Molenbeek-Saint-Jean – So., 27.04.2025, 19:15

RWD Molenbeek vs KSC Lokeren-Temse 3:2

Stade Edmond Machtens, 2.689 Zuschauer, Relegation zur Pro League Viertelfinale Rückspiel
Racing White Daring Molenbeek, wie der RWD mit vollem Namen heißt, hat prinzipiell eine blitzsaubere Zweitliga-Saison gespielt, verlor bis zur drittletzten Runde nur drei Spiele und holte bis dahin aus 25 Partien 17 Siege. In den letzten drei Spielen konnte aber nur noch ein Zähler ergattert werden, so dass das Team noch auf den dritten Rang abrutschte. Während die ersten beiden des Tableaus direkt aufstiegen, berechtigte dieser nur noch zur Teilnahme an der Relegation, welche die Teams auf den Plätzen drei bis sechs in einem K.O.-System ausspielen. Der Sieger dieser Relegation spielt gegen den Verlierer der Abstiegsrelegation der ersten Liga einen Startplatz für die neue Saison in der höchsten Spielklasse aus. RWD ist ein junger Club, der erst 2015 gegründet wurde. Der Verein sieht sich aber in der Tradition des ‚alten‘ RWD, der Anfang der 70ern aus einer Fusions-Kette entstand und 1975 belgischer Meister wurde. Anfang des neuen Jahrtausends verschwand RWD dann selber in einer Fusion und wurde zum FC Brussel. Das war der erste Sargnagel für den Club, der immer weiter an Boden verlor und 2014 schließlich aufgelöst wurde. Damit war die Bahn frei für den neuen RWD. Dieser spielt am traditionellen Standort im heutigen ‚Edmond Machtens Stadion‘, flankiert von den Wohn-Kasernen des Problemviertels Molenbeek-Saint-Jean. Seit über 100 Jahren wird an diesem Ort Fußball gespielt und das heutige Aussehen bekam das Stadion final in den 90er Jahren.
Natürlich steht RWD im Schatten des gar nicht so weit entfernt spielenden RSC Anderlecht und – zumindest sportlich – auch des Emporkömmlings Union Saint-Gilloise. Der neue RWD übernahm das Startrecht eines anderen Clubs der vierten Liga, arbeitete sich schnell nach oben und spielte in der vergangenen Spielzeit sogar wieder erstklassig, stieg aber umgehend auch wieder ab. Vor über zehn Jahren hatte ich das Stadion mit einem schlecht besuchten Spiel des inzwischen aufgelösten Vereins Royal White Star Bruxelles schon einmal erlebt, das sollte mit einer besseren Partie noch einmal erneuert werden, obgleich das heute sicher auch nicht der Oberkracher werden sollte. Das Vorhaben des Clubs umgehend wieder in die höchste Liga zu gelangen, geriet, wie bereits erläutert, in den vergangenen Wochen ins Stocken und auch das Hinspiel der Relegation in Lokeren ging einigermaßen deutlich verloren. Der KSC Lokeren ist sogar nur als Tabellensiebter in die Ausscheidung gerutscht, da die Zweitvertretung des Club Brugge, welche die Spielzeit als Sechster beendete, nicht aufstiegsberechtigt ist. Euphorisiert durch den Hinspiel-Erfolg waren gute 400 Gäste-Fans angereist, für den kleinen Club eine ordentliche Zahl. Der Support war aber dürftig, lediglich eine 50-60köpfige Gruppe um die ‚Authentics‘ machte sich bemerkbar.
Die Szene der Gastgeber war dagegen trotz des Negativ-Laufes motiviert und gab nach ihren Möglichkeiten alles.  Ihre Mannschaft gab auch ordentlich Gas, traf aber zunächst nicht und zeigte sich hinten anfällig, so dass bei zahlreichen Kontern mehrfach ein Treffer für die Gäste in der Luft lag. Der fiel aber dann nach über einer halben Stunde doch für den RWD durch einen berechtigten Handelfmeter und damit ging es in die Pause. Beflügelt machten die Gastgeber nach dem Seitenwechsel weiter, erhöhten nach zehn Minuten und drehten den Vergleich mit Treffer Nummer drei 20 Minuten vor Schluss zu ihren Gunsten. Eine riesige Möglichkeit, den Deckel drauf zu machen wurde dann vergeben und quasi im Gegenzug retteten sich die Gäste mit ihrem ersten Treffer vier Minuten vor dem Ende in die Verlängerung. Glaubten alle, aber das war es noch nicht. In der Schlussminute erkonterte sich der SC Lokeren den zweiten Treffer und schoss sich damit eine Runde weiter. Lähmung machte sich bei Spielern und Fans der Gastgeber breit. Letztere machten ihren Frust nach dem Abpfiff mit ein paar Böllerwürfen auf das Spielfeld Luft. Der vor wenigen Wochen noch sicher geglaubte Aufstieg, war endgültig noch zerronnen.

