Essen – Mi., 25.09.2024, 19:00

Rot-Weiss Essen vs BV Borussia Dortmund U23 3:1

Stadion an der Hafenstraße, 15.857 Zuschauer, 3.Liga
Die Ausgangslage war eindeutig – nicht weniger als ein Sieg musste her, wenn es sich die Mannschaft nicht früh in der Saison in der Abstiegsregion gemütlich machen sollte. Auch wenn sich die ‚kleinen‘ Borussen in der jüngeren Vergangenheit als dankbarer Gegner gezeigt hatten, war ich skeptisch. Die Nachwuchs-Truppen sind ja nie wirklich einzuschätzen und da die Bundesliga unter der Woche nicht im Einsatz war, bestand die Gefahr, dass das eine oder andere Mitglied des Profi-Kaders auflaufen würde. Diese Sorge erwies sich als unbegründet – die einzigen beiden betreffenden Teilnehmer an der heutigen Partie gehören in Borussias Bundesliga-Kader nicht einmal zum zweiten Anzug. Der Blick in den Gästeblock zeigte, dass die aktive supportende Szene der BVB-U23 mit Abwesenheit glänzte. Eigentlich unverständlich, da ja kein Spiel der ‚großen‘ Borussen im Wege stand, aber etwa 500 Leute in Schwarz und Gelb hatten sich dennoch eingefunden. Diese durften beobachten, dass die Hausherren nach einem frühen Aufreger nach Ballverlust im rot-weissen Spielaufbau und daraus resultierender Chance für den BVB, die Golz aber souverän entschärfte, die Regie übernahmen. Zwischen der 19. Und 34. Minute wurde der schwarz-gelben Hintermannschaft dann schwindelig. Allen voran ein Torben Müsel in Top-Form wirbelte die Dortmunder Defensive durcheinander und ebenjener war auch zweifach erfolgreich. Zwischendurch traf auch noch Safi und so stand es zum Seitenwechsel beruhigend wie überraschend 3:0.
Gehofft hatte man es, aber klar war trotzdem, dass es in dem Tempo nicht weitergehen würde. Die Gäste zeigten sich in Durchgang zwei sortierter, der glorreiche RWE nahm dagegen etwas den Fuß vom Gas. Für meinen Geschmack zu früh resultierte daraus nach etwas mehr als einer Stunde Spielzeit der erste Treffer für die Mannschaft aus der Bierstadt. Wäre ein schneller weiterer Treffer gefallen, hätte die Geschichte eine neue Richtung nehmen können, aber auch wenn sich die Roten nur noch selten gefährlich vor dem gegnerischen Tor präsentierten und mit Beginn der Schlussviertelstunde eine mehrminütige Druckphase des Gegners überstehen durften, stand die Abwehrreihe insgesamt zu stabil, um ernsthaft in Bedrängnis zu geraten. Was nicht heißen soll, dass es nicht über die Spielzeit verteilt, die eine oder knappe Geschichte gab, meist dem weiterhin bis zum Erbrechen praktizierten Suchen von spielerischen Lösungen aus dem Defensivverbund heraus. Erst in der Endphase der Partie gab Schlussmann Golz öfter mal das Signal zum langen Hub. Wie auch immer, die drei Punkte wurden insgesamt sicher und auf jeden Fall verdient einzementiert und nun darf man etwas befreiter auf die kommende Schlacht in den Benz-Baracken, bei den ebenfalls überschaubar beeindruckend in die Saison gestarteten Waldhöfern blicken.

Essen – Di., 24.09.2024, 19:30

DJK Adler-Union Frintrop vs Rot-Weiß Oberhausen 0:3

Sportanlage am Wasserturm, 920 Zuschauer, Niederrheinpokal 2.Runde
Schon absurd, dass sich die Macht vom Wasserturm und der zwischen Rhein-Herne-Kanal und Emscher eingeklemmte kleine rot-weiße Verein aus der Nachbarstadt innerhalb von wenigen Wochen zum zweiten Mal zum Kräftemessen trafen. Geschah dieses im Sommer in Vorbereitung auf die neue Spielzeit, führte nun der Niederrheinpokal beide Clubs erneut zusammen. Es hat mich einigermaßen überrascht, dass den Adlern das Heimrecht nicht geraubt wurde, schließlich barg der Auftritt des RWO im Essener Westen durchaus gewisses Konfliktpotential. Es blieb aber ruhig im Dauerregen. Fantrennung wurde durch kunstvoll zusammengeschobene Kleinfeldtore und ein paar Absperrgitter gewährleistet. Unter den 300 anwesenden Gäste-Anhängern trat die Szene nicht organisiert auf und es wurde auch nicht supportet, was vermutlich eher dem aus Oberhausener Sicht uninteressanten Gegner geschuldet war, als Sorge vor einem Aufeinandertreffen mit einzelnen anwesenden RWE-Recken. Gespielt wurde nicht auf dem engen unteren Platz der Anlage, der die eigentliche Heimspielstätte von Adlers erster Mannschaft ist, sondern auf dem weitläufigen oberen Spielfeld mit Laufbahn, auf dem die beschriebene Fantrennung leichter zu bewerkstelligen war. Endete der Test im Somme noch mit einem fast zweistelligen Debakel für die Gastgeber, blieb es heute bis zur Schlussviertelstunde bei einer früh erzielten engen 1:0-Führung für den Regionalligisten, erst dann gestaltete der Favorit das Resultat deutlicher. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass RWO mit dem zweiten Anzug antrat und Adler im gesamten Spiel nicht eine ernstzunehmende Torchance kreieren konnte.

