Essen – So., 26.01.2024, 13:30

Rot-Weiss Essen vs Hannover 96 U23 5:1

Stadion an der Hafenstraße, 15.037 Zuschauer, 3.Liga
Hurra, sie leben noch. Der glorreiche RWE konnte die Partie gegen den direkten Konkurrenten aus der niedersächsischen Landeshauptstadt deutlich und verdient für sich entscheiden. Eine Niederlage hätte die Schlinge um den Hals bedrohlich zugezogen. In den ersten Zügen der Partie hatten die Rot-Weissen noch etwas Mühe und befreiten sich dann mit dem Führungstreffer nach wenigen Minuten offensichtlich von einer Last. Von da an bis zum Seitenwechsel kannte das Spiel nur noch eine Richtung. Man mochte kaum glauben, dass die Mannschaft zur Vorwoche nur auf zwei Positionen verändert worden war. Das Umschaltspiel wurde mustergültig vorgetragen, es wurden schnelle Angriffe eingeleitet, mit kurzen, direkten Pässen die Räume geöffnet, dass einem beim Zuschauen fast schwindelig wurde und wieder bleibt festhalten, dass Fußball zu einem Großteil im Kopf stattfindet. Drei weitere Tore entsprangen dem Dauerdruck, Martinovic und Arslan hätten das Ergebnis eigentlich noch höher schrauben müssen. Die Gäste waren nur mit zwei Distanzschüssen gefährlich, der dritte war dann kurz vor dem Seitenwechsel aber drin und trübte das Bild ein wenig, sollte heute jedoch auch der einzige Treffer bleiben, der nicht auf der rot-weissen Habenseite verbucht wurde.
Allerdings kamen die 96er deutlich verbessert aus der Kabine und bereiteten der Defensive des Deutschen Meisters von 1955 vorübergehend große Probleme. Erst nach einigen Minuten kehrt wieder Ruhe und Ordnung ins Spiel des RWE zurück. Der zweite Durchgang verlief etwas unspektakulärer, als der erste, blieb aber aus rot-weisser Sicht positiv unterhaltsam, denn es wurde weiter nach vorne gespielt. Es wurden zwar deutlich weniger Möglichkeiten erarbeitet als in der ersten Spielhälfte, dennoch reichte es für Treffer Nummer fünf kurz vor Spielschluss. Alle fünf Tore des Spiels wurden durch Verteidiger erzielt, das war schon ungewöhnlich. Lucas Brumme war wie beim Spiel in Hannover in der Hinrunde Doppel-Torschütze und hat damit alle seine bisherigen vier Saison-Treffer gegen Hannover markiert. Die Durststrecke von sieben Liga-Spielen ohne Sieg wurde nun endlich beendet. Bleibt die Hoffnung, dass diese Vorstellung keine einmalige war, sondern darauf aufgebaut und die Abstiegsregion sukzessive verlassen wird. Unter den 54 Gestalten im Gästeblock hatte sich auf dem (Um)Weg zum abendlichen Auswärtsspiel beim Dortmunder Nachwuchs auch eine Handvoll Anhänger der Arminia aus Bielefeld, nächster Gegner des RWE, eingefunden. Zwischen den Anhängern der Arminia und von Hannover gibt es ja freundschaftliche Verbindungen. Die paar Flitzpiepen waren sich nicht zu blöde, fröhlich gegen den RWE zu pöbeln. Na, wenn man nix besseres zu tun hat…! Mal schauen wer nach dem kommenden Aufeinandertreffen den Längeren hat.