Evere – So., 27.04.2025, 15:00

FC Saint-Josse vs RSD Jette B 0:4

Stade Communal Georges Pètre, 90 Zuschauer, 1e Provinciale Brabant
In der Metropolregion Brüssel verstecken sich in unteren Ligen einige kleine Stadion-Perlen, so wie jene des Vereines FC Saint-Josse mit der betagten, wie individuellen Tribüne, welche auf einem trapezförmigen Fundament errichtet wurde. Ursprünglich gehörte die Anlage dem RCS Saint-Josse, der aber mit Beginn des Jahrtausends in einer Fusion aufging und das Stadion verließ. Mit dem FC Saint-Josse wurde ein neuer Verein aus der Taufe gehoben, der seitdem das ‚Stade Georges Pètre‘ nutzt. Die Adresse des Stadions liegt gar nicht in Saint-Josse, das benachbart zur Brüsseler Innenstadt liegt, sondern in der Gemeinde Evere. Allerdings ist lediglich der Eingang zum Sportgelände in Evere, das Stadion selber befindet sich 80% auf dem Gebiet der Gemeinde Woluwe-Saint-Lambert. Damit es noch komplizierter wird, gehört das Areal durch eine Art Erbpacht aber dennoch der Gemeinde Saint-Josse. Das Spielfeld offenbarte sich in einem erbärmlichen Zustand. An einigen Stellen, konnten die Grashalme an zwei Händen abgezählt werden und das unebene Geläuf ließ ein geordnetes Spiel kaum zu. So holperten die beiden Teams vor sich hin. Die Gäste waren dabei das besser holpernde Team und schenkte den Gastgebern, die sich Mitte der zweiten Hälfte durch einen Platzverweis noch schwächten, nach und nach vier Kirschen ein.

