Khobi – Sa., 10.06.2023, 17:00

FC Kolkheti Khobi vs FC WIT Georgia 0:1

Paata Tatarishvili Tsentraluri Stadioni, 300 Zuschauer, Evronuli Liga 2
Weiter ging die Reise zunächst über die Georgische Heerstraße in den Norden des Landes ins nur noch 20 Kilometer von der russischen Grenze entfernte, auf 1700 Metern Höhe gelegene Stepantsminda. Um diesen Ort zu erreichen muss man den Dschwari-Pass auf fast 2400 Metern überwinden. Lange wird das nicht mehr notwendig sein, denn aktuell wird an einer Umgehung mit mehreren Tunneln und Brücken gearbeitet. Auf dem Weg machten wir Halt am Denkmal der russisch-georgischen Freundschaft, mit der es nicht mehr weit her sein dürfte, wenn ich die Meinungen des überwiegenden Teils der Georgier richtig deute. Stepantsminda war damals das einzige Ziel außerhalb der Hauptstadt, welches ich besuchte, und ich hatte es gut in Erinnerung. Anziehungspunkt dieser Region ist die Kirche ‚Gergetis Sameba‘, die auf einem Bergvorsprung noch einmal knapp 500 Meter höher liegt. Hier zeigte sich schon die Entwicklung, die Georgien erlebt. Vor zehn Jahren musste man sich unten im Ort noch in einen Jeep einmieten, um die Kirche über holprige Schotterwege zu erreichen, oder diese erwandern. Heute führt eine geteerte Straße auf den Berg hinauf. Während sich mir damals hinter der Kirche das wunderbare Bergpanorama bot, war jenes dieses Mal durch tiefhängende Wolken versperrt. Aber auch dieser Anblick hatte seinen Reiz. Nach Übernachtung in Stepantsminda schraubten wir uns über die Serpentinen zurück nach unten in Richtung Gori. Gori – da war doch was… es ist der Geburtsort von Iosseb Bessarionis dse Dshughashvili. Besser bekannt ist der Mann als Josef Stalin und unmittelbar neben seinem unscheinbaren Geburtshaus, das zum Schutz überdacht wurde, steht ein pompöses Museum, welches sein Leben und Wirken erklärt. Der persönliche Eisenbahnwagen des Stählernen hat auch Platz auf dem Gelände gefunden. Weiter ging es ins Nachtquartier nach Martvili, wo wir am nächsten Morgen zunächst den kleinen aber sehenswerten Canyon besuchten, in den sich das Flüsschen Abasha eingegraben hat, bevor wir wieder ins Gebirge hinauffuhren.
Oberswanetien war das Ziel und es sollte das Highlight der Reise sein und werden. Das Tagesziel war Mestia auf 1.500 Meter, wo wir für zwei Nächte unser Lager aufschlugen. Dieser 2.000 Einwohner starke Ort ist schon stark touristisch orientiert, von dort starten verschiedene Trecking-Touren ins Hochgebirge. Wie auf den meisten Strecken in den Tagen zuvor, regierte auch auf dieser Strecke wieder die Langsamkeit. Für die 180 Kilometer von Martvili nach Mestia benötigten wir ohne Stress, aber auch ohne zu Trödeln, mit ein paar wenigen Stopps gute fünf Stunden. Bis auf eine Autobahn ab Tbilisi Richtung Schwarzmeerküste, die aber auch erst in Teilstücken vollendet ist, gibt es in Georgien nur Landstraßen, die sich mal in besserem, mal in schlechterem Zustand offenbaren. Durch das Profil des Landes bestehen die