Dortmund – Sa., 25.01.2024, 15:30

BV Borussia Dortmund 09 vs SV Werder Bremen 2:2

Westfalenstadion, 81.365 Zuschauer, Bundesliga
Ursprünglich war der Plan für den Samstag ein anderer, Dämlichkeit des Autors führte aber dazu, dass ich mir schließlich doch die zwei freien Firmen-Dauerkarten für dieses Spiel schnappte und mit einem Bekannten mal wieder ins ‚Westfalenstadion‘ reiste, um die norddeutsche Jugendliebe zu begutachten. Die Gastgeber waren nach vier Niederlagen und der Freistellung von Trainer Sahin fast zum Siegen verdammt, da die internationalen Startplätze langsam in weite Ferne rücken, und die Bremer brauchten ebenso langsam mal wieder dreifach Zählbares. Well supported ist der SV Werder ja eigentlich überall, aus welchem Grunde auch immer verfügen die Grün-Weißen aber gerade im Ruhrgebiet über noch stärkeren Rückhalt, so dass zu Spielen dort zu den aus Norddeutschland angereisten Anhängern immer eine stattliche Anzahl an Umland-Fans hinzustößt. So hellte also nicht nur der natürlich restlos ausverkaufte Away-Bereich das triste schwarz-gelb auf, denn auf jeder Tribüne waren grün-weiße Farbtupfer zu sehen. Intensiv grün-weiß wurde es aber zum Einlauf der Teams. Das Fahnenmeer im Unterrang des Gästebereiches wurde abgelöst durch Rauch in den Vereinsfarben, auf den wiederum gut zwei Dutzend grüne Fackeln folgten. Danach regierte aber schwarz-gelb, akustisch sowieso, denn standortbedingt war für mich eh meist nur die solide agierende Südtribüne zu hören, aber vor allem auf dem Rasen, denn in den ersten fünf Minuten erlangten die Bremer nicht einen kontrollierten Ballbesitz.
Die Überlegenheit wurde auch erst in Frage gestellt, als Werder nach etwas mehr als zwanzig Minuten einen ersten gefährlichen Konter fuhr, Schlotterbeck den durchgebrochenen Grüll nur mit einem Foul stoppen konnte und dafür des Feldes verwiesen wurde. Die Unterzahl wurde dem BVB jedoch nicht zum Verhängnis, sondern den Bremern, denn kurz darauf gelang den Westfalen sogar der verdiente Führungstreffer. Bis zum Seitenwechsel und auch danach änderte sich nichts, zumal beinahe jeder Angriff der Werderaner im Abseits endete. Die Borussia konnte pomadige Bremer am Spielaufbau hindern und selbst ab und an gefährlich werden und nach wenigen Minuten im zweiten Spielabschnitt die Führung ausbauen. Dieses jedoch wohl regelwidrig, aber auch der VAR segnete den Treffer trotz Abseitsposition eines Dortmunders ab, der den Ball durch die Beine laufen ließ und dadurch eben doch aktiv ins Geschehen eingriff. Wieder einmal eine Szene, welche den Videobeweis ad absurdum führte. Grundsätzlich sah der BVB bis dahin trotz Unterzahl wie der sichere Sieger aus. Werder fand kaum statt und es ist ja schon eine Kunst, mit einem Mann mehr dauerhaft das schlechtere Team zu sein. Das änderte sich nach einer Stunde Spielzeit mit der Hereinnahme von Bittencourt und Kaboré, der erst kürzlich von Manchester City ausgeliehen wurde.
Vor allem Bittencourt drückte der Partie seinen Stempel auf. Nach drei Minuten wurde er nach grobem Foul verwarnt und nur zwei Minuten danach rammelte er die Murmel aus zwanzig Metern zum Anschluss in den Torgiebel. Sofort waren die Bremer im Spiel – Fußball ist halt Kopfsache. Kaboré wirbelte auf dem linken Flügel ordentlich rum und Ducksch, der als gebürtiger Dortmunder und kleiner Junge nur wenige hundert Meter vom Westfalenstadion entfernt auf der anderen Seite der Bundesstraße 1 mit dem Fußball begonnen hatte, stellte die Partie dann eine knappe Viertelstunde vor Schluss nach einem Traumpass von Stage auf Remis. Werder blieb am Drücker, der BVB war nun hochgradig nervös und hätte kurz vor dem Ende beinahe doch noch einmal getroffen, aber Werder-Schlussmann Zetterer parierte in einer Szene kurz hintereinander zweifach stark. Ebenso hätten die Gäste noch die volle Punktzahl abräumen können, aber auch deren Doppel-Chance in der Nachspielzeit blieb folgenlos. So blieb es beim Unentschieden, dass den Bremern vermutlich mehr Selbstvertrauen einflößen wird als den Borussen.

