Brandenburg an der Havel – Sa., 17.06.2023, 15:00

BSG Stahl Brandenburg vs FSV Babelsberg 74 1:1

Stadion am Quenz, 827 Zuschauer, Landesliga Nord
Die BSG Stahl Brandenburg ist nach wie vor ein ordentliches Brett in der DDR-Fußball-Ostalgie. Das Dasein des Clubs ist in den letzten Jahren allerdings etwas verblasst, denn wie so viele Ost-Clubs hat die BSG Stahl die Wende nicht gut überstanden. Als BSV Stahl – abgetrennt vom Stammverein – qualifizierte sich der Verein zumindest für die 2.Bundesliga, stieg aus dieser aber nach nur einer Saison ab. Da sich das ebenfalls im Niedergang befindliche Stahlwerk als früherer Träger und Sponsor zurückzog, ging es auch für den Fußballverein immer weiter bergab. Das führte bis in die Zahlungsunfähigkeit, was letztlich die Auflösung zur Folge hatte. Traditions-Clubs gehen aber selten vollkommen zugrunde und so wurde mit dem FC Stahl ein unmittelbarer Nachfolger aus der Taufe gehoben. Mittlerweile wurde der Name wieder in BSG Stahl geändert. Seine beste Phase erlebte der Club in der zweiten Hälfte der 80er Jahre, als die Qualifikation für den UEFA-Pokal gelang. In der zweiten Runde war aber schon Schluss gegen den IFK Göteborg, der ja in der betreffenden Saison den Pokal sensationell gegen Dundee United gewann – eine Finalpaarung, die heutzutage kaum noch möglich ist. Sämtliche Höhen und Tiefen überdauert hat das wundervolle ‚Stadion am Quenz‘ in unmittelbarer Nähe des alten Stahlwerk-Geländes. Leider wurde das schöne, alte Oval vor einigen Jahren seiner Flutlichtmasten beraubt, aber auch so versprüht es noch den Charme des alten DDR-Fußballs. Leider sind diese Spielstäten ja massiv vom Aussterben bedroht, umso schöner, dass es noch vereinzelte Perlen gibt. Im das Stadion umgebenden Viertel findet sich übrigens eine sehr schöne Graffiti-Landschaft.
Seit seiner Neugründung befindet sich die BSG Stahl in ständigem Auf und Ab zwischen sechstklassiger Verbands- und siebtklassiger Landesliga, in welcher sich der Verein seit einigen Jahren festhängt. In der aktuellen Saison lief es aber bisher sehr gut und zwei Spieltage vor Saisonende bekleidete der Verein den Platz an der Sonne. Mit einem Heimsieg im letzten Heimspiel der Saison sollte das Fundament für den Aufstieg gefestigt werden und die ordentliche Kulisse von über 800 Zuschauern fand sich mit hohen Erwartungen ein. Eine starke Zahl für einen Landesligisten. Negativ aufgefallen sind mir allerdings überproportional viele Gestalten, die ihren Rechtsextremismus auf T-Shirts oder direkt auf der Haut offen zur Schau trugen. Da tritt das oft bemühte ‚rechte‘ Problem des Bundeslandes Brandenburg wohl offen zu Tage. Ich gestehe ja jedem Bürger seine politische Meinung zu. Extremismus – egal ob nach rechts oder links – ist aber verwerflich und hat für mich auch nichts mit politischem Interesse oder Engagement zu tun. Dieses würde erfordern, sich kritisch, differenziert und konstruktiv mit Themen auseinanderzusetzen, anstelle nur plump agitatorisch und populistisch zu argumentieren, einfach nur gegen alles zu sein oder Angst und Missmut verbreiten zu wollen. Schade, dass der Verein, diesen Leuten eine Plattform bietet, indem er ihnen Zutritt gewährt.
Die BSG verfügt immer noch über eine aktive Szene, die für dieses Spiel eine Choreo vorbereitet hatte. Ein überdimensionaler Wimpel wurde unter das Tribünendach gezogen und dazu etwas Rauch in den Vereinsfarben in den Himmel entlassen. Die Mannschaft zeigte sich davon angetan und ging früh in Führung, was möglicherweise trügerische Sicherheit verlieh. Die Stahlkocher versäumten es dann das Ergebnis auszubauen, auch ein Elfmeter wurde verschossen. Dennoch war die BSG Stahl zur Halbzeit aufgestiegen, da es im parallelen Spiel des Verfolgers Fortuna Babelsberg noch torlos stand. Als die Gäste nach einer Stunde relativ unerwartet den Ausgleich erzielten, zog das dem bis dato recht kreativen Spiel der Gastgeber den Stecker. Die BSG versuchte nun die erneute Führung zu erzwingen, wurde dabei aber ungenau und packte das Brecheisen aus. Gute Einschussmöglichkeiten gab es dennoch, diese wurden aber teils dramatisch vergeben und es blieb beim Remis. Ernüchterung machte sich nach dem Schlusspfiff im Stadion breit, da bekannt wurde, dass der direkte Kontrahent sein Spiel durch zwei späte Treffer gewonnen hatte und dadurch die BSG von der Tabellenspitze verdrängte. Dennoch war das ein sehr ansprechender Fußballnachmittag.

