, den Abschluss aber nicht fand. Und weiter ging es mit Chancen für den ATSV. Die Essener Dreier-Kette, die schon im Spiel zuvor in Wiesbaden nicht funktionierte, wurde von furiosen Aachenern in ein kollektives Schleudertrauma gespielt.
Die in dieser Saison noch sieglosen Gäste aus dem Drei-Länder-Eck machten, was man in so einer Situation so machen muss. Sie rannten um Ihr Leben, ackerten, pressten, grätschten was das Zeug hielt. Und der RWE? War vorher offensichtlich von vermeintlicher eigener Stärke überzeugt und wirkte völlig überrascht und überfordert von und mit dem, was sich da entgegenstellte. Coach Koschinat hatte sich also erneut für die Dreier-Kette entschieden, die schon in Wiesbaden in Hälfte eins nicht funktionierte. Dass das kein Versehen war, sollte nun endgültig klar sein. Zudem wurde die Startformation auf zwei Positionen verändert, neben Obuz in der Offensive, wurde Gjasula geopfert, was sich als Fehlentscheidung herausstellte, denn so unspektakulär und ineffektiv Gjasulas Stil erscheint, es gibt dem Spiel Ruhe und Ordnung. Es hätte ein anderes Spiel werden können, wenn Safi die Murmel nach etwa zwölf gespielten Minuten frei vor dem Tor mal versenkt hätte, statt sie dem Aachener Schlussmann unspektakulär in die Arme zu lupfen. Nach einer Viertelstunde gerieten die Roten im eigenen Strafraum in Bedrängnis, als eine Drucksituation spielerisch gelöst werden sollte. Bazzoli bekam den Ball an der Strafraumgrenze, hatte eigentlich ausreichend Zeit, was auch immer zu machen. Er machte aber einfach nichts und sah sich plötzlich drei Gegnern gegenüber. Der Rest war ein Ballverlust und ein Foul im Sechzehner, als er zu retten versuchte, was nicht mehr zu retten war. Jakob Golz ist ein starker Torhüter, aber ein Elfmeter-Killer ist er sicher nicht. Ein Elfer-Pfiff für den Gegner ist leider auch immer gleichbedeutend mit einem Gegentor.
Das Bild änderte sich nach dem Rückstand nicht. Die Gäste waren das bessere Team und hatten gefühlt Chancen im Zwei-Minuten-Takt. Hofmann entschied sich an der eigenen Eckfahne für das Dribbling. Dem Ballverlust folgte ein schneller Ball in den Strafraum und ein Foul von Kraulich und zum zweiten Mal zeigte der Referee auf den Punkt. Dass die Kirsche drin war, sollte dem Leser inzwischen klar sein. Nach einer halben Stunde wurde wieder Safi auf die Reise geschickt und vom letzten Alemannen gefoult. Der Schiri zog nur den gelben Karton mit Verweis darauf, dass ein zweiter Verteidiger dabei war. Aber eben einen Meter dahinter, er hätte Safi nicht erreichen können und nach meinem Verständnis hätte es folgerichtig Platzverweis geben müssen. Gab es aber nicht. Schultz per Kopf und Brumme mit einem knapp am linken Pfosten vorbei streichenden Volley hätten verkürzen können, aber auch die Gäste hatten weitere Möglichkeiten. Koschinat versuchte in der Pause seine Fehler zu korrigieren, aber auch die Umstellungen brachten zunächst nichts. Nach einer Stunde machte Golz seinen einzigen Fehler in diesem Spiel, als er einen langen Ball abwehren wollte und dabei einen Aachen Stürmer komplett über den Haufen bügelte. Unnötig, weil Alonsa da war, um zu klären. Der dritte Elfmeter schien das Spiel zu entscheiden, aber Mizuta verkürzte nur vier Minuten später per Kopf. Nun waren die Roten endlich da und bissen sich selber in die Partie. Die Schwarz-Gelben hielten dagegen, waren aber nun weniger präsent. Ein bisschen nervte dann das übertriebene Rumgewälze der Gäste nach jedem härteren Zweitkampf, so einen Mädchenkram hatten sie heute eigentlich gar nicht nötig. Chancen gab es nun hüben wie drüben. Einem Lattentreffer der Alemannen folgte kurz darauf ein ebensolcher von Mizuta aus spitzem Winkel.
Die Roten versuchten nun zu drücken, aber viel Brauchbares kam dabei nicht rum. Als alle endgültig mit dem Spiel abgeschlossen hatten traf der eingewechselte Potocnik nach der Hälfte der achtminütigen Nachspielzeit doch noch zum Anschluss. Es blieben vier Minuten, in denen die Aachener nun die Bälle panisch löschten und die Roten mit dem Mute der Verzweiflung anrannten. Aber zu ungenau und überhastet. Müsel und Mizuta mit sogenannten Halb-Chancen konnten das Remis nicht mehr erzwingen und vorbei war es. Für die Alemannia ist der RWE aktuell ein angenehmer Gegner, der artig die Punkt abliefert. Zu den Stimmungsverhältnissen kann ich wieder wenig sagen. Der Gäste-Sektor war laut und voller Energie. Das war auf jeden Fall ein guter Auftritt, aber weil ich eben nah am Gästeblock sitze, verfälscht dies den Eindruck von der eigenen Kurve. Die aktive Szene der Rot-Weissen ‚glänzte‘ dann noch mit einem Transparent gegen den erst vor zwei Tagen verpflichteten Jannik Mause, der eine Aachener Vergangenheit hat und von dem ein Video kursiert, wo er mit Alemannia-Anhängern auf Mallorca in einen Pöbelgesang gegen den RWE einstimmt. Ob man einem neuen Spieler eine gute Basis schafft, wenn man ihm eine Jahre alte Verfehlung unter dem Einfluss von ein paar Bier vorwirft, stelle ich mal in Frage. Ich hoffe jedenfalls, jetzt hört endlich das Geseier vom Aufstieg auf. Ein paar wohlklingende Spielernamen machen halt noch keine Spitzenmannschaft. Auf die Gefahr, dass ich mich wiederhole, aber in dieser irren Liga sollte man erst einmal demütig die für den Klassenerhalt nötigen Punkte sammeln, bevor man sondiert was als Bonus möglich ist.