Aachen – So., 19.01.2025, 16:30

Aachener TSV Alemannia vs Rot-Weiss Essen 2:0

Tivoli, 31.580 Zuschauer, 3.Liga
Im Gegensatz zu meinen Mitreisenden hielt sich mein Optimismus vor dieser Partie in Grenzen. Allerdings sprühe ich ja auch selten vor Euphorie und der konsequente Pessimismus sollte bei langjährigen RWE-Anhängern auch als Berufskrankheit anerkannt werden. Mit dem Trainingslager in der Türkei hatte sich der Verein zufrieden gezeigt und mit Dominik Martinovic für die Offensive und Klaus Gjasula und dem jungen Matti Wagner für den defensiven Bereich auf dem Papier starke Winter-Zugänge an Land gezogen, was dem Umfeld neuen Mut einhauchte. Dass dann zwei der drei Neuen, Gjasula und Wagner, erkrankt beziehungsweise verletzt passen mussten, entzog der Aufbruchstimmung direkt das Fundament. Ob es mit den beiden besser gelaufen wäre, bleibt aber Theorie. In der trüben Witterung behielt jedenfalls nur eine Mannschaft den Durchblick und diese trug Schwarz-Gelb. Nach noch recht ausgeglichener Anfangsphase kippte die Waage immer mehr auf die Seite der Gastgeber. Einzige Ausnahme war die einzige gefährliche Torchance für den glorreichen RWE, die für erhitzte Gemüter sorgte. Nach einem Angriff der Roten, der an der Strafraumkante erstickt wurde, blieb ein Aachener Spieler angeschlagen liegen. Die Alemannia kam in Ballbesitz, das Spielobjekt landete aber dann wieder in der Defensive der Roten und Martinovic profitierte nach einem langen Ball nun vom noch immer am Boden liegenden Spieler, der das Abseits aufhob. Von links drang der Neu-Rote in den Strafraum und bediente Arslan, der die Murmel aus fünf Metern aber nicht am herausstürmenden Schlussmann vorbeibrachte. Danach kochten die Gemüter auf Aachener Seite über, was zur Folge hatte, dass ein Offizieller von der Bank auf die Tribüne wechseln durfte.
Emotional war die Reaktion der Gastgeber nachvollziehbar, die aber vor der Essener Torchance eben selber die Möglichkeit hatten, den Ball zwecks Behandlungspause ins Aus zu befördern. Es ist auch heute einfach nicht mehr üblich, das Spiel in jeder Situation, in der ein Teilnehmer am Boden liegt, zu unterbrechen, diese Option zu prüfen, obliegt dem Unparteiischen. Die Alemannia reklamierte den Fairnessgedanken – da würde mich mal interessieren, ob dieser auch überprüft wurde, bevor die Aachener Mannschaft nach dem Schlusspfiff ihren Triumph vor der Kurve mit ihren Fans auf den Schlachtruf „Rot-Weiss Essen – Hurensöhne“ hüpfend feierte. Nebenbei rappelte sich der vermeintlich schwer Getroffene schlussendlich ohne jegliche Behandlung wieder auf. Die Gastgeber rissen das Geschehen in der Folgezeit mehr und mehr an sich und kamen in den Minuten vor dem Pausenpfiff zu guten Möglichkeiten. Da sich am Geschehen auch nach dem Seitenwechsel nicht viel änderte, fiel der  völlig verdiente Führungstreffer nach etwa einer Stunde beinahe zwangsläufig. Golz wurde beim Herauslaufen zwar von einem Angreifer behindert, ob er unbedrängt aber den Ball erreicht hätte, bleibt fraglich und ich bin eh ein Freund von einer großzügigen Linie in der Spielleitung. Ein wirkliches Aufbäumen war bei den Menschen in den roten Trikots dann nicht zu bemerken oder aber es reichte einfach nicht, um den hoch pressenden Aachenern Paroli zu bieten.
Dazu kamen auffällig viele Fehlpässe, viele ‚unforced errors‘ und keine erkennbare Spielidee, das Verhalten der Mannschaft wirkte teilweise erratisch. Die Deckung wurde mit simplen Steilpässen immer wieder auf einfachste Art ausgehebelt und überlaufen, ein Mangel, der sich auch in der Hinrunde oft zeigte, wenn der Gegner das Spiel schnell machte. Vor dem Öcher Tor wurde es weiterhin nicht gefährlich, auch nicht nach der Hereinnahme von Doumbouya, der zwar körperliche Präsenz mitbringt, aber kein Torjäger ist. Der zweite Treffer in der Schlussphase – nach simplem Steilpass – war schon nur noch Kosmetik. Kurz schien es danach, als ob sich die Roten aufgeben, aber dann brachten Sie die Partie noch vernünftig zu Ende. Das letzte Spiel vor der Winterpause, dieses eher unglückliche Remis gegen die Zweitvertretung des VfB, hatte ich als Lebenszeichen gewertet, aber die heutige Vorstellung raubte jede Zuversicht. Es gab nichts zu sehen, was Hoffnung machte. Das Team hat keine Durchschlagskraft und es gibt keine Überraschungsmomente. Die Körpersprache vermittelt keinen Glauben und die Spieler strahlen keinen Siegeswillen aus. Ich sah nur Argumente die für einen Abstieg sprechen und keines dagegen. Schon eine durchaus mögliche Heimniederlage gegen den im Aufwind segelnden Nachwuchs aus der niedersächsischen Landeshauptstadt am kommenden Wochenende kann das Schicksal weitestgehend besiegeln. Denn einen über die aktuellen vier Punkte hinausgehenden Rückstand auf das rettenden Ufer wird diese Mannschaft, die ich in Aachen sah, nicht mehr aufholen.
Auch das Verhältnis zur Fanszene steht vor eine Zerreißprobe. In der Schlussphase wurde der Support eingestellt, die Fahnen eingerollt, einmal mehr gab es an die vor der Kurve stehende Mannschaft eine Ansage. Da ich mich eigentlich weitgehend mit dem drohenden Abstieg abgefunden habe – besser, als sich plötzlich zu wundern, wenn es soweit ist, dann werde ich doch lieber positiv überrascht – sehe ich der Entwicklung nicht nur genervt, angepisst, enttäuscht entgegen, sondern auch gespannt. Eine Frage, die ich mir immer wieder stelle ist, woher von Aachener Seite diese tiefe Abneigung gegenüber dem RWE herrührt. Sicherlich hat diese Spielpaarung eine größere Bedeutung als jene gegen Kaliber der Sorte Unterhaching, aber ein Derby ist es ja nun wirklich nicht und ich kenne auch keinen besonderen Anlass für tiefe Verachtung. Klar, auf Gegenliebe trifft der RWE nur selten irgendwo in Deutschland, aber dieser Hass, den es im Grenzland zu spüren gibt, wundert mich schon, zumal die Alemannia aus rot-weisser Perspektive ein beinahe ‚normaler‘ regionaler Gegner ist. So arbeitete sich die Öcher Kurve angeführt von der ‚Karlsbande‘ in vielen Phasen mehr am Gegner ab, als das eigene Team anzutreiben. Mag daran liegen, dass es für Aachen seit langen Jahren keine Vergleiche mit dem EffZeh oder der niederrheinischen Borussia gab, also keine Anlässe für besondere Emotionen. Für besondere optische Akzente hat es heute auf beiden Seiten nicht gereicht, allerdings darf beiden Szenen ein guter akustischer Auftritt bescheinigt werden.

