
Bénin vs Rwanda 1:1
Stade de l’Amtitié Général Mathieu Kérékou, 22.500 Zuschauer, Qualifikation CAN Gruppenphase

Die Notwendigkeit, den Resturlaub aus dem vergangenen Jahr nehmen zu müssen und der Wunsch nach einer Reise in ferne Regionen, führte nach Westafrika. Die Pandemie hatte meine interkontinentale Reiselust in letzter Zeit nachhaltig ausgebremst, gerade einmal ein neues Land hatte ich in den vergangenen beinahe vier Jahren erobert. Die Länderspiel-Phase mit den Quali-Spielen zum Afrika-Cup kam gelegen, denn wenn man auf dem wohl chaotischsten Kontinent der Welt Terminsicherheit haben möchte, kommt man an internationalen Ansetzungen kaum vorbei. Meinen Leibarzt aus dem Saarland konnte ich für zwei Drittel der Tour als Mitreisenden gewinnen. Als willkommener Nebeneffekt machte es das vor Ort auch einfacher, denn in allen Zielländern wird Französisch gesprochen und damit hat der Doktor als Muttersprachler natürlich keine Probleme.
Turkish Airlines wurde der Air Carrier meinte Vertrauens. Keine schlechte Wahl, in meinem persönlichen Ranking der beste bisher genutzte Anbieter noch deutlich vor den ganzen überbewerteten Arabern. Die Flieger sind top ausgestattet und der Service lässt auch wenig Wünsche offen. Montag-Vormittag ging es ab Düsseldorf los, mit Umstieg auf dem unfassbar großen neuen Airport in Istanbul, eigentlich deutlich außerhalb von Istanbul, erreichte ich Cotonou, die circa 700tausend Einwohner starke Hauptstadt Benins. Beim Landeanflug in der Dunkelheit war links das nur 125 Kilometer entfernte Lagos in Nigeria, mit knapp 16 Mio Einwohnern in der Metropolregion die zweitgrößte Stadt Afrikas hinter Kinshasa im Kongo, als riesiger leuchtender Fleck deutlich auszumachen. Um Mitternacht empfingen mich kuschelige 30 Grad und der zwei Stunden vor mir über Paris eingeschwebte Mediziner. Schnell als erster an den Immigration-Schalter gestürmt und mit dem vorher gebuchten E-Visum war die Einreise in wenigen Minuten erledigt. Mit dem Moto-Taxi fuhren wir zum gebuchten Apartment und dann reichte es noch für die ersten Begrüßungs-Beninoise, ganz leckeres Gebräu, vielleicht etwas zu seicht im Abgang, in einer Bar nur 100 Meter vom Apartment entfernt.
In der Bude war es verdammt warm und sowohl in der AirCon als auch im Ventilator waren die Lager schon genug ausgeschlagen um deutlich zu geräuschvoll zu arbeiten. Wurde also irgendwann in der Nacht abgeschaltet und nach eh viel zu kurzer Nacht wachte ich ziemlich durchgerappelt wie ein Thunfisch im eigenen Saft auf. Kurz darauf gab es auch den ersten Stromausfall, der Saft war aber nach kurzer Zeit schon wieder da. Nach kurzem Frühstück in der Bar vom Vorabend, in der wir in den nächsten Tagen Stammkunden wurden, war direkt die zweite Dusche fällig – leck mich am Arsch war das heiß, der weißgelbe Kernreaktor brannte hier nahe am Äquator erbarmungslos vom Himmel. Mit dem Moto-Taxi machten wir uns auf zum Marchè Dantokpa. Das Moto ist als Verkehrsmittel unverzichtbar, einen öffentlichen Nahverkehr gibt es über einige fahrplanfreie Minibusse hinaus nicht, Taxen sieht man wenige, ebenso wie abgezählte TukTuks, daher werden die Straßen von Motos geflutet. Das für den Passagier kein Helm zur Verfügung gestellt wird, ist das sicherlich prinzipiell nicht ganz ungefährlich, aber der Straßenverkehr läuft bei allem Durcheinander auf seine Art erstaunlich gesittet ab. Auf die Motos wird Rücksicht genommen, der PKW hat die schwächere Position, nur Busse und LKW sind stärker. Dank der Verhandlungsruhe meines Mitreisenden zahlten wir nie mehr als den reellen Preis, der innerhalb der Stadt zwischen 300 und 500 westafrikanischen Franc (650 CAF = 1 EUR) liegt.













Der Marché Dantokpa ist ein ganzes Viertel, das afrikanischer nicht sein könnte. In einem unglaublichen Gewusel aus Ständen, Geschäften und fliegenden Händlern gibt es nichts, das man nicht kaufen könnte. Schönes Gemokel garniert mit einem Potpourri aus Gerüchen, die meist wenig erfreulich waren, aber der Nerv-Faktor hielt sich in Grenzen, angelabert wurden wir wenig. Zu Fuß ging es weiter zum Place de l’Etoile Rouge, was einfach nur ein abgewracktes Denkmal in einem Kreisverkehr ist, welches ein Relikt aus der in den 70er und 80er Jahren währenden marxistisch-leninistischen Ära des Landes ist. In einem kleinen Restaurant am Kreisel gab es leckeres Rindfleisch mit scharfem Gemüse und Reis und dann ging es weiter mit dem Moto zum Nationalstadion, um die Eintrittskarten-Frage für den nächsten Tag zu klären. Von dort fuhren wir dann zurück zum Apartment für die dritte Dusche des Tages und zum Abendessen in unsere Bar des Vertrauens.