Essen – Sa., 26.04.2025, 14:00

Rot-Weiss Essen vs 1.FC Saarbrücken 0:3

Stadion an der Hafenstraße, 18.507 Zuschauer, 3.Liga
Spiel eins nach dem vermuteten Klassenerhalt. Faktisch fehlte noch ein Punkt, der aber in den verbleibenden vier Spielen kein Hexenwerk mehr sein dürfte und der ja auch nur benötigt würde, wenn die Sonntags-Partie zwischen dem Waldhof und dem Nachwuchs des Stuttgarter VfB am Folgetag unentschieden endete – was letztlich geschah – und dann beide Teams alle noch möglichen Punkte einsammeln sollten und die zwischen den genannten Mannschaften und dem glorreichen RWE liegenden Clubs auch ausreichend punkten. Insgesamt ein wenig wahrscheinliches Szenario. Die Minuten vor dem Spielbeginn standen im Zeichen des Gedenkens an den kürzlich verstorbenen Werner Lorant, Kult-Trainer vor allem der Münchner Löwen und noch zu Bundesliga-Zeiten in den 70er Jahren auch langjähriger Spieler des RWE. Dass sich Fußball zu einem großen Anteil im Kopf abspielt, sollten die folgenden 94 Minuten dann wieder zeigen. Der abgefallene Druck lähmte den Willen der Recken in Rot und Weiss, während die Saarländer noch beste Aussichten haben, den Relegationsplatz um den Aufstieg zu erringen und dementsprechende Körperspannung und -sprache zeigten. Man kann den Roten überhaupt nicht vorwerfen, es nicht versucht zu haben, aber es ging einfach nix, weil der nötige Antrieb im Unterbewusstsein fehlte. Daraus ergab sich eine weitgehend zu langsame, beinahe pomadige und in vielen Situation verunsicherte Spielweise, während sich der FCS wacher, schneller, robuster und abgewichster zeigte. Das frühe erste Gegentor nach unnötigem Fehlpass von Gjasula und einem Distanzschuss, der genau zwischen Torwarthandschuh und Pfosten passte, war natürlich auch nicht dienlich.
Zwar hatte der RWE deutlich mehr Ballbesitz, aber wenn die Blau-Schwarzen das Leder hatten, zeigten sich diese sehr ballsicher und schnell im Umschaltspiel. Arslan hatte den Ausgleich nach einer halben Stunde auf dem Schlappen, brachte den Ball aber nicht unter – es sollte die einzig wirklich gute Gelegenheit für die Hausherren bleiben. In Tornähe kamen die Roten eigentlich nur durch viele Standards und weite Einwürfe von Moustier, die aber von den Gästen beinahe ausnahmslos gut verteidigt wurden. Kurz vor dem Pausenpfiff fiel der zweite Treffer, nachdem der zurückgeeilte Mizuta eine Flanke aufgrund miserablem Defensivverhaltens nicht unterbinden konnte und der heranstürmende Rizzuto einen Flugkopfball wuchtig in den Maschen unterbrachte. Dass es nicht schon zur Pause 0:3 stand, war dem aufmerksamen Referee zu verdanken, der eine schwierige Situation richtig bewertete. Eine zu kurze Kopfball-Rückgabe von Kraulich auf Wienand versuchte der Saarbrücker Krüger zu erreichen und rutschte dem Ball mit langem Bein hinterher. Wienand wurde davon nicht nur irritiert, sondern von Krüger auch gefoult, auch wenn dieser das Bein noch schnell anzuziehen versuchte. Den Ball traf er dagegen nur minimal, mutmaßlich aber überhaupt nicht. Während die Szene von der Tribüne eher nach einem regulären Treffer aussah, bestätigten die Fernsehbilder die Entscheidung des Unparteiischen.
Die Gäste sahen das natürlich anders, aber alle Aufregung war spätestens ein paar Minuten nach dem Seitenwechsel obsolet, als die Roten in der Verteidigung eigentlich alles falsch machten und den nun spätestens spielentscheidenden Treffer begünstigten. Schnapper Wienand machte dabei auch keine brillante Figur, zudem hätte es Strafstoß geben müssen, wäre der Ball nicht eh im Tor gelandet, da Wienand Krüger beim Rettungsversuch abräumte. Felix Wienand hat sich bisher als zweiter Mann hinter Jakob Golz bewährt und mehr als solide gezeigt. Da Golz eine Ausstiegsklausel besitzt und nach einer erneut hervorragend performten Spielzeit ein Wechsel in verbesserte Sphären, was ihm absolut nicht verübelt werden könnte, nicht unmöglich scheint, soll Wienand die verbleibenden Saisonspiele bestreiten, um Spielpraxis zu erlangen. Dass Golz diese Entscheidung zwar respektiert, dieses allerdings nicht hocherfreut, und Wienand entgegen seinem Vornamen im heutigen Spiel nicht sehr glücklich agierte, lässt den Schachzug erst einmal in die Kategorie ‚Fragwürdig‘ abrutschen. Die Partie war nun durch, der FCS dem vierten Tor näher, als der RWE dem Ehrentreffer und die Punkte gingen mehr als verdient nach Ostfrankreich, auch wenn mir die Gästespieler etwas zu häufig zu lang auf dem Rasen lagen. Etwas ungewöhnlich war, dass es die erste Ecke des gesamten Spieles erst in der 67. Minute zustande kam. Gemessen am Endergebnis war noch ungewöhnlicher, dass das Eckball-Konto am Ende 6:0 für RWE lautete.
Die Hafenstraße war wieder mehr als gut gefüllt, der Heimbereich erneut ausverkauft. Man sieht, was möglich ist, welches Potential vorhanden ist. Nach der unglaublich starken Rückrunde wird keiner der Anwesenden, so denn sie dem rot-weissen Lager zuzurechnen waren, der Mannschaft die erste Heimniederlage seit Anfang Dezember übelgenommen haben. Wichtig ist nun, das Ruder wieder rumzureißen und die übrigen Spiele sauber zu performen. Auch, um wieder Spannung aufzubauen, denn es steht noch das wichtige Verbandspokal-Finale bei einen sicherlich hochmotivierten MSV Duisburg an. Der Gästeblock zeigte als Intro eine Luftballon-Aktion und kokettierte etwas mit der Nähe des Saarlandes zu Frankreich respektive der französischen Vergangenheit. „Nous allons gagner“ prangte in großen Lettern am Zaun, was übersetzt „Wir werden gewinnen“ bedeutet. Ging ja am Ende klar. Der Support war dann lautstark und dauerhaft. Zudem brachte man dem RWE in den Gesängen eine ordentliche Portion Abneigung entgegen – die Pyro-Eskalation nebst abgeschossener Leuchtspur-Munition aus dem Hinspiel ist noch nicht vergessen. Prinzipiell besteht der Saarbrücker Anhang ja aus schönem Pöbel. Ist halt auch ne alte Bergbau- und damit Arbeiterregion, damit sind sich der FCS und die Ruhrgebietsvereine im Geiste näher als man meinen möge. Auch wenn ich gegenüber der Saarbrücker Szene eine gewisse Abneigung verspüre, würde es begrüßen, diese in der kommenden Saison wiederzusehen, da die Spiele gegeneinander bisher immer kurzweilig waren.