Tilburg – Sa., 18.01.2025, 20:00

Willem II Tilburg vs Feyenoord Rotterdam 1:1

Koning Willem II Stadion, 13.775 Zuschauer, Eredivisie
Mehr von der Langeweile getrieben, entschied ich mich kurzfristig für diesen Spielbesuch und dank meines langjährigen niederländischen Agenten konnte ich noch ein Ticket ergattern – Hartelijk bedankt! Knapp zwanzig Jahre nach meinem einzigen Besuch im ‚Koning Willem II Stadion‘ würde ich behaupten wollen, dass sich seit dieser Zeit nicht viel getan hat. Außer, dass die Heizstrahler unter dem Stadiondach entfernt wurden, die damals wunderbar gewärmt haben, so dass die heute gewählten dicken Klamotten im Gegensatz zu damals mehr als gerechtfertigt waren. Die ‚Kingside‘, wie sich die aktive Kurve der Gastgeber bezeichnet, zeigte eine annehmbare Zahl und Mitmachquote. Lautstärke und Ausdauer wurden der grundsätzlich bereitwilligen Masse aber nicht gerecht. Auch aus dem ‚Gasten-Vak‘, der, ungewöhnlich und völlig kontrovers zum von Panik gesteuerten niederländischen Sicherheitsdenken im Eck zwischen den aktiven Heim-Blöcken liegt, und der mit 600 Gästen ausverkauft war, war auch nicht oft was zu hören, so dass die Partie weitestgehend zum Stimmungs-Langweiler verkam, selbst für niederländische Verhältnisse. Auf dem Grün sah es nicht viel besser aus. Feyenoord war klar feldüberlegen, konnte aber kaum gefährliche Aktionen aus dieser Überlegenheit ernten. Nachdem ein Treffer noch wegen Abseitsstellung zurückgenommen wurde, reichte es für die Gäste aber zumindest mit dem Halbzeitpfiff noch für die Pausenführung. König Willem seine Jungs – der Verein ist zu Ehren des früheren Staatsoberhauptes nach diesem benannt worden, weil er eine Schwäche für die Stadt Tilburg hatte – kam verbessert aus der Kabine, hatte aber nach wie vor große Mühe mit dem spiel-beherrschenden Gegner. Ein erster Warnschuss blieb noch folgenlos, aber eine Viertelstunde vor Schluss schlug ein von der Strafraumgrenze abgesendeter Kracher im Torgiebel ein, auf den der Favorit keine Antwort mehr fand. Der Punktgewinn wurde von den Gastgebern nach dem Abpfiff wie ein Sieg gefeiert, was mir etwas überzogen erschien.

