Rom – Sa., 11.02.2023, 20:45

SS Lazio vs Atalanta Bergamasca Calcio 0:2

Stadio Olimpico, 41.000 Zuschauer, Seria A
Mein allgemeines Bild vom Italiener an sich, dem man ja etwas großzügigeren Umgang mit der Ehrlichkeit nachsagt, ist nun nachhaltig erschüttert. Nach Rückkehr aus Terni, hatten wir so gerade eben Zeit, den Mietwagen an der Unterkunft abzustellen und uns in ein Taxi in Richtung ‚Olimpico‘ zu schmeißen. Um Beschiss durch die Taxi-Mafiosi vorzubeugen, verfolge ich den Fahrweg ja immer am Handy mit und habe die dumme Angewohnheit, den Knochen zwischen Sitz und Oberschenkel zu klemmen, wenn ich gerade mal nicht drauf schaue. Das hat mich seinerzeit in Quito schon mal ein Mobiltelefon gekostet. Nach dem Aussteigen in der Stadion-Peripherie wollte ich mich mit Hilfe des Smartphone orientieren, um zu sehen, zu welchem Eingang wir müssen. Darauf schoss dann ein kurzer Schauer den Rücken runter, denn das Teil lag noch immer auf dem Rücksitz des soeben abgefahrenen Taxis. Cazzo!! Quito reloaded also. Von Malos Handy rief ich nun pausenlos auf meinem Telefon an, hatte zwar Freizeichen und der Fahrer musste den Klingelton auch hören, da ich diesen eh immer viel zu laut eingestellt habe – im Alter hört man ja nicht mehr so gut – aber er nahm nicht ab. Als ich nach etwa fünf Minuten aufgeben und mich in mein Schicksal ergeben wollte, hörte ich plötzlich ein Rufen von der anderen Seite der Straße. Als ich mich umdrehte, erkannte ich den zum Ort des Desasters zurückgekehrten Taxi-Manne, der mit leicht süffisantem Lächeln mein Handy mit dem ausgestreckten Arm in die Höhe hielt. Taxifahrer, bester Mann! Absoluter Top-Lad und mal gar kein richtiger Italiener, denn dann hätte er eigentlich mit dem Teil abhauen müssen und wäre auch nicht nachverfolgbar gewesen, da wir ihn auf der Straße herangewinkt hatten. Aber wer will schon ein zwei Jahre altes Gerät aus chinesischer Produktion haben. Jedenfalls mille grazie, mein Lieber!
‚Stadio Olimpico‘ also. Ja, dort war ich tatsächlich noch nie. Zwar war mein allererster Spielbesuch im Ausland das ‚Derby del Sole‘ zwischen der AS Roma und SSC Napoli im Jahre 1989, damals auch Völler gegen Maradona, zu dem ich meinen Vater im Rahmen eines Rom-Aufenthalts überreden konnte, allerdings fand dieses im kleineren ‚Stadio Flaminio‘ statt, da das ‚Olimpico‘ für die WM 1990 aufgehübscht wurde. Prinzipiell hätte ich mir für den Besuch in diesem geschichtsträchtigen Stadion lieber ein Heimspiel der Roma und auch einen anderen Gegner gewünscht. Es passt aber heute einfach gut in den Plan und Lazio gegen Atalanta ist bestimmt nicht die schlechteste Spielpaarung. Dieser Meinung war ich zumindest solange, bis ich den mickrigen Haufen von vielleicht 180 Bergamasci im ‚Settore Ospiti‘ sah. Natürlich ist die Szene im Umbruch und muss sich nach Auflösung der Curva Nord – die ja nun auch schon beinahe eineinhalb Jahre zurückliegt – neu finden. Aber das muss ja kein Hindernis sein, auswärts zu fahren. Ich hatte auch nicht mit einem bis oben hin vollgestopften Away-Bereich gerechnet, aber einige hundert oder eine knapp vierstellige Zahl an Gästen hatte ich doch erwartet. Die proppevolle ‚Curva Nord Lazio‘ begann dagegen stark. Allerdings flaute das Geschehen schon nach etwa einer Viertelstunde deutlich ab, vermutlich dem Spielverlauf geschuldet und eine große Kurve ist natürlich auch realtiv schwer zu koordinieren und am Leben zu halten.
Einigermaßen unerträglich fand ich die Show vor dem Spiel. Die neuen LED-Flutlichter ermöglichen da ja leider einiges und auch darüber hinaus nervt es mich endlos, warum in den europäischen Top-Ligen jedes Spiel zu einem Event verkommen muss. Das ist auch ein Grund, warum ich mich in einfacher strukturierten Ländern oder unteren Ligen deutlich wohler fühle, aber die Entwicklung dürfte nur schwer aufzuhalten sein. Atalanta spielte eine ganz starke Partie und ging schon nach zwanzig Minuten durch einen schönen Distanzschuss in Führung. Auch im folgenden Verlauf verdienten sich die Gäste die Punkte, waren deutlich gefährlicher als die Laziali. Das Spiel war insgesamt sehr gut anzusehen und fand seinen verdienten Sieger. Das Stadion ist jetzt auch keine Schönheit, besticht eher durch seine Größe und seine Historie. Als Fußball- und Stadionliebhaber kann man das ‚Olimpico‘ durchaus mal besucht haben.