Darmstadt – So., 20.04.2025, 13:30

SV Darmstadt 98 vs Hannoverscher SV 1896 3:1

Stadion am Böllenfalltor, 17.810 Zuschauer, 2. Bundesliga
Der Sportverein Darmstadt 98 war bis in die 90er Jahre eigentlich so eine Art ewiger Zweitligist, abgesehen von einer Handvoll Ausbrüchen nach unten und oben, die alle jeweils nur eine Saison währten. Mitte der 90er gab es dann einen Bruch, denn mit dem Abstieg in die damals noch drittklassige Oberliga Hessen, avancierte der Verein, ebenfalls mit einjährigen Unterbrechungen, zum dauerhaften Drittligisten ehe gegen Ende der ersten Dekade des neuen Jahrtausends mehrere Spielzeiten in der viertklassigen Regionalliga gebucht wurden. Nachdem Aufstieg in die inzwischen geschaffene Dritte Liga wurde es dann turbulent und abwechslungsreich. In einer dramatischen Relegation gegen die Bielefelder Arminia konnte nach 30 Jahren die Zweite Liga wieder erreicht werden, die lediglich für den direkten Durchmarsch in die Bundesliga genutzt wurde. Dort war nach zwei Saisons wieder Schluss und prinzipiell stellen die ‚Lilien‘ nun wieder das dar, was sie in früheren Zeiten auszeichnete – den ewigen Zweitligisten.
Das ‚Bölle‘ kannte ich von einem früheren Besuch nur im historischen Gewand, dem klassischen Mehrzweck-Outfit mit Laufbahn, einer überdachten Haupttribüne und ungedeckten Rängen in den Kurven sowie auf der Gegenseite. Durch die recht niedrigen Kurven und einer hoch ansteigenden Gegengerade hatte das Rund ein eigenes Gesicht. Vor zehn Jahren begann dann der sukzessive Umbau des Stadions und heute ist vom alten baulichen Zustand nichts mehr übrig, die Spielstätte wurde in ein modernes reines Fußballstadion verwandelt. Zuletzt wurde die Haupttribüne neu errichtet, schon davor die Hintertor- und Gegentribüne(n) an das Spielfeld herangezogen und überdacht neu erbaut. Lediglich die alten Flutlichtmasten werden weiterhin genutzt. Als letztes Relikt und Erinnerung an das alte Stadion wurden die Stehränge der Nordkurve hinter der neuen Nordtribüne in Teilen erhalten. Für die Gestaltung am und um das Stadion wurde der Ultra-Szene offenbar weitgehend freie Hand gewährt. Viele Graffiti verpassen der Bude eine Identität und einen hohen Wiedererkennungswert – auch wenn die Vereinsfarben ja etwas anstrengend sind, kann man das nur gut finden.
Während die Gastgeber noch ein bisschen was Zählbares brauchten, um den Klassenerhalt final zu sichern, hatten die Norddeutschen trotz eines Negativlaufes noch immer die Chance, zumindest den Relegationsplatz um den Aufstieg zu erreichen. Die Sechsundneunziger hatten den Gästeblock ausverkauft und starteten mit einer Fähnchen-Choreo in den Clubfarben, Treue beschwörenden Zaunbannern und einem zentral präsentierten historischen Vereinswappen vom Beginn des 19. Jahrhundert in die Partie. Den Führungstreffer nach gerade einmal 30 Sekunden werden daher die Wenigsten im Away-Sektor gesehen haben. Auch nicht, dass die Kirsche nur eine Minute später beinahe wieder im Netz hinter Ex-Nationalschnapper Zieler einschlug, der dieses aber mit einer starken Parade verhindern konnte. Dann nahm auch der niedersächsische HSV endlich am Spiel teil und erkämpfte sich ein ertragloses Übergewicht. Die ‚Lilien‘ zeigten sich nach dem Seitenwechsel verbessert. Die Teams neutralisierten sich in ihren Bemühungen und die Partie verkrampfte. In der Schlussphase wurden die Gäste dann für ihre Bemühungen endlich belohnt und erzielten den Ausgleich. Nur, um mit der nächsten Aktion direkt wieder einen Treffer zu schlucken. Der anschließende Brechstangen-Fußball brachte nichts mehr ein, außer einem Foulelfmeter für die Gastgeber, mit dem diese die Punkte endgültig auf die Habenseite zogen.

