Rustavi – Mo., 05.06.2023, 17:00

FC Rustavi vs SFC Shturmi 1:1

Stadion Poladi, 500 Zuschauer, Meore Liga
Als ich vor zehn Jahren die drei Kaukasus-Länder Georgien, Armenien und Aserbaidschan innerhalb einer Woche bereiste, also für die einzelnen Länder viel zu wenig Zeit überblieb, wurde mir schnell klar, dass ich mindestens nach Georgien noch mal zurückkehren würde, um dieses offensichtlich schöne Land genauer kennenzulernen. Dieser Zeitpunkt war nun gekommen und so ging es mit der verehrten Frau Gemahlin auf eine zehntägige Rundreise. Fußball sollte natürlich auch dabei sein, wenn auch nicht priorisiert. Bedingt durch die bald in Georgien beginnende U21-EM wurden dann noch kurzfristig Spieltage und Spielorte der obersten Spielklasse einem ordentlichen Roulette unterzogen, so dass jede Überlegung in Sachen Erstliga-Spielen obsolet wurde. Was nicht weiter tragisch war, denn bei den wenigsten Spielen in Georgien trifft man auf eine vierstellige Zuschauerzahl und ob man dann vor ein paar hundert Leuten eine Partie der ersten oder dritten Liga sieht, ist ja zu vernachlässigen. Zudem lauern die Stadionperlen eh auf unterklassigem Niveau, aber auch diesbezüglich sollte es noch Überraschungen geben. In Kutaissi weit nach der Geisterstunde gelandet, führte unser Weg nach kurzer Nacht zunächst durch das Tal des Flusses Kura bis nach Achalziche mit der Festung Rabati. Schon auf den ersten hundert Kilometern zeigte sich Georgien nicht nur von schönster Seite, sondern auch ständig Kühe auf der Fahrbahn. Wir lernten schnell, dass man auf den Straßen dieses Landes eher mit tiefenentspanntem Nutzvieh als mit irgendwelchen Verkehrs-Rowdies rechnen muss. Nach Übernachtung in Achalziche fuhren wir zunächst zur sehenswerten Höhlenstadt Wardsia. Von dort führte die Route durch das Hochland von Dschachaweti und Kvemo Kartli mit Stopp am Tsalka-Canyon, der von der beeindruckenden ‚Diamond Bridge‘ überspannt wird, und weiter bis nach Tbilisi, wo wir zwei Nächte verbrachten.
Das eröffnete die Möglichkeit ein Spiel der dritten Liga im nahen Rustavi, einem verblassten Schwerindustrie-Standort, aber noch immer viertgrößten Stadt des Landes, zu besuchen. Der FC Rustavi ist ein junger Verein, der erst 2015 gegründet wurde. Davor hieß der Platzhirsch FC Metalurg Rustavi, der aber eben in jenem Jahr aufgrund finanzieller Probleme aufgelöst wurde. Der neue Club steht in keinerlei direkter Beziehung zu Metalurg, nimmt aber natürlich dessen Platz ein und nutzt auch das Stadion des Vorgängervereins. Nicht viel anders liegt der Sachverhalt beim heutigen Gegner aus Sartichala. Das ‚Poladi Stadioni‘ – was übersetzt nichts anderes heißt als Stahl-Stadion und damit auf die montanindustrielle Vergangenheit der Stadt verweist – ist ein schönes altes Oval mit überdachter Haupttribüne und ungedeckter Gegengerade. Die Kurven bieten keinen Ausbau, was dem Erscheinungsbild nicht schadet. Mit ungefähr 500 Zuschauern besuchten dieses Spiel gut 450 mehr als ich erwartet hatte. Von den Anwesenden war etwa ein Fünftel den Gästen zuzurechnen, die als Tabellenführer angereist waren. Nachdem wir uns schattige Plätze am Rande der Haupttribüne gesucht hatten, wollte es der Zufall, dass sich ein paar supportwillige Gestalten in unserer direkten Nachbarschaft platzierten, um die Heim-Mannschaft zu unterstützen.
Der Capo wies seine fünf Getreuen genau an, wie sie sich aufzustellen hatten und gab alles. Im Laufe des Spiels gesellten sich mal mehr mal weniger Personen dazu, sodass die Gruppengröße zwischen sechs und dreißig meist jüngeren Köpfen variierte. Das Spiel war unerwartet gut anzuschauen. Rustavi konnte gegen den Favoriten den Rückstand aus Hälfte eins nach einer guten Stunde ausgleichen. Kurz darauf entstand nach einem eigentlich harmlosen Foulspiel eine Rudelbildung unter Beteiligung sämtlicher Aktiven, Ersatzspielern und beinahe des gesamten Funktionsteams. Ein herrliches minutenlang währendes Gerenne und Gezeter entstand, das natürlich auch in Handgreiflichkeiten mündete. Sehr kurzweilig das Ganze. Der Referee schaute sich alles in Ruhe an und schritt dann zur Tat. Sieben Verwarnungen, ein Mal Gelb-Rot und einen glatten Platzverweis in nur einer Situation hatte ich auch noch nicht erlebt. Dass die gelb-rote Karte einen bereits ausgewechselten Akteur traf, hatte natürlich noch einmal besonderen Stil. Rustavi hielt in Unterzahl das Remis gegen den Tabellenführer mit großem Kämpferherz. Die Herzdame schnappte sich hier auch schon den 32. Länderpunkt. Gar nicht so übel dafür, dass ihr Fußballinteresse ja doch etwas begrenzt ist.