Dinslaken – So., 22.09.2024, 15:00

VfB Lohberg vs SGP Oberlohberg 5:3

Dorotheen-Kampfbahn, 100 Zuschauer, Kreisliga C Duisburg/Mülheim/Dinslaken Gruppe 3
Der Sonntags-Ausflug mit der geschätzten Gattin sollte schon irgendwie Fußball in angemessener Umgebung beinhalten und ich entschied, dem VfB Lohberg mal wieder einen Besuch abzustatten. Im Dinslakener Stadtteil steht ein kleines Schmuckkästchen, dass aktuell nur Schauplatz für Spiele in der untersten Klasse ist. Die ‚Dorotheen-Kampfbahn‘ hat zwar nie den ganz großen Fußball erlebt, aber bis in die 90er Jahre wurde zumindest auf oberem Amateur-Niveau gekickt. Danach erlebten die ‚Knappen‘, wie die Spieler des Vereins gerufen werden, nachdem die Betriebsmannschaft der nahen Zeche Walsum noch vor dem Zweiten Weltkrieg übernommen wurde, einen schleichenden Niedergang, der nun schließlich nach dem Abstieg im Sommer mit der erstmaligen Teilnahme an der Kreisliga C endete. Auf der Hauptseite des Stadions steht eine betagte, überdachte Sitztribüne, welche zu einer Seite von einer recht hohen Stehanlage flankiert wird. Die Gegenseite verfügt über die volle Länge über einige Stufen, während hinter den Toren nicht viel Raum für Zuschauer ist, benötigt wird dieser vermutlich eh nie wieder. Die Kampfbahn ist übrigens ein Filmstar. Für eine Sequenz des Films ‚Das Wunder von Bern‘ wurde die Spielstätte als Drehort genutzt. Für das heutige Spiel stellte sich die die Reserve des nicht einmal einen Kilometer entfernt beheimateten Nachbar-Clubs vor. Das ‚P‘ in dessen Vereinsnamen steht für ‚Pestalozzidorf‘. Dabei handelt es sich um eine Stiftung, welche Jugendlichen ohne eigenes Zuhause eine Zukunft ermöglichen möchte. Dazu gehören auch Freizeit-Aktivitäten, weshalb in den 60er Jahren dieser Sportverein entstand. Das Spiel lief so wild ab, wie Spiele auf diesem Niveau halt oft laufen. Nach einer Stunde hatten die Gastgeber eine sichere Vier-Tore-Führung herausgeschossen, aber plötzlich kippte die Nummer und die Pestalozzi-Brüder holten Tor um Tor auf und der sichere Vorsprung schmolz dahin. Erst als der VfB in der letzten Minute mit dem fünften Torerfolg den Schlusspunkt setzte war die Partie entschieden.

Düsseldorf – Sa., 21.09.2024, 13:00

Fortuna Düsseldorf vs 1.FC Köln 2:2

Arena Düsseldorf, 61.500 Zuschauer, 2.Liga
Auf den Besuch beim kleinen, folgte nun der beim großen ‚Rhein-Derby‘. Ist ja quasi eine zwangsläufige Folge. Nichts hätte mich am Besuch des nicht ganz zeitgleich stattfindenden Auswärtsspiels des glorreichen RWE bei der Betriebsmannschaft von Audi Ingolstadt gehindert, außer meiner fehlenden Motivation für dieses wohl unattraktivsten Spiel in der Fremde. Die aktuelle Verfassung der Mannschaft und die intransparente Arbeit der Vorstandsebene und der sportlichen Leitung erzeugen aktuell sowieso ziemlich wenig Lust auf den RWE, so dass für mich frühzeitig der Verzicht feststand. Das Prestige-Duell zwischen den rheinischen Rivalen aus den beiden Karnevals-Hochburgen erwies sich dann als würdiger Ersatz. Der kostenlose Spezial-Parkplatz am Betriebshof funktioniert bei rechtzeitiger Anreise noch immer und so war der Fußweg so kurz, dass ich das mitgebrachte Stauder – die in Düsseldorf angebotene Altbierbrühe kann man ja nun wirklich nicht trinken – kaum schnell genug verzehrt bekam. Vor natürlich ausverkauftem Haus startete die Fortuna-Kurve mit einer aufwendig gemalten, großen Choreografie in den Kick. Vor einem Hintergrund aus rot-weißen Sonnenstrahlen ließ die mit einer rot-weißen Augenbinde versehene Glücksgöttin Fortuna-Taler aus ihrem Füllhorn regnen. Mit roten und weißen Bengal- und Rauchfackeln eröffneten die Gäste das Derby. Dabei werden die Kölner ja nicht müde zu betonen, dass das eigentliche Derby gegen die Borussia vom Niederrhein stattfindet.
Nachdem die Fortuna in der ersten Viertelstunde viel Druck ausübte, wurde der EffZeh mutiger, übernahm mehr und mehr die Kontrolle und wurde auch mit schnellen Vorstößen immer wieder gefährlich. Nach gut 20 Minuten lag die Kirsche dann endlich im Düsseldorfer Netz, was vom Kölner Block mit einer erneuten Pyro-Show gefeiert wurde, aber die Gastgeber erzielten fast postwendend mit der ersten guten Möglichkeit den Ausgleich. Die Geißböcke blieben aber dran, auch im zweiten Durchgang. Und auch wenn wenigstens ein Treffer gelang, war es beinahe nicht zu fassen, wie viele Chancen die Gäste liegen ließen. Das es spannend blieb, war also nicht auf den erneuten Ausgleich drängenden Fortunen geschuldet, sondern fahrlässigen Dom-Städtern vor deren Tor. Die Stimmung war sicherlich nicht übel, die Gäste sangen sich im zweiten Durchgang zwischenzeitlich auch in einen regelrechten Rausch, insgesamt fehlte aber das Derby-Feuer. Feuer gab es allerdings dennoch, denn immer wieder brannte auf beiden Seiten hier und da mal eine Fackel oder auch mehrere. Laut wurde es dann aber in der Schlussphase. Die Gastgeber übten natürlich nochmal Druck aus, allerdings ohne dabei wirklich gefährlich zu werden, wenn man von einem Kracher aus kurzer Distanz unter die Querlatte mal absieht. Es musste schon eine abgerutschte Flanke in den letzten Zügen der Nachspielzeit herhalten, die lang und länger wurde und letztlich hinter dem Schnappmann der Böcke einschlug, um der Fortuna noch einen schmeichelhaften Punkt zu verschaffen.

