Duisburg – Sa., 28.10.2023, 14:00

MSV Duisburg vs Rot-Weiss Essen 1:2

MSV-Arena, 25.845 Zuschauer, 3.Liga
Selten standen die Vorzeichen vor einem Derby gegen den MSV so gut. Der glorreiche RWE war nach den beiden kapitalen Klatschen gegen Haching und Verl in die Erfolgsspur zurückgekehrt, während sich die Meidericher in dieser Saison noch nie in jener befunden hatten. Mit nur einem kümmerlichen Saisonsieg standen die Gastgeber sang- und klanglos am Tabellenende und auch der vor wenigen Wochen vollzogene Trainerwechsel hat bis dato nullkommanull Wirkung gezeigt. Gut 6.000 Rot-Weisse hatten sich auf die kurze Reise nach Duisburg gemacht und zeigten in überwiegend schwarzem Outfit ein einheitliches Bild. Wie dick die Eier ruhraufwärts derzeit sind, zeigte sich auch darin, dass das fette, eigentlich ausschließlich die heimische Kurve an der Hafenstraße schmückende Banner ‚Westtribüne Rot-Weiss Essen‘ an die Wedau mitgebracht und am Geländer des Oberrangs aufgehängt wurde. Der Staatsapparat hatte ordentlich Personal und Equipment aufgefahren. Neben mehreren Hundertschaften und zwei Wasserwerfern war auch ein Hubschrauber im Einsatz. Grenzte schon an Paranoia, die Szenerie. Vorab sei gesagt, dass es außerhalb des Stadions weitestgehend ereignislos zuging. Zum Intro wurde nur von MSV-Seite optisch etwas geboten. Die Ultra-Fraktion um Kohorte, PGDU und Co breitete eine Choreo aus, welche eine Gestalt in etwas schwer zu erkennender Pose mit gesenktem Kopf oder ganz ohne Kopf zeigte, die ein blaues Herz in den Händen hielt. Unterlegt wurde das Bild von einem Spruchband mit den Worten „Mein Herz schlägt für Dich, Spielverein“. Die Aktion war der vierte und letzte Teil einer über mehrere Spiele gestreckten Choreo, die sich am Text eines beliebten Kurvenliedes der Duisburger Szene abarbeitete. Die RWE-Szene beantwortete die Show mit einer Tapete mit der Aufschrift „Euer Herz wird heut gebrochen sein, wir scheißen auf den Spielverein“. Schon interessant, dass doch immer wieder Informationen über geplante Aktionen in andere Szenen durchsickern, wo doch jede Ultra-Gruppierung so peinlich genau auf Selbstisolation und Geheimniskrämerei achtet.
Die Partie begann mit einem Paukenschlag, denn Isi Young tauchte nach gerade einmal zwei Zeigerumdrehungen frei vor dem MSV-Tor auf, vergab aber gewohnt kläglich. Der Deutsche Meister von 1955 hatte die Partie im ersten Durchgang komplett im Griff, die Gastgeber fanden gar nicht statt und waren dauerhaft mit dem Bemühen beschäftigt, ihr Spiel zu ordnen. Leider versäumte es der RWE die Überlegenheit und die guten Torchancen in Zählbares umzumünzen. So bedeutete die Halbzeitpause einen Bruch. Die Gestreiften waren plötzlich hellwach, wirbelten die rot-weisse Defensive in den ersten Minuten nach dem Seitenwechsel komplett durcheinander und erzwangen einige gute Einschussmöglichkeiten, die aber ebenfalls ungenutzt blieben. Die Roten beruhigten das Spiel dann erfolgreich und fanden in die Partie zurück, allerdings nicht mehr so griffig und zwingend wie in Hälfte eins. Marvin Obuz war das egal als er nach etwas mehr als einer Stunde vom rechten Flügel unwiderstehlich nach innen zog und vom Sechzehner einen wunderbaren Schlenzer absendete, der unhaltbar links oben einschlug. Das verunsicherte den MSV sichtbar und eine Spitzenmannschaft hätte diese Phase sicher für den K.O.-Treffer genutzt. Sind die Roten aber nun mal nicht, die Streifenträger schüttelten sich und riefen die Schlussoffensive aus, die eher ein Akt der Verzweiflung war.
Ohne rot-weisse Hilfe wäre auch nix mehr passiert, aber Sapina fälschte in der Schlussminute eine scharfe Hereingabe unglücklich ins eigene Tor ab. Dolchstoß kurz vor Spielschluss. Erinnerungen an das Heimspiel der letzten Saison wurden wach. In einer früheren Phase der Saison hätte der RWE nun auch noch den zweiten Treffer kassiert. Dieser war auch möglich, denn in der vogelwilden Nachspielzeit klärte Golz mit einem epischen Reflex gegen einen Duisburger Angreifer. Punkt gerettet, eine Niederlage wäre nach dem guten Auftritt auch bitter gewesen. Doch halt, es gab noch mal Ecke für den glorreichen RWE. Der von Wiegel geschlagene Ball geriet viel zu lang, wurde aber von Götze am Sechzehner-Eck empfangen und gefühlvoll an den Fünfmeterraum gechipt, wo Kourouma goldrichtig stand und die Kirsche aufs Tor köpfte. Der MSV-Schnapper kam nur mit den Fingerspitzen an das Leder heran und jenes schlug zum erneuten Führungstreffer im Netz ein. Ekstase! Ausrasten! Kurz danach wurde das muntere Treiben vom nicht immer souveränen Referee beendet und der erste Sieg an der Wedau seit 40 Jahren war im Sack. Siege in der Nachspielzeit sind doch am schönsten, erst recht, wenn man erst kurz vorher den Ausgleich schlucken musste. Ich bleibe aber vorsichtig optimistisch. Zu sehr wechselten die rot-weissen Gesichter in dieser Saison von Spiel zu Spiel. Während aber die Zebras unsicheren Zeiten entgegen stolpern, können die Rot-Weissen die kommenden Aufgaben erst einmal entspannter angehen. Die Hälfte der für den Klassenerhalt benötigten Punkt ist jetzt schon eingetütet.