Antwerpen – So., 12.01.2025, 13:30

Beerschot VA vs Royal Antwerp FC 1:1

Olympisch Stadion, 12.500 Zuschauer, Pro League
Nicht viele Spiele in Belgien bieten echte Rivalität und Konfliktpotential, das ‚Derby van’t stad‘ ist aber eines davon und es sollte nicht enttäuschen. Schon beim 5:0-Heimsieg des RAFC im Hinspiel ging es zur Sache. In den sozialen Netzwerken hatte die Beerschot-Szene angekündigt, dass das Spiel kein reguläres Ende finden würde und tatsächlich wurde die Partie nach massiven Pyro-Eskapaden lange unterbrochen, für einen Abbruch reichte es aber letztlich nicht, dafür aber für 22 Stadionverbote. Nach dem Vorbild der Anreise in den Niederlanden sind auch in Belgien Gäste-Fans mittlerweile gezwungen ausschließlich mit dem Bus zum Spiel in der Fremde zu gelangen. Das führte dann zur absurden Situation, dass sich die Ticket-Inhaber für den ausverkauften Auswärtsblock zunächst am eigenen Stadion sammelten, um dann mit Bussen in einer irrwitzigen Kolonne bestehend aus mehreren Polizisten auf Motorädern, Beamten in Kleinbussen, einigen Gefängnis-Kleinbussen und einem Wasserwerfer als Schlusslicht die kurze Strecke quer durch die Stadt zum ‚Olympisch Stadion‘ zu eibeln. Paranoia rules! Ausverkauft meldeten die Gastgeber wenige Tage vor dem Spiel – bei dem geringen Fassungsvermögen nicht weiter bemerkenswert. Zum Intro zeigte der Heim-Sektor eine Blockfahne auf der die Scream-Maske hinter der Stadt-Silhouette hervorlugte, bevor dem Block eine massive Rauchwolke in den Vereinsfarben unterlegt von Silvester-Feuerwerk entwich. Der Gästeblock erfuhr einen Rahmen aus roten Bengal-Fackeln, dieser Rahmen wurde von einem Banner mit dem Vereinsemblem und vielen kleinen Fahnen mit dem Antwerpener Stadtwappen ausgefüllt. Am Zaun wurde ein Banner mit der Aussage „De trots van’t stad“ platziert – „Der Stolz der Stadt“.
Wenn nicht ein Wunder geschieht, befindet sich Beerschot mitten in der Saison bereits auf Abschiedstournee, denn die bisherige Punkteausbeute ist mager. Damit droht die Tendenz zur Fahrstuhlmannschaft zwischen erster und zweiter Liga, denn in den vergangenen Jahren ging es beinahe nach jeder Spielzeit rauf oder runter. Außenseiter- und Favoritenrolle waren also heute klar verteilt, aber in einem Derby läuft es oft anders und so durften die Gastgeber auf einem Rasen, der seinen Namen nicht verdiente, nach nicht einmal einer halben gespielten Minute den Führungstreffer bejubeln. Wenn Beerschot mit dem Halbzeitpfiff einen Handelfmeter zur Führung genutzt hätte, wäre der dritte Saisonsieg in diesem prestigeträchtigen Duell zum Greifen nahe gewesen, aber der Schapper des RAFC hatte Einwände und so mussten die Lila-Weißen nach einer Stunde Spielzeit den Ausgleich durch einen abgefälschten Freistoß schlucken. Dennoch war der Sieg aufgrund einer couragierten Leistung im Bereich des Möglichen, aber zwei weitere umjubelte Treffer für die Gastgeber wurden wegen Abseitsstellung aberkannt und so endete die Partie Remis. Das Heim-Team wurde dennoch gefeiert, konnte aber nicht den regulären Weg in den Kabinentrakt antreten, denn der Eingang zu diesem liegt unmittelbar neben dem Gasten-Vak und dieser nahm die Spieler mit einem Sperrfeuer aus Böllern und Bengalos ins Visier. Krankes Volk. Vom ‚Olympisch Stadion‘, dem Ausrichtungsort der Olympischen Spiele von 1920, ist nichts von der ursprünglichen Form erhalten. Lediglich das Spielfeld befindet sich noch an der derselben Stelle, sämtliche Infrastruktur wurde erneuert, der letzte erhaltene Teil des alten Stadions wurde Anfang der 90er Jahre zurückgebaut. Heute steht an dieser Stelle ein funktionelles, nicht mehr allzu modernes, aus vier einzelnen Tribünen bestehendes Stadion ohne besonderes Gesicht.