meisten Straßen nur aus Kurven, man braucht also Geduld. Am Folgetag machten wir einen Tagesausflug nach Ushguli, 45 Kilometer von Mestia entfernt. Die letzten sechs oder sieben Kilometer Straße sind unbefestigt, man rumpelt über Stock und Stein. Von Mestia aus benötigt man gute eineinhalb Stunden für die Strecke und der Weg lohnt sich. Ushguli besteht aus vier Dörfern und das höchstgelegen befindet sich auf knapp 2.200 Metern. Obersvanetien ist bekannt für seine Wehrtürme, die sich in der Vergangenheit jeder Familienclan zum Schutz vor Angriffen baute. In Ushguli schnürten wir die Wanderschuhe und machten uns ein Stück auf den Weg in Richtung des Schara-Gletschers ohne das Ziel diesen erreichen zu wollen. Das Bergpanorama mit den bis über 5.000 Meter hohen Gipfeln war bei bestem Wetter fantastisch anzusehen.
Eigentlich hätte es von Ushguli über den 2.600 Meter hohen Zagari-Pass auf anderem Wege zurück in Richtung Kutaisi gehen sollen, aber die Sache war nicht zu Ende gedacht. Die Passstraße ist natürlich unbefestigt und vorausschauend hatten wir einen Subaru-Crossover-SUV mit guter Bodenfreiheit gebucht, aber der Juni ist für solche Abenteuer einfach noch zu früh und das hätte mir auch klar sein müssen. Schmelzwasser und Regenfälle machen den Pass ohne gute Offroadbereifung unbefahrbar. Unser allradbetriebener Japaner kletterte zwar tapfer nach Ushguli hinauf, aber wir folgten dann dem Rat der Einheimischen, die uns mit Blick auf die Bereifung vom geplanten Abenteuer abrieten. Also nahmen wir nach der zweiten Nacht in Mestia denselben Weg zurück, der ja auch sehenswert genug ist, um erneut befahren zu werden. Man passiert auch den Enguri-Staudamm, die mit 271 Metern Höhe aktuell siebtgrößten Talsperre weltweit. Ziel war Khobi, wo am heutigen Samstag um Zweitliga-Punkte gekickt wurde. Das Stadion ist Traum in verrostetem Stahl, leider wurde aber vor einigen Jahren die klapprige Tribüne in einer der Kurven abgerissen, die andere verfügte seit jeher nicht über Ausbau. Dennoch bleibt das Rund besonders. Es regnete bei Spielbeginn, daher suchten wir in diesem abgeranzten, bis auf einige Ehrenplätze unüberdachten Stadion nach einem Wetterschutz und fanden diesen neben ein paar Einheimischen auf einem Stahlbetongestell, das früher einmal die Anzeigetafel war. Ein paar hundert Leute waren am Spielgeschehen interessiert, vielleicht zwei Dutzend unterstützten das Team auch akustisch mit einer Trommel und einigen Vuvuzelas. Spielerisch war es ganz okay und die Gastgeber schafften es, den Gegner aus Tbilisi beinahe 90 Minuten in die Defensive zu drängen und reichlich Chancen herauszuspielen, um dann am Ende doch zu unterliegen, da das Gäste-Team seine einzige Chance zu nutzen wusste. Dabei war diese nicht einmal selbst herausgespielt. Ein zu kurz geratener Befreiungsschlag des Torwarts wurde etwa 35 bis 40 Mieter vor dem Tor gestoppt und mit einem langen Hub über den unglücklichen Schnappnix in die Maschen gehieft. So kann’s gehen.