Sandhausen – Sa., 19.04.2025, 14:00

SV Sandhausen vs Rot-Weiss Essen 0:2

Hardtwaldstadion, 4.348 Zuschauer, 3.Liga
Mit der Mission, den Klassenerhalt endgültig in trockene Tücher zu bringen, ging die Reise, ungewohnt aus Richtung Süden kommend, in den Rhein-Neckar-Kreis, zum abgeschmierten Aufstiegs-Anwärter nach Sandhausen. Studiert man die Tabelle, wie sich diese vor dem Hinspiel in der ersten Halbserie zeigte, sieht man den SVS mit 24 Punkten an der Spitze stehen. In den 19 seitdem absolvierten Liga-Spielen holten die Schwarz-Weißen sagenhafte sechs Zähler, was das Team auf den drittletzten Platz in höchste Abstiegsgefahr abrutschen ließ. Der Kick gegen den nach drei Siegen in Folge mit ganz breiter Brust anreisenden glorreichen RWE war also wahrscheinlich die letzte Patrone, um den Super-GAU zu vermeiden. 1.350 Rote hatten den Weg angetreten und waren bester Laune. Was man von der kleinen Szene der Gastgeber nicht behaupten konnte. Während der ersten zehn Spielminuten blieb der Fanblock leer. Die Geduld der Gruppe war offensichtlich aufgebraucht, denn Zaun prangte über die gesamte Breite des Blocks ein Transparent mit den fetten Lettern „Unser Support angepasst an Eure Leistung“. Kaum war der Block gefüllt, stand es auch schon 1:0 für den glorreichen RWE. Dabei hatten die Gastgeber durchaus couragiert begonnen und hätten durch einen exzellent getretenen Freistoß, den Golz noch stark an die Querlatte lenkte, beinahe die Führung erzielt.
Dann spielte aber Moustier nach einem tollen Solo-Lauf im richtigen Moment Safi frei, der das Streitobjekt allein vor dem gegnerischen Torwart eiskalt versenkte. Das war für die Jungs in den schönsten Trikots der Welt offenbar der Game-Changer, denn fortan spielte nur noch der RWE. Die Sandhäuser Szene ließ sich davon nicht beeindrucken oder war es halt schon gewohnt, stattdessen rechnete man mit der Vereinsführung ab und wies auf die hohe Personalfluktuation der letzten Jahre hin. Man neigt ja gern dazu die kleine, zwischen den Übermächten aus Karlsruhe, Mannheim und, ja, leider auch Hoffenheim eingeklemmte Szene zu belächeln, aber letztlich gehört diese nun seit Jahren zur deutschen Fußball-Landkarte dazu. Mit sämtlichen Aktionen war es aber vorbei, als der aufgerückte Eitschberger nach etwas mehr als einer halben Stunde etwas glücklich den Ball behaupten konnte und diesen dann mit dem schwächeren Linken und viel Effet aus achtzehn Metern ins Tor beförderte. Dieser Treffer zog nicht nur der Sandhäuser Mannschaft endgültig den Zahn, sondern auch der Motivation ihrer Anhänger, die den Support fortan ganz einstellten.
Im zweiten Durchgang spielte weiter nur noch der RWE, von Abstiegskampf war bei den Gastgebern nichts zu sehen, diese zeigten sich völlig verunsichert und konsterniert. Da aber bei den Gästen die letzte Konsequenz fehlte, wurden nur wenige Möglichkeiten kreiert. In der Schlussphase hätte es dann nach klarem Foul an Martinovic noch Strafstoß geben müssen. Der Referee hatte beste Sicht auf die Szene und ließ dennoch weiterspielen, man hatte beinahe den Eindruck, dass er Mitleid mit den Gastgebern hatte. Die kamen dann auf der Gegenseite noch zu ihrer einzigen Torchance der zweiten Hälfte, aber Golz zeigte sein Können. Der Rest war Party in Rot und Weiss, denn diese drei Zähler dürften endgültig den Klassenerhalt bedeuten. Noch lange nach dem Schlusspfiff und nachdem die Mannschaft schon in der Kabine war, feierte der Gästeblock weiter. In meiner romantischen Vorstellung hatte ich vor Wochen gehofft, dass in Sandhausen bereits der Klassenverbleib besiegelt werden kann. Dass es dazu kam, ist eine absolute Energieleistung von Trainerteam und Mannschaft in den letzten Wochen und nach der desaströsen Hinrunde ist diese nicht hoch genug zu bewerten. So bleibt der Showdown am letzten Spieltag erspart und es kann einigermaßen frühzeitig für die neue Saison geplant werden.

