Stadion Chernomorets, 145 Zuschauer, Treta liga yugoiztochna
Nach anstrengenden Arbeitswochen kam es mir recht, dass mir die vom Arbeitgeber durch die Blume mitgeteilt wurde, dass der Resturlaub aus dem letzten Jahr langsam mal zu nehmen sei. Die Wahl fiel dann relativ schnell auf Bulgarien, da die Covid-Inzidenz dort beträchtlich gefallen und zudem für die Veranstaltung von Fußballspielen 30 % der Stadionkapazität für Zuschauer freigegeben war, was dort aufgrund des eher geringen Interesses bei annähernd allen Spielen ausreicht. Bulgarien hatte ich schon einige Male bereist, war aber nie an die Schwarzmeerküste vorgestoßen. Da die Herzdame mit am Start war und die ganze Nummer auch vorrangig Erholung und keine konkrete Fußball-Tour sein sollte, wurde der Osten des Landes also das Reiseziel. Nach morgendlicher Landung in Varna fuhren wir in aller Ruhe nach Burgas, der zweiten bulgarischen Metropole am Cherno More. Dort stieß am späten Nachmittag FK Chernomorets 1919 Burgas gegen Levski Karlovo in der Südost-Gruppe der viergeteilten Dritten Liga an. Diesen Verein gibt es erst seit 2015, allerdings schließt er an die Tradition des früheren PSFC Chernomorets an, der bereits der Nachfolger des ersten Clubs mit Namen Chernomorets war. Beide frühere Vereine wurden Opfer dubioser finanzieller Machenschaften ihrer Besitzer – ein Schicksal, dass einigen bulgarischen Vereinen nicht ganz unbekannt ist.
Der neue FC Chernomorets wurde 2015 von Fans gegründet. Die Heimspiele werden im alten Stadion Chernomorets ausgetragen, das eigentlich schon aufgegeben war. Pläne für ein modernes neues Stadion gibt es schon lange, aber die Umsetzung hat landesüblich nie stattgefunden. Der Vorgängerverein trug die Spiele im modernen Stadion Lazur aus, das alte Stadion verwilderte. Erst 1919 wurden die Ränge aufwändig von den wild wuchernden Pflanzen befreit, das Spielfeld wieder nutzbar gemacht. Seitdem trägt der Verein seien Spiele dort aus und müht sich aus der Dritten Liga nach oben zu kommen. Dass die Ränge des Stadions einst rundherum mit Sitzbänken ausgestattet waren, beweisen nur noch die steinernen Stümpfe die den Bänken Halt gaben. Lediglich auf der Hauptseite wurden neue Sitzschalen montiert, um dem aktuell (noch?) überschaubaren Publikum Platz zu geben. Die mächtige Anzeigetafel ist von einem zerrissenen Werbebanner verdeckt. Das weite Rund versprüht trotz oder gerade wegen seines Zustandes den Charme vergangener Zeiten. Eine kleine Gruppe fand sich zusammen und supportete das Team während der zweiten Spielhälfte, beflügelt von einigen verzehrten Bieren. Wie auch in den letzten beiden Jahren, scheint der Aufstiegstraum jedoch auch in dieser Saison knapp verpasst zu werden. Eine theoretische Chance bestand allerdings noch. Die Gäste aus Karlovo waren nicht in der Lage diese Theorie zu gefährden. Die Hoffnung stirbt also wohl erst am letzten Spieltag.