Essen – Di., 19.12.2023, 19:00

Rot-Weiss Essen vs Hallescher FC 3:2

Stadion an der Hafenstraße, 14.887 Zuschauer, 3.Liga
Was stimmt mit dieser Mannschaft nicht??? Ich bin vor der Saison fest davon ausgegangen, dass es ein erneuter, erbitterter Kampf gegen den Abstieg wird und nun geht der RWE – sogar bei einem Spiel weniger – punktgleich mit dem Tabellendritten in die kurze Winterpause! Das letzte Spiel des Jahres hatte es noch mal in sich. Bei extrem schwierigen Platzverhältnissen, der Boden glich eher einer Schmierseife, ähnelte der Kick dem letzten Heimspiel gegen Lübeck. Die Roten bestimmten von Beginn an die Partie, wirkten aber in vielen Spielsituationen zu unpräzise, manchmal auch ideenlos. Dennoch eröffnete sich nach wenigen Minuten die Riesen-Chance zur frühen Führung, es war beinahe eine Kopie des Treffers vom Freitag, aber ohne finalen Glücksmoment. Im im Gegensatz zum Gegner in ebenjenem Freitagsspiel, versuchte der heutige Kontrahent auch mal ein paar Akzente in der Offensive zu setzen. Dabei passierte aber nicht viel, bis sich Mitte der ersten Spielhälfte ein Hallenser Akteur ein Herz fasste und aus deutlich über 20 Metern abzog. Auch wenn der Schuss platziert aufs untere rechte Eck kam, sah die Aufgabe für Schnapper Golz Entfernung zunächst machbar aus. Das Leder setzte aber kurz vor dem Tor auf dem seifigen Untergrund auf, geriet dadurch unhaltbar und es stand überraschend 0:1. Ein zweiter Gäste-Treffer noch vor der Halbzeit fand aufgrund einer Abseitsstellung keine Anerkennung. Es war nicht spielentscheidend, aber der Auftritt des Referee ließ die rot-weissen Gemüter hochkochen. Dreimal hielt der Mann RWE-Akteuren den gelben Karton unter die Nase, zum Teil harte aber vertretbare Entscheidungen. Nur hätten dann unfaire Aktionen der Hallenser ebenfalls adäquat bewertet werden müssen, aber eben diese Konsequenz ließ der Unparteiische vermissen. Das ganze garniert mit einem Schuss Arroganz im Auftreten ließ den Atomhals auf der Tribüne anschwellen.
Unmittelbar nach Wiederanpfiff wurde der RWE dann kalt erwischt, denn der erste Gäste-Konter saß direkt und die Gäste-Fans ließen schon frohen Mutes den „Auswärtssieg!“ durch das Stadion schallen. Zu früh, wie sich noch zeigen sollte, aber das wollte zu diesem Zeitpunkt sicher noch niemand glauben, denn eigentlich waren die Rot-Weissen in diesem Moment klinisch tot. Eine fette Dreifach-Chance ließ der HFC dann aber dank Heldentaten von Golz und der vielbeinigen Abwehr liegen und als der Gäste-Sturmführer Baumann nur 60 Sekunden später frei zum Kopfball kam, diese Möglichkeit aber ebenfalls ungenutzt ließ, schien der Wecker endgültig geschellt zu haben. Glücklich erzielte Cedi Harenbrock durch einen Pressschlag den Anschluss und danach kannte das Spiel nur noch eine