Sint-Truiden – Di., 07.01.2025, 20:45

Sint-Truidense VV vs KRC Genk 0:4

Stayen, 8.500 Zuschauer, Beker van Belgie Viertelfinale
Da in diesen frühen Januar-Tagen in Deutschland der Ball ja nur in der Halle rollt, war die Flucht ins Frittenland beinahe unausweichlich. Die unangenehme Tatsache, unter der Woche ein relativ spät angesetztes Spiel im Ausland zu besuchen, daher verdammt spät daheim und am nächsten Morgen ziemlich unausgeschlafen zu sein, muss man dann einfach mal beiseiteschieben. Prinzipiell merke ich aber deutlich, dass ich für solche Aktionrn langsam zu alt bin. Die Los-Fee hatte im Viertelfinale das ‚Limburgse Derby‘ zusammengebrutzelt. Wenn ich mich an meinem letzten Besuch im ‚Stayen‘ vor zehn Jahren recht erinnere, lag die Haupttribüne damals noch in den letzten Zügen der Bau-Phase und das Teil ist mit voneinander getrennten Rängen nun eigentlich ganz nett geworden. Von den drei übrigen Tribünen weicht der Gäste-Bereich deutlich ab. Dieser ist ein etwas abenteuerlicher doppelstöckiger Wellblech-Verhau. Bis auf einen kleineren, indiskutablen Affenkäfig, der etwa ein Drittel der Fläche einnimmt, ist der Unterrang gesperrt. Der Oberrang ist ein enger Balkon auf dem sich der aktive Teil der Genker Szene versammelt hatte und eine ordentliche Stimmung ins Stadion schallerte.
Dieser Auftritt war um Längen besser, als jener, den ich vor nicht einmal zwei Wochen in Antwerpen erleben durfte. Auch die STVV-Szene gab sich Mühe, verblasste aber hinter dem Away-Mob. Auf KRC-Seite wurden zum Intro einige Blinker und Fackeln gezündet, der STVV-Anhang versuchte es mit einer gelben Rauchfahne. Während der KRC in der Liga von der Spitze grüßt und Sint-Truiden sich gegen den Abstieg wehrt, war das heutige Spiel völlig ausgeglichen. Wie in den Niederlanden und Belgien üblich wurde nicht groß taktiert, sondern mutig nach vorne gespielt. Auf beiden Seiten gab es gute Einschussmöglichkeiten. Nachdem der STVV eine riesige Chance vergeben hatte, verwertete der KRC den daraus entstehenden Konter zum Führungstreffer. Nachdem Seitenwechsel gingen die Gastgeber noch bissiger in die zweite Hälfte, aber die Kirsche wollte nicht über die Linie und die Gäste nutzten einen Konter nach einer Stunde Spielzeit zum zweiten Treffer. Auch wenn die Blau-Gelben danach weiter ihr Heil in der Offensive suchten, war zu spüren, dass der Glaube an eine Wende nicht mehr vorhanden war und der Favorit nutzte dieses eiskalt zu weiteren Treffern und fuhr einen viel zu hohen Sieg ein, der mit einem Team-Foto und passendem Banner vor dem Gästeblock angemessen gefeiert wurde.