Dijon – Fr., 18.04.2025, 19:30

Dijon FC Cote-d’Or vs FC Villefranche Beaujolais 2:0

Stade Gaston Gérard, 5.123 Zuschauer, Championnat National
Die Woche nach dem Spiel in Auxerre wurde beherrscht von Schlossbesichtigungen. Wir schauten uns die beeindruckenden Paläste von Chambord, Chenonceau, Amboise, Chambord und Blois und auch die Altstadt von Tours an. Zwar ist das nicht meine Leidenschaft, aber ich begegne solch geschichtsträchtigen Häusern durchaus mit Interesse. Da sich der Adel in der Renaissance vermehrt im Loire-Tal niederließ, wurde dort im 16. Jahrhundert der Großteil der französischen Politik gemacht und Paris hatte beinahe provinziellen Status. Chenonceau ist nach Versailles übrigens das meistbesuchte Schloss Frankreichs.
Hin und her hatte ich überlegt, welche Partie an diesem Freitag auf der beginnenden Rückreise es werden sollte. Bis mein saarländischer Leibarzt ankündigte, mit drei Bekannten die Drittliga-Partie in Dijon anzusteuern. Die Chance auf ein Wiedersehen war ein angemessener Grund ebenfalls das Aufeinandertreffen des Tabellenvierten und der abstiegsbedrohten Gäste zu besuchen. Das ‚Stade Gaston Gerard‘ hat schon bessere Zeiten erlebt. Nach vielen Jahren, die überwiegend in der Zweitklassigkeit verbracht wurden, stieg der Dijon Football Club Cote-d’Or in die Ligue 1 auf, konnte sich dort fünf Jahre halten und wurde dann aber nach der vorletzten Saison zügig in das drittklassige ‚Championnat National‘ durchgereicht. Nach einem undankbaren vierten Platz steht man aktuell wieder auf ebenjenem, konnte aber mit dem heutigen verdienten Sieg noch die theoretische Chance auf den Aufstieg wahren, der Abstand zum Dritten beträgt aber drei Spieltage vor Schluss annähernd unaufholbare acht Punkte. Das Stadion wurde in den vergangenen Jahren sukzessive erneuert und lediglich die alte Haupttribüne steht noch. Die Konstruktion welche die Dächer der freistehenden Tribünen verbindet, verleiht der Spielstätte einen eigenen Stil. Auf der Nordtribüne sammelten sich im Unterrang hinter dem Tor gut 100 aktive Supporter, die ihre Mannschaft dauerhaft unterstützten.