Monheim – Fr., 20.09.2024, 19:30

1.FC Monheim vs Sportfreunde Baumberg 0:2

Rheinstadion, 650 Zuschauer, Oberliga Niederrhein
Seit zweieinhalb Jahren wird das ‚Rheinstadion‘ in Monheim durch eine neue Tribüne geschmückt. Das Derby gegen den Stadteilverein aus Baumberg war ein willkommener Anlass, die neu gestaltete Anlage zu begutachten. Für einen Oberligisten ist das dann auch ein ausreichend schickes Teil, welches heute eine gute Auslastung erfuhr. Trotz unterdurchschnittlichen Saisonstarts gingen die Sportfreunde, die als Meister der Vor-Saison aufgrund fehlender Infrastruktur das Aufstiegsrecht nicht wahrgenommen hatten, als Favorit in dieses Spiel. Dieser Stellung wurde die Mannschaft auch über die gesamte Spielzeit gerecht. Unterstützt von ihren ‚Baumberger Jungs‘ spielten sie sich in einer unaufgeregten Partie zum verdienten Sieg. Größere Aufregung verbreitete da schon die in der Vereinsgastronomie übertragene Partie des blauen Un-Vereins aus Arbeitslosenkirchen. Als ich die Gaststätte zwecks Bier-Erwerbs kurz vor dem Pausenpfiff betrat, war nach einer Drei-Tore-Führung soeben der Ausgleich für die Gäste aus Darmstadt gefallen, so dass ich dort hängen blieb und Zeuge des verrückten Auswärtssieges der Südhessen wurde. Der einzige anwesende Blaue stellte daraufhin – nach nun immerhin schon sechs absolvierten Saisonspielen – umgehend den damit bereits feststehenden Abstieg des FC Meineid fest. Wäre mir recht!