Como – Mo., 30.12.2024, 18:30

Como 1907 vs US Lecce 2:0

Stadio Giuseppe Sinigaglia, 10.421 Zuschauer, Serie A
Nach zu viel Trödelei am Morgen traf ich erst am Nachmittag in Como ein. Die Parkplatzsuche gestaltete sich Italien-like sehr aufwendig – ich kenne eigentlich keine Stadt in Italien, in der man mal easy parken kann, das ist ja immer eine Katastrophe. Irgendwann fand ich glücklich eine kostenneutrale Option, aber dann blieb schon nicht mehr viel Zeit für einen Rundgang durch die Stadt, wenn der Pizza-Genuss vorm Spiel nicht zu kurz kommen sollte. Das, was ich von Como sah, hat mich auch nicht unbedingt vom Stuhl gehauen, da gibt es interessantere und imposantere Orte in Italien, außerdem war die Stadt viel zu voll, das raubt ja dann auch immer die Wirkung. Letztlich scheint der Mythos der Stadt wohl aber auch ein wenig von der Lage am wundervollen ‚Lago di Como‘ zu leben.
Nach der angesprochenen Pizza – die Teigscheiben, die man auf dem Stiefel serviert bekommt, sind ja immer wieder eine ganz andere Liga, als dieses lieblose Gematsche, das die ganzen Araber in den deutschen Schnell-Pizzerien zusammenfummeln – hirschelte ich dann in der Dämmerung am See entlang zum ‚Stadio Giuseppe Sinigaglia‘. Das Stadion liegt unmittelbar am Lago und blickt nicht nur auf die umliegende Bergwelt, sondern auch auf eine beinahe hundertjährige Geschichte. Es verfügt zwar im Großen und Ganzen noch um die ursprüngliche Grundform, allerdings wurden sämtliche Tribünen inzwischen erneuert oder abgetragen. Schon aufgrund der Tatsache, dass das Stadion früher auch über eine Radrennbahn verfügte, sieht nichts mehr aus, wie es einst war. Die originale ‚Curva Ovest‘, Standort der heimischen Ultras, gibt es gar nicht mehr, diese wurde vor einigen Jahren zurückgebaut. Stattdessen besteht die Heimstatt der ‚Curva Como 1907‘ nun aus zwei in flachem Winkel aufeinander zulaufenden Stahlrohrmonstern, die so bedrohlich wie unheimlich wirken. Erinnerte mich so ein wenig an die alte Gästetribüne auf dem Bieberer Berg in Offenbach, auf der ich mich nie wirklich sicher gefühlt habe. Die sich nach unten verjüngende Lücke zwischen beiden Tribünen, ist durch einen überdimensionalen Vereinswimpel geschlossen worden.
Heute durfte ich endlich mal auf einen prall gefüllten Gästeblock schauen. Die Ospiti hatten ihren Bereich ausverkauft und auch Ultra Lecce war angereist. Die Wege von Lecce nach Como, wie auch ins friulische Udine, sind mit jeweils über 1.000 Kilometern die weitesten Strecken, die in der Serie A zurückgelegt werden müssen. Dass Lecce sich im weit entfernten Norden dennoch immer über zahlreiche Unterstützung freuen kann, liegt auch an den vielen ‚Gastarbeitern‘, denn da es im Süden des Landes zu wenig Arbeitsplätze gibt, hat es viele Süditaliener in den wirtschaftlich starken Norden verschlagen. Gerade die zu Como nahe liegende Region Milano ist der Wirtschaftsmotor des Landes. Da Como dieses Spiel im Paket mit den Top-Spielen gegen Atalanta und Milan, sowie dem eher uninteressanten Gegner aus Udine verkauft hatte, war die Partie offiziell ausverkauft. Alle Plätze werden dann nicht belegt gewesen sein, viele Sitze blieben aber nicht leer. Die Stimmung aus der Kurve der Comaschi war dann nicht schlecht, litt aber unter dem fehlenden Dach. Wie auch auf Seiten der Leccesi, die noch weniger gut zu vernehmen waren, aber sowieso wenig Aktivität zeigten. Lediglich der Ultra-Kern war dauerhaft um Unterstützung bemüht. Auf Seiten der Gastgeber wurden wieder ein paar abartig laute Böller gezündet – lasst et doch sein, Leute. Die Partie begann mit einem Aufwach-Effekt, denn nach wenigen Zeigerumdrehungen klatschte der Ball an die Querlatte des Gäste-Gehäuses. Den Gästen muss leider auf dem Spielfeld und auf den Rängen ein schwacher Auftritt bescheinigt werden. Die Gastgeber leisteten sich zwar auch noch den Luxus, einen Elfer zu verballern, allerdings waren die Comaschi beinahe die ganze Spielzeit latent überlegen, was sich im zweiten Durchgang in zwei Treffern auszahlte, die einen verdienten Sieg bedeuteten.