Dessau-Roßlau – Fr., 16.06.2023, 18:30

SV Dessau 05 vs 1.FC Bitterfeld-Wolfen 0:0

Stadion am Schillerpark, 261 Zuschauer, Verbandsliga Sachsen-Anhalt
Während sich in Westdeutschland der Fußball schon weitestgehend in die Sommerpause verabschiedet hatte, wurde im Osten der Republik noch fröhlich um die letzten zu vergebenen Punkte gekickt. Also machte ich für ein Wochenende noch mal rüber und stationierte mich in Dessau, wo auch am heutigen Freitag das erste Spiel der kleinen Reise angestoßen wurde. Das Stadion am Schillerpark ist für einen Verbandsligisten schon eine recht ansehnliche Spielstätte, die sich als reines Fußballstadion mit einer überdachten Haupttribüne und Stehtraversen rundherum präsentiert. Zum Derby stellten sich die Gäste aus dem nahen Bitterfeld-Wolfen vor, es ging allerdings für beide Teams nur noch um die Ehre. Das Spiel war gar nicht so schlecht anzusehen, allerdings gingen beide Mannschaften fahrlässig mit ihren Torgelegenheiten um, so dass auf beiden Seiten am Ende die schnöde ‚Null‘ stand. Dennoch war es eine recht muntere Partie. Munter wurde es auch nach dem Spiel am Ausgang, wo sich Anhänger beider Clubs ein kleines Scharmützel lieferten. Gefühlt aus dem Nichts war aber auch schon die Staatsmacht mit einigen Beamten am Ort des Geschehens und eine Person wurde in Gewahrsam genommen. So ganz beruhigte sich die Lage aber nicht, und dass ich die Geschichte voyeuristisch mit dem Smartphone filmte, gefiel der Stasi-Truppe auch nicht sonderlich, so dass ‚freundlich gebeten‘ wurde, zu gehen. Da ich im Alter ja etwas weiser geworden bin, kam ich der ‚Bitte‘ natürlich nach, um weiteres Aufsehen zu vermeiden.

