
Celtic FC vs Rangers FC 3:0
Celtic Park, 59.612 Zuschauer, Scottish Premiership

Der Celtic Football Club genießt bei mir eine besondere Bedeutung. Genau gesagt ist es neben der Herzensangelegenheit RWE und der Jugendliebe Werder Bremen der dritte Verein, der mich mitreißt. Neben diesen wäre nur noch Hajduk Split zu nennen, aber das ist eine andere Geschichte. Zu Celtic kam ich durch das schöne quer gestreifte Trikot, welches mir beim ersten Anblick im frühen Teenie-Alter sofort gefiel und aus diesem profanen Grund hat sich eine gewisse Beziehung zu diesem Verein entwickelt, die bis heute zu einer zweistelligen Anzahl Spielbesuchen quer durch Europa führte. Im heimischen Celtic Park habe ich das Team aber tatsächlich erst ein einziges Mal gesehen und das ist auch schon über 15 Jahre her. Dass es so lange gedauert hat bis ich wieder herfand, ist eigentlich nicht zu erklären und erst recht nicht zu entschuldigen. Auch das wichtige Derby gegen den verhassten Stadtrivalen sah ich erst einmal und das im ‚Ibrox Stadium‘, dem – zugegeben ansehnlichen – ‚Feindesgebiet‘. ‚Old Firm‘ wird das Stadt-Duell zwischen Celtic und Rangers genannt. Dieser Name bezieht sich darauf, dass die beiden Vereine seit gefühlter Ewigkeit Jahr für Jahr mehrfach gegeneinander antreten. Bereits 1891 gab es das erste Aufeinandertreffen, also in einer Zeit, als der Fußball in Deutschland noch in Kinderschuhen steckte. Bis zum heutigen Spiel trafen beide Clubs satte 441 Male aufeinander, damit ist dieses Derby das am häufigsten ausgetragene weltweit. Bei dieser hohen Anzahl an Spielen ist es beinahe unglaublich, dass die Bilanz vor dem heutigen Aufeinandertreffen völlig ausgeglichen war. Je 169 Siege bei 103 Remis konnten die Vereine für sich reklamieren, bei minimalem Plus im Torverhältnis für die Kelten. Das höchste Resultat, dass es je gab, war ein 7:1 für Celtic im League Cup-Finale 1957. Vor allem in den 60er und 70er Jahren pilgerten regelmäßig 120.000 und mehr Leute zu den Spielen – Zahlen, die heute auch aufgrund der reduzierten Kapazitäten der Stadien undenkbar sind. Möglich war das allerdings auch damals nur im Nationalstadion, dem ‚Hampden Park‘.
Die tiefe Rivalität basiert nicht nur auf der räumlichen Nähe der Kontrahenten. Politik und Religion sind im Spiel. Während sich der Rangers-Anhang unionistisch-loyal der britischen Krone unterordnet, sehen die Celtic-Anhänger ihre Identität irisch-republikanisch und nahe einem souveränen Schottland, denn der Verein wurde von irischen Einwanderern gegründet. Auf Seiten der Rangers werden sich im Publikum fast ausschließlich Protestanten finden, bei den Kelten annähernd nur Katholiken, auch wenn diese Abgrenzung in jüngerer Vergangenheit aufgeweicht wurde. Vorbei sind zum Beispiel die Zeiten, als die Rangers keine Spieler katholischen Glaubens verpflichtete. Nichts geändert hat sich an der tiefen Abneigung der Anhänger beider Vereine zueinander, das war deutlich spürbar. Die ‚Hunnen‘, wie die Fans der Blauen von den Celtic-Supportern genannt werden sind, nicht gern gesehen in Parkhead, dem Stadtteil in dem die grün-weiß gestreiften ‚Hoops‘ seit 1892 an ein und derselben Stelle im Celtic Park vor den Ball treten. Das Stadion hat sein Gesicht über die Jahrzehnte mehrfach geändert. Der massive Umbau in den heutigen Zustand fand Ende der 90er Jahre statt, bei dem lediglich die alte Haupttribüne in die neuen Ränge integriert wurde. Vor dem Umbau hatte das Stadion eine ovale Form und die gigantische Kurve mit den fanatischsten Zuschauern trug den (wie ich finde) sympathischen Spitznamen ‚Jungle‘, denn die Kurve war so groß, dass man sich darin verirren konnte. Das Stadion selbst wird von den Fans bis heute liebevoll ‚Paradise‘ genannt.
