
Freetown City FC vs Mighty Blackpool FC 2:2
Approved School Ground, 350 Zuschauer, Sierra Leone Premier League

Es war kompliziert. Mal wieder. Anfang des Jahres verständigte ich mich mit meinem Leibarzt aus dem Saarland darauf, in der WM-Quali-Phase im März eine Reise auf den afrikanischen Kontinent anzustrengen. Primär-Ziel waren eigentlich die beiden Kongos, da sich dort die Konstellation anbahnte, an einem Tag ein Spiel in Kinshasa und einen oder zwei Tage später ein Spiel in Brazzaville zu erleben, die beiden Hauptstädte, welche nur durch den mächtigen Kongo-Fluss und die darauf verlaufende Grenze getrennt sind, und die Reisegruppe wuchs auf vier Personen an. Der Kongo-Plan wurde jedoch abgehakt, als im Osten der Demokratischen Republik Kongo um Goma wieder einmal Kämpfe zwischen den Rebellen und der Regierungsarmee aufflammten und sich diese auf Proteste in der Hauptstadt und damit verbundene Angriffe auf westliche Botschaften ausweiteten, denen Untätigkeit in diesem Konflikt vorgeworfen wurde. Afrikanische Logik – passt es nicht in die Politik, wenn sich westliche Staaten einschalten, ist es Einmischung, zeigt sich Europa dagegen zurückhaltend, ist es fehlende Aufmerksamkeit. Man kann es auch afrikanischen Opportunismus nennen, aber natürlich lässt es sich nicht derart verallgemeinern. Das Verhältnis zwischen Afrika und Europa – auch dieses ist kompliziert, was sich im Verlaufe weiterer Planungen noch beweisen sollte. Der Blick verlagerte sich dann auf Liberia und Ghana. Für beide Länder – dieser Anspruch hätte aber auch für die Kongo-Variante gegolten – waren Visa klassisch vorab über die Vertretungen der Länder inklusive der Einsendung des Reisepasses zu beantragen. Zwei weitere Interessenten schalteten sich dann in die Planungen ein, von denen sich aber einer auf Ghana beschränken, der andere wiederum auf Ghana verzichten und stattdessen über Sierra Leone nach Liberia immigrieren wollte.
Also ran an die Buletten und in der zweiten Februar-Hälfte wurde die Beantragung des Liberia-Visums angestrengt, welches ich auch in den Reisepass eingeklebt nach einer guten Woche in den Händen hielt. Hinsichtlich des Ghana-Visums hatte ich nun aber ein Zeitproblem. Da noch die fixe Ansetzung durch den afrikanischen Verband abzuwarten war, ich meinen Reisepass aber auch noch für den Glasgow-Trip Mitte März zwingend benötigte und die Botschaft Ghanas eine Bearbeitungszeit von insgesamt bis zu 14 Tagen ausrief, wurde mir das zu riskant. Zwar hatte ich auch noch im Februar den abgelaufenen zweiten Reisepass neu beantragt, aber auch dieser war noch nicht eingetroffen. Auch für die übrigen Genossen war die normale Visa-Variante nun eine riskante Nummer. Umgehen ließ sich dieses durch die Express-Variante mit einer Bearbeitung innerhalb von drei Tagen. Knackpunkt daran war, dass die Botschaft dafür keinen Postversand akzeptierte, sondern ein persönliches Erscheinen forderte. Zwar erklärte sich ein Mitglied der Reisegruppe in spe dann dankenswerter Weise bereit, mit allen Pässen nach Berlin zu eibeln, aber ich hatte über das ganze Theater verbunden mit hohem Aufwand für die Beantragung inzwischen das Interesse an diesem Land verloren. Weiterhin verlangt Ghana schon für die einfache Visa-Variante eine saftige Gebühr von 110 EUR, welche in der beschleunigten Variante noch um 50 EUR anwächst. Ich folge eh nicht dem Ziel, jedes Land der Welt zu bereisen, warum sollte ich also den Besuch eines Landes anstreben, dass mir für genau diesen derart große Steine in den Weg schmeißt, dass ich mich gar nicht willkommen fühle. Natürlich ist dieses Prozedere die Retourkutsche, weil der deutsche Staat den Ghanaern die Erlangung eines Visums auch sehr erschwert, wobei aber der Vergleich bei allem Respekt doch sehr hinkt.