Genova – So., 29.12.2024, 19:30

UC Sampdoria vs Pisa Sporting Club 0:1

Stadio Luigi Ferraris, 21.766 Zuschauer, Serie B
Im Anschluss an die Partie in Carrara ging es unmittelbar weiter nach Genua. Aufgrund eines Staus und der äußerst bescheidenen Parkplatzsituation in der Gegend um das in Würde ergraute ‚Stadio Luigi Ferraris‘ wurde die Nummer noch ganz schön eng, aber einige Minuten vor dem Kick-off erklomm ich die Tribünen und blickte zum zweiten Mal in meiner Karriere in dieses wundervolle Stadion. Dieser Spielort, dieser Sakralbau des italienischen Fußballs, verdient jeden wiederholten Besuch! Das Stadion liegt eng zwischen den Häusern im Stadtteil Marassi. Heutzutage würde an so einem Ort sicher kein Stadion mehr gebaut, aber da ja eigentlich keine italienische Kommune und kein Verein die Kohle hat, um ein neues Stadion zu errichten, bleibt der Stiefel ein Mekka für Stadion-Nostalgiker. Die Stadien verändern ihr Antlitz auch kaum, da aufgrund der finanziellen Lage eben nur das nötigste ausgebessert oder verbessert wird. So auch im ‚Luigi Ferraris‘, an dem der Zahn der Zeit nagt, wie Risse im Beton unerbittlich aufzeigen und seit der WM 1990 dürfte in Sachen Instandhaltung auch nicht mehr viel passiert sein. Das Stadion teilen sich die beiden Genueser Clubs Sampdoria und Genoa CFC. Dem Anhang des CFC gehört die ‚Curva Nord‘, dem von Sampdoria die ‚Curva Sud‘ und beide Szenen haben ihre Bereiche dementsprechend in viel Farbe getaucht. So muss ein Fußballstadion aussehen! Dem Verein Sampdoria selber geht es sportlich leider nicht so gut. Im Jahr 2023 mal wieder aus der Serie A abgestiegen, krebst ‚Il Doria‘ aktuell im unteren Mittelfeld herum, was aufgrund der Regelung in der Serie B gleichbedeutend ist mit akuter Abstiegsgefahr. Die ‚Curva Sud‘ ließ sich davon aber nicht beeindrucken, war sehr ordentlich gefüllt und bot ein herrliches Fahnenmeer und zum Intro eine Rauchsäule. Danach zeigte sich die Kurve gut aufgelegt und schmetterte laute Gesänge auf das Spielfeld.
Wie eigentlich überall in Italien war zu spüren und zu sehen, wie sehr die Tifosi, egal ob jung oder alt, ihren Verein leben und lieben. Das ist für mich die echte ‚Mentalita Ultra‘ und mit der deutschen Einstellung zum Fußball nicht zu vergleichen. Nicht dass wir Deutsche unsere Vereine nicht auch verehren und lieben, aber in Italien ist das einfach noch einmal ein anderes Kaliber. Enttäuschenderweise waren aus Pisa, wie schon beim Nachmittagsspiel im Gästeblock in Carrara, keine organisierten Ultra-Gruppen vertreten. Auch bei diesem Spiel war den Gästen zwar das Reisen zwar erlaubt, jedoch unterlag diese der Tessera-Pflicht und eben jene wird von den großen Gruppen der Pisani nicht akzeptiert. So verloren sich 200 versprengte ‚Neckermänner‘ im Gästeblock und diese waren nicht ein einziges Mal zu hören, auch nicht als das Tor des Tages fiel. Nicht zu hören waren auch die aktiven Sampdoria-Fans, die sich in ‚Curva Nord‘ aufhielten. Dabei waren es gar nicht so wenige, die fröhlich mit den Fahnen wedelten und als aktive Supporter auszumachen waren. Aber die ‚Gradinata Sud‘ hatte einfach zu viel Wucht und riss das akustische Geschehen an sich. Leider rappelten auch ein paar abartig laute Böller durchs Stadion, dem kann ich überhaupt nichts abgewinnen. Dafür schon eher der genialen Beflaggung an den Balustraden und den Balkonen in den Ecktürmen. Sampdoria zeigte gegen den Favoriten eine engagierte Leistung, kam aber im Strafraum nicht in die Situationen, um Torgefahr zu erzeugen. Die wenigen Möglichkeiten, die sich boten, wurden vergeben. Die Gäste vom schiefen Turm konnten ihre Favoritenstellung nicht beweisen und schafften es ebenfalls nicht zu vielen Abschlüssen. Dennoch reichte es zwanzig Minuten vor dem Ende zu Siegtreffer – so läuft es ja oft, wenn die eine Mannschaft oben und die andere unten in der Tabelle steht. Das Publikum quittierte die Niederlage und die damit größer werdende Abstiegsgefahr trotz des couragierten Auftritts ihres Teams mit einem gellenden Pfeifkonzert.