Ostrava – So., 31.10.2021, 15:00

FC Banik Ostrava vs AC Sparta Praha 2:2

Mestsky stadion v Ostrave-Vitkovicich, 14.273 Zuschauer, 1. Ceska fotbalova liga
Eigentlich sollte dieses Spiel der Auftakt für eine kleine Tour über die Ukraine nach Budapest sein. Leider war dieser Plan ein paar Tage vorher bereits gescheitert, als bekannt wurde, dass die im Urlaub weilende Arbeitskollegin erkrankt war. Zumindest diesen Honza-Kracher im östlichen Mähren wollte ich aber mitnehmen und konnte zum natürlich bereits gebuchten Hinflug kurzfristig einen noch erstaunlich günstigen Rückflug ab Katowice buchen. Da nach dem Rot-Weiss-Spiel am Vortag abends beim Kumpel noch die Playsi-Controller glühten und ich dann dort auf der Couch genächtigt hatte, war es nicht ganz so einfach sich um halb sieben ins Auto gen Dortmund Airport zu schmeißen. Eine positive Folge der Pandemie war in diesem Fall, dass am Security Check rein gar nichts los war, da hat man in Dortmund ja auch schon wertvolle Lebenszeit verschwenden müssen. Der Rainer war gewohnt pünktlich, daher bekam ich eine frühere als die gebuchte Transfer-Minibus-Kutsche. Das erhöhte den Zeitpuffer am Hauptbahnhof in Katowice und entspannte den Ticketkauf was aber letztlich auch egal war, denn der Intercity von Warsawa nach Budapest startete um 11:49 mit plus 13 Minuten. Im Gegensatz zum Deutschen Pendant war die Verspätung aber schnell wieder aufgeholt. Der Trick, das Alkoholverbot in polnischen Zügen zu umgehen, ist übrigens, die Fahrzeit im Speisewagen zu verbringen. Damit ist man dann auch von der zwar sinnvollen, aber ja doch lästigen Maskenpflicht befreit. Mit Umstieg in Bohumin kurz hinter der Grenze traf und pünktlich um 13:34 in Ostrava ein.
Vor dem Bahnhof stand kein einziges Taxi. Da Bahnhof und Stadion – Banik muss ja seit dem Auszug aus dem ‚Bazaly‘ im Montan-Stadtteil Vitkovice antreten – weit auseinander liegen, war die Bahnfahrt keine erwünschte Option. Also hirschelte ich mal los. Wo steht eigentlich geschrieben, dass Bahnhofs-Gegenden meistens eher zweifelhaft daherkommen? Ziemliche schmierige Gestalten lungerten in Hauseingängen und Toreinfahrten herum. Ein Taxi weiter Fehlanzeige und als ich schon die Uber-App offen hatte, hielt vor mir eine uralte Passat-Ranzbeule mit Taxi-Schild auf dem Dach. Kurz die Lebensgefahr abgewogen und rein in den Haufen. Was in den nächsten 15 Minuten folgte, war ein Schauspiel für sich. Der Taxameter war eine komplette Ruine. Der Versuch einen Fahrpreis herauszufinden war ein Ding der Unmöglichkeit, geschweige denn dass es möglich war, diesen zu Verhandeln. Eine gemeinsame sprachliche Basis fanden wir nicht. In allen möglichen Sprachen kramte ich die nötigen Worte raus, aber ich schaute nur in ein ratloses Gesicht. Sämtliche bisher eigentlich weltweit erfolgreich angewandten Gesten liefen ins Leere. Das war der verpeilteste und zudem zwielichtigste Taxi-Mokel, an den ich je geraten bin. Selten war ich so überzeugt, nach Erreichen des Zieles völlig abgezogen zu werden. Und dann grinst mich der Mann am Ende schüchtern an und zeigt zwei Finger. 200 Kronen, ein besserer Preis, als es Uber angezeigt hatte. Kann man nicht erfinden.