Marseille – Sa., 14.09.2024, 17:00

Olympique de Marseille vs OGC Nice Cote d’Azur 2:0

Stade Vélodrome, 65.803 Zuschauer, Ligue 1
Da die direkte Luftlinie von Mallorca in die Heimat annähernd unmittelbar über Marseille führt, war es ja beinahe obligatorisch, diese Chance wahrzunehmen. Zumindest wenn man mit dem ‚Vélodrome‘ noch ein Hühnchen zu rupfen hatte. Als ich dieses wunderschöne Stadion zum ersten Mal besuchte, war es noch im alten Zustand und ich durfte eine abwechslungsreiche, stimmungsvolle Partie von OM, wie der Verein in Frankreich nur kurz bezeichnet wird, gegen Girondins Bordeaux mit einem gut gefüllten Gästeblock genießen. Mit Blick auf die Europameisterschaft 2016 wurde das Stadion dann umfassend um- und ausgebaut und erhielt diese monumentale Dachkonstruktion. Grund genug, einen Urlaub an der Cote d’Azur zu nutzen, dieses Monster nach dem Umbau zu besuchen. In einem Spiel der Europa League-Gruppenphase war der türkische Vertreter Konyaspor zu Gast und im riesigen Stadion verloren sich keine 10.000 Zuschauer. Die Kurven blieben weitestgehend leer, da die Ultra-Szene mit der Vereinsführung im Streit lag. Ob Gäste anwesend waren, kann ich gar nicht mehr sagen. Jedenfalls war der Besuch eine einzige Enttäuschung und es war klar, dass ich hier nochmal aufdribbeln würde. Der Grund ist ja nicht allein dieses Stadion, dass für mich zu den Top-Adressen in Europa zählt, sondern auch die Szene von OM, die mich mit ihrer Komplexität und Vielschichtigkeit wirklich fasziniert. Der Verein eint die Einwohner der Stadt vom einfachen Handwerker mit Migrationshintergrund bis zum affektierten Politiker. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal, das schaffen viele Clubs weltweit und doch wirkt es hier besonders. In den Straßen um und unmittelbar am Stadion sind natürlich viele Graffiti zu finden, in denen sich die Ultra-Gruppen von Olympique verewigt haben.
Die beiden Kurven, die Virage Sur und die Virage Nord, die nach dem verstorbenen Gründer der Gruppe ‚Marseille Trop Puissant‘ nur Virage Depé genannt wird, haben komplizierte Strukturen. Es gibt auch gemäßigte Zusammenschlüsse wie die ‚Amis de l’OM‘ oder den ‚Club Central‘, dirigiert und geführt werden die Kurven aber von den großen Ultra-Gruppen, die sich alle auf eine mindestens vierstellige Anzahl Mitglieder mit landesweiten Sektionen und auch darüber hinaus stützen können. Jede Gruppe hat ihren festen Platz und damit ihren eigenen Machtbereich, was auch an den Gruppen-Graffiti an den betreffenden Block-Zugängen abzulesen ist. Und auch wenn nach außen hin Geschlossenheit demonstriert wird, machen alle Gruppen ihr eigenes Ding, was auch darin seinen Grund findet, dass jede Gruppe mit abweichender Philosophie und Mentalität agiert. Etwas einfacher zu verstehen ist die Virage Sur, welche sich die älteste Gruppierung, das ‚Commando Ultra 84‘ (CU84) im Unterrang und die ‚South Winners‘ im Oberrang teilen. Die South Winners heben sich durch die Verwendung vieler orangefarbener Elemente in der Coleur von den anderen Gruppen ab. Diese Leitfarbe findet ihren Ursprung darin, dass die ‚Winners‘ Ende der 80er bei einem Spiel gegen den verhassten Rivalen PSG aus der Hauptstadt – heute in OM-Kreisen in Anspielung auf die Unterstützung aus Qatar auch gern QSG genannt – ein Zeichen gegen die rechtsgerichtete Kurve der Hauptstädter setzten wollte und ihre Bomberjacken, das damals typische Kurven-Kleidungsstück, auf das orangene Innenfutter drehte.
Insgesamt verstehen sich alle OM-Gruppen anti-faschistisch und anti-rassistisch. Die ‚Winners‘ ergänzten ihren Gruppennamen einige Jahre nach der Gründung um den Zusatz ‚Kaotic Group‘ um ihre Leidenschaft und ihren Stil zu verschriftlichen. Die Virage Nord gehört den Gruppen ‚Marseille Trop Puissant‘ (MTP), deren angesprochener Gründer übrigens vorher ein ‚South Winner‘ war, ‚Dodgers‘, entstanden aus früheren ‚Yankee‘-Leuten, und ‚Marseille Fanatics 1988‘, die sich alle im Oberrang aufhalten. In der Nordkurve waren im Unterrang bis vor wenigen Jahren auch die besagten ‚Yankees Nord‘ beheimatet, die aber 2018 vom Verein aufgrund Unregelmäßigkeiten beim Ticket-Verkauf, der für die Kurven von den Gruppen eigenständig geregelt wird, aus dem Stadion ausgeschlossen wurden. Ob die Gruppe dann offiziell aufgelöst wurde, ist mir nicht bekannt, aber viele ehemalige ‚Yankees‘ finden sich heute bei den gemäßigten ‚Amis l‘OM‘ im Unterrang der Virage Depé wieder, was nicht allen früheren ‚Yankee‘-Membern gefällt und es daher immer wieder mal zu Spannungen kommt. ‚Winners‘, ‚Commando‘ und ‚Fanatics‘ schlossen sich in den 90ern zu den ‚Supporters Phocéens‘ zusammen um ein einheitlicheres Bild und Support abzuliefern. Dieses Bündnis scheiterte aber nach einigen Jahren aus verschiedenen Gründen, wie zum Bespiel unterschiedlicher Philosophie und der Uneinigkeit über den gemeinsamen Standort im Stadion.
Schon deutlich früher als zwei Stunden vor Anstoß war ich am Stadion. Das ‚Commando‘ veranstaltete schon vor dem Spiel auf dem ‚Boulevard Michelet‘ eine Riesen-Party mit Fackeln und Rauchtöpfen. Allerdings flogen auch diese unsäglichen Böller, ein Stil-Element, welches beim Fußball oder generell beim Sport mal überhaupt nix verloren hat. Als die Kracher dann unkontrolliert in die Menge geworfen wurden, ein Kleinkind wurde in einem Falle nur um wenige Meter verfehlt, nahm ich das als Signal mich auf ein Merguez-Sandwich zurückzuziehen. Als ich dann eine halbe Stunde vor Spielbeginn auf dem Weg zum Block-Eingang die Südkurve passierte, schepperte es im Stadion, als wäre eine ‚Cruise Missile‘ eingeschlagen. Ich möchte behaupten, dass ich so einen lauten Böller noch nie vernommen habe und war froh, noch nicht im Stadion gewesen zu sein. Keine Ahnung mit was die Gruppen da rumhantierten, aber es war absolut krank, überflüssig und unverantwortlich. Und ich machte mir nun ernste Sorgen, dass überhaupt angestoßen würde, denn während ich in der Menge vor der Sicherheitskontrolle stand, waren immer wieder Durchsagen des Stadionsprechers und darauffolgende Pfiffe zu vernehmen. Letztlich wurde aber nur mitgeteilt, dass das Spiel abgebrochen werden würde, sollte im Laufe der Partie gezündelt oder erneut ein Böller geworfen werden.