Die Summe der Negativ-Faktoren war für mich der Ghana-Stimmungskiller, also entschied ich mich, den Absichten von Pascal, ebenfalls Einwohner der Stadt, aus welcher der glorreiche Deutsche Meister von 1955 stammt, zu folgen und bemühte mich um ein Visum für Sierra Leone. Dieses kann man online beantragen, was kaum fünf Minuten Zeit erforderte, und mit knapp 85 EUR zwar noch teuer genug, aber deutlich günstiger war als jenes für Ghana. Zudem hatte ich die Bestätigung schon nach wenigen Stunden im Email-Postkasten – auch wenn eine erste, uneindeutige Email zunächst Verwirrung auslöste – währen die Ghana-Jünger weitere Hürden, wie erhöhte Kosten und zum Teil durch die Post verursachte Ungereimtheiten zu bewältigen hatten. Letztlich erhielten aber alle kurz vor knapp den Pass mit dem ersehnten Kleber noch rechtzeitig zurück. Durch die Hängepartie waren die Flugpreise mittlerweile deutlich gestiegen, aber nun gab es kein Zurück mehr und ich entschied mich für die Gabel mit ‚Brussels Airlines‘ ab Frankfurt nach Freetown und zurück ab Monrovia. So drückte ich der verehrten Frau Gemahlin am frühen Donnerstag-Morgen einen dicken Kuss auf die Wange, fuhr in Richtung Frankfurt, stellte den Wagen kostenfrei in Raunheim ab und nutzte die S-Bahn für zwei Stationen zum Flughafen. Lufthansa brachte mich zunächst nach Brüssel. Dort gönnte ich mir ein gezapftes ‚Stella‘ und telefonierte mit meiner geschätzten Gattin, als ich aus den Augenwinkeln jemanden drei Meter weiter ein Foto von Rollfeld machen sah und mir so dachte, das Profil kommt Dir doch bekannt vor. Nobbi aus der Stadt mit der älteren Bundesliga-Borussia wartete auf seinen Abflug in Richtung Ruanda – die Welt bleibt ein Dorf, erst recht bei diesem Hobby.
Der ‚Brussels Airlines‘-Vogel nach Freetown mit Weiterflug nach Conakry in Guinea war dann beinahe bis auf den letzten Platz besetzt. War nicht so schlimm, dafür war wenigstens die Beinfreiheit beschissen. Aber auch knappe sieben Stunden Flug gingen mit Film- und Bierkonsum irgendwie rum und am Abend um halb sieben Ortszeit – minus eins zur MEZ – spuckte mich der A330 in Freetown aus. Das heißt, er spuckte mich in Lungi aus, dort ist der Airport, der zwar nur wenig mehr als 20 Kilometer Luftlinie von Freetown entfernt liegt, aber getrennt durch die breite Tagrin-Bucht, was den Transfer in die Stadt reizvoll erschwert. Für heute galt es aber nur noch, die Einreise zu bewältigen, Geld zu tauschen (25 Leones entsprechen einem Euro), eine SIM-Karte zu erwerben, das Flughafengelände zu verlassen und in unmittelbarer Nähe in ‚Yogis Homestay‘ einzuchecken. Das erledigte ich per pedes in 15 Minuten. Das Erlangen einheimischer Währung hielt noch einen kleinen Schrecken bereit, denn der ausgewählte Automat gab zunächst weder Geld noch die Karte heraus, was sich wie ‚Benin reloaded‘ anfühlte, als ich ein vergleichbares Erlebnis genießen durfte. Kohle kam auch weiterhin nicht, aber nach bestimmt drei oder vier Minuten zumindest die Karte und danach versuchte ich es lieber mit dem Umtausch an der Wechselbude, was ich ja ungern tue, denn Bargeldwechsel ist ja quasi garantierte Abzocke ohne Verbraucherschutz. Im dem Hause angeschlossenen ‚Cooking Place‘, wie der kleine Gastraum bezeichnet wurde, ‚zauberte‘ mir die etwas überherzliche Alisa ein etwas dröges Abendessen, bevor ich ins Traumreich Einzug hielt.
