
Rot-Weiss Essen vs SC Verl 1:3
Stadion an der Hafenstraße, 15.577 Zuschauer, 3.Liga

Am vergangenen Sonntag nach dem Spiel bei Dynamo, als die dorthin gereisten Rot-Weissen auf der Heimreise waren, explodierten die einschlägigen sozialen Netzwerke mit Vereinsbezug beinahe und brachten die traurige Nachricht, dass Kult-Fan ‚Glocken-Horst‘, der mit seiner sympathisch-schrulligen und liebenswerten Art überregionale Bekanntheit erreicht hat, verstorben ist. Horst hatte sein Leben dem RWE verschrieben. Sein Markenzeichen war eine Messingglocke, die in jedem Stadion, in dem er zugegen war laut erklang. Horst, der krankheitsbedingt immer schlechter laufen konnte und seine Zeit in den letzten Jahren meist im Rollstuhl verbrachte, war für einige Geschichten gut. Unvergessen zum Beispiel sein ‚Platzsturm‘ in Mannheim, noch gar nicht lange her, als er nach einem knappen Auswärtssieg mit dem Rolli quer über den Rasen zum Gästeblock fuhr, um mit diesem zu feiern. Durch die Internet-Welt ging auch Horsts ‚Kampf‘ am Oberhausener Hauptbahnhof, als er sich gegen ein paar halbgescheite RWO-Anhänger ‚gerademachte‘, die ihn von der anderen Straßenseite aus beleidigt hatten. Fast jeder Rot-Weisse kann wahrscheinlich seine eigene Anekdote mit Horst erzählen. Als Horst noch gut laufen konnte, ging er nachts durch Bars und Kneipen und verkaufte die ‚Bild am Sonntag‘. Vor bestimmt schon 20 Jahren saß ich am Abend nach einem Heimspiel mit einem Kumpel in der ‚Ampütte‘ in Essen-Rüttenscheid und Horst betrat das Lokal, um die ‚BamS‘ an Mann und Frau zu bringen. Drei Figuren in RWE-Klamotten am Nebentisch erkannten Horst und es entwickelte sich folgende kurze Kommunikation. Figuren: „Ey Horst!“. Horst: „Hömma, wart ihr da?“. Figuren: „Wo?“. Horst: „Ja da!“. Gemeint war natürlich sein geliebter RWE und damit war für Horst das Gespräch auch beendet. Aus dem Zeitungsverkauf entsprang übrigens auch seine Idee, im Stadion die Glocke zu läuten, denn mit einer kleinen Glocke machte er in den Lokalen als Zeitungsbote auf sich aufmerksam. Der RWE verliert mit ‚Glocken-Horst‘ einen echten Botschafter und die Fanszene eine Ikone, einen ganz speziellen Charakter, ein sogenanntes ‚Original‘, von denen es immer weniger gibt, weil die Kurven nur noch eine gesichtslose Ultra-Masse beherbergen. Horst, alles Gute da oben!
Natürlich stand das heutige Spiel gegen die Ostwestfalen im Zeichen von Horsts Abschied. Die Ultra-Gruppen hatten trotz der kurzen Vorbereitungszeit eine schöne Aktion auf die Beine gestellt und über die ganze Breite der Kurve ein Transparent mit einem Abschiedsgruß und dem zentral platzierten Konterfei des Verstorbenen aufgehängt. Dazu wurde eine rote Bengal-Fackel und mehrere Stroboskop-Fackeln abgebrannt, außerdem erstrahlten tausende Wunderkerzen in der Kurve. Auch die Gäste nahmen im Verlaufe des Spieles mit einer Tapete Anteil an Horsts Ableben – eine schöne Geste. Was es dann auf dem Rasen zu sehen gab, hätte Horst nicht gefallen. Von der ersten Minute an waren die Verler, beinahe schon traditionell ein unbequemer, schwer zu bespielender Gegner für den RWE, die spielbestimmende Mannschaft, bei den Roten lief überhaupt nix zusammen, kein Pass kam an und Zweikämpfe ließen den nötigen Biss vermissen. Nach zwei, drei Abschlüssen in der ersten Viertelstunde passierte aber nicht mehr viel, bis sich ein Verler Spieler nach einer halben Stunde zu einem Konter aufmachte. Eitschberger unterband das mit einem harmlos aussehenden taktischen Foul, welches zurecht mit einer Verwarnung geahndet wurde. Nachdem sich herausstellte, dass der gefoulte Spieler verletzt ausgewechselt werden musste, nahm Referee Fuchs die Gelbe Karte zurück und zückte den Roten Karton. Platzverweis! Tatsächlich grundsätzlich regelkonform – ob die Hinausstellung aber gerechtfertigt war steht auf einem anderen Blatt. Gepaart mit einem unerträglich arroganten Auftreten des Piepmatzes und der auch objektiv betrachtet, nicht gleichwertigen Ahndung von sich ähnelnden Vergehen der Akteure beider Teams, sondern deutlich zum Nachteil der Roten, war das die zwischenzeitlich Kirsche auf der ungenießbaren Torte des ‚Unparteiischen‘. Natürlich machte das nun die Aufgabe nicht einfacher und bis zum Seitenwechsel kam kaum noch eine Rot-Weisser an den Ball.
Das änderte sich unmittelbar nach der Halbzeit. Nach nur 27 Sekunden im zweiten Durchgang hatte Torwart Golz die Kirsche nämlich in der Hand, allerdings nur, um diese aus dem Netz zu holen. Bewirken tat dieses erst einmal gar nix, denn es ging weiter nur in Richtung RWE-Tor, auch wenn man nicht von einer Belagerung sprechen kann. Viele Tormöglichkeiten ergaben sich dadurch auch gar nicht, aber Geduld zahlte sich für die Schwarz-Weißen aus und nach einer Stunde stand es 0:2 – aufgrund des Spielverlaufes ein uneinholbar erscheinendes Ergebnis. Ein Dreifach-Wechsel zwanzig Minuten vor Ende – warum nicht früher?? – brachte dann doch nochmal frischen Wind und wenig später gab es Strafstoß nach Handspiel, den ich als fragwürdig empfand, denn der Spieler zog den Arm weg und der Ball traf diesen im angelegten Zustand. Wintzheimer verwandelte und aus dem Nichts ergab sich die Option auf ein Remis. Das wäre nur drei Minuten später beinahe schon erreicht worden, doch der Verler Schnapper rettet seine Mannschaft mit einem Reflex. Weitere Angriffe verpufften aufgrund mangelnder Durchschlagskraft – leider ein Dauer-Thema – und die Gäste machten in der Schlussminute den Deckel drauf und entführten verdient die Punkte und das lag nicht ausschließlich am Platzverweis. Ein derartiger Leistungsabfall nach einer wirklich ordentlichen Partie in Dresden ist unerklärlich. Zum Teil wirkten die Spieler sehr müde, sollte dem so gewesen sein, muss man das Training hinterfragen. Es war auch wieder offensichtlich, dass Coach Dabrowski einfach nicht in der Lage ist, flexibel und zügig zu reagieren, das System schnell anzupassen, wenn es erforderlich ist. Auch die Wechsel wurden einfach wieder zu spät vollzogen. Wenn das anstehende Auswärtsspiel gegen die ebenfalls kriselnde Hansa-Kogge verloren geht, wird es passend zum Herbst wieder stürmisch an der Hafenstraße.