Richtung. Den abstiegsbedrohten Gästen ging nun der Arsch auf Eis, so ist das wenn man in der Tabelle unten drin steht. Zum Unglücksraben sollte dann HFC-Verteidiger Lofolomo avancieren, der eigentlich 80 Minuten lang eine blitzsaubere Partie spielte und durch eine artistische Rettungstat auf der Linie zunächst den Ausgleich durch Doumbouya verhinderte. Eben dieser Lofolomo bugsierte die Kirsche dann aber nach scharfer Hereingabe von außen unhaltbar ins eigene Netz und stellte auf Remis. Damit hätte ich nun leben können, aber die Roten selber offensichtlich nicht, denn die wollten unmissverständlich den Sieg, das war zu spüren. Dass dieser dann durch einen späten Abstauber von Joker Vonic noch gelang, ist eigentlich unglaublich, denn das war schon der vierte Last Minute-Sieg der Saison.
Der Gäste-Block war zu Spielbeginn nur spärlich gefüllt und es war offensichtlich, dass die ‚Saalefront‘-Ultras noch fehlten, weshalb es dort völlig still blieb. So konnte ich endlich mal objektiv bewerten, was so aus der Westkurve kam. Eigentlich gar nicht so schlecht, aber nach wie vor dürfte die Bauweise des Stadions seinen Teil dazu beitragen, dass es nicht so laut wird, wie es möglich wäre. Außerdem hat die Kurve grundsätzlich noch Luft nach oben und auch die Sitzplatztribünen müsste es einfach mal öfter aus den Stühlen heben, von dieser Kritik nehme ich mich selbst ausdrücklich nicht aus. Hexenkessel also grundsätzlich möglich, aber aktuell unwahrscheinlich. Nach einer halben Stunde traf dann auch die Ultra-Fraktion der Gäste ein, bis diese sich sortiert hatte, ging es beinahe in die Halbzeit. Nach dem Seitenwechsel tauchte dann in der Westkurve ein Teil der Choreo auf, welche der HFC-Anhang beim Spiel der letzten Saison in Essen präsentiert hatte. Die Gäste beantworteten die Provokation unmittelbar mit einer Tapete mit der Botschaft „Müllsammler“. Die Hallenser Szene hatte das Banner nach dem Auswärtsspiel in Essen einfach im Block zurückgelassen, weshalb es dann auf einfachem Wege in die Hände der Essener Szene geriet. Einen Choreo-Teil in der eigenen Kurve zu präsentieren, den man einfach nur vom Boden aufgelesen hat wirkt aber wenig ehrenhaft. Auf der anderen Seite scheint es aber auch nicht allzu schlau, Szene-Material in einem fremden Stadion zurückzulassen, ohne es unbrauchbar zu machen, so dass sich beide Seiten hier nicht mit Ruhm bekleckerten. Interessanter finde ich da schon, dass die Gäste offensichtlich Bescheid wussten, dass das Stück von der RWE-Szene präsentiert wird oder aber in der Lage waren, umgehend zu reagieren. Hat nach Spielschluss aber alles keinen mehr interessiert. Während die einen ihren Frust verarbeiteten, war den anderen einfach nur zum Feiern zumute. Geile Phase aktuell, sauge ich in vollen Zügen auf.