Über Nacht stieß dann auch Pascal, über Marokko eingeflogen, endlich dazu und die Reisegruppe für die nächsten drei Tage war komplett. Nachdem uns Alisa ein Frühstück zubereitet hatte – Omelette mit Ei, Zwiebeln, Tomate und Kochbanane – fuhren wir mit dem Taxi die knapp 15 Kilometer zum ‚Tagrin Ferry Terminal‘. Offizielle Abfahrtszeit des rostigen Seelenverkäufers war 11:00 Uhr, bis alles verladen und verstaut war, wurde es Viertel vor zwölf, was uns der Übernachtungs-Yogi aus indischer Produktion aber schon prophezeit hatte. Die Fahrt avancierte dann wenig überraschend zur Verkaufsveranstaltung, denn natürlich hatten fliegende Händler allen möglichen Scheiß zu verkaufen. Vom Damenschlüpper über die natürlich echte Rolex, Gewürze und die ultimative Lösung gegen Malaria war alles dabei, nur kaltes Bier fehlte ärgerlicherweise im feilgebotenen Sortiment. Aber so läuft es auf diesem Kontinent hält – jeder versucht sich irgendwie über Wasser zu halten, jeder verkauft irgendwas. Dass sich der korrodierte Pott über Wasser hielt und nach 45 Minuten am Kissy Terminal in Freetown anlegte, war erfreulich. Auf der anderen Seite der Bucht waren wir dann auch im ‚richtigen‘ Afrika angekommen, denn weniger erfreulich war der Kampf mit den Taxista, aber wir kamen recht schnell mit einem jungen Typen überein, der uns mit seinem abgerockten Skoda Fabia zum ‚New Brookfields Hotel‘ beförderte. Was einiges an Geduld erforderte, denn der Straßenverkehr kam teilweise zum Erliegen. Anderen Verkehrsteilnehmern mal Vorrang einzuräumen ist nicht die Stärke der Afrikaner und liegengebliebene Fahrzeuge – gar nicht mal so wenige – förderten den Verkehrsfluss auch nicht unbedingt. Eine gesperrte Straße nötigte unseren Chauffeur dann zu einem größeren Umweg und spätestens ab da war seine Laune endgültig im Keller. Das ‚New Brookfields‘ zählt wohl schon zu den besseren Häusern der Stadt, war von diesen auch noch am erschwinglichsten und natürlich gab es ein paar wenige Mängel. Das machte aber das sehr freundliche und hilfsbereite Rezeptionsmädel mehr als wett.










Ein wenig ausgeruht und frischgemacht, war es schon Zeit, zum ersten Spiel aufzubrechen. Dafür müssten wir die halbe Stadt durchqueren und wählten ein Tuk-Tuk. Ich mag die Dinger ja, aber in dem offenen Gefährt kommt man bei der abgasgeschwängerten Luft afrikanischer Großstädte dem Krebstod auch deutlich näher. Auf der ‚Bai Bureh Road‘, der großen vierspurigen Ausfallstraße, sprangen wir aus dem klapprigen Gefährt und mussten noch durch ein paar richtig abgefuckte Straßen laufen, ehe wir am ‚Approved School Ground‘ ankamen. Freetown City gegen Mighty Blackpool hieß die Paarung der Sierra Leone Premier League. Bis vor zwei, drei Jahren wurde hier noch auf Sand gespielt und der Ausbau ist auch etwas, nennen wir es mal rustikal. Etwas wild angeordnet gibt es in den Lehmboden geschnittene Stufen, gemauerte Stehränge und eine kleine Stahlrohr-Sitztribüne. Besonders speziell ist der erhöht errichtete ‚VIP-Bereich‘, welcher eher an eine Kreuzung aus Hühnerstall und Arrestzelle erinnert. Von Premier ist diese League halt noch weit entfernt, Sierra Leone ist ein Fußball-Entwicklungsland. Vielleicht 50 Leute hatten sich zum Anpfiff eingefunden, im Laufe des Spiels wuchs diese Zahl dann an. Bei den fliegenden Händlerinnen konnten wir uns mit ein paar kühlen Star-Bieren versorgen und verfolgten den bescheidenen Kick aus dem Schatten eines wackligen Pavillons. Der City FC, das Team des City Council, ging im ersten Durchgang in Führung und stellte mit dem zweiten Treffer zehn Minuten vor Ende vermeintlich auf Sieg. Aber die Mächtigen aus Blackpool kamen mächtig zurück, erzielten zügig den Anschluss und in der Nachspielzeit noch den umjubelten Ausgleich. Wie wir hergekommen waren, ging es zurück und auf der Suche nach etwas Essbarem zu einem African-Style KFC-Verschnitt. Nach der Rückkehr ins Hotel gab es dort noch zwei Schlummer-Biere, welche den Tag abschlossen.


























