
SAK Sisimut vs Upernavik Boldklub 83 2:0
Qeqertarsuaq Stadion, 40 Zuschauer, Arsaalluni Pissartanngoriunneq
B-67 Nuuk vs N-48 Ilulissat 3:1
Qeqertarsuaq Stadion, 500 Zuschauer, Arsaalluni Pissartanngoriunneq
Der Mittwoch, sollte erst am Abend den Weiterflug ins Eis bringen. Also war noch ausreichend Zeit für Unternehmungen. Da die beiden Mädels noch nie in Island waren, bot sich die Touri-Route über den ‚Golden Circle‘ an. Das ist eine bequeme Tagestour entlang der bekanntesten Sehenswürdigkeiten im Südwesten Islands. Wir wählten nicht den üblichen Einstieg in die Route, sondern machten einen Schlenker entlang des ‚Hvalfjördur‘, etwas nördlich von Reykjavik gelegen. Erster Stopp auf dem Circle war dann der Nationalpark ‚Thingvellir‘, benannt nach einem historischen Versammlungsplatz, an dem im Mittelalter schon Wikinger-Parlamente tagten. Ebenfalls wurde 1944 an diesem Ort die Republik Island ausgerufen, nachdem sich die Insel endgültig von der dänischen Herrschaft gelöst hatte. Der nächste Halt war das Geothermalgebiet ‚Haukadalur‘ mit dem bekannten Geysir ‚Strokkur‘ und einigen vor sich hin schwefelenden und dampfenden Thermalquellen. Während der ‚Große Geysir‘, sozusagen der namensgebende Ur-Vater für alle Geysire, sich weitestgehend im wohlverdienten Ruhestand befindet und nur noch sehr selten und unvorhersehbar in die Höhe schießt, zeigt sich der Strokkur zuverlässig alle paar Minuten in einer bis zu 30 Meter hohen Wassersäule. Der dritte große Spot der Rundfahrt ist der Wasserfall ‚Gullfoss‘, wo über eine breite Klippe die Wassermassen über einige kleinere Kaskaden und schlussendlich über eine breite Stufe in die Tiefe stürzen.








Die Tour lässt sich je nach Präferenz durch unbedeutendere Spots ergänzen und wir hatten den Kratersee ‚Kerid‘ auserkoren, der perfekt auf dem Weg zum Flughafen lag. Die Vorfreude auf die Weiterreise nach Grönland machte sich langsam breit. Es war ein Stück zu fahren und ich prüfte mal meine Emails. Icelandair hatte mir was gesendet und ich vermutete den Hinweis auf einen verspäteten Abflug. Diese Sorge war allerdings völlig unbegründet, denn wie sich nach Studium der Email herausstellte, war der Flug einfach mal komplett gestrichen worden. Zack, bumm, technischer K.O. in der zweiten Runde. Das saß erstmal und wir benötigten ein paar Minuten um uns zu sammeln. Direkte Anfahrt zum Airport war nun natürlich angesagt. Dort versuchten wir eine Umbuchung auf den Flug am kommenden Morgen zu erreichen (es gibt beinahe täglich zwei Flüge), wurden jedoch von einer ultra-coolen und abgezockten Mitarbeiterin abgewiesen mit der fadenscheinigen Begründung, der Flug sei ausgebucht. Dass ein ebenfalls auf den abgesagten Flug – Grund für den Ausfall war übrigens Nebel am Ankunftsort – gebuchter Bekannter noch am Morgen des nachfolgenden Fluges auf ebenjenen umgebucht wurde und dass dieser berichten konnte, dass vier weitere Personen ebenfalls die Umbuchung erreichten, bestätigte den Eindruck, dass die Ablehnung nur vorgeschoben war. Aber welche Argumente bleiben noch, wenn man die nicht überprüfbare Info erhält, es sei kein Platz mehr in der Maschine frei?! Die nächsten zwei Tage sollten wir nun auf Kosten von Icelandair leben, was den Ärger natürlich bei weitem nicht ausglich, das besorgte dafür der Alkohol. Das Hotel, mit welchem die Airline in Keflavik zusammenarbeitet, meldete ausgebucht, wie angeblich überhaupt kein Bett in Keflavik mehr frei sein sollte, was bedeutete, dass wir mit dem Bus nach Reykjavik chauffiert wurden und dort landeten wir wieder gut angenervt im ‚Hotel Cabin‘, womit sich der Kreis auf unschöne Weise erst einmal schloss.