Da die vorherige Nacht ziemlich kurz war, schaffte ich es trotz Geräuschkulisse von draußen und Hitze und Helligkeit im Raum, bis halb zehn zu schlafen. Das war schon Luxus, gelingt mir selten. Nachts hatte es stark geregnet, daher schien die Luft zunächst etwas weniger heiß. Nach einem späten Frühstück in unserer angestammten Bar relaxten wir noch etwas im Apartment, bevor wir gegen 15:00 Uhr zum ‚Stade de l’Amitie General Mathieu Kerekou‘ aufbrachen. Dort herrschte 90 Minuten vor dem Spiel schon ordentliches Getümmel, denn der Verband gewährte freien Eintritt für dieses wichtige Spiel. Benin war nach zwei Spielen Letzter der Quali-Gruppe und brauchte dringend einen Sieg, um die Chance auf die Qualifikation zu wahren. Mit diesem Ziel war erst wenige Tage zuvor der deutsche Afrika-Trainerfuchs Gernot Rohr verpflichtet worden. Im Internet hatten einige lokale Stammesfürsten ihre Gefolgschaft aufgerufen, das Team zu unterstützen, was aber alles nicht half die 35.000er Bude wirklich vollzumachen – gute 22-23.000 Zuschauer werden es am Ende gewesen sein. Wir nahmen Plätze im gepolsterten Bereich auf der Haupttribüne ein. Schöne Sache war dann, dass die Hymnen nicht abgespielt werden können, da mal wieder der Strom ausgefallen war. Das brachte einige Zuschauer ziemlich auf die Kokospalme, die Mannschaften wussten sich aber zu helfen und sangen ihre Hymne einfach selbst.
Die Gastgeber zeigten dann zu Beginn viel zu viel Respekt vor dem Gegner, was dieser zu einigen schnellen Angriffen nutzte. Nach einem stark gespielten Ball in die Spitze, lag dieser dann im Nachschuss im Netz. Das schien dann der Wachmacher für die Gastgeber gewesen zu sein. Bis auf einen Schlenzer an die Querlatte kam von den Ruandern nix mehr und die Mannschaft Benins riss das Spiel mehr und mehr an sich. Nach dem Seitenwechsel wurde es dann spätestens nach einer frühen Ampelkarte gegen Ruanda zum Spiel auf ein Tor. Dieses war auch insgesamt gar nicht übel anzusehen, das hatte ich gar nicht erwartet. Es wurde aber eine unfassbare Zahl an Torchancen vergeben und so musste erst der angeschlagene und daher nicht von Beginn an auflaufende Star des Teams, Steve Mounié, in die Partie kommen, damit zehn Minuten vor Ende endlich der Treffer für die Gastgeber fiel, der ein schönes Ausrasten des Pöbels zur Folge hatte. Schade, dass dann nicht noch der mehr als mögliche Siegtreffer nicht mehr gelang, dann wäre der Mob wohl richtig abgegangen.
Eine schöne Geschichte gibt es zum Rückspiel. Der afrikanische Verband CAF versucht seit einiger Zeit die nationalen Verbände dazu zu bewegen, die Stadion-Infrastruktur für die internationalen Spiele zu verbessern, damit man zum Beispiel beim Toilettengang nicht mehr knöcheltief in der Scheiße steht. Das geht auf diesem Kontinent natürlich nur in Form von Verboten, weshalb viele Länder ihre Heimspiele aktuell auf neutralen Böden austragen müssen. Das ausgewählte Stadion in Ruanda war eigentlich zugelassen, aber eine gute Woche vor dem Spiel gefiel der CAF dieses dann doch nicht mehr. Aufgrund der knappen Frist wurde daher einfach bestimmt, dass auch das Rückspiel in Cotonou ausgetragen wird. Starke Sache, wenn man bedenkt, welche Logistik dahintersteckt, da zum Beispiel die in Europa beschäftigten Spieler, also beinahe alle, ihre Heimflüge sicherlich schon gebucht hatten. Daher wehrte sich der ruandische Verband und das Spiel wurde dann letztlich ohne Zuschauer in Kigali ausgetragen. Afrika, ick hör Dir trapsen! Nach dem Spiel gönnten wir uns in einer Bar am Stadion noch ein paar Kaltgetränke, ehe wir Richtung Unterkunft aufbrachen und an einem schmierigen Straßengrill mit zu lauter Afro-Mucke ein zähes Gummi-Hähnchen aßen. Der Abend klang dann in der Stamm-Bar aus. Den Namen unserer Bedienung haben wir dann auch mal erfragt, um das Eis zu brechen. Arielle hieß sie, erinnerte aber eher wenig an eine Meerjungfrau…
















