
Aachener TSV Alemannia vs Rot-Weiss Essen 2:0
Tivoli, 31.580 Zuschauer, 3.Liga

Im Gegensatz zu meinen Mitreisenden hielt sich mein Optimismus vor dieser Partie in Grenzen. Allerdings sprühe ich ja auch selten vor Euphorie und der konsequente Pessimismus sollte bei langjährigen RWE-Anhängern auch als Berufskrankheit anerkannt werden. Mit dem Trainingslager in der Türkei hatte sich der Verein zufrieden gezeigt und mit Dominik Martinovic für die Offensive und Klaus Gjasula und dem jungen Matti Wagner für den defensiven Bereich auf dem Papier starke Winter-Zugänge an Land gezogen, was dem Umfeld neuen Mut einhauchte. Dass dann zwei der drei Neuen, Gjasula und Wagner, erkrankt beziehungsweise verletzt passen mussten, entzog der Aufbruchstimmung direkt das Fundament. Ob es mit den beiden besser gelaufen wäre, bleibt aber Theorie. In der trüben Witterung behielt jedenfalls nur eine Mannschaft den Durchblick und diese trug Schwarz-Gelb. Nach noch recht ausgeglichener Anfangsphase kippte die Waage immer mehr auf die Seite der Gastgeber. Einzige Ausnahme war die einzige gefährliche Torchance für den glorreichen RWE, die für erhitzte Gemüter sorgte. Nach einem Angriff der Roten, der an der Strafraumkante erstickt wurde, blieb ein Aachener Spieler angeschlagen liegen. Die Alemannia kam in Ballbesitz, das Spielobjekt landete aber dann wieder in der Defensive der Roten und Martinovic profitierte nach einem langen Ball nun vom noch immer am Boden liegenden Spieler, der das Abseits aufhob. Von links drang der Neu-Rote in den Strafraum und bediente Arslan, der die Murmel aus fünf Metern aber nicht am herausstürmenden Schlussmann vorbeibrachte. Danach kochten die Gemüter auf Aachener Seite über, was zur Folge hatte, dass ein Offizieller von der Bank auf die Tribüne wechseln durfte.
Emotional war die Reaktion der Gastgeber nachvollziehbar, die aber vor der Essener Torchance eben selber die Möglichkeit hatten, den Ball zwecks Behandlungspause ins Aus zu befördern. Es ist auch heute einfach nicht mehr üblich, das Spiel in jeder Situation, in der ein Teilnehmer am Boden liegt, zu unterbrechen, diese Option zu prüfen, obliegt dem Unparteiischen. Die Alemannia reklamierte den Fairnessgedanken – da würde mich mal interessieren, ob dieser auch überprüft wurde, bevor die Aachener Mannschaft nach dem Schlusspfiff ihren Triumph vor der Kurve mit ihren Fans auf den Schlachtruf „Rot-Weiss Essen – Hurensöhne“ hüpfend feierte. Nebenbei rappelte sich der vermeintlich schwer Getroffene schlussendlich ohne jegliche Behandlung wieder auf. Die Gastgeber rissen das Geschehen in der Folgezeit mehr und mehr an sich und kamen in den Minuten vor dem Pausenpfiff zu guten Möglichkeiten. Da sich am Geschehen auch nach dem Seitenwechsel nicht viel änderte, fiel der völlig verdiente Führungstreffer nach etwa einer Stunde beinahe zwangsläufig. Golz wurde beim Herauslaufen zwar von einem Angreifer behindert, ob er unbedrängt aber den Ball erreicht hätte, bleibt fraglich und ich bin eh ein Freund von einer großzügigen Linie in der Spielleitung. Ein wirkliches Aufbäumen war bei den Menschen in den roten Trikots dann nicht zu bemerken oder aber es reichte einfach nicht, um den hoch pressenden Aachenern Paroli zu bieten.
Dazu kamen auffällig viele Fehlpässe, viele ‚unforced errors‘ und keine erkennbare Spielidee, das Verhalten der Mannschaft wirkte teilweise erratisch. Die Deckung wurde mit simplen Steilpässen immer wieder auf einfachste Art ausgehebelt und überlaufen, ein Mangel, der sich auch in der Hinrunde oft zeigte, wenn der Gegner das Spiel schnell machte. Vor dem Öcher Tor wurde es weiterhin nicht gefährlich, auch nicht nach der Hereinnahme von Doumbouya, der zwar körperliche Präsenz mitbringt, aber kein Torjäger ist. Der zweite Treffer in der Schlussphase – nach simplem Steilpass – war schon nur noch Kosmetik. Kurz schien es danach, als ob sich die Roten aufgeben, aber dann brachten Sie die Partie noch vernünftig zu Ende. Das letzte Spiel vor der Winterpause, dieses eher unglückliche Remis gegen die Zweitvertretung des VfB, hatte ich als Lebenszeichen gewertet, aber die heutige Vorstellung raubte jede Zuversicht. Es gab nichts zu sehen, was Hoffnung machte. Das Team hat keine Durchschlagskraft und es gibt keine Überraschungsmomente. Die Körpersprache vermittelt keinen Glauben und die Spieler strahlen keinen Siegeswillen aus. Ich sah nur Argumente die für einen Abstieg sprechen und keines dagegen. Schon eine durchaus mögliche Heimniederlage gegen den im Aufwind segelnden Nachwuchs aus der niedersächsischen Landeshauptstadt am kommenden Wochenende kann das Schicksal weitestgehend besiegeln. Denn einen über die aktuellen vier Punkte hinausgehenden Rückstand auf das rettenden Ufer wird diese Mannschaft, die ich in Aachen sah, nicht mehr aufholen.
Auch das Verhältnis zur Fanszene steht vor eine Zerreißprobe. In der Schlussphase wurde der Support eingestellt, die Fahnen eingerollt, einmal mehr gab es an die vor der Kurve stehende Mannschaft eine Ansage. Da ich mich eigentlich weitgehend mit dem drohenden Abstieg abgefunden habe – besser, als sich plötzlich zu wundern, wenn es soweit ist, dann werde ich doch lieber positiv überrascht – sehe ich der Entwicklung nicht nur genervt, angepisst, enttäuscht entgegen, sondern auch gespannt. Eine Frage, die ich mir immer wieder stelle ist, woher von Aachener Seite diese tiefe Abneigung gegenüber dem RWE herrührt. Sicherlich hat diese Spielpaarung eine größere Bedeutung als jene gegen Kaliber der Sorte Unterhaching, aber ein Derby ist es ja nun wirklich nicht und ich kenne auch keinen besonderen Anlass für tiefe Verachtung. Klar, auf Gegenliebe trifft der RWE nur selten irgendwo in Deutschland, aber dieser Hass, den es im Grenzland zu spüren gibt, wundert mich schon, zumal die Alemannia aus rot-weisser Perspektive ein beinahe ‚normaler‘ regionaler Gegner ist. So arbeitete sich die Öcher Kurve angeführt von der ‚Karlsbande‘ in vielen Phasen mehr am Gegner ab, als das eigene Team anzutreiben. Mag daran liegen, dass es für Aachen seit langen Jahren keine Vergleiche mit dem EffZeh oder der niederrheinischen Borussia gab, also keine Anlässe für besondere Emotionen. Für besondere optische Akzente hat es heute auf beiden Seiten nicht gereicht, allerdings darf beiden Szenen ein guter akustischer Auftritt bescheinigt werden.

