Das ‚Velodrome‘ präsentierte sich nicht ganz ausverkauft, Gäste waren erwartungsgemäß leider keine zugelassen. Das ist in Frankreich ja mittlerweile leider beinahe üblich, bei vielen Risiko-Spielen bleiben die Gästeblöcke leer und der Olympique Gymnaste Club de Nice Cote d’Azur, wie der Verein mit vollem Namen wohlklingend heißt, gehört aufgrund der räumlichen Nähe schon zu den ernsteren Rivalen von OM. Kurz vor dem Einlauf der Mannschaften begann dann die Show. In der Virage Depé feierten die MTP ihr 30jähriges Bestehen. Zunächst wurde eine detailliert gemalte Choreo über alle Ränge gezogen. Leider wölbten sich die Stoffbahnen aber durch die Thermik der Kurve auf, so dass die Motive nicht gut zu erkennen waren. Seitlich wurden an Seilen weitere Choreo-Elemente hochgezogen. Links war das Gruppen-Avatar zu sehen, ein Totenkopf, welcher das Gründungsjahr in den Knochenhänden hatte, während rechts das Jubiläumsjahr von einem finster dreinblickenden Oktopus umklammert wurde. Nach dem Herunternehmen der Bahnen wurde mittels Zettel eine 30 gezeigt, nachdem diese verschwand, wurde in der Kurve durch Überzieher in Blau und Weiß das Gruppenkürzel sichtbar. Hier gab es allerdings jeweils Lücken. Die Kurven sind vollständig mit Sitzen ausgestattet, die natürlich nicht genutzt werden, da die Fans alle stehen. Dadurch sind die unteren Reihen im Unterrang nicht besetzt, die Leute orientierten sich eher nach oben, so dass den Aktionen quasi ‚der Fuß fehlte‘. Auch die oben links in der Kurve platzierten ‚Fanatics Marseille‘ hatten zumindest auf die Überzieher keinen Bock. Die ‚Fanatics‘ machten auch durchweg ihr eigenes Ding, waren aber aufgrund relativ geringer Zahl zur übrigen Kurve kaum zu hören, wirkten aber mit viel Fahneneinsatz und Hüpfeinlagen sehr dynamisch und agil.
In der Virage Sur feierte das ‚Commando Ultra‘ bereits das 40jährige Jubiläum. Aus einer großen blauen Plane war eine ‚40‘ ausgeschnitten worden. Diese Ausschnitte wurden zunächst mit helleren blauen Pappen gefüllt, diese dann auf weiß gewendet und dazu unregelmäßig am Rande der ausgeschnittenen ‚40‘ weiße Fackeln gezündet. Im Oberrang feierten die ‚South Winners‘ ein anderes Jubiläum, nämlich 80 Jahre seit der Befreiung Marseilles und der Provence von den deutschen Besatzern. Über der Zaunfahne des CU84 hing eine recht großes West Ham-Banner im typischen Stil, also eine entsprechend ausgekleidete englische Landesfahne, mit Herkunftsbezug Marseille. Ungewöhnlich und eine Freundschaft zu West Ham wird es kaum geben, da die englischen Szenen ja nicht in Gruppen organisiert auftreten. Bekannt ist dagegen die Verbindung zu den ‚Ultras Tito Cucchiaroni‘ von Sampdoria Genoa, die, 1969 gegründet, ja angeblich die Ur-Väter der Ultra-Bewegung sein sollen Auf dem Feld gingen beide Teams direkt in die Vollen. Die Gäste machten hier zunächst den gefährlicheren Eindruck, konnten aber nichts Zählbares erreichen. OM riss das Ruder nach der Anfangsviertelstunde langsam an sich, der OGC blieb mit schnellen Vorstößen aber gefährlich. Der vermeintliche Führungstreffer für die Himmelblauen wurde nach VAR-Überprüfung aberkannt, aber vor der Pause war es dennoch soweit und OM ging mit einer Führung in die Halbzeit.
In der Pause wurden unter der Virage Sud erneut mehrere Böller gezündet – krankes Volk. Zu Beginn der zweiten Spielhälfte gab es dann weitere Aktionen der Jubiläums-Gruppen. MTP zog an Seilen einen Lappen mit mehreren für die Gruppe relevanten Motiven hoch und CU84 folgte mit einem großen Totenkopf, der dann von einer schönen Blockfahne abgelöst wurde, welche von Lorbeer umkränzt eine ‚40‘ und den Schriftzug ‚Ultras Marseille‘ präsentierte. Die ‚Fanatics‘ sendeten dann per Spruchband noch einen Glückwunsch an das ‚Commando‘. Es gab in beiden Kurven ständig was zu sehen, so dass es fast schwierig war, nichts zu verpassen. Nachdem die Gäste kurz nach Wiederanpfiff eine riesige Chance zum Ausgleich liegen ließen, die der OM-Schnapper grandios entschärfte, stellte der Brasilianer Luis Henrique mit einem wunderbaren Schlenzer schon früh im zweiten Durchgang den Endstand her. Zwar musste OM die Schlussviertelstunde in Unterzahl verbringen, aber dem OGC gelang kein Treffer mehr. Wie auch, wenn selbst das leere Tor verfehlt wird. Kurz vor dem Ende der Partie wurde dann auch endlich das Pyro-Verbot missachtet. Die Virage Nord um MTP beschränkte sich im Oberrang auf das Abbrennen von gut 100 Fackeln, während CU84 im Unterrang der Virage Sud zahlenmäßig noch einen draufsetzte und zusätzlich Raketen oder Fontänen abschoss. Leider krachte es auch wieder mehrfach durch die Bude. Nach dem Abpfiff ließ ich mir viel Zeit, ließ die Atmosphäre noch auf mich wirken und schaute den Gruppen beim Abbau ihrer Utensilien zu, bevor ich wieder in die Hood um mein Hotel zurückkehrte und nach einem ausgiebigen Mal beim Tunesier meines Vertrauens nach einem langen Tag früh die Reise ins Reich der Träume antrat.
Am Folgetag verzichtete ich auf mögliche Spielbesuche, spannend wäre es eh nicht gewesen, lediglich im Regionalpokal wurde auf wenig ansprechenden Anlagen gekickt. Stattdessen nahm ich mir Zeit für die Stadt, stieg hoch zur Kathedrale ‚Notre-Dame de la Garde‘, die auf einem Hügel in der Stadt thront, und streifte dann durch die Straßen um den alten Hafen und die Altstadt. Marseille hat bekanntlich nicht den besten Ruf. Eine hohe Kriminalitätsrate, die großenteils der hohen Anzahl der nord- und westafrikanischen Migranten, eine Last der französischen Kolonialvergangenheit, die teils ohne festes Einkommen in den äußeren Stadtvierteln in leben, in welche sich die Polizei kaum noch reintraut, haben Marseille den Leumund versaut. Zudem soll die Stadt dreckig und runtergekommen sein. Davon bekommt man im sehenswerten Stadtkern um den alten Hafen aber nichts mit. Auch die daran angrenzenden, von Nordafrikanern beherrschten Viertel sind durchaus im positiven Sinne spannend. Zum Teil fühlte man sich, als würde man durch die Gassen von Algier oder Tunis laufen. In den Cafés, Bars, Geschäften und Restaurants und auf den Straßen selbst ging es lebhaft zu, es roch nach Gewürzen und gegrilltem Fleisch und die Leute waren freundlich und aufgeschlossen. Der dritte Besuch in Marseille muss nicht der letzte gewesen sein.

