Bordeaux – Sa., 16.12.2023, 15:00

FC Girondins de Bordeaux vs AS Saint-Étienne 0:0

Stade Atlantique, 37.658 Zuschauer, Ligue 2
Da der glorreiche RWE bereits am Freitag antreten durfte, war das Wochenende frei für eine kleine Tour. Beim Eintauchen in die Spielpläne blieb ich dann bei einer machbaren Kombination in Südfrankreich hängen, einer Region, die aus Westdeutschland allerdings nur umständlich anzufliegen ist. Die Lösung offenbarte sich dann mit dem Billig-Iren ab Charleroi, oder wie es die Airline optimistisch benennt: Brüssel-Süd, in Belgien. Nicht mein bevorzugter Flughafen – über 250 Kilometer entfernt von der Heimat und die Parksituation hat einen extrem schlechten Ruf hinsichtlich mutwilliger Beschädigungen am Fahrzeug. Aber man ist ja auch schon vom Hahn, von Bremen, Frankfurt, Amsterdam geflogen, Airports, die alle ähnlich weit entfernt von der schönsten Stadt der Welt liegen. Der Gesamtpreis von 37 Euro für den Flug nach Bordeaux und zurück ab Toulouse erleichterte die Entscheidung, auch wenn ich offen gesagt bis drei Tage vor Abflug im Zweifel war, ob ich die Reise denn angehen will. Abflug um Viertel vor acht in der früh erforderte um drei Uhr in der Nacht aus dem Bett zu fallen. Unschön. Um dem Vehiculum größtmögliche Sicherheit zu verschaffen, nutzte ich das Angebot eines gewerblichen Anbieters mit überwachtem Gelände, was dazu führte, dass ich beinahe genau so teuer parkte wie ich flog. Der Vorteil einer Fahrt durch die Nacht ist natürlich die Verkehrslage und so rollte ich mit Tempomat-Einstellung bei 120 km/h ohne Stress in gut nicht einmal zweieinhalb Stunden durch die Nacht. Der Rainer hob beinahe pünktlich ab und kam nach zwei ausgiebigen Schleifen über dem Ziel aufgrund dichten Nebels etwas verspätet an. Nach erstaunlich schnellem Aufklaren um die Mittagszeit bestätigte der Rundgang durch Bordeaux die Erwartung, dass die Stadt durchaus ihren Reiz hat.
Das ‚Stade Atlantique‘ hat zur EM2016 das alte relativ zentral in der Stadt liegende ‚Stade Chaban-Delmas‘ abgelöst. Von innen eher unspektakulär, besticht es mit der Vielzahl der in die Fassade integrierten weißen Säulen. Auch der innere Umlauf mit dem Catering-Bereich hebt sich vom Einheitsbrei ab. Dem gehobenen Niveau der Spielstätte kann der Verein aktuell nicht ganz gerecht werden. Eigentlich ist Girondins eher gefühlter Meisterschafts-Kandidat denn Zweitligist, steht aber nach dem Abstieg aus der Ligue 1 im vergangenen Jahr und dem in einem Skandal-Spiel knapp verpassten Wiederaufstieg aktuell gar auf einem Abstiegsplatz in der zweiten Liga. Nicht viel besser geht es den Gästen der Association Sportive de Saint-Étienne Loire, wie der Verein in Gänze heißt. Die ASSE, ebenfalls im vergangenen Jahr aus der obersten Spielklasse abgestiegen war bis zum Sommer diesen Jahres noch französischer Rekordmeister, bis der unsympathische Scheiß… ähm… Scheich-Verein aus der Hauptstadt in diesem Ranking vorbeizog. Die ASSE war zwar ordentlich in die aktuelle Spielzeit gestartet, aber nach einer Niederlagen-Serie inzwischen auch im Niemandsland der Tabelle versunken. Daher hatte ich auch keine allzu großen Erwartungen an dieses Spiel. Dann zeichnete sich aber doch ab, dass es sich lohnen könnte, denn wenige Tage vor dem Spiel waren schon über 30.000 Tickets verkauft. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass Girondins zuletzt vor nicht mal mehr 20.000 Zuschauer spielte und der Oberrang des Stadions gar nicht mehr geöffnet wurde. Aber ASSE zieht halt auch mehr als jeder andere Gegner in der zweiten Liga.
Der Gästeblock war sogar komplett ausverkauft, angesichts Entfernung von über 500 Kilometern und der sportlichen Ausgangslage auch nicht selbstverständlich, zumal die Zahl der Auswärtsfahrer in Frankreich oft nicht allzu hoch ist. Die ASSE-Leute um die Magic Fans und Green Angels gehören aber auch zu den Top-Adressen im Nachbarland, davon gibt es dort nicht allzu viele. Nicht bekannt war mir, dass die Magic Fans eine Freundschaft zu den Ultramarines Bordeaux pflegen, aber dahingehend ließ ein Schwenker im Heimblock keinen Zweifel offen. Weitere Freundschaften bestehen zum Commando Cannstatt, der Torcida von Hajduk Split und den Ultras des Eishockeyclubs HC Lausanne. Die Ultramarines haben weitere Freunde in der Schickeria, Athletic Bilbao und den Boys Parma gefunden. Zum Todestag eines bekannten Mitglieds der Parmesi wurde in der Virage Sud im Laufe des Spiels ein Banner gezeigt. Die Kurve um die Ultramarines hat mir gut gefallen und machte ganz gut Theater. Aber was wäre eine Szene in Frankreich, wenn es nicht irgendeine Splittergruppe gäbe, die in einem anderen Bereich des Stadions ihr eigenes Ding macht. Im Falle von Girondins ist es das North Gate in einem der gegenüberliegenden Eckblöcke im Oberrang und die etwa 90-100 Leute habe in keiner Sekunde hören können. Sinnlos! Die Virage Sud ließ zum Intro erst blauen Rauch aufsteigen und zündete danach an die 50 Fackeln. Mit der Folge, dass der Innenraum erst einmal völlig vernebelte, da der Rauch schlecht abzog. Die Gäste blieben zwar optisch blass, wussten sich aber auch immer wieder deutlich Gehör zu verschaffen. Der unspektakulärste Teil der Veranstaltung war das Spiel selbst, welches zum einen nicht überragend war und auch noch durch fehlende Tore weiter an Attraktivität einbüßte. Von der Option am Abend noch ein Spiel in der fünftklassigen ‚National 3‘ zu schauen, nahm ich schon frühzeitig zugunsten eines entspannten Restaurant-Besuches Abstand.