Eine gute Dreiviertelstunde vor dem Spiel am Stadion einzutreffen, reichte noch für ne Klobasa, zwei Cigaro und ein Bier. Sparta begann in einem phasenweisen echt guten Spiel mit hohem Tempo stark und beschäftigte die Gastgeber ausreichend, so dass diese kaum zu eigenen Offensivbemühungen kamen. Die verdiente Folge war die Führung für die Gäste, die auch zur Pause Bestand hatte. Aus dieser kam Banik wütend heraus und zehn Minuten waren in Hälfte zwei gespielt, als der Ausgleich fiel. Kurz darauf gab es Foulelfmeter für die Gäste, aber der Keeper hielt den gut geschossenen Penalty mit einer phänomenalen Parade. Kurz darauf entschied der Referee auf Ecke für Sparta. Der Spieler legte sich den Ball zurecht, die Abwehr formierte sich, alles wartete auf die Hereingabe, als der Referee das Spiel plötzlich unterbrach und zum VAR -Monitor rannte. Bestimmt zwei Minuten schaute der in der Glotze und gab wieder Elfer. Eine ähnliche Scheiße wie ich sie in der Vorwoche in Kopenhagen erlebt hatte. Das ist doch totaler Mist so, das macht echt keinen Spaß. Dieses Mal war die Kirsche dann drin und der Hass des Banik-Anhangs kochte hoch. Zwei Minuten vor Schluss zeigte der Schiri dann aber auch für die Gastgeber auf den Punkt. Der Ball lag schon für den Schützen bereit, der Torwart konzentrierte sich und wieder kam die Meldung aus dem Prager VAR-Keller. Unglaublich! Die Entscheidung hielt der Prüfung aber stand und mit Karacho landete der Ball zum umjubelten Remis im Netz. Banik und GKS Katowice begingen mit diesem Spiel das 25jährige Jubiläum ihrer Freundschaft. Nachdem Banik am Vortag schon mit einer guten Abordnung beim Gieksa-Kick in Jastrzebie aufgeschlagen war, waren gut 400-500 Leute aus dem schlesischen Kohlenpott in die Stahlkocher-Region gereist. Der Lärmpegel wurde über die ganze Spieldauer ganz gut gehalten, der Support kam natürlich ziemlich polnisch daher. Zu Beginn der Halbzeiten gab es je eine Choreo über die ganze Gegengerade und als sich eine Viertelstunde vor Schluss drei Dutzend Gestalten unter eine Plastikplane verzogen, war klar was kurz darauf geschehen würd und zwar genau im Moment des Ausgleichs. Erst qualmte es in den Farben von Banik und Gieksa, dass man kurz darauf die Hand kaum noch vor Augen sah, und wenig später erstrahlte die Kurve dann in Rot. Ein schönes Bild und die Kibice und Fanousci hatten auch schlauerweise bis zum Einbruch der Dunkelheit gewartet.
Der Gästeblock war zunächst enttäuschend spärlich gefüllt. Der Zug mit den Spartanern war unterwegs hängen geblieben war und so trafen die Ultras erst zwanzig Minuten vor Ende ein. Banik hatte in der Nachspielzeit noch die Riesenchance zum Sieg, aber mit dem späten Remis kann man sicher auch leben. Nach dem Spiel machte ich mich mit zwei Wegbier bewaffnet in Ruhe auf den einstündigen Marsch zum Busbahnhof. Der Flixer bracht mich in weniger als einer Stunde nach Katowice und fuhr dann weiter bis nach Odessa. Kurz habe ich überlegt…! Mit dem Linienbus eibelte ich dann noch mal eine Stunde durch die Gegend bis zum Flughafen, wo ich ein günstiges Zimmer für die Nacht in einer bewährten Unterkunft gebucht hatte. Am nächsten Morgen brachte mich Wizzair nach viel zu kurzer Nacht früh zurück nach Dortmund und um kurz nach 9:00 Uhr trat ich mit ner Tüte Brötchen durch die heimische Wohnungstür. Schöner Umweg, um ein paar Brödels fürs Frühstück zu holen. Was letztlich für ein Aufwand für den Besuch eines einzigen Spieles betrieben habe, ist eigentlich völlig absurd, auch wenn es echt eine kurzweilige Geschichte und ja auch anders geplant war. Auch der ökologische Fußabdruck wird sich sicherlich noch übergeben haben, aber klimaschädlich ist dieses Hobby ja leider sowieso. Gesundheitsschädlich ja eigentlich auch.