
KS Lechia Gdansk vs Arka Gdynia 1:0
Arena Gdansk, 37.500 Zuschauer, Ekstraklasa

Die Freitag-Ansetzung des RWE-Spiels eröffnete für das Wochenende natürlich noch Möglichkeiten. Schon vorher drauf geschielt, fiel dann die finale Wahl auf das ‚Derby Trójmiasta‘ zwischen Lechia Gdansk und Arka Gdynia. Als ‚Trójmiasto‘ (übersetzt: Dreistadt) wird die Region der nahe beieinander liegenden Städte Gdansk, Gdynia und Sopot genannt. Zwar hatte ich im für die Europameisterschaft 2012 erbauten Stadion kurz nach dem Turnier irgendwann schon mal ein Ligaspiel gesehen, ein ausverkauftes Derby war aber sicher ein Grund noch mal anzureisen. Da Arka nach fünf Jahren auch erst zu dieser Spielzeit wieder in die Ekstraklasa aufgestiegen ist, hatten sich beide Vereine in den letzten Jahren nicht sehr oft gesehen, was ja dann ein ‚erstes Wiedersehen‘ auch immer gern noch mal etwas anfeuert. Ein weiterer Grund für die Anreise, war die Möglichkeit meinen ehemaligen, seit einigen Jahren in Gdynia lebenden Mannschaftskollegen Slawo zu besuchen, ein Torwart mit Weltklasse-Niveau, mit dem ich einige Jahre bei den Frintroper Adlern unterm schönsten Wasserturm der Welt die Knochen hingehalten habe. Nach einem entspannten Samstag-Abend war am Sonntag-Morgen Zeit, sich ein wenig in Gdynia umzusehen, viel zu bieten hat die Stadt aber nicht. Dazu muss man wissen, dass in der heute knapp 250tsd Einwohner zählenden Stadt vor 100 Jahren nur 6.000 Menschen lebten, diese dann aber zum wichtigsten Hafen Polens ausgebaut wurde. Die Hafenpromenade ist dann auch eigentlich der einzige Flecken, den es sich zu besuchen lohnt.
Früh in der Saison kam es also schon zum Derby. Beide Teams waren bescheiden in die Saison gestartet. Nach fünf Spielen wies Arka fünf Punkte auf der Habenseite aus, während Lechia trotz zwei erreichter Remis gar mit minus drei Punkten ganz unten in der Tabelle stand, da der Club wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten in der Vorsaison mit fünf Minuspunkten in die neue Spielzeit ging. Da es das Derby im vergangenen Jahr aufgrund unterschiedlicher Ligen-Zugehörigkeit nicht gab, waren die Leute heiß auf den Kick und das goldene Osterei meldete ausverkauft. Das bedeutete bei 41.000 Zuschauern Fassungsvermögen, was für den normalen Liga-Alltag völlig überdimensioniert ist, aufgrund von Pufferblöcken heute 37.500 Anwesende. Die Gäste hatten 1.800 Tickets zugeteilt bekommen. Die ‚Ultras Lechia‘ starteten mit einer groß angelegten Choreo in die Partie. Vor grünen und silbernen Glitzerfolien wurde ein stattlicher, grimmig dreinschauender, muskulöser Löwe hochgezogen – der Löwe ist ein Wahrzeichen der Stadt Gdansk – welcher eine Lechia-Fahne und einen Ball mit einer 80 darauf in den Pranken hielt. Am Zaun prangte ein großes Banner mit dicken Buchstaben „80 lat dumy, walki, wiary“, übersetzt „80 Jahre Stolz, Kampf, Glaube“, die 80 bezog sich natürlich auf das entsprechende Vereinsjubiläum in diesem Jahr.
