Jastrzebie-Zdrój – Sa., 08.03.2025, 15:00

GKS Jastrzebie vs TS Podbeskidzie Bielsko-Biala 0:0

Stadion Miejski w Jastrzebiu Zdróju, 1.312 Zuschauer, II Liga
Jastrzebie-Zdroj – als diese Region vor mehr als einhundert Jahren noch zum Deutschen Staatsgebiet gehörte, trug die Stadt den Namen Bad Königsdorff-Jastrzemb – ist ein ehemaliger Kurort in Oberschlesien. Die Karriere als Heilbad war vergleichsweise kurz, begann in den 20er Jahren und versiegte im wahrsten Sinne des Wortes in den 60ern. Denn nach dem Krieg wurden große Kohleverkommen entdeckt und durch das Abteufen der Zechen sank der Grundwasserspiegel und als Folge trockneten die Heilquellen aus. Seitdem ist der Bergbau die wichtigste Einnahmequelle der Stadt – drei Zechen sind heute noch immer aktiv – was einen sprunghaften Anstieg der Einwohnerzahl zur Folge hatte. Nach einem leichten Rückgang seit der Jahrtausendwende bewegt sich diese nun um 90.000. Mit Jastrzebie hatte ich noch eine Rechnung offen. Vor fünf Jahren hatte ich für Anfang März ebenfalls Flüge gebucht, konnte mich aber letztlich irgendwie nicht aufraffen, diese anzutreten. Wenige Tage später wurde der Corona-Lockdown ausgerufen, es ging erst einmal nix mehr und ich verlor das Ziel aus den Augen. Neben den alten Kuranlagen besteht die Stadt übrigens gefühlt nur aus großen Wohnklötzen, ein Ort, über den die Tauben mit dem Rücken nach unten fliegen, damit ihnen der Anblick erspart bleibt. Aber eben genau dieser macht den Reiz eines Spielbesuches im ‚Stadion Miejski‘ aus, denn es bietet sich eine wunderbare Kulisse um das Stadion. Ellenlange Häuserblöcke mit zehn und mehr Geschossen reihen sich im Umfeld der in Ehren ergrauten Spielstätte auf und wirken wie Brutkästen, aus denen dann irgendwann die kahlköpfigen Mutanten schlüpfen, die man im Stadion bestaunen darf. Wenn man in diesen ex-sozialistischen Setzkästen geboren wird, ist die Hooligan-Karriere ja beinahe unausweichlich.
Ich war früh in der Stadt und schlich noch ein wenig umher, um das eine oder andere Graffiti einzufangen, welche an den Kopfseiten der Häuserblöcke das jeweilige Viertel als GKS Jastrzebie-Gebiet ausweisen. Die Abkürzung GKS steht für Górniczy Klub Sportowy und bedeutet übersetzt Bergbausportverein. Bei meinem Rundgang war ich bemüht, nicht zu auffällig zu agieren, denn auch wenn man nur völlig harmlos durch die Straßen latscht, wird man ja schon kritisch beäugt, da die Leute in ihrem ureigenen Instinkt zu spüren scheinen, dass man dort nix verloren hat. Die polnischen Arbeiterstädte sind einfach speziell, erst recht die im schlesischen Kohlenpott, aber irgendwie mag ich das. Im Stadion traf ich dann mit zwei weiteren RWE-Leuten zusammen, aber wir teilten uns schnell wieder auf, um etwaigen Nachfragen „Wer, woher, warum?“ aus dem Weg zu gehen, denn drei Fremde mit Haaren auf dem Schädel, die nicht das schlesische Aroma versprühen, werden bei einem schwach besuchten Spiel schnell verdächtig. Der aktive Block des GKS umfasste vielleicht 60 oder 70 Personen, mindestens die gleiche Anzahl an Szene-Leuten hielt sich aber in anderen Bereichen des Stadions auf, von dem lediglich noch die Hauptseite nutzbar ist. Diese waren meist schon älteren Semesters und mich fasziniert immer wieder der Anblick, wenn eine sympathische Mischung aus Mensch und Abrissbirne, ein grobschlächtiger wie kahlköpfiger finster drein blickender Ex-Hool, muskelbepackt und tätowiert bis unter den nur schwer erkennbaren Haaransatz, dessen mit wilden Motiven und aggressivem Slogan bedrucktes, aber schon ausgeblichenes Szene-Shirt sich über die in den vergangenen Jahren gewachsene Plauze spannt, mit der kleinen Trikot-tragenden Tochter an der Hand oder dem Sohn auf den Schultern durch das Stadion streift. Geil!
Die Vereinszugehörigkeit ist in den polnischen Arbeiter-Familien eine ernste Angelegenheit und die Weitergabe in die nachrückende Generation eine der größten Verantwortungen des Familienoberhauptes. Wobei ich mir sicher bin, dass in Polen die Ehefrau die heimliche Machtinstitution ist, die sich aber beim Thema Fußball nie einmischen würde. Die Jastrzebie-Fanaticy kamen nur träge in Schwung, da der Vorsänger mit etwas Verzögerung aufs Podest krabbelte. Da waren die Kibice aus Bielsko-Biala längst in Aktion. Gut 250 Leute waren angereist und damit ziemlich genau 250 mehr als ich erwartet hatte. Podbeskidzie ist nur die zweite Kraft in Bielsko-Biala hinter dem chronisch erfolglosen BKS Stal, der aktuell nur sechstklassig kickt. Podbeskidzie ist eben derzeit der erfolgreichste Verein der Stadt, weshalb dieser wohl einiges an Zulauf genießt. Auch optisch hatten die Gäste was im Angebot. Der Zaun wurde in Durchgang eins einheitlich in quer gestreifte Banner in den Vereinsfarben gehüllt. Auf ein Meer von einheitlichen Balkenschals folgte ein Meer aus kleinen Schwenkern in den Club-Farben, ehe noch zwei leider etwas dünne Rauchsäulen in den Himmel stiegen. Auch akustisch hatten die Blau-Roten meist die Oberhand, bedingt durch die zahlenmäßige Überlegenheit. Das alles kann ich so haarklein beschreiben, weil auf dem Rasen nichts Entscheidendes geschah. Die Gastgeber waren das engagiertere und auch leicht spielbestimmende Team, aber die wenigen sich bietenden Möglichkeiten blieben ungenutzt, da die Stürmer zu harmlos waren und die Gäste meist sicher standen. Das trost- wie torlose Remis nützte diesen etwas mehr, da so ein kleines Polster zu den Abstiegsrängen gewahrt wird, während die Bergarbeiter weiter in höchster Gefahr schweben.