Da von der Airline bis auf vertröstende Emails nix kam, nahmen wir am folgenden Morgen unser Schicksal selber in die Hand und latschten zum Icelandair-Headquarter am alten innerstädtischen Flughafen. Eine freundliche Mitarbeiterin buchte uns dann auf den nächsten verfügbaren Flug um, was wie von uns recherchiert und befürchtet, erst am Freitag-Abend der Fall war, was auch die letzte Patrone bedeutete, wenn wir die angestrebten Vorhaben noch umsetzen wollten. Da aber weiter die Option bestand, dass wir kurzfristig früher wegkommen könnten, hielten wir uns weiter in Reykjavik auf, um im Fall der Fälle schnell abreisebereit zu sein. Von der Airline kam aber den ganzen Tag über nichts, so dass wir uns gegen halb sieben am Abend entschieden, ein weiteres Fußballspiel zu besuchen. Wir saßen gerade im Taxi dorthin, als eine Email einschlug, dass wir auf den Flug an diesem Abend um halb zehn gebucht wurden. Sportlich, wenn man bedenkt, dass die Fahrzeit von Reykjavik bis zum Airport eine Dreiviertelstunde beträgt. Also den Taxi-Wikinger zurück zum Hotel beordert, das Gepäck gerafft und 130 Euro später (welche der Airline noch schön aufs Brot geschmiert werden) schlugen wir eineinhalb Stunden vor Abflug am Check in-Schalter auf. Dort hieß man uns herzlich willkommen und teilte uns mit, dass die Information auf einem Fehler basierte und die Maschine ausgebucht sei. Jetzt war Polen offen und auch wenn es letztlich ja nichts bringt, außer hohem Blutdruck und der Befriedigung irgendeinem armen Gunnar, der ja auch nix dafürkonnte, ordentlich die Meinung gegeigt zu haben, platzte mir entsprechend der Kittel.
Meine Performance schien aber nicht so schlecht gewesen zu sein, denn die Crew vom Nachbarschalter, die gerade ihren Dienst beendet hatte, blieb erstmal stehen und wartete ab, ob ich nicht doch noch ein Massaker anrichten wollte. So landeten wir erneut im Hotel in Keflavik, dass ebenso erneut voll belegt war, aber nun konnten wir immerhin in einem guten benachbarten Hotel untergebracht werden. Sämtliche Mahlzeiten gingen natürlich auch auf den Nacken von Icelandair, alkoholische Getränke leider nicht, aber wir erklärten das Fest für eröffnet und jeder trank was und so viel er wollte. Offenbar war der Verzehr dafür ausreichend, dass dem Personal die Rechnung aus den Fugen geriet und wir am Ende nur die Hälfte bezahlen mussten – ein fairer Zug. Der kommende Tag bis zum Abflug blieb bestimmt von wiederkehrenden Gängen zum staatlich kontrollierten Alkohol-Shop, denn viel hat Keflavik ja nicht zu bieten. Icelandair war übrigens komplett durcheinandergeraten und bombardierte uns mit Emails zum gecancelten Flug, Unterbringung und Infos zu Fluggastrechten. Was für ein Chaos. Da wir aber für den Flug am Abend nun bereits eingecheckt waren, hielt sich die Aufregung in Grenzen und wenn man davon absieht, dass wir den Flug aufgrund suffbedingter Trödelei fast noch verpasst hätten, passte nun alles und eine 37-sitzige Turboprop-Maschine beförderte uns ans Zwischenziel. Regressforderungen haben aufgrund von höherer Gewalt leider keine hohen Erfolgschancen, wir werden sehen. Ilulissat in Grönland empfing uns um Mitternacht beinahe taghell und bei erstaunlich mild wirkenden sieben Grad.







Nach einer kurzen Nacht in einer hektisch gebuchten Unterkunft brachte uns das kleine Linien-Boot von ‚Disko Line‘ in etwas mehr als zwei Stunden quer durch die ‚Disko-Bucht‘ nach Qeqertarsuaq auf der ‚Disko-Insel‘. Ich fühl mich Disko. Die Disko-Insel ist die größte zum grönländischen Festland gehörende Insel. Qeqertarsuaq bedeutet übersetzt ‚die große Insel‘. Passt also. Der Ort selber ist nicht ganz so groß – nicht einmal 1.000 Einwohner zählt diese Ansammlung von bunt gestrichenen Häusern, die etwa auf einem Breitengrad mit dem Nordkapp liegt. Man spricht ja hier und da immer mal vom ‚Arsch der Welt‘. Den hatten wir hier vermutlich gefunden. Ich war mir sicher – wären wir noch um die nächste Klippe herumgefahren, hätten wir den Rand der Scheibe erreicht. Pünktlich zum finalen Spieltag der grönländischen Meisterschaft waren wir also soeben noch rechtzeitig eingetroffen. Offen und ehrlich fehlte mir zwischenzeitlich der Glaube daran. Nach kurzem Verschnaufen in unserer AirBnB-Unterkunft führte einer der ersten Wege zum direkt am Strand gelegenen ‚Qeqertarsuaq Stadion‘. So wird er bezeichnet, der Kunstrasenplatz mit ein paar dreistufigen Sitzplatz-Gestellen an der Meer-Seite.
