
Celtic FC vs Rangers FC 2:3
Celtic Park, 58.913 Zuschauer, Scottish Premiership
Guinnes-verträumt etwas mühsam aus dem Bett gestiegen, trafen wir uns am Vormittag mit den Mitgliedern des ‚MacConnells Celtic Supporters Club‘, einem von 603 offiziellen Celtic Fanclubs weltweit, in der gleichnamigen Bar. Die Jungs chartern immer einen Bus für die kurze Fahrt vom Pub zum Stadion in Parkhead, den auch wir nutzen durften. Das zweite ‚Old Firm‘ der laufenden Saison mit Heimrecht für Celtic stand an und das zweite Mal durfte ich dabei sein. Ebenso natürlich die verehrte Frau Gemahlin, damit sie auch mal die Magie dieses Spieles erleben konnte. In einer Liga, in welcher nach Celtic und den Rangers lange nichts kommt, und in der auch die Grün-Weißen ihren blauen Rivalen in den letzten Jahren auf Strecke meist deutlich überlegen waren, ist dieses Spiel natürlich ein besonderes. Aber eben nicht nur aufgrund der sportlichen Situation, sondern bekanntermaßen aus der Historie heraus. Auch wenn die Zeiten, in denen auf der einen Seite nur Katholiken und auf der anderen nur Protestanten spielten, schon Jahrzehnte vorbei sind, ist diese Partie eine Frage des Glaubens wie der Politik. Und obwohl man sich in der Liga vier Male pro Saison misst und dazu in den beiden Pokal-Wettbewerben meistens auch noch aufeinandertrifft, ist die Atmosphäre um die Partie besonders und knisternd. Wenn man sich dem von Grund auf errichteten ‚Celtic Park‘ nähert, macht das ja immer wieder Eindruck – der hochaufragende Bau bestimmt die Silhouette des Stadtteils.
Die Rangers legten los wie die Feuerwehr und schnürten Celtic im eigenen Sechzehner ein. In den ersten fünf Minuten konnten die Grün-Weißen den Ball kaum aus dem eigenen Strafraum halten und irgendwann lag die Kirsche dann nach einer Ecke auch im Netz, wobei Keeper Schmeichel nur bedingt gut aussah. Zwar war der Ball vermutlich eh nicht haltbar, aber sein Abwinken, dass die Murmel am Tor vorbeigehen wird, erinnerte an RWE-Kultschnapper Frank Kurth zu seinen besten Zeiten. Die Hunnen pressten dann verdammt hoch und zogen den Kelten, die damit überhaupt nicht klarkamen, komplett den Zahn. Es gelang überhaupt nicht, das bekannte schnelle Spiel über die Außenpositionen aufzuziehen. Ohne den verletzten Team-Captain Callum McGregor fehlte dem Aufbauspiel der Kelten zudem die Seele. Da fiel einmal mehr auf, wie wichtig der Mann für das Celtic-Spiel ist, denn es wirkte alles zu ideenlos, zu statisch, zu langsam. Das machte es den Gästen einfach, ein schnelles Angriffsspiel zu unterbinden, die dazu nach ihrem Führungstreffer konsequent Zeit von der Uhr nahmen, was der kläglich pfeifende Referee, dem das Spiel zwischenzeitlich aus der Hand zu rutschen drohte, nicht unterband und das ‚Paradise‘ damit zum Kochen brachte. Darüber hinaus provozierten die Hunnen mit dem frühen Stören mehrfach Böcke in der Hintermannschaft der ‚Hoops‘. Zwar gab es dann auch erste Möglichkeiten für die Hausherren, aber das Netz beulte sich dennoch erneut auf der falschen Seite, nachdem eine Flanke in die Box mit dem Hinterkopf auf den freistehenden Torschützen verlängert wurde. So ging es mit dem Zwei-Tore-Rückstand in die Pause.
