
Rot-Weiss Essen vs SC Preußen Münster 1:0
Stadion an der Hafenstraße, 18.677 Zuschauer, 3.Liga

Vom Wasserturm ging es direkt an die Hafenstraße, wo ich heute in den Business-Bereich eingeladen war. Neben freiem Konsum vom Buffet und Stauder ohne Limit, ermöglichte mir dieses eine andere Perspektive auf das ganze Geschehen, da sich mein Dauerkarten-Sitz ja gegenüber der Haupttribüne befindet. Die Preußen aus der Stadt der Studenten und Fahrräder sind aktuell möglicherweise der unbeliebteste Gegner des glorreichen Deutschen Meisters von 1955. Den ‚Stellenwert‘ des FC Meineid oder unserer rot-blauen Freunde aus dem Tal der fliegenden Messer haben sie zwar noch nicht erreicht, aber bedingt durch vergangene Aufeinandertreffen, die ja nicht nur auf sportlicher Ebene brisant waren, sowie einige von den Preußen geschürte Störfeuer im Laufe der vorletzten Saison, als sich beide Vereine ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Aufstieg lieferten (natürlich mit dem besseren Ende für die Roten), hat sich schon eine angemessene gegenseitige Antipathie entwickelt. Vor beinahe ausverkauftem Haus sollte also ein neues Kapitel in dieser Liebesbeziehung aufgeschlagen werden, denn aus dem Münsterland war natürlich ein ordentlich motivierter Mob angereist. Während mein regulärer Platz räumlich näher zum Away-Sektor liegt als zur Westkurve, waren heute umgekehrte Voraussetzungen der Fall. So bekam ich auch mal einen ehrlichen Eindruck vom RWE-Support, denn im Normalfall nehme ich den Gästeanhang ja subjektiv besser wahr, als den rot-weissen Pöbel. Die Kulisse gab dem Spiel jedenfalls einen würdigen Rahmen, mir haben beide Kurven gut gefallen.
Eine großartige Anlaufphase brauchten beide Mannschaften nicht, es entwickelte sich direkt eine intensive, großenteils ausgeglichene Partie, in welcher der RWE aber zunächst die besseren Möglichkeiten herausspielte. Es krankt aber weiterhin an Torjäger-Qualitäten, es werden einfach zu viele Chancen benötigt, um die Murmel mal ins Netz zu befördern. Rot-Weiss-Schnapper Golz blieb in Hälfte eins eigentlich ziemlich beschäftigungslos, musste aber doch einmal sein ganzes Können aufbieten, um einen Rückstand zu verhindern. Torlos ging es in die Halbzeit. Da es mittlerweile ziemlich dunkel wurde, machte der Preußen-Anhang zum Wiederbeginn mal etwas Licht im Block. Es gab eine schöne Zündel-Show mit Bengalfackeln in grün, weiß und rot und etwas grünem Rauch zu sehen. Weniger schön war, dass Leuchtspur oder Raketen – vermutlich beabsichtigt – in benachbarte Blöcke der Gegentribüne geschossen wurden. Dass das lebensgefährlich ist, brauche ich ja nicht extra zu erwähnen, und bei aller Begeisterung für Pyro-Aktionen fehlt mir für sowas jegliches Verständnis. Mit Tifo hat das ja auch weniger als gar nix zu tun und der Referee unterbrach die Partie für eine kurze Zeit, bis sich die Lage beruhigt hatte. Aus diesem Grunde und auch, weil es im weiteren Verlauf des zweiten Durchgangs immer mal wieder vereinzelt loderte, werden die Adler wohl einen entsprechenden Deckel vom Verband bekommen.
Auch in der zweiten Halbzeit ging es hin und her. Die Gäste erspielten sich nun auch mehr Gefahrenmomente in der Box, aber Jakob Golz scheint momentan unbezwingbar. Natürlich hatte entgegen meiner Hoffnung wieder Isi Young den Vorzug vor Leo Vonic bekommen. Und natürlich blieb Isi auch heute wieder weit hinter seinen Möglichkeiten. Zu meiner Verwunderung schaffte es unser Trainer-Genie aber heute mal früher zu wechseln. Vonic eröffnete sich zwar heute keine wirklich gute Torchance, aber dennoch strahlte er erneut mehr Gefahr aus als der glücklose US-Amerikaner. Die Kölner Leihgabe Obus nagelte die Kirsche kurz vor dem Ende der regulären Spielzeit an den Außenpfosten, es sollte einfach nicht sein. Sechs Minuten Zugabe waren vorrangig der Pyro-Unterbrechung, aber auch einer Wiederaufforstungsmaßnahme des weiterhin üblen Untergrundes geschuldet. Vielleicht weltweit einzigartig, dass der Unparteiische für drei Minuten unterbrach, damit der Platzwart mit seiner Helferschar, das Spielfeld stürmen konnte, um die gröbsten Schäden vorübergehend zu beseitigen. Thomas Eisfeld war der mangelhafte Zustand des Spielfeldes aber egal, als er in der dritten Minute der Nachspielzeit im Strafraum ein feines Zuspiel von Harenbrock bekam, das Spielgerät mit Mach 2 schnörkellos unter den Querbalken jagte und die Hafenstraße damit zur Explosion brachte. Dieser Treffer war nicht nur wertvoll, weil er endlich den ersten Saisonsieg brachte, sondern vor allem psychologisch befreiend. Im besten Falle kann es der Brustlöser gewesen sein, in den kommenden Partien etwas befreiter aufzutreten.


















