
FK Zeljecnicar vs FK Sarajevo 2:0
Stadion Grbavica, 9.000 Zuschauer, Premijer Liga

Die Balkan-Derbys kann man ja ruhig alle paar Jahre mal wieder auf den Zettel nehmen, die lohnen sich ja eigentlich immer. Dazu mag ich den Balkan auch als Region generell und Sarajevo ist für mich auch eine spannende Stadt, geschichtsträchtig dazu. Der Stadt wird mit dem Attentat auf den österreich-ungarischen Thronfolger Franz-Ferdinand der Auslöser für den ersten Weltkrieg zugeschrieben und im Bosnien-Krieg der 90er Jahre erreichte Sarajevo mit einer beinahe vier Jahre andauernden Belagerung durch die serbische Armee traurige Berühmtheit. Das sind zugegeben etwas traurige Merkmale, aber durch die multi-ethnische Bevölkerung, die nach dem Krieg und der Abwanderung vieler Serben allerdings überwiegend bosnisch-muslimisch geprägt ist, und durch die sehenswerte Altstadt und eine Architektur-Mischung aus sozialistischem, maurischem und Jugendstil gerät die Stadt sehr interessant. Auch Olympia 1984 wirkt irgendwie nach. Die verlassenden Sport- und Hotelanlagen in den umliegenden Bergen versprühen eine gewisse Mystik und den Charme des Vergangenen. Diesen hatte ich bereits vor einigen Jahren einen Besuch abgestattet und das wurde nun mit der an Lost Places äußerst interessierten Gattin wiederholt.
Die Herzdame war also mit dabei und nach dem Einschweben und dem Hotel-Check-in trafen wir uns direkt mit Tobi, Daniel und seiner Seli, die bereits seit über einer Woche über den Balkan tourten. Nun war vor dem am späten Nachmittag stattfindenden Clasico noch der Zweitliga-Kick von Slavija im Stadtteil Istocno, nahe dem Flughafen, machbar. Der Plan davor noch ein schnelles Bier zu trinken scheiterte, denn es wurden fünf oder sechs ehe wir uns per pedes direkt nach Grbavica aufmachten. Dort hatte sich seit meinem ersten Besuch bekanntermaßen was getan, denn die Gegengerade wurde erneuert und auch überdacht. Leider zu Lasten der symbolträchtigen, stylischen Dampf-Lok, die dort als Wahrzeichen und ‚Wappentier‘ des Eisenbahnervereins platziert war und nun einen anderen Standort außerhalb des Stadions gefunden hat. Zeljo geht es finanziell nicht gut, daher wurden die Eintrittspreise für dieses Spiel verdoppelt, mit 20 konvertiblen Mark, also knapp 10 Euro, aber immer noch erschwinglich. Die Gäste-Supporter erhielten komplett freien Eintritt. Grund für diese außergewöhnliche Entscheidung war, dass man sich auch in den schlimmsten Zeiten nicht vom Erzrivalen helfen lassen will. Irgendwie ein starkes Zeichen.
Der Eckblock war mit 1500 Weinroten gut gefüllt. Vor dem Spiel gab es schon einen Platzsturm der Gäste mit handfestem Austausch vor der Heimkurve, bei dem wir aber noch nicht anwesend waren. Die Veranstaltung war dann erwartet kurzweilig. Jede Pyro-Aktion zu beschreiben, würde den Text sprengen. Es qualmte, rauchte, leuchtete während des Kicks mehrere Male auf beiden Seiten und es wurden mehrere Spruchbänder gezeigt. Die Zeljo-Kurve zeigte zum Intro eine Choreo, die, ebenso wie ein Banner am Zaun, an ein führendes Mitglied der Maniacs erinnerte, welches im Konflikt mit einer kriminellen Vereinigung sein Leben gelassen hatte. Das Spiel war natürlich nicht hochklassig, aber für das auf dem Balkan oft überschaubar schön anzusehende Geknüppel gar nicht mal übel und spannend sowieso. Die Gastgeber drohten im grauen Tabellen-Mittelfeld zu versinken und benötigten daher dringend einen Sieg, auch für die Mentalität und Identität, um noch einmal mit langen Fingern nach den internationalen Startplätzen zu greifen. Nach einer halben Stunde gelang in einem ausgeglichenen Spiel die Führung und unmittelbar nach dem Wechsel wurde ein Sarajevo-Akteur nach Tätlichkeit zum Duschen geschickt. Die Eisenbahner hatten damit alle Trümpfe in der Hand, doch es dauerte bis in die Schlussminute, bis dieses Spiel mit einem sehenswerten Treffer endgültig entschieden wurde. Der Abend versank danach in geselliger Runde in gegrilltem Hackfleisch und Bier.
