Toulouse – So., 17.12.2023, 15:00

Toulouse FC vs Stade Rennais FC

Stadium de Toulouse, 23.311 Zuschauer, Ligue 1
Die französische Staatsbahn brachte mich in knapp zwei Stunden nach Toulouse ins Departement Haute-Garonne. Zu sehen gab es aus dem Zug nicht viel, denn auch heute Morgen wurde Südfrankreich von dichtem Nebel bedeckt, aber wie am Vortag klarte es gegen Mittag in kurzer Zeit auf. Da der Verzehr einer köstlichen Tajine in einem algerischen Restaurant mehr Zeit einforderte als gedacht, fiel der Rundgang durch die Stadt etwas gestrafft aus. Das ‚Stade de Toulouse‘ kann aus der City fußläufig erreicht werden. Verfehlen kann man das Stadion auch nicht, es geht immer die Garonne entlang. Das Stadion sollte für die Weltmeisterschaft 1938 fertiggestellt werden, jedoch verzögerte sich der Bau, sodass in einem anderen, nicht mehr vorhandenen Stadion der Stadt gespielt wurde. Im Zuge mehrerer Renovierungen wurde die Spielstätte zu einem reinen Fußballstadion ohne seine ursprüngliche ovale Form einzubüßen. Die mit dem Bau installierte Radrennbahn wurde irgendwann zugunsten zusätzlicher Ränge zurückgebaut. Bis auf die Hauptseite besteht das Rund aus nur einem Rang, der recht flach angelegt ist. Obwohl das Stadion rundherum geschlossen ist, erweist es sich aufgrund der weitläufigen Bauweise nicht gerade als Hexenkessel, so sehr sich die Invaders in der Virage Est auch bemühten. Auch beim TFC gibt es der gegenüberliegenden Kurve ein paar unbeachtete Abtrünnige, die ihren Bemühungen offenbar noch nicht allzu lange nachgehen und nicht der Rede wert sind
Gegenwehr bekamen sie aber keine, da der neben ihnen liegende Gäste-Sektor komplett leer blieb. Wenige Tage vor dem Spiel hatte die Präfektur des Departements verfügt, dass Bürger aus der Region Rennes für den Spieltag Toulouse-Verbot bekommen, da es bei diesem Spiel in der Vergangenheit zu Zwischenfällen gekommen sein soll. Dass diese äußerst schwerwiegend waren, mag man nicht glauben, denn eine besondere Rivalität besteht ja nicht. Auf der anderen Seite drehen die französischen Behörden ja auch immer mehr am Rad, so dass in der jüngeren Vergangenheit immer absurdere und willkürlich scheinende Betretungsverbote ausgesprochen wurden. Das stümperhafte Gekicke auf dem Rasen war noch einmal eine Stufe übler als am Vortag. Man konnte meinen, die Aktiven wähnten sich noch im Vormittags-Nebel, so planlos sahen die Aktionen teilweise aus. Dieses Mal gab es auch deutlich weniger Torraumszenen zu sehen, weshalb ich beinahe dankbar war, als der Schlusspfiff ertönte. Da bis zum Rückflug noch reichlich Zeit war, lief ich die knapp neun Kilometer bis zum Airport zu Fuß. Dabei kreuzte ich auch ein Viertel, dass man in der Dunkelheit vielleicht besser gemieden hätte, aber es befand sich kaum jemand auf der Straße, so dass ich unsichtbar hindurchhuschen konnte. Der Ire brachte mich beinahe pünktlich zurück in den belgischen Südwesten und auf schwach frequentierter Route kam ich zügig voran, so dass ich kurz nach 1:00 Uhr in der Nacht in mein Bettchen schlüpfen konnte.