Manacor – Sa., 07.09.2024, 19:15

CD Manacor vs UE Porreres 0:0

Estadio Na Capellera, 200 Zuschauer, Tercera Federación Grupo 11
Die jährliche Kegeltour stand an und alle zwei bis drei Jahre wird diese auf eine ganze Woche ausgedehnt und irgendwo in Südeuropa eine Finca oder kleine Villa gemietet. Dieses Jahr war Malle dran und weil ich mal wieder zu dämlich war, hatte ich bei den ganzen Eurowings-Flügen, die Samstags und siebzehnte Bundesland gehen, den Überblick verloren und einen anderen Flug gebucht, als der übrige Mob. Daher sollte ich eine halbe Stunde später fliegen, aber der Konjunktiv zieht ja auch nicht immer und während mein Flieger beinahe pünktlich ging, wurde den anderen eine mehr als zweistündige Verspätung reingeschoben. Also sprang ich nach Ankunft in Palma in den passenderweise unmittelbar abfahrenden Direkt-Bus nach Manacor, in dessen Umgebung unser gebuchtes Etablissement lag. Sinn und Zweck dieser Aktion, war die Ansetzung eines Spieles im Estadio ‚Na Capellera‘. Der erste Spieltag der Tercera Division stand an. Wie so oft ist diese Bezeichnung irreführend, denn es handelt sich um fünftklassiges Niveau. In 18 Gruppen wird diese ausgespielt und eine dieser Staffeln deckt die gesamten Balearen ab. Mit der Unió Esportiva Porreres stellte sich ein Club aus einem unweit von Manacor gelegenen Ort vor, so dass man beinahe von einem Derby sprechen konnte. Der Einlass verlief durch die Cafeteria des Stadions, wo der ältere Kassierer peinlichst genau darauf achtete, dass auch jeder seinen Obulus entrichtete und dem ein oder anderen ‚Schwarzfahrer‘ erzürnt hinterher lief. Der Wirt der Cafeteria gestattete mir freundlicherweise mein kleines Gepäckstück während der Partie hinter der Bar zu lagern. Das kleine Stadion liegt mitten in der Stadt. Es gibt eine überdachte Tribüne mit rudimentären Sitzgelegenheiten und eine höhere Stehtribüne auf der Gegenseite. während hinter den Toren nicht viel Ausbau zu finden ist. In einem temporeichen Spiel sollten keine Tore fallen und die Partie endete mit einem leistungsgerechten Unentschieden.

