Sonntag, 13.11.2019, 14:00

deutschland

Wuppertaler SV vs Rot-Weiss Essen 1:2

Stadion am Zoo, 4.595 Zuschauer, Regionalliga West

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Es lief die sechste Minute der Nachspielzeit. Eigentlich hatte ich mich mit dem Remis arrangiert. Ich war mir zwar nicht sicher, ob die Punkteteilung gegen einen limitierten, aber kämpfenden WSV  nun in Ordnung geht. Aber irgendwie war ich auch froh, dass die Roten nicht mit gänzlich leeren Händen da standen, denn kurz zuvor hatten die Tal-Bewohner bei einem der seltenen Konter noch den Außenpfosten des Essener Gehäuses malträtiert. Aus dem Halbfeld segelte ein letzter Freistoß in den Wuppertaler Sechzehner, der schlecht verteidigt wurde und auf Umwegen landete die Kirsche auf dem Fuß von Hedon Selishta, der den Abstauber markierte. Der Rest ist Jubel in Rot und Weiss und der erste Sieg in einem Meisterschaftsspiel in Wuppertal seit 33 Jahren, was ungefähr die Zeit ist, seit der ich meinen Herzens-Verein unterstütze, war unter Dach und Fach. Und was für ein wertvoller, denn Tabellenführer Verl hatte am Vortag eine überraschende Niederlage kassiert. Der RWE hatte die Partie konzentriert begonnen, aber auf dem tiefen und unebenen Geläuf war das Passspiel schwierig, so dass die technischen Vorteile gegenüber den Gastgebern nicht in vollem Umfang abgeschöpft werden konnten. So war das Spiel auch in keiner Phase wirklich gut, aber immer umkämpft und spannend. Der WSV ging nach zwanzig Minuten in Führung, nach einem Ballverlust der Rot-Weissen in der Vorwärtsbewegung, dem ein nicht geahndetes Foul vorausging. Der RWE brauchte bis in die Schlussphase der ersten Hälfte, um das Geschehen wieder an sich zu reißen. Der Halbzeitpfiff bewahrte die Bergischen vor einem nicht unwahrscheinlichen Ausgleich in dieser Phase. Nach dem Wechsel dasselbe Bild. Die Roten auf dem Vormarsch, der WSV vermehrt mit Defensivaufgaben beschäftigt, aber mit zum Teil gefährlichen Entlastungs-Angriffen. Da zeigte sich dann, dass die rot-weisse Hintermannschaft noch immer nicht vollständig gefestigt ist. Nach einer guten Stunde fiel dann der verdiente Ausgleich und in der Folge sahen die Anwesenden stetes Bemühen um den Führungstreffer. Der wollte aber nicht fallen, vor allem, weil es mit der Überlegenheit an der Strafraumgrenze meist vorbei war und die Roten in der Box einfach nicht zwingend wurden. In der Schluss-Viertelstunde glänzten die WSV-Akteure dann durch massives Zeitspiel, mit dem irgendwie der eine Punkt gehalten werden sollte. Der wäre dann aufgrund des Gesamteindrucks nicht unverdient gewesen, denn die Rot-Blauen hatten halt alles rein geschmissen, was sie bieten konnten. Aber eben aufgrund dieser erbärmlichen Schinderei halte ich den späten RWE-Sieg für verdient, denn Zeitspiel sollte niemals belohnt werden.
Die aktive Essener Fanszene durfte den Erfolg nur aus der Ferne genießen. Aufgrund einer Großzahl, durch die Wuppertaler Polizei verhängten, recht willkürlich erscheinenden Betretungsverbote hatte sich die Szene entschieden, dem Spiel komplett fernzubleiben. Das kostete natürlich Stimmungsmomente, denn so sehr die Ultra-Kritiker, zu denen ich einige Positionen betreffend auch gehöre, darauf hinwiesen, dass es auch ohne Ultras geht, gehen sollte, ja eigentlich gehen muss, war ziemliche Support-Flaute. Entweder weiß keiner mehr, wie Stimmung ohne Ultras geht oder man ist zu bequem, sich selber aufzuraffen. Trotz kritischer Betrachtung der Bewegung, habe ich die Jungs oder eben deren Support vermisst. Einer Eingebung folgend, fuhr ich nach Spielschluss zur Hafenstraße und meine Vermutung traf zu – die Szene hatte sich versammelt, um den Mannschaftsbus bei Rückkehr zu empfangen und mit dem Team den Derby-Sieg zu feiern. Derby-Sieg – auch ein Streitpunkt. Ist das Spiel gegen den WSV nun ein Derby? Räumlich sicherlich, aber die Traditionalisten beharren starrköpfig darauf, dass es nur ein Derby gibt. Nur, wann der glorreiche RWE gegen den blauen Minus-Club aus der unaussprechlichen Nachbarstadt mal wieder in einem Pflichtspiel antreten wird, ist fraglich. Und die Duelle mit der blauen Reserve sind keine vollwertiges Derbys. Die jüngeren Kurvengänger und damit meine ich jene, die noch nicht 35 Jahre und älter sind, kennen den klassischen Derby-Gegner gar nicht mehr, sondern eben die Dauerrivalen aus Wuppertal, Aachen und Oberhausen. Und gerade die Duelle gegen den WSV waren immer von Brisanz und hoher Rivalität geprägt. Wenn es kein Derby ist, dann aber auf jeden Fall eine sehr besondere Begegnung mit hohem Prestige. Ein paar letzte Worte zum Spiel. Um den irgendwie ja doch verdienten Sieg einzufahren, musste – wie in vielen Spielen zuvor – wieder hoher Aufwand betrieben werden. Das musste angesichts einer breit aufgestellten Mannschaft mit technisch starken und schnellen Spielern eigentlich nicht sein. War aber so und genau dieser Umstand kann am Ende ausschlaggebend dafür sein, dass es für den Relegationsplatz nicht reicht. Wenn man jedoch die Hoffnung und den Glauben daran bedienen will, sei darauf hingewiesen, dass nach Abschluss der Saison, in welcher der letzte Sieg in einem Punktspiel am Wuppertaler Zoo gelang, der Aufstieg stand.