Bordeaux – Sa., 16.12.2023, 15:00

FC Girondins de Bordeaux vs AS Saint-Étienne 0:0

Stade Atlantique, 37.658 Zuschauer, Ligue 2
Da der glorreiche RWE bereits am Freitag antreten durfte, war das Wochenende frei für eine kleine Tour. Beim Eintauchen in die Spielpläne blieb ich dann bei einer machbaren Kombination in Südfrankreich hängen, einer Region, die aus Westdeutschland allerdings nur umständlich anzufliegen ist. Die Lösung offenbarte sich dann mit dem Billig-Iren ab Charleroi, oder wie es die Airline optimistisch benennt: Brüssel-Süd, in Belgien. Nicht mein bevorzugter Flughafen – über 250 Kilometer entfernt von der Heimat und die Parksituation hat einen extrem schlechten Ruf hinsichtlich mutwilliger Beschädigungen am Fahrzeug. Aber man ist ja auch schon vom Hahn, von Bremen, Frankfurt, Amsterdam geflogen, Airports, die alle ähnlich weit entfernt von der schönsten Stadt der Welt liegen. Der Gesamtpreis von 37 Euro für den Flug nach Bordeaux und zurück ab Toulouse erleichterte die Entscheidung, auch wenn ich offen gesagt bis drei Tage vor Abflug im Zweifel war, ob ich die Reise denn angehen will. Abflug um Viertel vor acht in der früh erforderte um drei Uhr in der Nacht aus dem Bett zu fallen. Unschön. Um dem Vehiculum größtmögliche Sicherheit zu verschaffen, nutzte ich das Angebot eines gewerblichen Anbieters mit überwachtem Gelände, was dazu führte, dass ich beinahe genau so teuer parkte wie ich flog. Der Vorteil einer Fahrt durch die Nacht ist natürlich die Verkehrslage und so rollte ich mit Tempomat-Einstellung bei 120 km/h ohne Stress in gut nicht einmal zweieinhalb Stunden durch die Nacht. Der Rainer hob beinahe pünktlich ab und kam nach zwei ausgiebigen Schleifen über dem Ziel aufgrund dichten Nebels etwas verspätet an. Nach erstaunlich schnellem Aufklaren um die Mittagszeit bestätigte der Rundgang durch Bordeaux die Erwartung, dass die Stadt durchaus ihren Reiz hat.
Das ‚Stade Atlantique‘ hat zur EM2016 das alte relativ zentral in der Stadt liegende ‚Stade Chaban-Delmas‘ abgelöst. Von innen eher unspektakulär, besticht es mit der Vielzahl der in die Fassade integrierten weißen Säulen. Auch der innere Umlauf mit dem Catering-Bereich hebt sich vom Einheitsbrei ab. Dem gehobenen Niveau der Spielstätte kann der Verein aktuell nicht ganz gerecht werden. Eigentlich ist Girondins eher gefühlter Meisterschafts-Kandidat denn Zweitligist, steht aber nach dem Abstieg aus der Ligue 1 im vergangenen Jahr und dem in einem Skandal-Spiel knapp verpassten Wiederaufstieg aktuell gar auf einem Abstiegsplatz in der zweiten Liga. Nicht viel besser geht es den Gästen der Association Sportive de Saint-Étienne Loire, wie der Verein in Gänze heißt. Die ASSE, ebenfalls im vergangenen Jahr aus der obersten Spielklasse abgestiegen war bis zum Sommer diesen Jahres noch französischer Rekordmeister, bis der unsympathische Scheiß… ähm… Scheich-Verein aus der Hauptstadt in diesem Ranking vorbeizog. Die ASSE war zwar ordentlich in die aktuelle Spielzeit gestartet, aber nach einer Niederlagen-Serie inzwischen auch im Niemandsland der Tabelle versunken. Daher hatte ich auch keine allzu großen Erwartungen an dieses Spiel. Dann zeichnete sich aber doch ab, dass es sich lohnen könnte, denn wenige Tage vor dem Spiel waren schon über 30.000 Tickets verkauft. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass Girondins zuletzt vor nicht mal mehr 20.000 Zuschauer spielte und der Oberrang des Stadions gar nicht mehr geöffnet wurde. Aber ASSE zieht halt auch mehr als jeder andere Gegner in der zweiten Liga.
Der Gästeblock war sogar komplett ausverkauft, angesichts Entfernung von über 500 Kilometern und der sportlichen Ausgangslage auch nicht selbstverständlich, zumal die Zahl der Auswärtsfahrer in Frankreich oft nicht allzu hoch ist. Die ASSE-Leute um die Magic Fans und Green Angels gehören aber auch zu den Top-Adressen im Nachbarland, davon gibt es dort nicht allzu viele. Nicht bekannt war mir, dass die Magic Fans eine Freundschaft zu den Ultramarines Bordeaux pflegen, aber dahingehend ließ ein Schwenker im Heimblock keinen Zweifel offen. Weitere Freundschaften bestehen zum Commando Cannstatt, der Torcida von Hajduk Split und den Ultras des Eishockeyclubs HC Lausanne. Die Ultramarines haben weitere Freunde in der Schickeria, Athletic Bilbao und den Boys Parma gefunden. Zum Todestag eines bekannten Mitglieds der Parmesi wurde in der Virage Sud im Laufe des Spiels ein Banner gezeigt. Die Kurve um die Ultramarines hat mir gut gefallen und machte ganz gut Theater. Aber was wäre eine Szene in Frankreich, wenn es nicht irgendeine Splittergruppe gäbe, die in einem anderen Bereich des Stadions ihr eigenes Ding macht. Im Falle von Girondins ist es das North Gate in einem der gegenüberliegenden Eckblöcke im Oberrang und die etwa 90-100 Leute habe in keiner Sekunde hören können. Sinnlos! Die Virage Sud ließ zum Intro erst blauen Rauch aufsteigen und zündete danach an die 50 Fackeln. Mit der Folge, dass der Innenraum erst einmal völlig vernebelte, da der Rauch schlecht abzog. Die Gäste blieben zwar optisch blass, wussten sich aber auch immer wieder deutlich Gehör zu verschaffen. Der unspektakulärste Teil der Veranstaltung war das Spiel selbst, welches zum einen nicht überragend war und auch noch durch fehlende Tore weiter an Attraktivität einbüßte. Von der Option am Abend noch ein Spiel in der fünftklassigen ‚National 3‘ zu schauen, nahm ich schon frühzeitig zugunsten eines entspannten Restaurant-Besuches Abstand.