Glasgow – So., 01.09.2024, 12:30

Celtic FC vs Rangers FC 3:0

Celtic Park, 59.612 Zuschauer, Scottish Premiership
Der Celtic Football Club genießt bei mir eine besondere Bedeutung. Genau gesagt ist es neben der Herzensangelegenheit RWE und der Jugendliebe Werder Bremen der dritte Verein, der mich mitreißt. Neben diesen wäre nur noch Hajduk Split zu nennen, aber das ist eine andere Geschichte. Zu Celtic kam ich durch das schöne quer gestreifte Trikot, welches mir beim ersten Anblick im frühen Teenie-Alter sofort gefiel und aus diesem profanen Grund hat sich eine gewisse Beziehung zu diesem Verein entwickelt, die bis heute zu einer zweistelligen Anzahl Spielbesuchen quer durch Europa führte. Im heimischen Celtic Park habe ich das Team aber tatsächlich erst ein einziges Mal gesehen und das ist auch schon über 15 Jahre her. Dass es so lange gedauert hat bis ich wieder herfand, ist eigentlich nicht zu erklären und erst recht nicht zu entschuldigen. Auch das wichtige Derby gegen den verhassten Stadtrivalen sah ich erst einmal und das im ‚Ibrox Stadium‘, dem – zugegeben ansehnlichen – ‚Feindesgebiet‘. ‚Old Firm‘ wird das Stadt-Duell zwischen Celtic und Rangers genannt. Dieser Name bezieht sich darauf, dass die beiden Vereine seit gefühlter Ewigkeit Jahr für Jahr mehrfach gegeneinander antreten. Bereits 1891 gab es das erste Aufeinandertreffen, also in einer Zeit, als der Fußball in Deutschland noch in Kinderschuhen steckte. Bis zum heutigen Spiel trafen beide Clubs satte 441 Male aufeinander, damit ist dieses Derby das am häufigsten ausgetragene weltweit. Bei dieser hohen Anzahl an Spielen ist es beinahe unglaublich, dass die Bilanz vor dem heutigen Aufeinandertreffen völlig ausgeglichen war. Je 169 Siege bei 103 Remis konnten die Vereine für sich reklamieren, bei minimalem Plus im Torverhältnis für die Kelten. Das höchste Resultat, dass es je gab, war ein 7:1 für Celtic im League Cup-Finale 1957. Vor allem in den 60er und 70er Jahren pilgerten regelmäßig 120.000 und mehr Leute zu den Spielen – Zahlen, die heute auch aufgrund der reduzierten Kapazitäten der Stadien undenkbar sind. Möglich war das allerdings auch damals nur im Nationalstadion, dem ‚Hampden Park‘.
Die tiefe Rivalität basiert nicht nur auf der räumlichen Nähe der Kontrahenten. Politik und Religion sind im Spiel. Während sich der Rangers-Anhang unionistisch-loyal der britischen Krone unterordnet, sehen die Celtic-Anhänger ihre Identität irisch-republikanisch und nahe einem souveränen Schottland, denn der Verein wurde von irischen Einwanderern gegründet. Auf Seiten der Rangers werden sich im Publikum fast ausschließlich Protestanten finden, bei den Kelten annähernd nur Katholiken, auch wenn diese Abgrenzung in jüngerer Vergangenheit aufgeweicht wurde. Vorbei sind zum Beispiel die Zeiten, als die Rangers keine Spieler katholischen Glaubens verpflichtete. Nichts geändert hat sich an der tiefen Abneigung der Anhänger beider Vereine zueinander, das war deutlich spürbar. Die ‚Hunnen‘, wie die Fans der Blauen von den Celtic-Supportern genannt werden sind, nicht gern gesehen in Parkhead, dem Stadtteil in dem die grün-weiß gestreiften ‚Hoops‘ seit 1892 an ein und derselben Stelle im Celtic Park vor den Ball treten. Das Stadion hat sein Gesicht über die Jahrzehnte mehrfach geändert. Der massive Umbau in den heutigen Zustand fand Ende der 90er Jahre statt, bei dem lediglich die alte Haupttribüne in die neuen Ränge integriert wurde. Vor dem Umbau hatte das Stadion eine ovale Form und die gigantische Kurve mit den fanatischsten Zuschauern trug den (wie ich finde) sympathischen Spitznamen ‚Jungle‘, denn die Kurve war so groß, dass man sich darin verirren konnte. Das Stadion selbst wird von den Fans bis heute liebevoll ‚Paradise‘ genannt.
Das Paradies war natürlich auch heute wieder brechend voll. Ob der irische Mönch Walfrid erwartet hat, dass sein Verein mal eine derart hohe Bedeutung bekommen würde, als er diesen 1887 in der St.Mary’s Church im Glasgower Stadtteil Calton gründete? Warum als offizielles Gründungsjahr 1888 genannt wird, ist nicht eindeutig belegt, es bezieht sich jedoch vermutlich darauf, dass es bis ins Jahr 1888 dauerte, bis eine Celtic-Mannschaft zum ersten Fußballspiel antrat. Von meinem Platz hoch oben auf der Gegentribüne hatte ich einen Blick über halb Glasgow bis zum ‚Hampden Park‘. Wie in Liverpool wird auch bei Celtic seit langer Zeit kurz vor dem Anstoß „You’ll never walk allone“ intoniert und alle, aber wirklich alle 60.000 schmettern inbrünstig mit – ein Gänsehautmoment. Die Fan-Lager in Rot und Grün streiten sich übrigens darüber wer die Hymne zuerst ins Repertoire aufgenommen hat – dieses Privileg dürfte aber den Reds von der Merseyside