Das Paradies war natürlich auch heute wieder brechend voll. Ob der irische Mönch Walfrid erwartet hat, dass sein Verein mal eine derart hohe Bedeutung bekommen würde, als er diesen 1887 in der St.Mary’s Church im Glasgower Stadtteil Calton gründete? Warum als offizielles Gründungsjahr 1888 genannt wird, ist nicht eindeutig belegt, es bezieht sich jedoch vermutlich darauf, dass es bis ins Jahr 1888 dauerte, bis eine Celtic-Mannschaft zum ersten Fußballspiel antrat. Von meinem Platz hoch oben auf der Gegentribüne hatte ich einen Blick über halb Glasgow bis zum ‚Hampden Park‘. Wie in Liverpool wird auch bei Celtic seit langer Zeit kurz vor dem Anstoß „You’ll never walk allone“ intoniert und alle, aber wirklich alle 60.000 schmettern inbrünstig mit – ein Gänsehautmoment. Die Fan-Lager in Rot und Grün streiten sich übrigens darüber wer die Hymne zuerst ins Repertoire aufgenommen hat – dieses Privileg dürfte aber den Reds von der Merseyside gebühren. Die ersten Momente des Spiels gehörten den Rangers, diese hatten auch die Chance zur frühen Führung, aber Celtic riss schnell das Ruder an sich. Nach knapp zehn Minuten ging es schnell über die rechte Seite der Kelten. Es folgte ein scharfer Pass nach innen und die Kirsche war drin. Nach Videobeweis wurde der Treffer aber zurückgenommen, weil Vorbereiter Niklas Kühn mit dem großen Zeh im Abseits stand. Bis das entschieden war, blieb meinem Hintermann aber genug Zeit, mich im Torjubel an sich zu reißen und fast bis zur Bewusstlosigkeit zu würgen. Es wäre ein ehrenvoller Tod gewesen, aber er ließ noch rechtzeitig von mir ab. Nur ein paar Zeigerumdrehungen später war es aber soweit. Wieder war Kühn der Vorbereiter. Pass von der Grundlinie nach innen und der Japaner Maeda traf flach ins Netz. Ein Play Station-Tor, wie ich es immer gern nenne. Mein Hintermann hatte sich dieses Mal zum Glück ein anderes Opfer gesucht. Kurz danach hätte Hatate schon das zweite Tor erzielen müssen, vergab aber aus aussichtsreicher Position. Das war dann Furuhashi, dem dritten Mann der Nippon-Connection vorbehalten, der fünf Minuten vor dem Seitenwechsel aus etwas mehr als 20 Meter überlegt und präzise abschloss. In dieser Phase machte Celtic richtig Alarm und hätte den Kick schon vor der Pause entscheiden können.
An der Überlegenheit änderte sich auch nach dem Seitenwechsel nichts, die Rangers mussten sich der Überlegenheit der Hausherren beugen. Celtic ließ allerdings gute Möglichkeiten liegen und es dauerte aber bis in die Schlussviertelstunde ehe Kapitän McGregor den Deckel drauf machte. Danach hätte es für die Gäste noch böse ausgehen können, aber Celtic war nicht mehr mit letzter Konsequenz am Werk. Egal, es reichte ja auch so. „It was so fuckin‘ easy“ wie mein Hintermann nun freudetrunken vor sich hin sang. Wie die erste gehörte auch die letzte dicke Chance den Blauen von der anderen Flußseite, aber der dänische National-Schnapper Kasper Schmeichel, Sohn von Torwart-Legende Peter Schmeichel, war am frühen Nachmittag nicht zu bezwingen. Ein intensives, hartes, aber nie unfaires Spiel ging mit einem hochverdienten Sieg für die gute Seite von Glasgow zu Ende. Mit der Stimmung ist es in britischen Stadien ja so eine Sache. Ich hatte auch keinen wirklichen Hexenkessel erwartet, denn das normale britische Publikum reagiert traditionell stark auf das Spielgeschehen und ist kein Freund des Dauersupports. Allerdings hat ja, wie bereits im vorherigen Bericht erwähnt, in Schottland und dort vor allem bei den großen Clubs längst der Ultra-Gedanke Einzug gehalten. Diese Gruppierungen supporten durchgehend und wenig spielbezogen.
Bei Celtic gibt es zwei Gruppen, die in gegenüber liegenden Sektoren stehen und unverständlicher Weise autark voneinander ihr Ding machen, was ein wenig an französische Verhältnisse erinnert. Im ‚Southwest End‘, neben dem ‚Main Stand‘ oben unter dem Dach ist das die kleinere Gruppe von beiden, die ‚Bhoys Celtic‘, eher britisch geprägt ohne großen Fahneneinsatz. Die Schreibweise ist eine Anlehnung an die gälische Sprache, in welcher auf ein ‚b‘ oft ein ‚h‘ folgt. Im ‚Northeast End‘ hat die seit 2006 aktive ‚Green Brigade‘ ihren Platz, die älteste Ultra-Gruppierung im britischen Fußball. Diese Gruppe mit einem Kern von gut 250 Leuten gerät mit ihrer linkspolitischen Haltung oft mit der Vereinsführung in Konflikt. Aber die Gruppierung sorgt auch immer wieder für optische Akzente. Zum heutigen Spiel wurde eine große Blockfahne gezeigt, auf der ein Bischof vor der Stadt-Silhouette positioniert und gekränzt vom Ausspruch „Our dear green place“ abgebildet war. Umrahmt wurde das Banner von grünen Folien. Bei den ‚Bhoys‘ gab es ein paar Blinker und grünen Rauch zu sehen. Zum Beginn der zweiten Halbzeit qualmte es auch bei der ‚Green Brigade‘. Ein paar Fackeln brannten und eine dicke Säule aus grünem und weißen Rauch stieg auf, während dahinter ein Banner mit der Aufschrift „Let Celtic flourish“, frei übersetzt „Lass Celtic aufblühen“, präsentiert wurde. Richtig laut wurde es im Stadion – ähnlich wie an der Essener Hafenstraße – nur, wenn die alten Gassenhauer angestimmt wurden. Dann schepperte es aber richtig, das war aber leider auch nur wenige Male der Fall. Ich mag den britischen Support dennoch und hier bei diesem elektrisierenden Spiel war das auch deutlich besser, als bei jedem normalen Ligaspiel auf der Insel. Mir gefällt es auch, dass die Leute bei jedem Ballgewinn und gewonnenen Eckball richtig abgehen. Nachdem ich in den letzten Jahren ja nur selten mal ein Celtic-Spiel besucht habe, hat mich die Nummer wieder richtig eingefangen und bis zum nächsten Spielbesuch sollte nun nicht wieder so eine lange Zeit vergehen.

