Essen – Fr., 15.12.2023, 19:00

Rot-Weiss Essen vs VfB Lübeck 1:0

Stadion an der Hafenstraße, 15.097 Zuschauer, 3.Liga
Der VfB Lübeck löst bei vielen Rot-Weissen noch immer ein ungutes Gefühl aus. Das letzte Spiel gegen den VfB fand am 31.05.2008 in der damals drittklassigen, zweigeteilten Regionalliga statt und bedeutete den Beginn einer langen Leidenszeit. Der RWE hatte sich am Spieltag zuvor mit einem Auswärtssieg in Magdeburg einigermaßen überraschend eine hervorragende Ausgangslage für das letzte Saisonspiel an der heimischen Hafenstraße verschafft. Es ging um nichts weniger als die Qualifikation für die neu geschaffene 3.Liga. Nachdem diese aber nach 31 Spieltagen bei zehn Punkten Rückstand auf den nötigen zehnten Tabellenplatz eigentlich schon verpasst war, kämpfte sich der glorreiche RWE zurück und die Startberechtigung für Liga 3 schien nach einer Siegesserie vor dem letzten Spieltag doch noch zum Greifen nah. Es musste halt ‚nur‘ gegen den bereits chancenlosen VfB Lübeck gewonnen werden. Der VfB hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen Insolvenzantrag gestellt und um Kosten zu sparen, reisten die Spieler mit Kleinbussen an. Es roch also alles nach Formsache. Ich weilte an diesem Wochenende auf einer Geschäftsreise in Schottland, Mobilfunk und Datenvolumen waren damals ja noch teuer, Smartphones noch wenig verbreitet. Um mir die trockene Bestätigung zum Pflichtsieg abzuholen, reichte es mir daher, nach Spielschluss einen Kumpel anzurufen, der dann einige Minuten brauchte, um mich zu überzeugen und dass er mich nicht verarschen will und das Spiel tatsächlich verloren wurde. Die Umstände unter denen die Niederlage zustande kam, sind bis heute etwas nebulös, denn Augenzeugen zufolge spielten viele Akteure gehemmt und es war schon sehr verdächtig, dass in den nächsten Tagen, eben jene Spieler neue, zum Teil äußerst attraktive Arbeitgeber vermeldeten. Für Rot-Weiss ging es dann zwei Jahre später selbst in die Insolvenz und dadurch gar in die fünftklassige NRW-Liga, aus der man zwar mit einer Mannschaft der Namenlosen wie Phoenix aus der Asche in die Regionalliga zurückkehrte, aber es sollte ja bis 2022 dauern, bis man diese auch endlich hinter sich lassen konnte.
Die etwa 300 mitgereisten Fans aus der Marzipanstadt konnten sich auch noch gut an diesen denkwürdigen Tag erinnern und provozierten mit einem passenden Gesang. Naja, mussten sie wohl nutzen, die Gelegenheit, denn in der kommenden Spielzeit geht es ja wohl wieder gegen Norderstedt und Lohne. Die rot-weisse Ultra-Szene gedachte ihrem verstorbenen Mitglied noch einmal mit einer großen Choreografie, nachdem aufgrund der Kürze der Zeit beim letzten Heimspiel nur ein kleiner Rahmen möglich gewesen war. Auf einer großen Blockfahne, das von rechts und links von schwarzen Pappen flankiert wurde, war das Konterfei des verstorbenen abgebildet. Nachdem die Kurve wieder frei war, erstrahlte diese im roten Licht von 70 bis 80 Bengalen. Tolles Bild, sauber abgebrannte Fackeln, niemand zu Schaden gekommen, soweit ich das zu beurteilen mag, abgesehen von den sicherlich nicht gesundheitsfördernden Emissionen der brennenden Stäbe. Aber was wir im alltäglichen Straßenverkehr einatmen und was sonst so in der Luft liegt, wirkt sicher auch nicht lebensverlängernd. Wird den Verein leider ne Stange Geld kosten, denn der Verband dreht ja aktuell total an der Kurbel. Bin gespannt, ob die Clubs nicht doch irgendwann den Rücken durchdrücken und den Ausgleich der unverhältnismäßigen Forderungen verweigern. Es ist offensichtlich, dass sich Pyro-Aktionen auch durch penibelste Kontrollen nicht unterbinden lassen, daher muss eine vernünftige Lösung für dieses Ultra-Kulturelement her.
Erwartungsgemäß rissen die Roten das Spielgeschehen direkt an sich. Gefühlte 90% Ballbesitzt reichten aber nicht, um gute Tormöglichkeiten herauszuspielen. Es wurde zwar geduldig hin und her gepasst und auf die richtige Gelegenheit gewartet, gefährlich in die Spitze zu kommen gelang aber überhaupt nicht, da die Gäste die Räume eng machten und Tempo und Präzision fehlten. So dauerte es bis in die Schlussminute der ersten Hälfte, bis sich die erste gute Torchance ergab und diese führte zum Treffer des Tages durch Isi Young, der bis dahin zwar wieder bemüht und engagiert, aber leider auch ziemlich wirkungslos agierte. Das Bild änderte sich auch im zweiten Durchgang nicht grundlegend. Die Gäste versuchten jetzt mal etwas mehr am Spiel teilzunehmen, bis auf einen hart geschossenen Freistoß, den Golz unter Zuhilfenahme der Querlatte über dieselbe lenkte, passierte aber nichts. Auf der Gegenseite verpasste der RWE bei zwei dünneren Gelegenheiten die Vorentscheidung. In der Schlussphase kam der VfB dann getrieben vom Mute der Verzweiflung noch mal in Wallung. Solche Spiele entwickeln in den letzten Minuten ja immer eine eigenwillige Dynamik, da kommt die Psychologie mit ins Spiel. Und so kamen die Lübecker noch zu zwei guten Einschusschancen. Beim ersten Versuch rauschte der Ball am langen Posten vorbei und beim zweiten Torversuch war Golz mal wieder mit einem Monster-Reflex zur Stelle. Auf der Gegenseite blieb eine gute Freistoß-Chance ungenutzt und so ging dieses Spiel mit dem kleinstmöglichen für einen Sieg notwendigen Resultat zu Ende. 30 Punkte nach Abschluss der Hinrunde – bei einem ausstehenden Nachholspiel gegen die Löwen – sind ein fantastischer Wert und wie eng diese Liga ist, zeigt sich darin, dass sieben der letzten acht Spiele mit nur einem Tor Unterschied für oder gegen den RWE ausgingen.