Rustavi – Mo., 05.06.2023, 17:00

FC Rustavi vs SFC Shturmi 1:1

Stadion Poladi, 500 Zuschauer, Meore Liga
Als ich vor zehn Jahren die drei Kaukasus-Länder Georgien, Armenien und Aserbaidschan innerhalb einer Woche bereiste, also für die einzelnen Länder viel zu wenig Zeit überblieb, wurde mir schnell klar, dass ich mindestens nach Georgien noch mal zurückkehren würde, um dieses offensichtlich schöne Land genauer kennenzulernen. Dieser Zeitpunkt war nun gekommen und so ging es mit der verehrten Frau Gemahlin auf eine zehntägige Rundreise. Fußball sollte natürlich auch dabei sein, wenn auch nicht priorisiert. Bedingt durch die bald in Georgien beginnende U21-EM wurden dann noch kurzfristig Spieltage und Spielorte der obersten Spielklasse einem ordentlichen Roulette unterzogen, so dass jede Überlegung in Sachen Erstliga-Spielen obsolet wurde. Was nicht weiter tragisch war, denn bei den wenigsten Spielen in Georgien trifft man auf eine vierstellige Zuschauerzahl und ob man dann vor ein paar hundert Leuten eine Partie der ersten oder dritten Liga sieht, ist ja zu vernachlässigen. Zudem lauern die Stadionperlen eh auf unterklassigem Niveau, aber auch diesbezüglich sollte es noch Überraschungen geben. In Kutaissi weit nach der Geisterstunde gelandet, führte unser Weg nach kurzer Nacht zunächst durch das Tal des Flusses Kura bis nach Achalziche mit der Festung Rabati. Schon auf den ersten hundert Kilometern zeigte sich Georgien nicht nur von schönster Seite, sondern auch ständig Kühe auf der Fahrbahn. Wir lernten schnell, dass man auf den Straßen dieses Landes eher mit tiefenentspanntem Nutzvieh als mit irgendwelchen Verkehrs-Rowdies rechnen muss. Nach Übernachtung in Achalziche fuhren wir zunächst zur sehenswerten Höhlenstadt Wardsia. Von dort führte die Route durch das Hochland von Dschachaweti und Kvemo Kartli mit Stopp am Tsalka-Canyon, der von der beeindruckenden ‚Diamond Bridge‘ überspannt wird, und weiter bis nach Tbilisi, wo wir zwei Nächte verbrachten.
Das eröffnete die Möglichkeit ein Spiel der dritten Liga im nahen Rustavi, einem verblassten Schwerindustrie-Standort, aber noch immer viertgrößten Stadt des Landes, zu besuchen. Der FC Rustavi ist ein junger Verein, der erst 2015 gegründet wurde. Davor hieß der Platzhirsch FC Metalurg Rustavi, der aber eben in jenem Jahr aufgrund finanzieller Probleme aufgelöst wurde. Der neue Club steht in keinerlei direkter Beziehung zu Metalurg, nimmt aber natürlich dessen Platz ein und nutzt auch das Stadion des Vorgängervereins. Nicht viel anders liegt der Sachverhalt beim heutigen Gegner aus Sartichala. Das ‚Poladi Stadioni‘ – was übersetzt nichts anderes heißt als Stahl-Stadion und damit auf die montanindustrielle Vergangenheit der Stadt verweist – ist ein schönes altes Oval mit überdachter Haupttribüne und ungedeckter Gegengerade. Die Kurven bieten keinen Ausbau, was dem Erscheinungsbild nicht schadet. Mit ungefähr 500 Zuschauern besuchten dieses Spiel gut 450 mehr als ich erwartet hatte. Von den Anwesenden war etwa ein Fünftel den Gästen zuzurechnen, die als Tabellenführer angereist waren. Nachdem wir uns schattige Plätze am Rande der Haupttribüne gesucht hatten, wollte es der Zufall, dass sich ein paar supportwillige Gestalten in unserer direkten Nachbarschaft platzierten, um die Heim-Mannschaft zu unterstützen.
Der Capo wies seine fünf Getreuen genau an, wie sie sich aufzustellen hatten und gab alles. Im Laufe des Spiels gesellten sich mal mehr mal weniger Personen dazu, sodass die Gruppengröße zwischen sechs und dreißig meist jüngeren Köpfen variierte. Das Spiel war unerwartet gut anzuschauen. Rustavi konnte gegen den Favoriten den Rückstand aus Hälfte eins nach einer guten Stunde ausgleichen. Kurz darauf entstand nach einem eigentlich harmlosen Foulspiel eine Rudelbildung unter Beteiligung sämtlicher Aktiven, Ersatzspielern und beinahe des gesamten Funktionsteams. Ein herrliches minutenlang währendes Gerenne und Gezeter entstand, das natürlich auch in Handgreiflichkeiten mündete. Sehr kurzweilig das Ganze. Der Referee schaute sich alles in Ruhe an und schritt dann zur Tat. Sieben Verwarnungen, ein Mal Gelb-Rot und einen glatten Platzverweis in nur einer Situation hatte ich auch noch nicht erlebt. Dass die gelb-rote Karte einen bereits ausgewechselten Akteur traf, hatte natürlich noch einmal besonderen Stil. Rustavi hielt in Unterzahl das Remis gegen den Tabellenführer mit großem Kämpferherz. Die Herzdame schnappte sich hier auch schon den 32. Länderpunkt. Gar nicht so übel dafür, dass ihr Fußballinteresse ja doch etwas begrenzt ist.