Auxerre – So. 13.04.2025, 20:45

AJ Auxerre vs Olympique Lyonnais 1:3

Stade de l’Abbé Deschamps, 17.511 Zuschauer, Ligue 1
Frankreich – ein Land, das mich aus verschiedenen Gründen irgendwie nie richtig abgeholt hat und mit dessen Einwohnern ich nicht warm werde. Im Widerspruch dazu gab es dort schon diverse Besuche, obwohl man auch in Sachen Fußball nur selten eine richtig gute Vorstellung auf den Rängen erwarten darf. Da die historisch interessierte, verehrte Frau Gemahlin aber nach einem Besuch der bedeutendsten Schlösser des Loire-Tales verlangte, bot sich an, auf dem Hinweg zwei Spielorte zu besuchen, die mich interessierten. So sollte das erste Ziel Montargis sein, wo die Spielstätte des örtlichen Vereins über eine schmucke Tribüne mit zwei markanten Ecktürmen verfügt. Schon ein Stadion, welches sich vom unterklassigen Einheitsbrei abhebt, so dass mich auch das Spiel der zweithöchsten Regionalklasse des Departments Centre-Val de Loire nicht vom Besuch hätte abhalten können. Die Vorab-Recherche bestätigte, dass der Verein seine Spiele im Stadion austrägt. Die vereinseigene Homepage und der Facebook-Auftritt waren wenig aussagekräftig, aber der Gegner wies das Stadion ebenso als Spielort aus, wie die Seite des Fußballverbandes. Beim Eintreffen eine halbe Stunde vor dem Kick-Off konnte ich das Unheil aber schon erahnen. Verblasste Linien, fehlende Eckfahnen und hochgehängte Netze waren ein untrügliches Zeichen. Der Verein hatte kurzfristig entschieden, dass Spiel nach den trockenen letzten Tagen auf dem gesichtslosen Kunstrasen-Nebenplatz auszutragen, um den Naturrasen des Stadions zu schonen. Auch wenn ich mich in solchen Fällen immer bemühe, die Situation anzunehmen, weil man eh nicht die Macht hat, etwas zu ändern, kann der Hass ja in diesem Augenblick kaum größer sein. Es half alles nichts, es ging weiter nach Auxerre, einer unauffälligen Kleinstadt und Hauptstadt des Departements Yonne.
Ohne es wirklich begründen zu können, hegte ich unterschwellig den Wunsch, dort mal aufzuschlagen. Mit dem Spiel gegen Lyon war einer der attraktiveren Gegner der Liga zu Gast. Die Heimkurve zeigte im Oberrang eine Zettel-Choreografie in den Vereinsfarben. Im Unterrang wurde mit Doppelhaltern der Schriftzug „Ultras Auxerre 1990“ gezeigt, der in den äußeren Bereichen von auf Folienbahnen gedruckten Segmenten des Vereins- und des Gruppenwappens flankiert wurde. Die etwa 600 angereisten Gäste präsentierten im Unterrang eine Schalparade und teilten den Oberrang mittels Stab-Luftballons in die Vereinsfarben. Abgelöst wurde das Schauspiel von einer schönen Bengal-Show. Den Gastgebern gehörten die ersten Minuten, bevor der Favorit das Spiel ausgeglichen gestalten konnte. Torchancen blieben für Auxerre selten, während die Gäste dann zu einigen Möglichkeiten kamen. Eine absolut verrückte Situation gab es schon nach zehn Minuten, als der Ball im vierten(!) Nachschuss endlich im Tor lag, dieses aber aufgrund eine Abseitsposition dann zurückgenommen wurde.
Nach dem Seitenwechsel dauerte es nicht lange, bis die Murmel endlich regulär und mittlerweile verdient für OL ins Netz fand und nach einer Stunde Spielzeit stellten die Lyonnais durch einen schön herausgespielten Treffer auf 2:0. Mit dem Anschluss eine Viertelstunde vor Ende keimte noch einmal Hoffnung für Auxerre auf, die durch Nationalstürmer und Ex-Gunner Lacazette aber kurz darauf wieder pulverisiert wurde. Die Bauweise des kleine, engen ‚Abbé Deschamps‘ mit seinen voneinander autarken Tribünen, ist für mich persönlich der Inbegriff eines Fußballstadions. Der Nachteil dieses Stils ist leider, dass zu viel Atmosphäre durch die offenen Ecken entweicht, das kenne ich von der Hafenstraße nur zu gut. Die Stimmung empfand ich dennoch als überdurchschnittlich. Die ‚Ultras Auxerre‘ waren gut unterwegs und auch die Gäste waren in Top-Form. Insgesamt habe ich eh den Eindruck gewonnen, dass sich die Support-Situation in Frankreich in den vergangenen Jahren zum positiven verändert hat, auch wenn immer noch genügend Luft nach oben ist.

