
Rot-Weiss Essen vs TSV München von 1860 0:3
Stadion an der Hafenstraße, 16.627 Zuschauer, 3.Liga

Die Situation spitzt sich zu. Gegen die Münchner Löwen war ein Sieg eigentlich Pflicht, aber ja bei weitem nicht selbstverständlich, auch wenn die gute Seite der bayrischen Landeshauptstadt ebenfalls keine gute Saison spielt. Die Westkurve erzeugte aus Überziehern eine Choreo in Rot und Weiss und präsentierte am Zaun ein Banner mit dem alten rot-weissen Motto „RWE war wer, RWE ist wer, RWE bleibt wer“. Eisfeld durfte von Beginn an ran, ebenso erhielt Brumme nun wieder den Vorrang gegenüber Voufack – ein Lichtblick, sollte Coach Dabrowski doch noch weise geworden sein, welcher der Mannschaft aber dennoch eine defensive Grundausrichtung verordnet hatte. Das führte allerdings dazu, dass den ‚Sechzgern‘ die Initiative zunächst überlassen wurde. In der Anfangsviertelstunde machten die Gäste den frischeren Eindruck und zeigten erste zaghafte Vorstöße. Allerdings unterstützt von der rot-weissen Hintermannschaft, die ja eh nicht sattelfest ist und am Versuch eines geordneten Spielaufbaus regelrecht verkrampfte und die Löwen mit Abspielfehlern unmittelbar vor dem Strafraum zu mutigeren Aktionen einlud. Der RWE bekam dann nach und nach besseren Zugriff auf die Partie und kam seinerseits in den gegnerischen Sechzehner, aber ohne echte Gefahr heraufzubeschwören und das Spiel bekam schnell wieder die alte Richtung. Alonso, der schon vorher mit zwei astreinen Beulen glänzte, die aber noch folgenlos blieben, ging am eigenen Fünfer dann zu ungestüm zu Werke und brachte 1860-Stürmer Hobsch zu Fall. Folgerichtig gab es einen berechtigten Strafstoß, der seinen Weg souverän oben rechts in den Knick fand.
Mittlerweile hatte es Unruhe im Gästeblock gegeben. Angeblich wurde ein Szene-Mitglied durch den Ordnungsdienst für das Platzieren von Aufklebern mit einem Hausverbot belegt. Die Folge war, dass alle Zaunfahnen vor dem Stehplatzbereich abgenommen, der Support von den Ultras eingestellt und der Block von diesen verlassen wurde. Die Entscheidungen beider Seiten waren sicherlich unverhältnismäßig. Die Gästeblöcke unserer planlosen Republik sind nun mal sämtlich mit Klebern zugepflastert und so muss ein Away-Sektor auch aussehen! Was die Szenen mit derart selbstverliebten, beleidigten Solidar-Aktionen dann aber immer erreichen wollen, ist mir ein Rätsel. Der eigenen Mannschaft hilft man damit sicher nicht. Sollte aber der Grund für dieses Verhalten stimmen, ist der Ordnungsdienst im Essener Gäste-Sektor nun zum wiederholten Male durch Schikane und überzogene Maßnahmen aufgefallen. Bitte damit aufhören, das ist hochgradig asozial!!! Mit dem Rückstand ging es in die Pause, die rot-weisse Offensive präsentierte sich wieder einmal ideen- und planlos, es lief eigentlich gar nichts zusammen. Dass war sogar dem Übungsleiter ausnahmsweise nicht verborgen geblieben und es ging mit zwei frischen Leuten in den zweiten Abschnitt. Das bringt aber nix wenn ein kurz ausgeführter Eckball, derart mies verteidigt wird – nämlich eigentlich gar nicht – dass die Murmel in aller Ruhe zu einem Löwen vor dem Sechzehner gelangt, von wo dieser ungehindert und trocken zum zweiten Gästetreffer abziehen darf.
Spätestens jetzt war den Roten der Stecker gezogen. Die Truppe zeigte nun einen blutleeren, konsternierten Auftritt und eine verheerende Körpersprache. Das gipfelte dann nach einer Stunde in einem Platzverweis gegen Kraulich, der von der Tribüne zunächst nicht berechtigt schien, es letztlich aber doch war. Dass Dabrowski nun tatsächlich den offensiven, kreativen Eisfeld für einen neuen Innenverteidiger opferte, zu einem Zeitpunkt, wo es unabhängig davon ob zu elft oder nur noch zu zehnt nur noch eine Richtung geben durfte, war ein weiteres Sahnehäubchen. Dennoch erlebte das rot-weisse Spiel noch einmal ein kurzes Aufbäumen, jedoch ohne jeden Ertrag. Aber es ist ja oft so, dass der Körper kurz vor dem Ableben noch einmal ein kurzes Hoch erlebt, bevor alles vorbei ist. Die Löwen hatten dann einfaches Spiel, die Spieler in Rot und Weiss waren nun völlig verunsichert und verloren die Bälle auf einfachste Weise. Gegentreffer Nummer drei war eigentlich egal, die Gäste werden sich allerdings vermutlich fragen, warum es so einfach war, die Punkte aus Essen mitzunehmen. So leise wie in den letzten Minuten habe ich eine gut gefüllte Hafenstraße selten erlebt, es war erschreckend. Man kann ein Spiel verlieren, man kann am Ende auch absteigen, aber nicht so. Wenn der Rasen umgepflügt wurde, die Schienbeine blutig, die Klamotten völlig verdreckt sind und die Mannschaft das Herz auf dem Platz gelassen hat, es am Ende aber doch nicht gereicht hat, wird das Essener Publikum jede Niederlage verzeihen. Einen derartigen Offenbarungseid aber nicht und mit dem Schlusspfiff erklang ein berechtigtes Pfeifkonzert.
Die Stimmung war gekippt, das war nur allzu deutlich. Dennoch trauten sich Spieler und Trainerstab in die Kurve und nach einer Ansprache durch die Capos, gab es doch wieder Aufmunterung für das Team. Eigentlich geht es ja auch nur gemeinsam, das wird aber sicher nur so bleiben, wenn die richtige Einstellung auf den Platz geschmissen und in den wichtigen beiden Spielen vor der Winterpause gepunktet wird. Offen gesagt, war es mir aber unmittelbar nach diesem erschreckenden Auftritt ein Rätsel, wie das funktionieren soll. Die limitierte Qualität des Kaders ist die eine Sache, die Entscheidungen des Trainerstabs die andere. Auch wenn viele Spieler beteuerten, dass das interne Verhältnis zum Trainer intakt ist, wurde spätestens heute offenbar, dass die Köpfe der Spieler blockiert sind. Es braucht jemanden der diese wieder frei macht, jemanden der aufrichten und motivieren, der den Kickern neues Selbstvertrauen einflößen kann. Dass Dabrowski der richtige Mann ist, um diese Krise zu bewältigen, bezweifelte offenbar nicht nur ich, sondern auch der Vorstand. Es musste gehandelt werden und natürlich nahm das Geschehen seinen üblichen Lauf. Am Morgen nach der Niederlage wurde der Trainer von seinen Aufgaben entbunden. Ich tue mich schwer damit einzuschätzen, ob es die gewünschte Verbesserung bringen wird, aber diese Option nicht zu nutzen, wäre grob fahrlässig gewesen und ich begrüße die Entscheidung. Nun gibt es keine Ausreden mehr, das Team ist gefordert. Gas geben, Gras fressen, kämpfen, wenn nötig auch beißen und treten! Nichts ist größer als der Verein!