Im Gästeblock gab es optisch erst einmal nichts, außer einer gelben Wand, denn beinahe jeder trug ein gelbes Shirt oder Trikot. Freunde aus der starken Koalition mit Lech Poznan und Cracovia waren nicht anwesend. Anders sah das in der Heimkurve aus. Natürlich waren Freunde von Slask Wroclaw angereist, die Freundschaft zwischen den Ultras von Lechia und Slask ist die aktuell älteste in Polen. Außerdem waren die Freunde von Gryf Slupsk und Czarni Slupsk zugegen, ebenso wie die Bündnis-Partner von Stomil Olsztyn, die gute Beziehungen sowohl zu Lechia als auch zu Slask pflegen. Gar nicht einordnen konnte ich die Leute von Rakow Czestochowa, da muss es sich um eine neue Verbindung handeln. Aber das Geflecht aus Freundschaften und Bündnissen ist in Polen ja auch schwer zu durchschauen, da ist ja regelmäßig Bewegung drin. Der dritte Status, den eine Fangemeinde haben kann ist übrigens der ‚Fanclub‘. Kleine Szenen unterklassiger Vereine aus dem Umland werden verpflichtet, den Branchenführer der Region ebenfalls zu supporten. Zwangsarbeit sozusagen. Die zweite Aktion der Lechia-Kurve folgte bald. Vor einem Kreuz aus grünen und weißen Schwenkern wurde eine große Blockfahne gezeigt. Ein kräftiger Totenkopf-Mann mit Ultras Lechia-Hoodie hatte in der rechten und linken Hand jeweils ein belämmert schauendes Schwein am Wickel. Das eine Schweinchen war unschwer als Beamter der Policja zu identifizieren, das andere als Arka-Kibol. Gut gemalt und für mich das Highlight des optischen Spektakels
Man konnte sich das Geschehen in der Kurve ruhig in aller Ruhe anschauen, denn was auf dem Rasen abgewickelt wurde, verursachte Schmerzen auf den kurzsichtigen Linsen. Klar, der polnische Fußball gehört nicht zum besten in Europa, aber dieser Kick verdiente wirklich keine nähere Betrachtung. Fehlpässe waren Trumpf und keine Flanke fand ihren Adressaten, so ging es torlos in die Pause. Im zweiten Durchgang zeigte die Heimkurve zwei weitere Aktionen. Zunächst wurde ein große Trikot-Blockfahne mit der Brustwerbung „CHWDP“ hochgezogen. Das Kürzel steht für „Chuj w dupe policji“, übersetzte „Schwanz in den Arsch der Polizei“, also so in etwa das polnische „ACAB“. Das Trikot wurde lange oben gehalten, wie ja jede Choreo-Aktion in den polnischen Kurven deutlich länger präsentiert wird, als in anderen Ländern. Die Kurvengänger sehen hier jedenfalls nie allzu viel vom Spiel und auch die Stimmung leidet etwas darunter, aber die ist ja eh ganz anders organisiert als zum Beispiel in Deutschland. Nach und nach schlüpften dann in Maler-Anzüge gekleidete Kibice unter dem Trikot hervor, dieses wurde heruntergezogen und über 100 grüne Fackeln erleuchteten die Kurve. Auch der Gästeblock hatte mittlerweile seine Aktion durchgezogen. Eine Blockfahne mit einem Arka-Gott, welcher einen Lechia-Gott in die Knie zwingt, wurde präsentiert. Als Untermalung hing am Zaun ein Banner mit Aufschrift „Trojmiasto jednego Boga“, was „Trojmiasto hat nur einen Gott“ bedeutet.
Zuletzt zeigte die Lechia Kurve erbeuteten Arka-Stuff, der am Zaun aufgehängt wurde, unter anderem auch ein Arka-Banner. Dass die Brocken kurz darauf ein Raub der Flammen wurden, war natürlich klar. Abgerundet wurde das gesamte Spektakel von einigen zwischendurch gezeigten Botschaften der Lechia-Ultras an ihre Kontrahenten auf der anderen Seite. „Kurwy“, Hure, war ein gern benutztes Wort auf den Spruchbändern. Es gab in den Fankurven also reichlich zu sehen und als der letzte Arka-Schal verglüht war, besannen sich dann auch die Aktiven mal auf ihren Auftrag. Die gefühlt einzige Flanke des Tages, welche einen Abnehmer fand, führte kurz vor dem Ende zum umjubelten Siegtreffer für die Grün-Weißen. Im gesamten war das eine kurzweilige Nummer, welche die Anreise gerechtfertigt hatte. Dass ich das Spiel mal bei Arka gesehen habe, ist auch beinahe zehn Jahre her, kann man vielleicht auch mal erneuern, sofern dem Lechia-Anhang die Anreise erlaubt wird. Nach zwei entspannten Gute-Nacht-Piwo brachte mich Wizzair am nächsten Morgen wieder in den Ruhrpott.






