Lanchkhuti – So., 11.06.2023, 17:00

FC Guria Lanchkhuti vs FC Rustavi 2:0

Stadioni Evgrapi Shevardnadze, 150 Zuschauer, Meore Liga
Für den letzten vollen Tag hatten wir uns noch einen ganz speziellen Ort aufgehoben. Wir fuhren nach Zqaltubo, ehemals einer der bedeutendsten Kurorte der Sowjetunion. Mit dem Niedergang dieses erzwungenen Staaten-Konstruktes setzte auch in Zqaltubo der Verfall ein und es entwickelte sich über die Jahre ein einzigartiger riesiger Lost Place. Ein gutes Dutzend Sanatorien, einige einfache Hotels und Kureinrichtungen gammeln seitdem weitestgehend unberührt vor sich hin. Einige der Sanatorien wurden durch Wohnungslose okkupiert, viele davon Geflüchtete aus den abtrünnigen Landesteilen Abchasien und Südossetien, denen von der georgischen Regierung Wohnungen in Aussicht gestellt, diese aber nie verwirklicht wurden. Die Stadt soll als Kurort aber wiederbelebt werden. Einige der alten Prachtbauten wurden bereits an Investoren veräußert, es tut sich allerdings bisher wenig. In der weitläufigen Kurpark-Anlage sind zwei der Bäder nach wie vor aktiv. Sanierungsarbeiten an den Heilanstalten sind lediglich am Sanatorium Tbilisi im Gange, andere aber bereits eingezäunt, was deren Besichtigung etwas schwieriger gestaltete. Aber letztlich geht es ja immer irgendwie, natürlich unter Abwägung des Risikos. Wir schauten uns das prächtige Sanatorium Shakhtiori, das Gelati, Metalurgist, Medea und Imereti an. Teilweise mussten selbsternannte Wärter – die einen freundlich, andere weniger freundlich – umschifft werden. Außerdem mühten wir uns, in den ‚bewohnten‘ Häusern den dort unter teils zweifelhaften Bedingungen hausenden Personen ihre Ruhe zu lassen und mieden diese Bereiche, einerseits um unnötigen Ärger zu vermeiden, aber viel mehr um diesen vom Schicksal gestraften Menschen gegenüber Respekt zu zeigen. Einrichtungsgegenstände sind in den Gebäuden nicht viele zu finden, aber diese bieten dennoch fantastische Motive mit alten Speise- und Konzertsälen, Theatern, gemusterten Tapeten, völlig intakten Stuckdecken. Glanzpunkt war der mächtige Kronleuchter in der Empfangshalle des Sanatorium Metalurgist. Allein ist man in den wenigsten Häusern. Man trifft immer wieder mal auf Gleichgesinnte, diese Begegnungen sind zum Glück aber doch selten, so dass die mystisch angehauchte Atmosphäre erhalten bleibt.
Nun hätte es mit einem Drittliga-Spiel im traumhaften alten Stadion in Tkibuli nahe Kutaisi die Kirsche auf der Fußballtorte geben sollen. Dort hatte der örtliche Verein seine Spiele zuletzt auch immer absolviert. Das Spiel an diesem Wochenende wurde jedoch aus ungeklärtem Grund auf eine lieblose Plastikwiese ohne Ausbau ins über 200 Kilometer entfernte Tbilisi verlegt. Völlig unglaublich, selbst in den Gurken-Ligen Georgiens ist man vor unsinnigen Verlegungen nicht mehr sicher. Das sich alternativ anbietende Spiel in Lanchkhuti war aber kein schlechter Ersatz. Auch dort befindet sich ein betagter alter Ground, dazu noch ein besonderer, denn das ‚Evgrapi Shevardnazse Stadioni‘ gilt als das erste reine Fußballstadion ohne Laufbahn auf damaligem sowjetischen Boden. Das korrodierte Portal und die monströse ausgediente Anzeigetafel sind zwei schöne Motive, ebenso wie der Tribünen-Traum in Rost. Zu Gast waren unsere Freund aus Rustavi, die wir ja zu Beginn der Woche bei einem Heimspiel bereits gesehen hatten. Auch heute wurde wieder ein Festival an vergebenen Torchancen geboten. Hüben wie drüben fehlte vor dem Tor einfach die Kaltschnäuzigkeit, wenn die ballführenden Spieler nicht schon vorher an der Selbstverliebtheit in ihr eigenes Spiel gescheitert waren. Guria war über weite Strecken die spielbestimmendene Mannschaft, was sich dann am Ende auch am Ergebnis ablesen ließ. Nach einem fantastischen, geselligen Abend mit zwei anderen Gästen mit italienischer Herkunft in unserer idyllischen, ländlichen Unterkunft, hatten wir am folgenden Tag noch die Möglichkeit uns die Bagrati-Kathedrale in Kutaisi anzusehen, bevor uns die Low-Cost-Airline unseres Vertrauens zurück in die Heimat brachte.