Essen – Sa., 12.04.2025, 14:00

Rot-Weiss Essen vs FC Erzgebirge Aue 4:2

Stadion an der Hafenstraße, 17.307 Zuschauer, 3.Liga
Der Schacht war mal wieder zu Gast an der Hafenstraße. Während der glorreiche RWE nach zuletzt zwei Siegen einen riesigen Schritt in Richtung Klassenerhalt gemacht hat, ist die Entwicklung im Erzgebirge rückläufig, denn bei nur einem Sieg gingen vier der letzten fünf Spiele verloren. Um noch mal ernsthaft in Abstiegsgefahr zu geraten, hat die BSG Wismut wohl schon zu viele Punkte gesammelt, aber der psychologische Moment lag ganz klar auf Seiten der Roten, weshalb ich so entspannt wie lange nicht mehr an die Hafenstraße reiste. Die Rot-Weissen sorgten dann dafür, das mein Blutdruck auf vertretbarer Höhe verblieb und bestimmten das Spiel eigentlich von Beginn an, allerdings ohne den Holzmicheln zunächst ernsthaft gefährlich zu werden. Das geschah dann nach etwa 20 Minuten in Person des neuen Publikumslieblings Tom Moustier, der einen nach einer Freistoß-Flanke in den Sechzehner den zu kurz abgewehrten Ball im Strafraum mit Mach Drei an Freund und Feind aus zehn Metern zur Führung in die Maschen jagte und damit endlich sein erstes Tor für den Deutschen Meister von 1955 erzielte. Ziemlich aus dem Nichts kamen die Gäste aber zehn Minuten später zum Ausgleich, als eine Flanke von rechts lang und länger wurde und schließlich von einem Schachter mit der Brust über die Linie gedrückt wurde.
Der RWE ließ sich nicht beirren, machte einfach weiter und kam durch einen berechtigten Elfmeter nach Foul an Arslan mit dem Pausenpfiff zur erneuten Führung. Der Gefoulte, aktuell in Topform und Seele des rot-weissen Angriffsspiels, verwandelte selbst und gewohnt sicher. Nach etwas mehr als einer Stunde erhöhte ebenjener auf 3:1. Nach einem weiten Einwurf von Moustier – die Dinger sind echt absolute Waffen – kam die Kirsche in den Rückraum zu Arslan, der aus 20 Metern einen Strahl in den unteren linken Torwinkel abfeuerte. Moustier – nach Arslan aktuell wohl der wichtigste Mann im Feld- wurde noch von Dabrowski aus der Reserve von Hannover 96 geholt und versauerte anschließend auf der Bank. Für mich ein weiterer Nachweis für die fachliche ‚Eignung‘ von Dabrowski, aber das ist Schnee von gestern, auch der noch gültige Vertrag wurde in dieser Woche endlich aufgelöst.  Damit war die Wiese eigentlich gemäht, aber in eben jenem Gefühl des nur scheinbar sicheren Sieges, wurden die Roten in der Deckung fahrlässig und nach einem Ecken-Geschwader, schlug die Murmel im vierten Versuch dann zum Anschlusstreffer im Netz hinter Jakob Golz ein. So richtig verpasste dieses Tor den Süd-Sachsen aber nicht mehr den notwendigen Elan, um noch etwas Zählbares auf die Habenseite zu ziehen. Stattdessen durfte der eingewechselte Voufack, an dessen Leistungen man ja man oft verzweifelt, der aber – wenn auch selten – mal wirklich gute Sachen macht, nach einem schön gespielten Konter drei Minuten vor dem Ende endlich seinen Premierentreffer in einem Punktspiel für den RWE erzielen.
Damit war ein hochverdienter Sieg in einem unterhaltsamen Spiel endgültig besiegelt und mit nun 46 Zählern ist der Ligaverbleib nach einer desaströsen Hinrunde zum Greifen nah. Während die pickepackevolle Westkurve wieder eine ordentliche Vorstellung zum Besten gab, war der Blick in den Gästeblock etwas enttäuschend, denn nur etwa 400 Erzgebirgler hatten sich eingefunden. Das kam mir für die eigentlich optimale Anstoßzeit etwas wenig vor. Man mag darüber streiten, ob nun der Negativ-Lauf der Lila-Weißen die Leute von einer Auswärtsfahrt abhielt oder ob eben genau diese Situation, in der das Team ja die Unterstützung mehr brauch denn je, die Anhänger mobilisieren sollte. Diejenigen, welche den natürlich weiten Weg auf sich genommen hatten, positionierten sich kompakt im oberen Bereich des Blockes und hauten raus, was ging. Ich hoffe, die Mannschaft hält die Klasse, da ich die bisher erlebten Fahrten nach Aue als angenehm empfand und sich von dort als positiver Nebeneffekt natürlich auch immer der Grenzübertritt über den Klobasa-Äquator anbietet.