Hannover – Sa., 09.08.2025, 14:00

TSV Havelse vs Rot-Weiss Essen 1:1

Eilenriedestadion, 3.012 Zuschauer, 3.Liga
Wie im letzten Jahr führte der zweite Spieltag die Roten in die niedersächsische Landeshauptstadt. Dieses Mal war der Gegner aber nicht die Reserve der 96er und der Spielort nicht das große Niedersachsenstadion. Gespielt wurde im Leistungszentrum des hiesigen Branchenführers und als Spielgefährten stellten sich die Emporkömmlinge des TSV Havelse aus dem benachbarten Garbsen zur Verfügung. Der TSV ist ja irgendwie nicht kaputtzukriegen. Der ‚ganz große‘ Fußball blieb dem Club bis auf eine Zweitliga-Saison Anfang der 90er Jahre zwar verwehrt, aber immer wieder steckt der kleine Fisch den Kopf auf dem Wasser, um ein wenig mit den ‚Großen‘ mitzuschwimmen. Kann mein einerseits Respekt zollen, dass dieser Verein, der ja komplett im Schatten der 96er verschwindet, das Maximum an Möglichkeiten ausschöpft. Muss man aber nicht, denn Spiele gegen solche Vereine vermitteln ja das Gefühl eines ‚Pre-Season-Friendly‘. Dass die eigentliche Heimspielstätte des TSV keine Zulassung für die 3.Liga besitzt und der Verein, daher nicht ein echtes Heimspiel austragen kann, stellt dieses Projekt dann spätestens komplett in Frage und schiebt es in die Kategorie ‚Braucht man nicht, kann weg‘. Unabhängig davon werden aber keine Punkte verschenkt und das vermeintlich leichteste Auswärtsspiel der Saison mutiert zu einem der schwierigsten.
So kam es dann auch wenig überraschend. Die Gastgeber standen vom Anpfiff weg mit einer Art Raute aus acht defensiven Spielern tief und kompakt, ein Mittelfeld existierte eigentlich gar nicht und vorne hofften zwei Stürmer auf den langen Ball, der mal durchrutscht. Der deutlich favorisierte glorreiche RWE nahm also die Rolle des Spielgestalters ein und hatte gefühlte 110 Prozent Ballbesitz. Der extrem tief stehende Gegner entschärfte dadurch die beste Offensivwaffe der Roten, nämlich das schnelle Umschaltspiel nach Ballgewinn. Zum einen gab es kaum Ballgewinne, weil das Streitobjekt fast ausschließlich in den Reihen der Rot-Weissen zirkulierte, zum anderen ist der temporeiche Überfall eines Gegners, der schon mit der halben Truppe auf der Torlinie steht, eben nicht möglich. Das Ziel der Gastgeber war von Sekunde eins an klar – ein torloses Remis sollte es werden oder im besten Falle ein Fußballwunder durch einen goldenen Konter. Den gab es schon im ersten Durchgang, als Aufstiegsgarant Ilic aus spitzem Winkel das Aluminium testete. Und der RWE? Viel zu umständlich und behäbig im Aufbau, ideenlose Angriffe, die nur zu wenigen eher ungefährlichen Szenen führten, stumpfe Standards, von den kaum einer den eigenen Mitspieler fand. Ergo ging es torlos in die Kabine und im zweiten Durchgang sah es kaum anders als im ersten, mit dem Unterschied, dass es im Strafraum des TSV brenzliger zuging. Die Gefahr kam aber von außerhalb.
Brumme, Alonso und Obuz zwangen den Schlussmann der Havelser dazu, sein Können zu zeigen. Als sich dann alle mit dem torlosen Remis abgefunden hatten, segelte noch mal eine Mizuta-Flanke in der Sechzehner und der aufgerückte Kraulich hielt seine Pläte zur Führung hin. Erleichterung, Pflichtaufgabe doch noch spät erledigt. Dachten alle, stattdessen war es nur das Startsignal für eine wilde Nachspielzeit. Der TSV konnte völlig überraschend plötzlich doch die Mittellinie überqueren. Zunächst aber ließ der RWE eine Drei-gegen-eins-Konterchance liegen. Owusu erkämpfte sich erst großartig den Ball, wartete dann viel zu lange mit dem Abspiel und versuchte statt Mizuta, der sich links freigelaufen hatte, den mittlerweile im Abseits stehenden Obuz einzusetzen. Unfassbar. Der nächste Fehler geschah auf der anderen Seite. Wienand hatte eine Flanke locker abgefangen und anstatt den Ball erst einmal zu sichern und das Tempo rauszunehmen, wagte er den schnellen Abwurf. Die Murmel ging verloren, ein letzter Ball segelte in der RWE-Strafraum und Paldino nahm den Ball mit dem Rücken zum Tor unbedrängt mit der Brust an und pflasterte das Ding per Fallrückzieher zum Ausgleich in den Giebel. Wenn es nicht den eigenen Verein getroffen hätte, müsste man den Fußball dafür lieben. So ergaunerte sich der TSV einen schmeichelhaften aber eventuell gar nicht mal unverdienten Punkt, denn letztlich war das Konzept ja aufgegangen. Für die Roten war es natürlich eine gefühlte Niederlage und dass nun erstmal das Bonusspiel im Pokal gegen die Dortmunder Borussia ansteht, ist vielleicht gar nicht so schlecht, um die Truppe vor dem nächsten (schweren) Auswärtsspiel in der hessischen Landeshauptstadt zu resetten.
Knapp 2.000 Rot-Weisse waren angereist und hatten natürlich die Stimmungshoheit. Die zwei Dutzend – sorry, auch wenn ich mich mühe, jeder noch so kleinen Anhängerschar Respekt entgegenzubringen, muss man es so sagen – Hanseln der Gastgeber, waren kaum der Rede wert. Eine organisierte Szene hat der TSV nicht, die paar Fähnchenschwenker waren nicht zu hören und hätten es auch ganz sein lassen können. Auf optische Elemente verzichtete der RWE-Anhang und beließ es bei Spruchbändern, natürlich zum Ableben von Frank Mill, der seine Karriere bei Rot-Weiss begann und in Liga eins und zwei in 120 Spielen 74 Mal für den RWE getroffen hatte, und auch gegen die überteuerten Eintrittspreise des TSV Havelse. Im ‚Eilenriedestadion‘ hatte ich vor 15 Jahren schon mal ein Spiel besucht. Die heutige Anlage hat mit der damaligen kaum mehr was zu gemein. Der Platz wurde um 90 Grad gedreht, die Laufbahn und die alten Ränge drumherum abgetragen. Lediglich die alte Haupttribüne blieb stehen, wurde aber zur Hintertor-Tribüne degradiert Auf den Geraden wurden zwei neue recht schmucke Tribünen hingedengelt. Mit weiteren Spielfeldern und entsprechendem Warmgebäude entstand so das Nachwuchsleistungszentrum von Hannover 96.