Köln – Mi., 13.12.2023, 19:00

FC Pesch vs FC Viktoria Köln 1:3

Helmut-Kusserow-Sportanlage, 500 Zuschauer, Mittelrheinpokal Achtelfinale
Landesligist FC Pesch aus dem Kölner Norden bat im Verbandspokal zum Stadt-Duell gegen den Drittligisten FC Junkersdorf… ähm… Viktoria Köln, gleichzeitig auch linke gegen rechte Rhein-Seite. Der als Nachfolger des seinerzeit insolventen SCB Viktoria Köln neugegründete FC Viktoria sollte in der Kreisliga D starten, schluckte dann aber die soeben in die damals fünftklassige NRW-Liga aufgestiegene Fußballabteilung des FC Junkersdorf und war damit in dieser Spielklasse startberechtigt. Knapp 500 Zuschauer fanden sich zum unverschämten Eintrittspreis von 12 Euro auf der ziemlich sterilen und schmucklosen Anlage ein. Lediglich ein etwas älter wirkender Unterstand bildet ein Merkmal der Allerwelts-Anlage. Die klar favorisieren Gäste gingen früh in Führung und bestimmten die Partie im ersten Durchgang nach Belieben. Der FC Pesch zeigte zu viel Respekt, um ein gefährlicher Gegner zu sein, dennoch führte die Mannschaft von der Schäl Sick zur Halbzeit nur mit einem Treffer. Kurz nach Wiederanpfiff viel der zweite Treffer für die Viktoria und absurderweise drehten die Gastgeber nun auf und schmissen alles rein. Ein Handelfmeter hätte nach einer Stunde den Anschluss bringen können, aber der Schütze scheiterte nicht nur mit dem Elfer sondern auch mit dem Nachschuss. Ein zweiter, nun verwandelter Strafstoß machte den Kick dann eine Viertelstunde vor Schluss doch noch mal spannend, aber der dritte Penalty des Spiels, dieses Mal für die Gäste, brachte kurz vor dem Abpfiff die Entscheidung und erstickte die Hoffnungen des Außenseiters.

Beerse – So., 03.12.2023, 14:30

KFC Lentezon Beerse vs KFC Broechem 0:3

Gemeentelijk Sportkomplex, 100 Zuschauer, 2e Provinciale Antwerp A
Zweite Liga auf Provinzebene bedeutet in Belgien gerade einmal siebtklassiges Niveau landesweit. Sportlich also eine überschaubar reizvolle Sache, aber da im Land der fritierten Gemeinheiten eben auch in unteren Klassen viele Ground-Perlen schlummern, kann man ab und an durchaus über den Qualitäts-Schatten springen. Nervig war mal wieder die Anfahrt, denn diese führt ab Ruhrpott über die A40 und durch die Niederlande über die A67, eine Strecke, die in etwa so abwechslungsreich, spannend und emotional berührend ist, wie die jährliche Steuererklärung. In der Provinz Antwerpen, nahe Turnhout, liegt diese schöne Anlage mit der etwas angejahrten, durchaus beachtlichen Tribüne. Dieser gegenüber befindet sich ein nagelneuer Sozialbau mit der für den belgischen Amateur-Fußball obligatorischen Kantine. Bei äußerst widrigen, winterlichen Bedingungen trotzten die Teams eben jenen. Tiefer Boden und starker Wind mit zeitweilig waagerechtem Schneetreiben machten ein strukturiertes Spiel allerdings unmöglich. Die Gäste wurden als Tabellenvierter ihrer favorisierten Rolle beim Siebten des Tableaus gerecht und gewannen verdient, wenn auch etwas zu hoch. Sehenswert war der zweite Treffer, als der Schütze Auge bewies und das Streitobjekt aus 40 Metern über den zu weit vor seiner Kiste platzierten Schlussmann der Gastgeber hinweg bretzelte. Abgerundet wurde der Tag mit einem gemischten Hackfleischteller in einer lokalen Fettschmiede.

