Essen – So., 14.05.2023, 13:00

Rot-Weiss Essen vs TSV München von 1860 2:2

Stadion an der Hafenstraße, 18.187 Zuschauer, 3.Liga
Es laufen die letzten Sekunden der Nachspielzeit. Isi Young wird noch mal auf links freigespielt. Die folgende Flanke ist mal wieder unterirdisch, wird aber von der Münchener Abwehr hoch über den herauseilenden Schnapper abgefälscht, so dass sich ‚Engel‘ plötzlich die Kopfball-Chance eröffnet. Im Rückwärtslaufen bekommt er aber nicht mehr viel Druck auf den Ball, der nun in aller Ruhe in Richtung des verwaisten Tores trudelt. Löwen-Verteidiger Verlaat erreicht die Kirsche bei seinem Klärungsversuch deutlich sichtbar erst hinter der Linie. Der Treffer zählt und der Referee beendet die Partie direkt im Anschluss. Ein glücklicher Punktgewinn vor erneut großartiger Kulisse, aber nicht unverdient und nach den ganzen in den Schlussminuten vergeigten Siegen, auch nichts anderes als eine Spur ausgleichende Gerechtigkeit. Nur in zwei Spielen der Saison konnte der RWE kurz vor dem Ende entscheidende Tore erzielen und beide Male hieß der Gegner TSV 1860, der buchstäblich in letzter Sekunde des Sieges beraubt wurde. Schicksal. Dabei war zumindest heute auch noch mehr drin, denn die Roten spielten eine – an der aktuellen Situation gemessen – ordentliche Partie, versäumten es aber, nach dem Führungstor den zweiten Treffer nachzulegen. Daher konnten die Löwen den Kick im zweiten Durchgang drehen, da die rot-weisse Deckung bei schnellen Vorstößen des Gegners mal wieder arge Probleme bekam und Außenverteidiger Plechaty, der in den vergangenen Monaten seinem Leistungsvermögen hinterlief, nur aufgrund der dünnen Personaldecke in der Startelf stand, aber eine wirkliche saubere Partie ablieferte, leider einen schwachen Moment hatte und den hinter ihm heranstürmenden Sechz’ger übersah.
Exakt ein Jahr nach dem Aufstiegs-Tag war die Stimmungslage angespannt. Schon vor dem Anstoß hatte es Unmutsäußerungen und Protest-Transparente gegen Trainer Dabrowski gegeben. Dieser, der ja aktuell aus der Truppe nicht gerade eine Punkte-Maschine macht, hatte sich auf die Nachfrage eines Reporters, ob ihm die seit ein paar Wochen gegen ihn aufkommenden Sprechchöre etwas ausmachen, wenig sensibel und eher arrogant geäußert, dass er keine Lust habe, jede Woche zu den „den Rufen von 200 Leuten“ Stellung zu beziehen. In einer Mischung aus mangelnder Selbstreflexion und Fehleinschätzung, hatte er wohl überhört, dass die Rufe eher aus 2-3.000 Kehlen kommen, Tendenz definitiv steigend. Weitere Unruhe brachte die Führungsriege in den Verein, in dem sie den bei den Fans beliebten Zeugwart Sommer beurlaubte, der – in welcher Form wurde nicht kommuniziert – Unruhe in der Kabine verursacht haben soll. Ohne Details zu kennen, möchte ich der Vereinsführung mangelndes Fingerspitzengefühl unterstellen, denn in der aktuell eh schwierigen Phase, hätte man das zunächst bestimmt eleganter lösen und weitere Entscheidungen nach Saisonschluss treffen können. Dass vor einigen Tagen bereits verkündet wurde, den Vertrag von Publikumsliebling Felix ‚Herze‘ Herzenbruch nicht zu verlängern, machte alles nicht besser. Sportlich ist die Entscheidung nachvollziehbar, denn Herze gerät auf diesem Niveau aktuell sicher an seine Grenzen. Emotional ist das aber ein Eigentor, denn der Mann gehört zur heutzutage selten gewordenen Spezies, die glaubhaft machen, alles für den Verein zu geben. Solche Leute sind für eine erfolgreiche Mannschaft unabdingbar und so hätte man Herze einfach als Typen und Ergänzungsspieler halten müssen. Herzenbruch hat das Herz am rechten Fleck und wäre auch in der Reservistenrolle sicher nicht unbequem geworden. Zudem zeigte er gegen die Löwen eine blitzsaubere Vorstellung. Dass nun auch bekannt wurde, dass Aufstiegsheld ‚Engel‘ den Verein verlässt und diesbezüglich Fragen offenblieben, lässt die Kritiker lauter werden. Es sind stürmische Zeiten an der Hafenstraße.
Auch die Gästeszene hat ja so ihre Nebenkriegsschauplätze zu beackern. Zu der schon länger schwelenden Konfrontation mit Anthony Power, dem verlängerten Arm des unbeliebten Investors Ismaik, gesellten sich am heutigen Tage noch Probleme mit Ordnern und Staatsmacht. Bei einem Szene-Mitglied war beim Einlass Pyrotechnik gefunden worden. Obwohl bei der Person nach meinem Kenntnisstand nur eine Personalien-Feststellung und keine Festnahme vollzogen wurde, entschieden die Löwen-Ultras, den Support nach wenigen Minuten einzustellen, zusammenzupacken und das Stadion zu verlassen. Ich maße mir nicht an das zu bewerten, da ich keine Details kenne. Der Punkt gegen 1860 könnte eventuell schon den Klassenerhalt bedeuten, denn RWE hat bei noch zwei ausstehenden Spielen sechs Punkte mehr und ein deutlich besseres Torverhältnis als der VfB Oldenburg, der auf dem ersten Abstiegsplatz steht. RWE müsste also beide Spiele in Halle und gegen Verl verlieren (möglich!) und Oldenburg beide Spiele gegen Zwickau (wahrscheinlich!) und in Dresden (schwierig!) einigermaßen hoch gewinnen. Ich bin aber Realist und glaube nur an Tatsachen und das, was ich sehe. Also brauchen wir noch diesen einen verf***ten Punkt oder Oldenburger Hilfe, um sicher zu sein. Zu unserem Trainerfuchs und der Kritik an diesem möchte ich nur darauf verweisen, dass in den letzten 21 Meisterschaftsspielen gerade einmal drei Siege auf dem Spielfeld errungen wurden. Ich bin mit dem erreichten dennoch zufrieden, denn mehr als den Klassenerhalt habe ich vor der Saison nicht gefordert. Allein die Art und Weise macht aber einfach keinen Spaß mehr und das seit Wiederaufnahme des Spielbetriebs nach dem Winter.