
FC Hansa Rostock vs Rot-Weiss Essen 4:0
Ostseestadion, 24.500 Zuschauer, 3.Liga

So eine Auswärtsfahrt nach Rostock hat schon irgendwie ein wenig den Charakter eines Europapokalspiels in Polen. Aufgrund des Leumunds der Hanseaten ist man sensibilisiert und auf dem Weg über die A20 gen Osten wird einem einige Kilometer vor Rostock mittels Graffiti an einer Brücke auch klargemacht, dass man als ‚Wessi‘ nicht willkommen ist. Nach bald 35 Jahren Wiedervereinigung ist es ja auch kein Geheimnis, dass der ‚Eiserne Vorhang‘ in den meisten Köpfen nie gefallen ist. Ost- und Westdeutschland trennt so einiges, nicht nur beim Fußball, nach meinem Verständnis handelt es sich um zwei unterschiedliche Völker, die vielleicht auch wirklich weiterhin besser ihr eigenes Ding gemacht hätten. Dazu passt schon ganz gut, dass der mit über 700 Fans besetzte Sonderzug zwischen Berlin und Rostock, aber noch beinahe 200 Kilometer vorm Ziel, auf offener Strecke von einer deutlich dreistelligen Anzahl vermummter Personen mit Pyrotechnik und Wurfgeschossen angegriffen wurde. Unter welchen Umständen der Zug zum Stehen kam oder gebracht wurde, sowie Identitäten und Gesinnung der Angreifer sind noch unbestätigt, Rückschlüsse liegen dennoch nahe. Die Partie begann eine halbe Stunde später, um den Zugfahrern, deren Fahrt durch den Angriff lange unterbrochen war, zumindest die Möglichkeit zu geben, die zweite Halbzeit zu erreichen. Da ein gutes Drittel der rot-weissen Anhänger, inklusive der Ultra-Gruppen, also zunächst noch fehlte, war es um die Stimmung im Gästeblock nicht so gut bestellt, aber es wurde aus der Situation noch das beste gemacht.
Die Spieler im Dress des glorreichen RWE spielten zunächst ganz ordentlich mit, es wirkte deutlich anders, als beim Heimspiel am vergangenen Mittwoch. Dann schien ihnen der anhaltende Nebel die Sicht aber zu verschleiern. Ganz im Gegensatz zu den Gastgebern, die nach dem Trainerwechsel natürlich engagiert auftraten und spätestens nach zwanzig Minuten kannte die Partie meist nur eine Richtung. Der gerupften Verteidigung, mit dem schon länger verletzten Brumme, sowie dem frisch ins Lazarett aufgenommenen Kraulich und dem gesperrten Eitschberger, fehlten genau die drei absoluten Leistungsträger, die zudem auch die einzigen sind, die das Spiel aus der Defensive aufbauen können. Coach Dabrowski hatte sich für die Vierer-Kette entschieden, die sich nun quasi von alleine aufstellte, und sich zunehmend überfordert zeigte. Allen voran Voufack verlor (zum wiederholten Male) die Orientierung und konnte den Radius seiner Gegenspieler nicht eindämmen. Über dessen Seite wurde dann auch der erste Treffer für die Kogge vorbereitet, der logische 1:0-Rückstand zur Pause war sicherlich verdient, aber nicht uneinholbar. Mit den eingetroffenen Sonder(nach)züglern und vollem Gästeblock startete alles in Rot und Weiss mit Hoffnung und frischem Mut in Hälfte zwei. Die irgendwie hilflos erscheinenden Aktiven enttäuschten aber weiter auf ganzer Linie und zwar so, dass man als Rot-Weisser Sorgenfalten auf der Stirn bekam. Die Mannschaft ließ alles vermissen, was es für den Abstiegskampf – ja, da steckt die Truppe definitiv nun mittendrin – braucht. Kein Aufbäumen, kein Zweikampfverhalten, keine Aggressivität und keine Körpersprache.
Die Roten gurkten im zweiten Spielabschnitt rum wie ein designierter Absteiger, da wird einem Angst und Bange. Rostock kam in der Schlussphase zu drei weiteren Treffern, die Rot-Weissen gaben sich – unterstützt von individuellen Fehlern, der Steilpass zum dritten Treffer kam zum Beispiel von Alonso, der ein Rückspiel auf Golz falsch kalkulierte – beinahe auf. Auch in der Höhe ist der Sieg für die Hansa verdient. Gegen einen direkten Konkurrenten darf man so nicht auftreten. So kann es jedenfalls nicht weitergehen, die Mannschaft entwickelt sich zum Abstiegskandidaten Nummer eins und natürlich ist die Trainerdiskussion wieder voll entbrannt. Das auch sicherlich nicht zu Unrecht. So beklagt Dabrowski zum Beispiel fehlende Stabilität im Defensiv-Verbund, ändert aber ohne Not ständig die Besetzungen und Systeme – für die eingeforderte Stabilität wirkt das wohl kaum förderlich. Im kreativen Bereich, der aktuell nicht gerade Einfallsreichtum versprüht, traut sich der Entscheider dagegen nicht, Veränderungen an der Basis vorzunehmen, sondern allenfalls auf den Außenpositionen, die aber mit derart identischen Spielertypen besetzt sind, dass der Name auf dem Trikot beinahe egal ist. Es muss dringend etwas verändert werden! Wenn man in dieser absurden Liga erst einmal fünf oder sechs Punkte Rückstand auf das rettende Ufer hat, ist diese Hypothek kaum noch zu entlasten.


















































































