Essen – Sa., 02.12.2023, 14:00

Rot-Weiss Essen vs SV Sandhausen 1:2

Stadion an der Hafenstraße, 15.307 Zuschauer, 3.Liga
Dass dieser Spieltag kein gutes Ende nehmen würde, bahnte sich irgendwie schon damit an, dass ich die Digi-Kamera zu Hause vergessen hatte und daher nur minderqualitative Fotos mit dem Smartphone möglich waren. Schlechtes Omen. Noch nie gab es ein Spiel zwischen dem glorreichen RWE und dem vermeintlich kleinen Verein aus dem Rhein-Neckar-Kreis, der nach elf Jahren Zweitliga-Zugehörigkeit im vergangenen Sommer den Abstieg in Liga 3 hinnehmen musste. ‚Vermeintlich klein‘ deshalb, weil der SVS finanziell nicht allzu schlecht aufgestellt ist und mit namhaften Verpflichtungen seine Ambitionen auf den Wiederaufstieg unterstrich. Dem eigenen Anspruch hinkt der Club allerdings aktuell noch hinterher und tummelt sich im breiten Tabellenmittelfeld. Ob bei einer erfolgreicheren Performance mehr als die etwa 50 Anhänger mitgereist wären, bleibt Spekulation. Der Sportverein aus dem Kurpfälzischen weiß halt nur eine überschaubare, regional gebundene Fangemeinde hinter sich. Die Westkurve ließ bis zum Anstoß die Fahnen unten und hüllte sich in Schweigen, um einem kürzlich unerwartet verstorbenen Mitglied der Ultra-Szene zu gedenken. Erst mit Spielbeginn wurde der Support aufgenommen. Die Roten nahmen sich in der Anfangsphase wieder ein paar vogelwilde Defensiv-Minuten wie zuletzt auch schon in Ingolstadt. Der Gast wusste daraus aber kein Kapital zu schlagen, der RWE gewann schnell die Kontrolle über die Partie und erspielte sich drei, vier richtig gute Möglichkeiten, aber es haperte mal wieder am Abschluss und der Gäste-Keeper hatte auch einen verdammt guten Tag erwischt. Die offensive Durchschlagskraft bleibt die große Baustelle dieser Essener Mannschaft.
Die schwarz-weißen Gäste traten im Sturm bis zu Schlussphase der ersten Hälfte kaum in Erscheinung. Dann wurde allerdings ein Angriff zu spät und nicht konsequent verteidigt und der für den verletzten Top-Stürmer Hennings ins Team gerückte gebürtige Essener El-Zein überwand Golz mit einem präzisen Schuss vom Sechzehner. Nach dem Seitenwechsel übernahmen die Roten direkt wieder die Spielkontrolle, wurden aber zunächst nicht zwingend. Der SVS spielte clever, wartete geduldig auf seine Möglichkeiten und veredelte Mitte der zweiten Hälfte einen perfekt gespielten Konter zum zweiten Treffer. Erneut war El-Zein der Torschütze. Nun hingen die Trauben verdammt hoch, aber mit dem Anschlusstreffer des eingewechselten Berlinski eine Viertelstunde vor Ende keimte neue Hoffnung auf. Irgendwie war dann aber absehbar, dass es nicht mehr reichen würde und so war es auch, da die Gastgeber einfach nicht mehr in die Situationen kamen, die Gäste-Defensive ernsthaft in Bedrängnis zu bringen. Unter dem Strich steht eine unnötige wie vermeidbare Heim-Pleite. Unruhe ist aber nach zwei Niederlagen in Folge aber nicht angebracht. Spielerisch zeigt sich die Mannschaft deutlich verbessert zur Vorsaison, so dass auch eine Phase der Erfolglosigkeit – selbst, wenn diese noch länger andauert – keinen Beinbruch bedeuten sollte.