Die bewirkte, was Pausen manchmal so bewirken, und das Spiel bekam eine Wendung. Celtic war wacher und Maeda, der als einziger annährend Normalform zeigte, verkürzte per Kopf nach Flanke von Wintertransfer und Rückkehrer Jota nach wenigen Zeigerumdrehungen. Nun war Musik im Spiel. Celtic riss die Partie an sich, war spielbestimmend, erreichte aber dennoch nie die gewohnte Wucht. Die Böcke in der Defensive wurden weniger, aber diese gab es weiterhin, daher musste man bei jedem Vorstoß der Unionisten zittern. Dem stärker werdenden Druck der Celts erlagen Sie dann dennoch und mit Hatate konnte sich nach feinem Steilpass und No-Look-Abschluss auch der zweite Japaner im Kader der Grün-Weißen auf der richtigen Seite der Torschützenliste eintragen lassen. Die Gastgeber blieben nun dran und es schien nur die Frage der Zeit, wann das Spiel die komplette Wendung erfuhr. Aber Fußball ist ein Sport, der immer wieder eine Überraschung in der Westentasche hat. Nach langem Abstoß der ‚Huns‘ kurz vor Spielschluss verschätze sich erst US-Mann Carter-Vickers, dann rutschte Johnston weg und Igamane nutzte den gewonnen Raum, um die Kirsche von der Strafraumgrenze in den rechten oberen Knick zu jagen. Tolles Tor, leider für das falsche Team. In der Nachspielzeit hatte McCowan – auf Seiten der Kelten der einzige im Spiel eingesetzte Schotte, bei den Hunnen waren es auch nur deren zwei – den erneuten Ausgleich auf dem Fuß, brachte den Ball in Rücklage aber nicht auf das Tor. Spiel, Satz und Sieg für die ungeliebten Gäste, die das Derby damit zum zweiten Mal in Folge gewannen und in der Gesamtstatistik mit 171 zu 170 Erfolgen die Führung übernehmen. Das wird aber bei immer noch 13 Punkten Vorsprung nichts mehr am Saisonausgang und dem Meistertitel für Celtic, dem 13. in den letzten 12 Spielzeiten, ändern.
Seit 2023 waren zum ersten Mal wieder Gäste-Fans anwesend. Nachdem die Kontingente in einer „Wie Du mir, so ich Dir“-Mentalität immer weiter reduziert wurden, bis es schließlich zum kompletten Ausschluss kann, einigte man sich für diese Saison wieder auf ein Away-Kontingent, aber es dauerte bis zum dritten Vergleich, bis die Absichten Realität wurden. Gut so, denn auch davon lebt die Mystik dieser Spielpaarung. 2.400 Hunnen waren gekommen und dennoch hatte ich die Stimmung aus dem vergangenen Jahr deutlich besser in Erinnerung. Dass nach einem wieder einmal ohrenbetäubenden, Gänsehaut erregenden „You’ll never walk alone“ dann der Stimmungsfunke im Stadion nicht so übersprang, hatte mehrere Gründe. Die Rangers-Supporter um die ‚Union Bears‘ mühten sich im Eckblock zwar, hätten nach meinem Geschmack für ihre Anzahl aber lauter sein dürfen. Die ‚Bhoys Celtic‘ zeigten in ihrem Eck zwar eine Choreo, aber die Gruppe selber ist nicht besonders groß, hat einen nach meiner Meinung unglücklichen Standort und vermag es nur selten, die Umstehenden in die Gesänge einzubinden. Daher ist für das Stimmungsbarometer in der Regel die ‚Green Brigade‘ zuständig. Diese fehlte aber heute, die angestammten Reihen der etwa 250-300 Köpfe starken Gruppierung blieben verwaist. Der Grund war eine polizeiliche Maßnahme am Treffpunkt der Gruppe, dem Social Club der ‚Celtic Supporters Association‘. Die Police verlangte nach präventiver Durchsuchung und Personalienfeststellung zur Vermeidung von Straftaten. Derart willkürliche Aktionen akzeptiert keine Ultra-Gruppierung der Welt und als Folge entschied man sich, dem Spiel fernzubleiben, respektive man musste fernbleiben. Soweit die vereinfachte Version, insgesamt ist die Geschichte komplizierter und hat mit der auflebenden und sich vergrößernden Ultra-Szenerie in Schottland zu tun, welche die Staatsorgane gerne kleinhalten oder am besten ganz ersticken möchten, wie man es auch aus anderen Ländern kennt.
Da der Spielverlauf auch konträr zu dem im letzten Jahr war, schafften es die normalen Zuschauer nur selten diese Wucht zu entwickeln, welche die Spieler fast vom Feld pustet. Klar hob sich die Atmosphäre deutlich von den ‚normalen‘ Ligaspielen ab und es wurde auch oft richtig laut, aber die Qualität aus dem Spätsommer des letzten Jahres wurde erst in der Schlussphase erreicht, als Celtic auf den Sieg drückte. Dennoch geil, wie die Anhänger bei den Toren abgehen. Wenn ich nicht sowieso an diesem Verein hinge, würde es mich wohl eh mitreißen. Weil kein Kelte mitterleben will, wie die verhassten Gäste einen Sieg im eigenen Stadion feiern, leerte sich die Bude nach dem Schlusspfiff schnell. Wir begaben uns mit den Celtic-Jungs in die Innenstadt und kehrten in einen gut besuchten Pub ein, wo der Frust über den Spielausgang mit einigen Getränken schnell heruntergespült wurde. Bei erneut guter Live-Musik und St-Patrick’s-Day-Stimmung durften wir einen wunderbaren Tag mit ebenso wunderbaren, gastfreundlichen Menschen verbringen und freuen uns schon jetzt auf den nächsten Besuch, in dieser eigentlich unspektakulären Arbeiterstadt, die ich dennoch mag.