gebühren. Die ersten Momente des Spiels gehörten den Rangers, diese hatten auch die Chance zur frühen Führung, aber Celtic riss schnell das Ruder an sich. Nach knapp zehn Minuten ging es schnell über die rechte Seite der Kelten. Es folgte ein scharfer Pass nach innen und die Kirsche war drin. Nach Videobeweis wurde der Treffer aber zurückgenommen, weil Vorbereiter Niklas Kühn mit dem großen Zeh im Abseits stand. Bis das entschieden war, blieb meinem Hintermann aber genug Zeit, mich im Torjubel an sich zu reißen und fast bis zur Bewusstlosigkeit zu würgen. Es wäre ein ehrenvoller Tod gewesen, aber er ließ noch rechtzeitig von mir ab. Nur ein paar Zeigerumdrehungen später war es aber soweit. Wieder war Kühn der Vorbereiter. Pass von der Grundlinie nach innen und der Japaner Maeda traf flach ins Netz. Ein Play Station-Tor, wie ich es immer gern nenne. Mein Hintermann hatte sich dieses Mal zum Glück ein anderes Opfer gesucht. Kurz danach hätte Hatate schon das zweite Tor erzielen müssen, vergab aber aus aussichtsreicher Position. Das war dann Furuhashi, dem dritten Mann der Nippon-Connection vorbehalten, der fünf Minuten vor dem Seitenwechsel aus etwas mehr als 20 Meter überlegt und präzise abschloss. In dieser Phase machte Celtic richtig Alarm und hätte den Kick schon vor der Pause entscheiden können.
An der Überlegenheit änderte sich auch nach dem Seitenwechsel nichts, die Rangers mussten sich der Überlegenheit der Hausherren beugen. Celtic ließ allerdings gute Möglichkeiten liegen und es dauerte aber bis in die Schlussviertelstunde ehe Kapitän McGregor den Deckel drauf machte. Danach hätte es für die Gäste noch böse ausgehen können, aber Celtic war nicht mehr mit letzter Konsequenz am Werk. Egal, es reichte ja auch so. „It was so fuckin‘ easy“ wie mein Hintermann nun freudetrunken vor sich hin sang. Wie die erste gehörte auch die letzte dicke Chance den Blauen von der anderen Flußseite, aber der dänische National-Schnapper Kasper Schmeichel, Sohn von Torwart-Legende Peter Schmeichel, war am frühen Nachmittag nicht zu bezwingen. Ein intensives, hartes, aber nie unfaires Spiel ging mit einem hochverdienten Sieg für die gute Seite von Glasgow zu Ende. Mit der Stimmung ist es in britischen Stadien ja so eine Sache. Ich hatte auch keinen wirklichen Hexenkessel erwartet, denn das normale britische Publikum reagiert traditionell stark auf das Spielgeschehen und ist kein Freund des Dauersupports. Allerdings hat ja, wie bereits im vorherigen Bericht erwähnt, in Schottland und dort vor allem bei den großen Clubs längst der Ultra-Gedanke Einzug gehalten. Diese Gruppierungen supporten durchgehend und wenig spielbezogen.
Bei Celtic gibt es zwei Gruppen, die in gegenüber liegenden Sektoren stehen und unverständlicher Weise autark voneinander ihr Ding machen, was ein wenig an französische Verhältnisse erinnert. Im ‚Southwest End‘, neben dem ‚Main Stand‘ oben unter dem Dach ist das die kleinere Gruppe von beiden, die ‚Bhoys Celtic‘, eher britisch geprägt ohne großen Fahneneinsatz. Die Schreibweise ist eine Anlehnung an die gälische Sprache, in welcher auf ein ‚b‘ oft ein ‚h‘ folgt. Im ‚Northeast End‘ hat die seit 2006 aktive ‚Green Brigade‘ ihren Platz, die älteste Ultra-Gruppierung im britischen Fußball. Diese Gruppe mit einem Kern von gut 250 Leuten gerät mit ihrer linkspolitischen Haltung oft mit der Vereinsführung in Konflikt. Aber die Gruppierung sorgt auch immer wieder für optische Akzente. Zum heutigen Spiel wurde eine große Blockfahne gezeigt, auf der ein Bischof vor der Stadt-Silhouette positioniert und gekränzt vom Ausspruch „Our dear green place“ abgebildet war. Umrahmt wurde das Banner von grünen Folien. Bei den ‚Bhoys‘ gab es ein paar Blinker und grünen Rauch zu sehen. Zum Beginn der zweiten Halbzeit qualmte es auch bei der ‚Green Brigade‘. Ein paar Fackeln brannten und eine dicke Säule aus grünem und weißen Rauch stieg auf, während dahinter ein Banner mit der Aufschrift „Let Celtic flourish“, frei übersetzt „Lass Celtic aufblühen“, präsentiert wurde. Richtig laut wurde es im Stadion – ähnlich wie an der Essener Hafenstraße – nur, wenn die alten Gassenhauer angestimmt wurden. Dann schepperte es aber richtig, das war aber leider auch nur wenige Male der Fall. Ich mag den britischen Support dennoch und hier bei diesem elektrisierenden Spiel war das auch deutlich besser, als bei jedem normalen Ligaspiel auf der Insel. Mir gefällt es auch, dass die Leute bei jedem Ballgewinn und gewonnenen Eckball richtig abgehen. Nachdem ich in den letzten Jahren ja nur selten mal ein Celtic-Spiel besucht habe, hat mich die Nummer wieder richtig eingefangen und bis zum nächsten Spielbesuch sollte nun nicht wieder so eine lange Zeit vergehen.