Ingolstadt – Sa., 25.11.2023, 14:00

FC Ingolstadt 04 vs Rot-Weiss Essen 2:1

Sportpark Ingolstadt, 10.610 Zuschauer, 3.Liga
Eigentlich wäre mir dieses Auswärtsspiel verwehrt geblieben, da ein Wochenende ganz ohne Fußballbezug geplant war. Wäre auch nicht weiter schlimm gewesen, da der Kick in der Audi-Stadt weit unten auf der Attraktivitäts-Skala zu finden ist. Aber manchmal kommt es halt anders und spätestens als ich mich um Viertel vor sechs aus dem Bett quälte, hasste ich mich schon wieder dafür, die kurzfristige Option zur Teilnahme an diesem Ausritt gezogen zu haben. Mit fünf weiteren Gefährten ging die Fahrt gen Süden und zumindest der gesellschaftliche Aspekt kam nicht zu kurz. Bei gepflegtem Stauder-Konsum und Dummlaberei verging die Fahrt doch recht zügig. Nach guten fünf Stunden trafen wir am gesichtslosen Einheitsbau, dessen Haupttribüne von außen stark an Autohaus des Konzerns mit den vier Ringen erinnert, ein. Über 10.000 Besucher will der FC Ingolstadt am heutigen Tage im Audi-Kühlschrank begrüßt haben. Der Blick über die Ränge offenbarte aber auch Schätzungs-Legasthenikern, dass diese Zahl reinem Wunschdenken entsprang. Oder der Freikarten-Aktion des lokalen Automobilherstellers, der verzweifelt versuchte, der Spielstätte des gesponsorten Fußballklubs etwas mehr Leben einzuhauchen, indem er Freikarten an seine Mitarbeiter raushaute. Was jedenfalls nicht recht gelang, da es dem gemeinen Audi-Fahrer im Stadion ohne die gewohnte Sitzheizung offenbar zu kalt war. Der Verein scheute sich aber offensichtlich nicht, die verteilten Karten in die offizielle Zuschauerzahl einfließen zu lassen. Eher peinlich, wie ich finde.
Die Stimmung im Gäste-Sektor war allerdings zunächst auch nicht besser, da mehr als 300 zugreisende Anhänger – darunter die Ultra-Gruppen – aufgrund von Unregelmäßigkeiten beim Beförderungsmittel ihrer Wahl erst zur Halbzeit eintrafen. Die Bahn als Verkehrsträger zu wählen, wenn man einen fixen Termin erreichen will, ist halt aktuell und wohl auch mittelfristig nicht die beste Wahl. Dass der Anstoß großzügig um fünf Minuten verschoben wurde, war dann auch eher ein Treppenwitz. Nach einigen Spielminuten hatten sich Unorganisierten organisiert und supporten das Team so gut es ging. Nach meinem Eindruck war das auch gar nicht so schlecht wie man hätte befürchten sollen. Mit dem Eintreffen der Ultras wurde die Stimmung übrigens besser. Behaupteten zumindest viele Leute. Ich bin dahingehend zwiegespalten, denn vor allem änderte sich der Support von ‚spielbezogen‘ auf ‚dauerhaft‘. Ob das nun besser oder schlechter ist, mag jeder für sich entscheiden. Spielbezogener Transport erfährt sicherlich mehr Unterbrechungen, ist aber halt phasenweise lauter, da der Mob eben auf das reagiert, was auf dem Grün passiert. Ultra-Style bedeutet natürlich die Konstanz, die der Oldschool-Support vermissen lässt, aber beim dauerhaften, egozentrischen Durchträllern fehlen halt ab und an die situativen Emotionen. Die perfekte Mischung wäre wohl, die Vorteile beider Stile optimal zu vereinen, die Bemühung will ich der Szene auch nicht absprechen, jedoch gelingt es eben oft genug nicht.
Ob sich die von fünf Siegen in Folge verwöhnte Mannschaft im ersten Durchgang vom Fehlen der Ultras irritieren ließ oder von den mutig beginnenden Ingolstädtern, ist nicht überliefert. Die Roten wurden im Schneetreiben jedenfalls kalt erwischt und begünstigt durch zwei haarsträubende Fehler in der Defensive, einmal im Spielaufbau, einmal bei dem Versuch sich spielerisch zu befreien, stand es nach zwanzig Minuten schon 2:0 für die Gastgeber. Cedi Harenbrock gelang zwar kurz darauf der Anschluss, aber das sollte es auf der Habenseite auch schon gewesen sein. Zwar bestimmte der RWE nach dem Seitenwechsel die Partie, ließ hinten nichts mehr zu, wurde aber vorne auch nicht sehr gefährlich. Da nützt der ganze Ballbesitz nichts, wenn man sich vor dem gegnerischen Kasten zu dünn präsentiert. Der Platzverweis gegen Götze eine Viertelstunde vor Ende, der für nur zwei Foulspiele auch jeweils direkt den gelben Karton bekam, half jetzt auch nicht dabei eine Schlussoffensive zu initiieren und so fuhr der FCI einen nicht zwingend verdienten aber zwangsläufigen Sieg ein.