Der Platz selber hat natürlich wenig zu bieten. Dafür umso mehr die Umgebung, denn schaut man von der Meerseite aufs Spielfeld, bauen sich dahinter die beeindruckenden Basalt-Berge auf, die hoch oben auf dem Plateau in den Lyngmark-Gletscher auslaufen. Und blickt man von der Landseite auf den Platz, bietet sich der wunderschön skurrile Anblick mit einer Bucht voller Eisberge hinter einem knallgrünen Kunstgrasfeld. Im Spiel um Platz fünf standen sich die Mannschaften von SAK aus Sisimut, etwa 280 Kilometer südlich der Disko-Insel, und UB-83 aus Upernavik, das noch einmal 430 Kilometer weiter nördlich liegt, gegenüber. Da es aus nachvollziehbaren Gründen kein zusammenhängendes Straßennetz gibt, war die Anreise für die teilnehmenden Teams schon mit hohem Aufwand verbunden. Sicherlich der Grund dafür, warum das Teilnehmerfeld wenige Wochen vor dem Turnier von zehn auf sieben Teams zusammenschmolz. Auf viel Interesse stieß diese Partie nicht. Vor knapp 40 Zuschauern, darunter die angekündigten elf Deutschen inklusive uns und einem Überraschungsgast aus England, entschied SAK die etwas rustikale Partie mit zwei sehenswerten Treffern für sich.


























Die Partie um Platz drei ‚schwänzten‘ wir, denn auch wenn das Ziel wirklich exotisch ist und der Platz eine einzigartige Kulisse bot, waren mir drei Spiele in Folge auf ein und demselben Geläuf dann doch zu viel der Fußlümmelei. Pünktlich zum Finale um die grönländische Fußballmeisterschaft zwischen B-67 aus der Hauptstadt Nuuk und N-48 aus Ilulissat waren die männlichen Mitglieder unserer kleinen Reisgruppe wieder da und der recht hohe Andrang überraschte mich etwas. Es waren sicherlich 500 Leute gekommen, um dem ‚Final-Spektakel‘ beizuwohnen. Nicht unbegründet vermutend, dass die einzelnen Teams nicht allzu viele eigene Unterstützer mitgebracht hatten – aus dem ‚nahen‘ Ilulissat hatten es immerhin ein paar Dutzend herübergeschafft – war also die Hälfte der Population Qeqertarsuaqs zur Plastikwiese am Ortsrand gepilgert. Timersoqatigiiffik Sportsklub Nagdlunguak 1948 ist der vollständige Name des Vereins aus Ilulissat – welch eine wild anmutende Aneinanderreihung von Konsonanten und Vokalen. Mit diesen beiden Final-Teilnehmern waren auch die beiden Clubs mit den meisten gewonnenen Meisterschaften im Endspiel vertreten. B-67 trat vor allem bei den in der letzten Dekade ausgetragenen Turnieren dominant auf, heimste Titel um Titel ein und ist nun mit 14 Meisterschaften Rekordhalter vor N-48 mit zwölf Gewinnen. Das Niveau der Partie war durchaus gehobener im Vergleich zum Mittag. Einige schöne Spielzüge und Kombinationen gab es zu sehen und B-67, zeigte die reifere Spielanlage. Vor allem im ersten Durchgang war der amtierende Meister stark überlegen, nutzte aber die Chancen nicht und gegen Ende der ersten Hälfte hätte N-48 durch zwei sehenswerte Konter in Führung gehen können. Das hatte dem Außenseiter wohl Mut gemacht, denn die zweite Hälfte sah in weiten Phasen etwas ausgeglichener aus, allerdings entschied B-67 die Partie hochverdient für sich. Gerührt schauten wir uns noch die Siegerehrung an und schlichen uns dann in die Unterkunft zu den Damen, die sich nützlich gemacht hatten und fürsorglich mit dem Essen auf uns warteten.











Den kommenden Tag verbrachten wir noch in Qeqertarsuaq, machten eine kurze Wanderung in Richtung eines Wasserfalls und eine etwas längere über Stock und Stein – mehr Stein – zu einer kleinen Bucht, in die sich strömungsbedingt immer ein paar Eisberge verirren. Offenbar war aber Ferienzeit im Eisbergkalender, denn der erhoffte Anblick war eher dürftig. Am folgenden Morgen brachte uns die 9:00 Uhr-Fähre zurück nach Ilulissat. Auf das teuerste Fish ’n‘ Chips meines Lebens folgte das teuerste Bier meines Lebens. Umgerechnet 14 Euro für den gezapften halben Liter verliehen diesem einfachen Rezept aus Hopfen, Malz und Wasser eine würdevolle Exklusivität. Davon beflügelt machten wir uns auf zum ‚Isfjord‘, einem UNESCO-Welterbe, was eine Wanderung von etwa einer Stunde bedeutete. Der ‚Isfjord‘ ist die Mündung des äußerst produktiven Gletschers ‚Sermeq Kujalleq‘. Etwa 10% des jährlich in Grönland kalbenden Festlandeises werden durch diesen Gletscher in den Atlantik abgeleitet. Der Fjord ist ca 50 Kilometer lang und an der Mündung vier Kilometer breit, was ein beeindruckendes Bild bietet. An der Gletscherkante ist die Eisdecke noch 700 Meter dick – im Inland ist der Eisschild bis zu drei Kilometer stark – und nur etwa 100 Meter liegen oberhalb des Meeresspiegels. Mit einer Fließgeschwindigkeit von 19 Meter am Tag ist der Gletscher einer der aktivsten der Erde.














